Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Leitsatz (amtlich)
Werden Stoffe geliefert, die (noch) keine Betäubungsmittelimitate sind, sondern nur Grundlage für deren Fertigung sein sollen, so liegt darin noch kein (allein-)täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 6 BtMG (im Anschluß an BGHSt 38, 58).
Normenkette
BtMG § 29 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. Januar 2001
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Betruges, der Urkundenfälschung und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten schuldig ist,
- im Ausspruch über die in den Fällen II 1 bis 6 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmittelimitaten in 6 Fällen sowie wegen Betruges und Urkundenfälschung” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und sichergestellte Gegenstände eingezogen. Mit seiner wirksam auf die Verurteilung nach dem Betäubungsmittelgesetz (Fälle II 1 bis 6 der Urteilsgründe) beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der Zeit von November 1997 bis Mai 1998 mit erheblichem Gewinn von Deutschland aus sechs Lieferungen – insgesamt 330 kg – des Narkosemittels Ketamin als Grundstoff für die Herstellung von Ecstasy-Imitaten an den „anderweitig verfolgten” H. nach Großbritannien. H. zahlte jeweils die Hälfte des Kaufpreises im voraus, die weitere Hälfte bei Lieferung. Im Zusammenhang mit der letzten Sendung lieferte der Angeklagte – wie von Anfang an vorgesehen – eine Tablettiermaschine mit dem Prägestempelmuster eines gängigen Symbols des Ecstasymarktes. Er ging davon aus, daß die mit der Tablettiermaschine hergestellten Imitate – bestehend aus dem von ihm gelieferten Ketamin sowie Koffein und Ephedrin – eine „ecstasy-ähnliche” Wirkung hervorrufen würden und in der britischen Drogenszene als echte Betäubungsmittel veräußert werden sollten, was auch geschah.
2. In seiner rechtlichen Würdigung vertritt das Landgericht die Ansicht, der Angeklagte habe den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungs-mittelimitaten in sechs Fällen erfüllt, weil er jeweils den Grundstoff für die Herstellung von Ecstasy-Imitaten mit dem Bewußtsein geliefert habe, daß diese später als echte Drogen verkauft werden sollten. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu.
a) Nach § 29 Abs. 6 BtMG sind die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 auch dann anzuwenden, wenn sich (u.a.) das Handeltreiben auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden. Zwar unterfällt Ketamin nicht dem Betäubungsmittelgesetz (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. AMG Anhang D I Rdn. 95) und der Angeklagte hat damit auch Handel getrieben, aber das Handeltreiben bezog sich nicht auf einen Stoff, der als Betäubungsmittel ausgegeben wurde.
aa) Die Frage, ob (allein-)täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 6 BtMG vorliegt, wenn Stoffe geliefert werden, die (noch) keine Betäubungsmittelimitate sind, sondern – wie hier – nur Grundlage für deren Fertigung sein sollen, hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen. Sie ist zu verneinen.
(1) Der 1. Strafsenat hat in seinem in BGHSt 38, 58 ff. abgedruckten Urteil vom 20. August 1991 – 1 StR 321/91 – allerdings entschieden, daß § 29 Abs. 6 BtMG im Sinne alleintäterschaftlichen Handeltreibens anwendbar ist, wenn die am Handel Beteiligten (Zwischenhändler und Händler) wissen, daß sich das Geschäft auf Betäubungsmittelimitate bezieht, die gegenüber den Endabnehmern als Betäubungsmittel ausgegeben werden sollen (vgl. auch BGHR BtMG § 29 Abs. 6 Handeltreiben 1). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Begriff des „Ausgebens” als Betäubungsmittel in § 29 Abs. 6 BtMG sei nicht ausschließlich als Beschreibung der Tathandlung zu verstehen, sondern zugleich auch eine Beschreibung der Pseudodrogen. Es genüge daher, wenn sich die am Handel Beteiligten darüber einig seien, daß sich das Geschäft auf Imitate beziehe, mit denen der Endabnehmer getäuscht werden solle (BGHSt aaO S. 61). Diese Überlegung kann aber auf den Rohstofflieferanten für Betäubungsmittelimitate nicht übertragen werden; denn sie würde den Begriff des Handeltreibens in einer mit dem Wortlaut nicht mehr vereinbaren Weise überdehnen.
