Leitsatz (amtlich)
Hat eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind (im Anschluss an Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZWE 2020, 44 Rn. 16).
2a. Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, trifft die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2b. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann.
2c. Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.
Normenkette
WoEigG § 27; BGB §§ 255, 280 Abs. 1, § 632a; VOB B § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 14.06.2022; Aktenzeichen 1 S 160/21) |
AG Essen-Borbeck (Entscheidung vom 05.08.2021; Aktenzeichen 24 C 145/20) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 14. Juni 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte war Verwalter der Klägerin, einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Juli 2019 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erneuerung der Dacheindeckung. Nach der Vergabe der Arbeiten mit einem Gesamtvolumen von 116.497,85 € brutto stellte der beauftragte Werkunternehmer eine Abschlagsrechnung für Material in Höhe von 61.872 €; dieser Rechnung beigefügt war ein Angebot einer anderen Firma aus April 2019 über die Lieferung von Baumaterial. Im Oktober 2019 zahlte der Beklagte aus Mitteln der Klägerin einen - auf fünf Teilzahlungen aufgeteilten - Betrag von 70.000 €. Nach dem Beginn der Arbeiten zahlte er im November 2019 einen weiteren - auf sechs Teilzahlungen aufgeteilten - Betrag von 34.500 €, ohne dass insoweit Abschlagsrechnungen gestellt wurden. Die Arbeiten an dem Dach wurden bei einem Baufortschritt von etwa 85-90 % eingestellt. Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Privatgutachten bezeichnet die erbrachten Arbeiten als mangelhaft und unbrauchbar; zur Beseitigung der Mängel sei der Abriss der bisherigen Arbeiten erforderlich. In einem anderen Verfahren nimmt die Klägerin den Werkunternehmer im Wege der offenen Teilklage auf Rückzahlung geleisteter Abschläge in Anspruch.
Rz. 2
Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Zahlung von 104.500 € nebst Zinsen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen den Werkunternehmer, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Mit einem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte alle Schäden zu ersetzen habe, die ihr durch die Auszahlung des Betrages von 104.500 € im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben entstehen. Das Amtsgericht hat der Klage nur im ersten Hilfsantrag und hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage unter Zurückweisung der gegen die Abweisung des unbedingten Zahlungsantrags und hilfsweise auf die Feststellung von Annahmeverzug gerichteten Anschlussberufung der Klägerin abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag. Es meint, die Klägerin habe, eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt, nicht hinreichend dargelegt, dass der Vermögensabfluss von 104.500 € ihrem Schaden entspreche, denn sie lasse den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung außer Betracht. Das Privatgutachten enthalte lediglich die nicht ausreichende pauschale Feststellung, dass die erbrachten Werkleistungen unbrauchbar seien; es verhalte sich nicht dazu, ob die von dem Beklagten gezahlten Gelder nicht auch einen Vermögenszufluss bei der Klägerin verursacht hätten. Außerdem bleibe der Klägerin der von dem Werkunternehmer vorgenommene Abriss des alten Daches als Vorteil erhalten, und es könne eventuell Material bei einer Beseitigung der behaupteten Mängel (wieder-)verwendet werden. Im Übrigen hätten sich unterstellt vorzeitige Abschlagszahlungen nicht kausal ausgewirkt. Denn ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Beklagten, das in Zahlungen auf berechtigte Abschlagsforderungen zu sehen wäre, hätte die Klägerin nicht vor einem Schaden durch die behauptete mangelhafte Werkausführung bewahrt. Der Beklagte verfüge auch nicht über bausachverständige Fertigkeiten, so dass nur der Maßstab angelegt werden könne, welcher der üblichen Sorgfalt eines Wohnungseigentümers entspreche.
II.
Rz. 4
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Verwaltervertrag wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen nicht verneint werden.
Rz. 5
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe - eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt - den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung außer Acht gelassen und infolgedessen nicht hinreichend dargelegt, dass der Vermögensabfluss von 104.500 € ihrem Schaden entspreche, ist unzutreffend.
Rz. 6
a) Das Berufungsgericht verkennt insoweit, wie die Revision mit Recht rügt, die Darlegungs- und Beweislast. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (vgl. etwa Senat, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 84/02, NJW-RR 2004, 79, 81; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2021 - IX ZR 9/21, VersR 2022, 117 Rn. 17). Wären die von dem beauftragten Werkunternehmer erbrachten Leistungen, wie das Berufungsgericht annimmt, unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. allerdings unten Rn. 24), müsste nicht die Klägerin, sondern der Beklagte darlegen und beweisen, ob und in welchem Umfang bei der Klägerin mit Rücksicht auf die erbrachten Leistungen des Werkunternehmers ein Vorteil verblieben sein könnte.
