Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 14. Dezember 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Nach – wegen fehlerhafter Beweiswürdigung erfolgter – Aufhebung einer früheren Verurteilung durch Senatsbeschluß vom 26. Januar 2000 (1 StR 649/99) und Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht den Angeklagten erneut wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachbeschwerde und eine Verfahrensrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchte der Angeklagte am Vormittag des 7. November 1997 – möglicherweise zusammen mit einem unbekannten Mittäter – die ihm bekannte B. M. in deren Wohnung in Ga. auf, mit der er sich unter dem Vorwand einer Reise nach D. verabredet hatte. In der Wohnung tötete der Angeklagte (oder sein Mittäter) – vorgefaßtem Tatentschluß entsprechend – B. M., indem er (oder sein Mittäter) sie mit einem Küchenmesser erstach, um Geld und andere Gegenstände an sich zu bringen. Da das Opfer laut schrie und die Entdeckung der Tat drohte, sah der Angeklagte von der Durchsuchung der Wohnung ab. Lediglich der Schlüssel zur Wohnung der Eltern der Getöteten in Ga. – wurde – wie beabsichtigt – mitgenommen, um auch dort Gegenstände zu entwenden. Am Nachmittag des Tattages reiste der Angeklagte nach Kroatien.
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Insbesondere zwei Umstände sprechen für die Täterschaft des Angeklagten: Spurenbefunde, die auf seine Anwesenheit am Tatort hinweisen, und seine Verabredung mit dem Opfer zur Tatzeit unter einem Vorwand.
a) An einer drei Tage vor der Tat gekauften Mineralwasserflasche auf dem Wohnzimmertisch fanden sich Fingerabdrücke des Angeklagten. An Fingernagelschnitten des Opfers sowie an einem Handtuch im Bad wurde Zellmaterial gefunden, das mittels der DNA-Analyse dem Angeklagten zugeordnet werden konnte (Merkmalshäufigkeit 1:24, 1:454 und 1:909). Diese Spuren hat der Angeklagte damit erklärt, daß er am Vorabend der Tat mit dem Opfer in dessen Wohnung den Geschlechtsverkehr ausgeübt habe.
Andere Tatortspuren stammen nicht vom Angeklagten. Mineralwasserflaschen auf dem Wohnzimmertisch enthielten Speichelabriebe einer unbekannten Person. Gleichfalls von einer unbekannten – wahrscheinlich derselben – Person stammte eine Blutanhaftung an einem sichergestellten Küchenmesser. Deswegen geht das Landgericht wahlweise von Mittäterschaft aus.
b) Für den Vormittag des Tattages hatte der Angeklagte mit dem Opfer eine Autofahrt zu seinem Bekannten nach D. verabredet; dazu wollte er das Opfer in dessen Wohnung abholen. Tatsächlich hatte er die Reise indes nicht vor.
Diese Verabredung hat der Zeuge I. – ein Bekannter des Opfers – bekundet. Das Opfer hatte ihm bei einem Treffen kurz vor Mitternacht des Vortages berichtet, es werde am frühen Vormittag des Tattages mit dem Angeklagten nach D. fahren. Ferner hat der Zeuge angegeben, das Opfer habe ihn am Tattag um 9:35 Uhr angerufen und dabei erwähnt, daß sich die Fahrt nach D. verzögern würde. Die Angaben dieses Zeugen hält das Landgericht für glaubhaft, unter anderem aufgrund der Verbindungsdaten des Anrufs und weil das Opfer reisefertig gewesen sei. Zudem habe auch der Angeklagte (später) eingeräumt, die Reise nach D. verabredet zu haben. Er habe dem Opfer in einem Anruf gegen 9:00 Uhr aus einer Telefonzelle sein verspätetes Kommen angekündigt. Er habe sich zur Wohnung des Opfers begeben, allerdings sei er unverrichteter Dinge wieder gegangen, nachdem ihm auf sein Klingeln nicht geöffnet worden sei.
3. Das Landgericht ist von der Täterschaft des Angeklagten (entweder als Allein- oder als Mittäter) überzeugt. Neben den Spuren, die eine Anwesenheit des Angeklagten am Tatort belegen, und der Verabredung zur Tatzeit unter einem Vorwand hat das Landgericht als zusätzlich belastende Indizien auch die wechselnden und erlogenen Einlassungen des Angeklagten zur Erklärung dieser beiden Belastungsindizien und ein vorab zurechtgelegtes Alibi gewertet. Zwar könne auch ein Unschuldiger Zuflucht zu einer Lüge suchen. Das sei hier jedoch auszuschließen; vielmehr sei der Angeklagte bemüht gewesen, seine Einlassung der jeweiligen Beweislage anzupassen. Zudem seien Einzelheiten seiner letzten Einlassung widerlegt. Andere Personen seien als Täter auszuschließen.
