Leitsatz (amtlich)
1. Die Erklärung einer Partei, sie habe nicht die Absicht, Revision einzulegen, und bitte um Zusendung der Kostenrechnung, enthält keinen Verzicht auf das Rechtsmittel der Revision.
2. Der Feststellungsentscheid der Landesjustizverwaltungen, durch den das Ehescheidungsurteil eines ausländischen Gerichts anerkannt wird, kann durch Klage vor den ordentlichen Gerichten angefochten werden.
Normenkette
ZPO §§ 514, 566; AVO § 28; EheGDV § 24 4.; GrundG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.06.1957) |
Tenor
Die Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 5. Juni 1957 wird zurückgewiesen.
Der Nebenintervenient hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin und der Nebenintervenient haben im März 1945 vor dem deutschen Standesbeamten in Prag die Ehe geschlossen. Da der Nebenintervenient Deutscher ist, hat die Klägerin, die vorher die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit hatte, durch die Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Nachdem die Ehegatten nach ihrer Heirat in Rewnitz, dem damaligen Wohnort der Frau, zusammengelebt hatten, ist der Nebenintervenient, der Angehöriger der deutschen Wehrmacht war, zum Einsatz an der Ostfront gelangt. Von April 1945 an ist er vermißt gewesen. Erst im Jahre 1949 ist er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Die Klägerin ist während dieser Zeit in ihrer Heimat in Prag geblieben. Auf ihren Antrag ist durch Urteil des Zivilkreisgerichts in Prag vom 14. Dezember 1948 - C K XII a 748/48/5 - die Ehe ohne Schuldausspruch geschieden worden. Als Scheidungsgrund ist angegeben, daß die Ehe wegen der Verschiedenartigkeit der Charaktere der Parteien und wegen der lange dauernden Verschollenheit des Ehemannes zerrüttet sei. Dem Ehemann ist das Urteil nicht zugestellt worden; die Klägerin hatte seit April 1945 von ihm keine Nachricht mehr erhalten. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft hat er sogleich Verbindung mit ihr aufgenommen. Im Jahre 1950 ist sie auf Veranlassung des Nebenintervenienten in die Bundesrepublik gekommen. Danach haben die Eheleute bis zum Jahre 1956 in ehelicher Gemeinschaft gelebt. Am 25. Februar 1956 hat der Ehemann die Anerkennung des Scheidungsurteils beantragt. Am 12. April 1956 hat er gegenüber dem Oberlandesgerichtspräsidenten in Düsseldorf einen Verzicht auf die Einhaltung der Vorschrift des §328 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO erklärt. Der Beklagte hat durch Erlaß vom 11. Mai 1956 das Scheidungsurteil des Zivilkreisgerichts in Prag anerkannt. Die Klägerin ist im Anerkennungsverfahren nicht gehört worden. Am 8. September 1956 hat der Nebenintervenient wieder geheiratet.
Die Klägerin erstrebt die Aufhebung des Anerkennungsentscheides. Sie hat geltend gemacht: Sie habe nach dem Zusammenbruch die Scheidungsklage erheben müssen, weil sie als Ehefrau eines Deutschen damals erheblichen politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Nur durch die Scheidung und die Wiedererlangung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit habe sie Aussicht auf eine Besserung ihrer Lage gehabt. Nach der Wiedervereinigung mit ihrem Ehemann seien sie sich einig gewesen, daß das Scheidungsurteil keine Bedeutung haben solle. Sie habe auch mit ihm vom Jahre 1950 bis zum Jahre 1956 zusammengelebt. Erst als ihr Ehemann eine andere Frau kennengelernt habe, habe er die Anerkennung des Scheidungsurteils betrieben. Da sie im Anerkennungsverfahren nicht gehört worden sei, habe sie dem Antrag nicht widersprechen können. Das Scheidungsurteil sei sittenwidrig, auch weil sie unter politischem Zwang zur Scheidungsklage gezwungen worden sei. Sie hat beantragt, den Erlaß des Beklagten vom 11. Mai 1956 aufzuheben und die Anerkennung des Scheidungsurteils abzulehnen.
Der Beklagte hat im ersten und zweiten Rechtszug beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgebracht: Die Klägerin sei nicht klageberechtigt, da sie in ihren Rechten durch den angefochtenen Erlaß nicht verletzt sei. Die Klage sei unzulässig, weil ihr Ehemann, "der sachlich interessiert sei", an dem Rechtsstreit nicht beteiligt sei. Sie habe im Anerkennungsverfahren nicht gehört zu werden brauchen. Das Urteil lasse keinen Verstoß gegen die guten Sitten erkennen und habe auch von einem deutschen Gericht erlassen werden können.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Erlaß aufgehoben. Es hat ausgeführt: Die Klägerin sei klageberechtigt, da sie durch den Erlaß in ihren Vermögensrechten und ihrem Personenstand betroffen sei. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, daß der Ehemann an diesem Rechtsstreit nicht beteiligt sei. Er habe nach §66 ZPO als Nebenintervenient beitreten können; dadurch seien seine Interessen gewahrt. Die Anerkennung des Scheidungsurteils sei nach §328 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO ausgeschlossen. Eine deutsche Partei könne eine Verzichtserklärung hinsichtlich dieser Vorschrift in entsprechender Anwendung des §295 ZPO nur im ausländischen Rechtsstreit abgeben. Die von dem Ehemann im Anerkennungsverfahren abgegebene Verzichterklärung sei daher unwirksam.
Das Oberlandesgericht hat die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat seine Entscheidung vor allem damit begründet, daß die Anerkennung des Scheidungsurteils wegen der im §328 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 ZPO angeführten Hinderungsgründe habe versagt werden müssen.