(2) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfaßt das Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1, 6 BtMG zwar jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln (bzw. Betäubungsmittelimitaten) zu redermöglichen oder zu fördern; erforderlich ist aber, daß Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder Förderung einesbestimmten Umsatzgeschäftesmit Betäubungsmitteln (bzw. Imitaten) zielen (BGH NStZ 1993, 444; 1994, 501; StV 1994, 429 [Beschaffen von Streckmitteln]; BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 – 1 StR 423/00 = NStZ 2001, 323, 324; zu § 29 Abs. 6 BtMG vgl. BGHSt 38, 58, 62). Umsatzgeschäft bei der Lieferung eines Grundstoffes zur Herstellung eines Betäubungsmittelimitats ist zunächst allein der Verkauf des Grundstoffs. Mit dem Verkauf des Imitats ist der Grundstoff-Händler – wie auch der zu entscheidende Fall zeigt – regelmäßig nicht befaßt. Sein Geschäft ist abgewickelt, wenn er den Grundstoff verkauft und dafür Bezahlung erhalten hat. Selbst wenn man – mit BGHSt 38, 58 – zwischen der Lieferung des „fertigen” Imitats an den Händler und dem (beabsichtigten) Verkauf der Pseudodroge durch diesen an den Endverbraucher eine so enge Verbindung sieht, daß das (täuschende) Handeltreiben des Händlers mit dem Imitat dem Zwischenhändler quasi „zuzurechnen” ist, ist diese enge Verbindung jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn an dem vom Zwischenhändler gelieferten Stoff weitere Veränderungen vorgenommen werden sollen, um Imitate herzustellen (vgl. Weber BtMG § 29 Rdn. 1078; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39: die Belieferung mit Grundsubstanzen zur Herstellung von Betäubungsmitteln begründet noch keinen Verstoß gegen das BtMG).
bb) Der Händler eines Grundstoffes zur Herstellung eines Betäubungs-mittelimitats macht sich daher nicht wegen (allein-)täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmittelimitaten nach § 29 Abs. 6 BtMG (i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) strafbar. Er kann aber – je nach Tatinteresse und Tatherrschaft – etwa Mittäter des Händlers oder Teilnehmer an dessen Tat sein (vgl. Weber aaO Rdn. 1081 f.).
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte das Handeltreiben des H. mit Betäubungsmittelimitaten – ohne Täterwillen – vorsätzlich gefördert. Die Strafkammer hat die Haupttat des H., zu der der Angeklagte Hilfe geleistet hat, zureichend festgestellt (UA 13 f., 21); die Einzelheiten dieser Tat brauchte der Angeklagte nicht zu kennen (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39 [Lieferung von Grundsubstanzen]; BGH, Beschluß vom 20. Juni 1995 – 4 StR 273/95 [Transport von Streckmitteln]). Allerdings tragen die Feststellungen lediglich die Annahme, daß der Angeklagte mit seinen Beihilfebeiträgen insgesamteine – nach Lieferung der Tablettiermaschine begangene – Haupttat gefördert hat (vgl. BGH NStZ 1997, 121; 1999, 451; 513, 514; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 27 Rdn. 13). Er hat sich dahereiner Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da in der Hauptverhandlung vor dem Senat auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen wurde und sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Ob in Großbritannien das Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten strafbar ist, ist für den Schuldspruch ohne Bedeutung; denn die Geltung des deutschen Strafrechts für die Beihilfe ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGH StV 1999, 432, 433; BGH, Beschluß vom 18. Januar 1983 – 3 StR 415/82 (S); Körner aaO § 29 BtMG Rdn. 148). Der Senat hat die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs.1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf die Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes beschränkt.
3. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II 1 bis 6 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die Einzelstrafe für die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten und die Gesamtstrafe müssen daher neu festgesetzt werden.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović
Fundstellen
Haufe-Index 657717 |
BGHSt |
BGHSt, 134 |
NJW 2002, 452 |
NStZ 2002, 210 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 142 |
Kriminalistik 2002, 390 |
StV 2002, 256 |