II.
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Ein besonders gewichtiger – weil tatnaher – Umstand ist die Blutspur eines Unbekannten an einem sichergestellten Küchenmesser. Zu den Spuren des Unbekannten hat das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – ausgeführt:
Auf den auf dem Wohnzimmertisch gefundenen Mineralwasserflaschen – eine verschlossene (Spur 1) und eine offene (Spur 2) Flasche – wurden Speichelabriebe gesichert, die nach DNA-Merkmalen untersucht wurden. Die Spur an der offenen Flasche sei eine Mischspur von der Toten und einer unbekannten Person, die aber sehr wahrscheinlich dieselbe sei wie bei der verschlossenen Flasche und (nur) wahrscheinlich dieselbe sei wie bei der Blutanhaftung an dem sichergestellten Küchenmesser mit schwarzem Plastikgriff. An letzterem seien Blutanhaftungen am Griff und am Übergang zwischen Klinge und Griff gewesen. „Diese Spuren hätten Merkmale derselben Person wie bei den Mineralwasserflaschen und das Merkmal der Toten gehabt, seien also eine Mischspur. Auf dem Messer seien vom Angeklagten keine DNA-Spuren gefunden worden.”
Diese Tatortspur hat das Landgericht nur unzureichend – auch nicht im Hinblick auf eine möglicherweise andere Art der Tatbeteiligung des Angeklagten – der hier gebotenen Gesamtschau (vgl. BGH StV 1996, 367; NStZ-RR 2000, 45; BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 – 3 StR 17/01) unterzogen, wie der Aufbau der Beweiswürdigung zeigt.
a) Zunächst wird aus den wechselhaften und erlogenen Einlassungen des Angeklagten, insbesondere zur Erklärung seiner Tatortspuren, gefolgert, daß er bemüht gewesen sei, seine Angaben der jeweiligen Beweislage anzupassen.
Bei einer telefonischen Befragung als Zeuge in Kroatien am 26. November 1997 und bei einer Zeugenvernehmung im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens vom 15. April 1998 hatte der Angeklagte noch angegeben, nur einmal, im Mai 1997 (ein halbes Jahr vor der am 7. November 1997 begangenen Tat) in der Wohnung des Opfers gewesen zu sein. Eine sexuelle Beziehung zum Opfer hatte er bestritten.
Bei seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 6. und 7. Oktober 1998 – der Angeklagte war im September 1998 wieder nach Deutschland gekommen – wurde ihm zunächst sein Fingerabdruck vorgehalten. Für dessen Zustandekommen hatte er keine Erklärung. Er bestritt sowohl eine Verabredung mit dem Opfer für den Tattag als auch sexuelle Kontakte in der Tatwoche. Auch nach Vorhalt des Ergebnisses der DNA-Analyse blieb er dabei, nicht in der Wohnung des Opfers gewesen zu sein.
Im Dezember 1998 erklärte er die Fingerabdrücke seinem Verteidiger gegenüber mit der „gedanklichen Vorstellung”, er habe das Opfer in der Wohnung mit einem Messer oder einer Schere in der Brust steckend aufgefunden und ihm Mineralwasser bringen wollen.
Erstmals in der früheren Hauptverhandlung erklärte er die Spuren mit dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr am Vorabend des Tattages. Diesen habe er bisher verschwiegen, weil er die sexuellen Beziehungen gegenüber seiner Ehefrau und Familie verheimlichen wollte.
b) Sodann kommt das Landgericht zu dem Schluß, der vom Angeklagten behauptete Geschlechtsverkehr am Vorabend (nach 20:50 Uhr) – mit dem er seine Tatortspuren erklärt – sei zwar „theoretisch möglich gewesen, in Anbetracht der Gesamtumstände erscheint er jedoch der Kammer nicht glaubhaft”. Dazu führt das Landgericht insbesondere zwei Gründe an:
aa) Die Zeit für den Geschlechtsverkehr sei knapp gewesen; dafür hätten nur 20 bis 35 Minuten zur Verfügung gestanden.