Rz. 7
b) Aber auch von seinem Standpunkt aus durfte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht als unsubstantiiert erachten.
Rz. 8
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Die Partei darf sich in diesem Fall auf den Vortrag von ihr zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken. Zur Ermittlung von Umständen, die ihr nicht bekannt sind, ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. März 2023 - V ZR 128/22, NJW 2023, 718 Rn. 9 f. mwN).
Rz. 9
bb) Daran gemessen ist der Vortrag der Klägerin, wonach pflichtwidrigen Abschlagszahlungen insgesamt unbrauchbare Werkleistungen gegenüberstehen, die (auch) den Abriss des neuen Daches erfordern, ohne jeden Zweifel schlüssig und hinreichend substantiiert. Der Umstand, dass die Klägerin zur Untermauerung ihres Vortrags ein aus Sicht des Berufungsgerichts unzureichendes Privatgutachten eingereicht hat, ändert hieran nichts. Denn bei einem Privatgutachten handelt es sich nur um (substantiierten) Parteivortrag (vgl. Senat, Urteil vom 20. September 2002 - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 71). Durch die Beauftragung eines Privatgutachters hat die Klägerin mehr veranlasst, als prozessual von ihr verlangt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2023 - V ZR 128/22, NJW 2023, 718 Rn. 10). Dass das Privatgutachten keine detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Mängeln enthalten mag, rechtfertigt es daher nicht, den klägerischen Vortrag als unerheblich anzusehen; deshalb wären auch dann, wenn die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet wäre, genauere Angaben zu einzelnen Mängeln und dem Umfang der Mangelbeseitigung nicht erforderlich gewesen.
Rz. 10
2. Der Klage kann der Erfolg entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht mit dem Verweis auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, also auf einen fehlenden Kausalzusammenhang zwischen einer - unterstellten - Pflichtverletzung des Beklagten und einem - unterstellt wegen der mangelhaften Werkleistungen eingetretenen - Schaden der Klägerin versagt werden.
Rz. 11
a) Die Berufung des Schädigers auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, das heißt der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 156/11, NJW 2012, 2022 Rn. 17; BGH, Urteil vom 2. November 2016 - XII ZR 153/15, ZfIR 2017, 102 Rn. 24; Urteil vom 10. Juli 2018 - II ZR 24/17, BGHZ 219, 193 Rn. 39).
Rz. 12
b) Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht vor. Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Klägerin, dass die Abschlagszahlungen von dem Beklagten pflichtwidrig vorgenommen worden sind. In diesem Fall wäre aber die unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu prüfende Handlungsalternative (vgl. beispielhaft etwa Senat, Urteil vom 29. Januar 2016 - V ZR 285/14, BGHZ 209, 1 Rn. 16; s.a. BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 - II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 23) allein die Nichtvornahme der Zahlungen gewesen; dadurch wäre der - unterstellte - Schaden gerade nicht gleichermaßen entstanden, sondern vielmehr verhindert worden. Demgegenüber knüpft die Annahme, dass der Beklagte berechtigte Abschlagsforderungen des Werkunternehmers bei pflichtgemäßen Verhalten zu erfüllen gehabt hätte, nicht (nur) - wie es aber Voraussetzung eines solchen Einwands wäre - an ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Beklagten an, sondern setzt außerdem ein fiktives Alternativverhalten eines Dritten, nämlich des Werkunternehmers, voraus.
III.
Rz. 13
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere Feststellungen zu treffen sind. Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 14
1. Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob der Beklagte seine Pflichten als Verwalter der Klägerin verletzt hat (§ 280 Abs. 1 BGB).
Rz. 15
a) Hat eine GdWE mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des Verwalters nach Maßgabe des hier noch anwendbaren (vgl. dazu Senat, Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22, WuM 2023, 306 Rn. 10 mwN) § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung (jetzt § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 75), Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG aF ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind; für ihn erkennbare Mängel muss er hierbei berücksichtigen (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZWE 2020, 44 Rn. 16 mwN).