Am Abend des Tages vor der Tat war der Angeklagte mit dem Opfer in der Wohnung der Eltern des Opfers, wo dieses von 20:00 Uhr bis 20:30 Uhr an zwei Männer einen Computer für 3.000 DM verkaufte. Um 20:30 Uhr fuhren beide im PKW des Opfers in Richtung F.. Das Opfer wollte in der Werkstatt seines Bekannten Lu. nach dem Auto sehen lassen. Unterwegs überholten sie auf der Autobahn um 20:40 Uhr die beiden Computerkäufer. In der Werkstatt kamen sie – vom Zeugen Lu. zuverlässig bekundet – zwischen 21:30 Uhr und 21:45 Uhr an und blieben dort bis 22:00 Uhr.
Allerdings wäre die restliche Fahrstrecke (nach dem Überholen der Computerkäufer) in zehn Minuten zurückzulegen gewesen, so daß sie um 20:50 Uhr bei der Werkstatt ankommen konnten. Diese Zeitlücke zwischen 40 Minuten (Ankunft um 21:30 Uhr) und 55 Minuten (Ankunft um 21:45 Uhr) konnte das Landgericht nicht aufklären. Möglicherweise sei langsamer gefahren oder ein Umweg benutzt worden; die Zeit könne auch auf sonst nicht bekannte Weise verbracht worden sein.
Der Angeklagte hat diese Zeitlücke damit erklärt, in diesem Zeitraum habe der Geschlechtsverkehr in der Wohnung des Opfers stattgefunden. Nach dem Überholen der Computerkäufer sei dieses auf seinen Vorschlag eingegangen, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Man sei von der Autobahn abgefahren und habe sich in die Wohnung des Opfers (Fahrtzeit zehn Minuten) begeben. Nachdem man sich in der Wohnung ca. 45 bis 60 Minuten aufgehalten habe – dort habe er Mineralwasser getrunken und sich im Bad die Hände abgetrocknet –, sei man in die Werkstatt nach F. gefahren.
bb) Ein Geschlechtsverkehr – so führt das Landgericht weiter aus – sei zudem aufgrund der Gesamtsituation und der Person des Opfers „nicht sehr wahrscheinlich”. Ein spontaner Entschluß während der Autofahrt mit der umständlichen Rückfahrt wäre nicht situationsgerecht gewesen. Auch habe es keinen Grund für eine Bereitschaft des Opfers zum Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gegeben. Das wird unter anderem damit begründet, daß das Opfer die Nacht zuvor mit dem Zeugen R. Geschlechtsverkehr gehabt und im übrigen eine neue Beziehung zu I. angebahnt habe.
c) Danach begründet das Landgericht, weshalb die für den Tattag verabredete Reise nur ein Vorwand gewesen sei. So habe der Angeklagte sicherstellen können, daß das Opfer alleine zu Hause war und bei seinem Eintreffen nicht mehr geschlafen habe.
Auch dazu habe der Angeklagte wechselhafte und erlogene Einlassungen vorgebracht. Bei der Rechtshilfevernehmung als Zeuge in Kroatien hat der Angeklagte die Verabredung nicht erwähnt; er habe das Opfer lediglich angerufen, um dieses zu wecken. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung hat er die Verabredung bestritten. In der früheren Hauptverhandlung gab er erstmals die Verabredung zu. Er habe mit dem Opfer zu seinem Bekannten bei D. fahren wollen, um dort Werkzeug für einen Bauauftrag der Firma des Opfers zu besorgen. Das habe er bisher verschwiegen, da es sich bei diesem Auftrag um Schwarzarbeit gehandelt habe.
Zudem sei für das Landgericht nicht plausibel, weshalb der Angeklagte ohne weitere Erkundigungen wieder gegangen sein will, nachdem ihm auf sein Klingeln nicht geöffnet worden sein soll.
d) Auch die Einlassungen des Angeklagten zum Ablauf des Vormittags des Tattages in der Wohnung seines Bekannten Fo. – dort hatte er übernachtet – seien widerlegt. Daraus ergebe sich vor allem, daß er sich schon vor der Tat ein Alibi zurechtgelegt habe.