Rz. 16
b) Der Verwalter einer GdWE hat demnach zu prüfen, ob eine von dem mit einer Erhaltungsmaßnahme beauftragten Werkunternehmer verlangte Abschlagszahlung dem Grunde und der Höhe nach berechtigt ist. Daraus folgt, dass der Verwalter im Regelfall (auch) die Voraussetzungen des § 632a BGB, der weitgehend § 16 Abs. 1 VOB/B entspricht (vgl. BT-Drucks. 18/8486 S. 47), beachten muss. Hierzu gehört unter anderem das in § 632a Abs. 1 Satz 5 BGB geregelte Erfordernis einer Aufstellung, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglicht; ohne sie ist ein Anspruch auf Abschlagszahlung nicht gegeben (vgl. BeckOGK/Mundt, BGB [1.10.2023], § 632a Rn. 38; BeckOK BGB/Voit [1.11.2022], § 632a Rn. 10; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl., § 632a Rn. 7). Der Verwalter muss die Abschlagsrechnung außerdem daraufhin durchsehen, ob sie zu dem Auftrag und dem Leistungsstand passt (ebenso etwa OLG Frank-furt a.M., ZMR 2009, 620, 621 mwN). Eine Abschlagszahlung für Stoffe oder Bauteile, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, erfordert abgesehen davon, dass die Stoffe oder Bauteile den vertraglichen Vorgaben entsprechen müssen (BeckOK BGB/Voit [1.11.2022], § 632a Rn. 11) - außerdem gemäß § 632a Abs. 1 Satz 6 BGB, dass dem Besteller nach seiner Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird.
Rz. 17
c) Von einer Verletzung der Pflicht, die verlangten Abschlagszahlungen auf ihre Berechtigung zu überprüfen, dürfte nach den bisherigen Feststellungen auszugehen sein. So fehlt es für einen erheblichen Teil der Zahlungen an einer Abschlagsrechnung beziehungsweise einer Aufstellung, die eine sichere Beurteilung der erbrachten Leistungen ermöglichen würde; damit bestand insoweit von vorneherein kein Anspruch des Werkunternehmers. Soweit für andere Teilzahlungen eine Abschlagsrechnung für Material vorhanden ist, hätte der Beklagte jedenfalls stichprobenartig überprüfen müssen, ob diese zu dem Auftrag und dem angelieferten Material passt und ob das Material übereignet oder Sicherheit geleistet worden ist; nach den bisherigen Feststellungen kann hiervon nicht ausgegangen werden.
Rz. 18
d) Auf die Frage, ob die in dem Privatgutachten genannten Mängel der Werkleistungen für den Beklagten erkennbar waren, was die Revisionserwiderung in Abrede stellt, kommt es demnach (zunächst) nicht an. Sollte sich im Verlauf des weiteren Verfahrens allerdings herausstellen, dass der Beklagte seinen Pflichten bei Überprüfung der vorhandenen Abschlagsrechnung genügt hat, hätte sich das Berufungsgericht damit zu befassen, ob sich ein Verwalter, der nicht selbst über die erforderlichen Kenntnisse für die Prüfung der Werkleistungen verfügt, überhaupt auf eine allein auf mangelnder Fachkunde beruhende fehlende Erkennbarkeit von Mängeln der Werkleistung berufen kann. Das kann insbesondere dann zu verneinen sein, wenn es der Verwalter bei einer mit erheblichem Kostenrisiko verbundenen umfangreichen baulichen Maßnahme unterlassen hat, die Wohnungseigentümer auf seine fehlende Fachkompetenz hinzuweisen und eine Beschlussfassung über eine überwachende Tätigkeit durch Sonderfachleute vorzubereiten (vgl. hierzu Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 27 Rn. 109; Staudinger/Jacoby, BGB [2023], § 27 WEG Rn. 107; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 254; Bub, PiG 7, 57, 68; Vandenhouten, ZWE 2012, 237, 241; s. zur tatsächlichen Vermutung für eine entsprechende Beschlussfassung in vergleichbaren Fällen Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZWE 2020, 44 Rn. 39 f.).
Rz. 19
2. Das Berufungsgericht wird, wenn sich Pflichtverletzungen des Beklagten bestätigen sollten, weiter zu prüfen haben, ob das Verhalten des Beklagten zu einem Schaden der Klägerin geführt hat.
Rz. 20
a) Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 59 f.; Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304). Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der GdWE, was das Berufungsgericht im Grundsatz auch erkennt, allerdings nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, trifft die GdWE.
Rz. 21
b) Das folgt entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Beklagtenvertreters allerdings nicht daraus, dass es sich bei den erbrachten Werkleistungen um unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehende Vorteile handelte.