Er habe Fo. und dessen Mutter die Verabredung mit dem Opfer verschwiegen, obwohl er dies ohne weiteres hätte erzählen können. Am Vormittag des Tattages sei er unbeobachtet von seinen Gastgebern aus der Wohnung geschlichen. Wenn – wie der Angeklagte bei seiner Planung angenommen habe – der noch schlafende Fo. und dessen Mutter, die üblicherweise früh zur Arbeit ging, weder seinen Weggang noch seine Rückkunft bemerkt hätten, hätte er als Alibi vorbringen können, er habe die Wohnung am Vormittag nicht verlassen. Diese Alibiplanung folgert das Landgericht unter anderem daraus, daß der Angeklagte wahrheitswidrig ein heimliches Verlassen der Wohnung bestritten habe.
e) Im Anschluß daran würdigt das Landgericht die Tatortspuren.
aa) Aufgrund der Tatortspuren des Angeklagten „steht fest, daß der Angeklagte diese Spuren … hinterließ”. Das Landgericht ist somit ersichtlich bereits an dieser Stelle davon überzeugt, daß er die Spuren nicht anläßlich des behaupteten Geschlechtsverkehrs, sondern anläßlich der Tat gesetzt habe.
bb) Nachdem das Landgericht weitere namentlich bekannte Männer (Fo., I., R., den Freund einer Bekannten des Opfers, den Ehemann des Opfers) und Personen aus dem Umkreis des Opfers als Täter und Spurenleger ausgeschlossen hat, befaßt sich das Landgericht damit, die Tatortspuren (Mineralwasserflaschen und Küchenmesser) des Unbekannten zu erklären.
Die Zeitpunkte, zu denen diese Spuren gesetzt wurden, seien nicht allein auf den Tatzeitpunkt eingrenzbar. Die Spur am Küchenmesser könne bei der Tat, müsse aber „nicht zwingend” dabei gesetzt worden sein. Wohl deshalb hat das Landgericht – was gleichwohl angezeigt gewesen wäre – nicht erörtert, ob dieses Küchenmesser das Tatmesser gewesen ist. Die Spuren an den Mineralwasserflaschen seien zwar nach dem 4. November 1997 (dem Kauftag, drei Tage vor dem Tattag) gesetzt worden, sie könnten von einem harmlosen Besucher stammen, aber auch im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen verursacht worden sein.
Zwar habe der Angeklagte die Tat auch alleine begehen können, aufgrund der genannten Spuren (des Unbekannten) könne aber nicht ausgeschlossen werden, daß bei der Tat auch ein Mittäter beteiligt gewesen sei. Nachdem der Angeklagte im Verlauf des Vorabends des Tattages den Tatentschluß gefaßt habe, habe er auch eine gewisse Zeit gehabt, einen anderen als Mittäter zu gewinnen.
2. Aufgrund des Aufbaus der Beweiswürdigung besorgt der Senat, daß das Landgericht sich die Überzeugung von der Täterschaft (als Alleintäter oder Mittäter) des Angeklagten gebildet hat, bevor es das wichtige Indiz „Tatortspuren des Unbekannten” gewürdigt hat. Es hat dabei aus – durchaus signifikanten – einzelnen Indizien jeweils abschließend auf die Täterschaft des Angeklagten geschlossen, ohne diesen Schluß – was hier geboten war – erst im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Indizien zu ziehen. Dies gilt ungeachtet der knappen „Gesamtwürdigung” am Ende der Beweiswürdigung (UA S. 52). Das Revisionsgericht kann aber eine unzureichende Gesamtwürdigung des Tatrichters nicht durch seine eigene ersetzen.
a) So hat sich das Landgericht von der Verursachung der Spuren des Angeklagten anläßlich der Tatbegehung überzeugt, ohne dabei die Tatortspuren des Unbekannten in die Würdigung einzubeziehen (UA S. 39/40). Da das Landgericht es aber für möglich hält, daß der Angeklagte die Tat alleine begehen konnte, wäre auch – was unterblieben ist – zu erörtern gewesen, ob der unbekannte Spurenleger nicht ebensogut Alleintäter war oder die Tat jedenfalls (mit oder ohne Wissen des Angeklagten) in der Wohnung des Opfers allein ausgeführt hat. Allein der Umstand, daß andere (namentlich bekannte) Personen aus dem Umfeld des Opfers als Täter ausschieden, schließt die Möglichkeit eines unbekannten Alternativtäters nicht aus.
b) Entsprechendes gilt für den vom Angeklagten behaupteten, „theoretisch zeitlich möglichen” Geschlechtsverkehr, den das Landgericht aufgrund des Zeitablaufs und der Situation nicht für glaubhaft hält (UA S. 26).