Rz. 22
aa) Zwar geht der Bundesgerichtshof etwa für den Spezialfall der Steuerberaterhaftung davon aus, dass (Steuer-)Vorteile, die unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses sind, also solche, die zwangsläufig - sozusagen spiegelbildlich - mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, Teil des Gesamtvermögensvergleichs und unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehen sein können mit der Folge, dass die Darlegungs- und Beweislast bei dem Geschädigten liegt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2021 - IX ZR 9/21, VersR 2022, 117 Rn. 16; s.a. Urteil vom 24. Juli 2023 - VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 14). Im Übrigen entspricht es aber ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Vorteile - auch Steuervorteile - nur im Wege der auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruhenden Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sind; diese kommt nur in Betracht, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, was der Schädiger darzulegen und zu beweisen hat (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. April 2023 - V ZR 86/22, NJW-RR 2023, 1125 Rn. 32; Urteil vom 15. April 1983 - V ZR 152/82, NJW 1983, 2137, 2138; zu Steuervorteilen Senat, Urteil vom 30. November 2007 - V ZR 284/06, NZM 2008, 179 Rn. 11; BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 25; jeweils mwN).
Rz. 23
bb) Hier ergeben sich etwaige Vorteile, sofern sie bei der Klägerin überhaupt eingetreten sind, allein infolge des Bauvertrags. Sie beruhen nicht kausal auf der Verletzung der Verwalterpflichten des Beklagten im Zusammenhang mit der Erbringung von Abschlagszahlungen, sondern auf den Leistungen des beauftragten Werkunternehmers, die ohne die Zahlungen auch nicht zwangsläufig entfielen.
Rz. 24
c) Ob eine pflichtwidrige Abschlagszahlung zu einem Schaden geführt hat, hängt aber gleichwohl davon ab, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Diese Frage stellt sich schon im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs, weil sich die Differenzhypothese auch einer normativen Kontrolle zu unterziehen hat (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304). Entscheidend ist insoweit, dass es sich bei den Abschlagszahlungen um vorläufige Zahlungen handelt.
Rz. 25
aa) Die in § 632a BGB bzw. § 16 Abs. 1 VOB/B geregelte Abschlagszahlung bezweckt, den nach § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB vorleistungspflichtigen Werkunternehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 44 mwN; Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83, NJW 1985, 1840). Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet. Die Abschlagsforderungen und auch die Anzahlungen haben keinen endgültigen Charakter, sondern sind nur vorläufig (BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, aaO). Der Werkunternehmer hat daher über die ihm zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen mit der Schlussrechnung abzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - VII ZR 6/14, WM 2015, 1073 Rn. 14; Urteil vom 24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, NJW 2002, 1567, 1568). Erbrachte Abschlagszahlungen sind dabei lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, aaO Rn. 45). Zur Rückzahlung ist der Unternehmer aus dem geschlossenen Vertrag (nur) verpflichtet, soweit die Summe der Abschlagszahlungen die ihm zustehende Gesamtvergütung übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 374 mwN).
Rz. 26
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht ein Schaden der GdWE aufgrund pflichtwidrig erbrachter Abschlagszahlungen des Verwalters nur, soweit deren Summe die dem Werkunternehmer zustehende Gesamtvergütung übersteigt.
Rz. 27
(1) Demnach wird zum einen aufzuklären sein, ob die durch den Werkunternehmer erbrachten Leistungen, wie die Klägerin, gestützt auf das Privatgutachten, hinreichend substantiiert behauptet, unbrauchbar sind. Die Beweislast trifft, da es um die tatsächlichen Voraussetzungen des Gesamtvermögensvergleichs geht, die Klägerin.
Rz. 28
(2) Zum anderen kann der Verwalter nur dann erfolgreich wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Werkunternehmer und der GdWE in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist; auch hierzu fehlt es bislang an Feststellungen.
Rz. 29
(a) Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann. Es entspricht einhelliger - wenngleich nicht näher begründeter - Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass eine Inanspruchnahme des Verwalters wegen pflichtwidrig veranlasster Abschlagszahlungen die Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen den beauftragten Werkunternehmer voraussetzt (vgl. OLG Frankfurt a.M., ZMR 2009, 620, 621; Bärmann/Becker, 15. Aufl., WEG § 27 Rn. 195; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 27 Rn. 161; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 26 Rn. 45; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 254).
Rz. 30
(b) Diese Auffassung trifft grundsätzlich zu. Allerdings scheidet die Inanspruchnahme des Verwalters nur aus, wenn noch durchsetzbare (Nach-)Erfüllungsansprüche gegen den Werkunternehmer bestehen. Solange besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Werkunternehmer im Wege der (Nach-)Erfüllung ein vertragsgemäßes Werk erbringt, wozu ihn der Verwalter in Erfüllung seiner ihm gegenüber der GdWE obliegenden Pflichten auch anhalten muss. In diesem Stadium lässt sich wegen des vorläufigen Charakters der Abschlagszahlungen (vgl. dazu Rn. 25) noch nicht beurteilen, ob - und ggf. in welcher Höhe - die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen einen Schaden verursacht haben.
Rz. 31
d) Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.
Rz. 32
aa) Ist das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, bestehen zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer nur noch Zahlungsansprüche (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 - VII ZR 301/13, BGHZ 213, 349 Rn. 44 ff.; Urteil vom 28. Mai 2020 - VII ZR 108/19, NJW 2020, 2270 Rn. 19 ff.). Insoweit sind die Abschlagszahlungen als Rechnungsposten einzustellen, und es lässt sich nunmehr feststellen, ob und in welcher Höhe der GdWE ein Schaden entstanden ist. Infolgedessen gilt im Verhältnis der GdWE zu dem pflichtwidrig Abschläge zahlenden Verwalter der allgemeine Grundsatz, wonach sich ein Geschädigter nicht darauf verweisen lassen muss, dass er (auch) einen Anspruch gegen einen Dritten hat; es steht dem Geschädigten vielmehr grundsätzlich frei, wen er in Anspruch nimmt. Dadurch soll der Geschädigte den mit der Durchsetzung des anderen Anspruchs verbundenen Aufwand und das Insolvenzrisiko des Dritten auf den Schädiger verlagern können (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19, WuM 2021, 757 Rn. 18 mwN).
Rz. 33
bb) Nimmt die GdWE in diesem Fall den Verwalter in Anspruch, ist der Verwalter wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen aber entsprechend § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.
Rz. 34
(1) Zwar betrifft § 255 BGB unmittelbar (nur) die Schadensersatzpflicht wegen des Verlusts einer Sache oder eines Rechts gegen Abtretung der Ansprüche, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen. Die Vorschrift beruht aber auf der grundsätzlichen Überlegung, dass einer von mehreren Schädigern dem Schaden ferner steht und deshalb im Innenverhältnis in vollem Umfang bei dem anderen Schuldner Regress nehmen können soll; der Gläubiger wiederum soll die Leistung nicht doppelt erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1989 - III ZR 192/87, BGHZ 106, 313, 320; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., BGB § 255 Rn. 2). Sie ist deshalb über ihren Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fälle entsprechend anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19, WuM 2021, 757 Rn. 19 mwN).
Rz. 35
(2) Die Inanspruchnahme des Verwalters durch die GdWE wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen an einen Werkunternehmer, dem gegenüber die GdWE (nur noch) Zahlungsansprüche hat, gebietet die entsprechende Anwendung von § 255 BGB. Denn der Verwalter steht dem Schaden ferner als der Werkunternehmer. Eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 421 BGB zwischen dem Verwalter und dem Werkunternehmer besteht mangels Gleichstufigkeit der Verpflichtungen des Verwalters und des Werkunternehmers nicht (vgl. zu den Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung BGH, Urteil vom 18. April 2023 - VI ZR 345/21, MDR 2023, 771 Rn. 21 mwN). Die GdWE wiederum soll die Zahlungen nicht doppelt erlangen können.
Rz. 36
cc) Einer Erhebung der Zug-um-Zug-Einrede durch den Beklagten bedarf es jedenfalls nicht. Denn die Klägerin trägt dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten bereits durch ihre ausdrücklich so formulierte „hilfsweise“ Antragstellung Rechnung (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1973 - V ZR 118/71, BGHZ 60, 319, 323; BGH, Urteil vom 25. November 1998 - VIII ZR 323/97, juris Rn. 9), auch wenn es sich nicht um einen Hilfsantrag im Sinne einer von einer innerprozessualen Bedingung abhängigen eventuellen Klagehäufung, sondern um ein in dem Hauptantrag ohnehin enthaltenes „Minus“ handelt.
Rz. 37
3. Sollte es im weiteren Verlauf des Verfahrens noch auf den als zweiten Hilfsantrag gestellten Feststellungsantrag ankommen, wäre dieser - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - unzulässig. Ein Schadensposten, der zum Gegenstand einer bezifferten Leistungsklage gemacht worden ist, kann grundsätzlich nicht in identischem Umfang Gegenstand eines hilfsweise gestellten Feststellungsantrags sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96, NJW 1998, 1633).
Brückner Göbel Malik
Laube Grau
Fundstellen
NJW 2024, 8 |
BauR 2024, 765 |
NJW-RR 2024, 499 |
IBR 2024, 200 |
IBR 2024, 201 |
NZM 2024, 293 |
ZMR 2024, 3 |
ZMR 2024, 593 |
ZfIR 2024, 256 |
JZ 2024, 177 |
WuM 2024, 235 |
ZWE 2024, 178 |
NJW-Spezial 2024, 322 |
NZBau 2024, 266 |
BBB 2024, 44 |
immobilienwirtschaft 2024, 88 |