Es spricht zwar manches dafür – insbesondere auch die wechselhaften und erlogenen Einlassungen des Angeklagten –, daß der behauptete Geschlechtsverkehr eine an die Spurenlage angepaßte Schutzbehauptung ist. War dem so, so konnte dieses erlogene Einlassungsverhalten hier durchaus als belastendes Indiz gewertet werden (vgl. BGHSt 41, 153, 156; BGH StV 1985, 356, 357; NStZ 1986, 325; NStZ 2000, 549; BGHR StPO § 261 Beweiskraft 3). Eine abschließende Beurteilung darüber, ob die Erklärung des Angeklagten erlogen war, mußte jedoch der Gesamtwürdigung – einschließlich der Tatortspuren des Unbekannten – vorbehalten bleiben.
Dabei kann offen bleiben, ob die Begründung des Landgerichts tragfähig ist, ein spontaner Entschluß zum Geschlechtsverkehr während der Fahrt sei nicht situationsgerecht gewesen, weil das Opfer die Nacht zuvor mit R. Geschlechtsverkehr gehabt und sich im übrigen eine neue Beziehung zu I. angebahnt habe. Jedenfalls aber wäre die nicht aufgeklärte Zeitlücke von 40 bzw. 55 Minuten, die sich dann ergeben hätte, wenn die Fahrt zur Werkstätte ohne Unterbrechung durch den Geschlechtsverkehr fortgesetzt worden wäre, in die Gesamtwürdigung einzustellen gewesen.
c) Hinzu kommt, daß das Belastungsindiz eines vorab zurecht gelegten Alibis (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 49; zum erlogenen Alibi vgl. BGH NStZ-RR 1998, 303; NStZ 1999, 423; StV 2001, 439) zusätzlicher Erörterung bedurfte. Ob eine solche Planung überhaupt vorlag und ob der vom Landgericht angenommene Alibiplan hier als Belastungsindiz gewertet werden konnte, wird nicht hinreichend deutlich. Immerhin hatte der Angeklagte bei seinen Befragungen von dem so geplanten Alibi keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen hat er in wechselnden Angaben im Ergebnis vorgebracht, am Vormittag mit Fo. bzw. dessen Mutter zusammengewesen zu sein, was seine Gastgeber allerdings zuverlässig ausgeschlossen haben.
Der Umstand, daß der Alibi-Plan des Angeklagten danach eigentlich aufgegangen wäre, wenn er sich später wie geplant eingelassen hätte, hätte der Erörterung bedurft. Zwar mag es sein, daß sich sein späteres Vorbringen dadurch erklärt, daß er sich – möglicherweise auch, nachdem sein Telefonat aus der Telefonzelle feststand – nachträglich dafür entschieden hat, die geplante schwache Alibi-Behauptung (niemand hat gesehen, daß er die Wohnung verlassen hat), durch eine stärkere Alibi-Behauptung zu ersetzen (die Gastgeber bestätigen seine Anwesenheit). Das zu erwägen ist aber Sache des Tatrichters.
3. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Annahme des Landgerichts, die Verabredung des Angeklagten mit dem Opfer zur Tatzeit unter einem Vorwand sei ein erheblich belastendes Indiz. Dieses Indiz wird noch dadurch verstärkt, daß – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – der Angeklagte auch insoweit gelogen und seine Einlassung dem Ermittlungsstand angepaßt hat.
Das Landgericht hat nachvollziehbar begründet, weshalb ihm das Motiv für das Verschweigen der Verabredung „nicht verständlich erscheint”. Gleiches gilt für die auf zuverlässig festgestellte Tatsachen gegründeten Schlußfolgerungen, der Angeklagte habe die Reise tatsächlich nicht durchführen wollen, und die Beschaffung von Werkzeugen habe das Opfer zur Verabredung der Reise nicht veranlassen können. Anlaß für die Verabredung sei vielmehr gewesen, daß der Angeklagte dem Opfer finanzielle Hilfe durch seinen Bekannten in Aussicht gestellt und dieses so zur Verabredung bewegt habe.
Schon diese Umstände sprechen jedenfalls für eine Beteiligung des Angeklagten an der Tat. Sollte der neue Tatrichter insoweit zu demselben Beweisergebnis gelangen, so wird er unter Berücksichtigung der sonstigen Beweisumstände zu erwägen haben, ob er jedenfalls eine nach dem Zweifelsgrundsatz denkbar mildeste Variante der Tatbeteiligung des Angeklagten feststellen kann (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2000, 171).
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Kolz
Fundstellen