Der Ehemann der Klägerin ist im Revisionsrechtszuge dem Verfahren als Nebenintervenient beigetreten, um für den Beklagten Revision einzulegen. Mit seiner Revision verfolgt er den Antrag des Beklagten, die Klage abzuweisen, weiter. Der Beklagte selbst ist im Revisionsrechtszuge nicht vertreten gewesen.
Die Klägerin bittet, die Revision des Nebenintervenienten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision des Nebenintervenienten ist zulässig. Wenn der Beklagte dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, wie diese vorträgt, vor Einlegung der Revision schriftlich erklärt hat, er habe nicht die Absicht, gegen das Berufungsurteil Revision einzulegen und bitte, ihm die Kostenrechnung für die zweite Instanz zukommen zu lassen, so liegt darin kein Verzicht auf das Rechtsmittel der Revision. Ein solcher Verzicht muß die klare und eindeutige Erklärung enthalten, daß der Erklärende sein Recht auf Einlegung des Rechtsmittels aufgebe. Das ist aus der obigen Äußerung des Beklagten nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Diese geht vielmehr dahin, daß mit ihr lediglich die Tatsache mitgeteilt wird, er habe - zur Zeit - nicht die Absicht, Revision einzulegen. Damit ist nicht zum Ausdruck gebracht, daß er sich dieses Rechtes schon endgültig begebe.
II.
Das Berufungsgericht hat den Rechtsweg für zulässig erachtet. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Auch die Revision hat insoweit keine gegenteilige Auffassung vertreten, sondern lediglich gebeten, die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges nochmals zu überprüfen.
Der Feststellungsentscheid der Landesjustizverwaltungen, durch den das Ehescheidungsurteil eines ausländischen Gerichts auf Grund des §28 der Ausführungsverordnung zum Ehegesetz für die britische Besatzungszone vom 20. Februar 1946 (bezw. auf Grund des §24 der 4. DVO zum Ehegesetz) anerkannt wird, ist ein Verwaltungsakt. Die Entscheidung über eine Klage, mit der ein Verwaltungsakt angefochten wird, steht zwar nach §22 MRVO 165 für die britische Zone im allgemeinen den Verwaltungsgerichten zu. Von dieser Regelung sind jedoch nach §25 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung die Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Zivilprozesses, des Strafprozesses und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit aus genommen. Wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre allgemein angenommen wird, ist die Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteils auf Grund der angeführten Ausführungsverordnung zum Ehegesetz ein Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Zivilprozesses, der nicht mit einer Klage vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden kann. Da die Zuständigkeit für eine solche Klage auch anderweitig im Gesetz nicht geregelt ist, muß für sie, wie auch der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. Mai 1956 - BGHZ 20, 323, 337 - zum Ausdruck gebracht hat, gemäß Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg offenstehen (ebenso Stein/Jonas/Schönke ZPO 18. Aufl. Anhang zu §328 VIII 4; Wieczorek ZPO §328 F III b 2 Seite 776; Baumbach/Lauterbach ZPO 25. Aufl. §329 7 D; Klinger, Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone, 3. Aufl. §25 C Seite 196; LVG Düsseldorf in NJW 1952, 720 = MDR 1952, 314).
Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß Art. 74 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950, wonach gegen Anordnungen, Verfügungen und Unterlassungen der Verwaltungsbehörden die Betroffenen die Verwaltungsgerichte anrufen können, dieser Auffassung auch nicht entgegenstellt. Durch diese Verfassung konnte und sollte das bestehende Besatzungsrecht, zu dem die MRVO 165 von 1948 gehörte, nicht außer Kraft gesetzt werden. Die oben erörterte Ausnahmebestimmung des §25 Abs. 1 Satz 2 dieser VO blieb also nach dem Inkrafttreten des Artikels 74 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen auch für das Gebiet dieses Landes in Geltung. Daran hat sich auch durch den Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952 BGBl. 1955 II S. 405 nichts geändert. Durch diesen Vertrag haben die Gesetzgebungsorgane der Bundesrepublik und der Länder grundsätzlich die Befugnis erhalten, im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit Rechtsvorschriften der Besatzungsbehörden aufzuheben oder zu ändern. Solange sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht haben - und das ist hinsichtlich der MRVO 165 nicht geschehen - bleiben diese Rechtsvorschriften in Kraft (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Vertrages). Ob sie nunmehr von den deutschen Gerichten hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz oder mit sonstigem höherrangigem deutschem Recht überprüft werden können - vgl. dazu Tischbein NJW 1955, 1179 - kann dahinstehen. Durch den Ausschluß der Verwaltungsgerichtsbarkeit für die in §25 Abs. 1 Satz 2 MRVO 165 bezeichneten Verwaltungsakte sollte diesen gegenüber nur eine bestimmte Form des Rechtsschutzes, nicht aber die Möglichkeit eines Rechtsschutzes überhaupt ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die insoweit vom Gesetzgeber der MRVO 165 offengelassene Lücke wurde noch vor dem Inkrafttreten der Verfassung von Nordrhein-Westfalen durch Artikel 19 Abs. 4 Satz 2 GG in der Weise ausgefüllt, daß die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Anfechtung dieser Verwaltungsakte begründet wurde. An diesem Rechtszustand wurde durch die Verfassung von Nordrhein-Westfalen nichts geändert. Sie wollte in ihrem Art. 74 nur allgemein Vorsorge treffen, daß jemand, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist, nicht des rechtsstaatlichen Schutzes dagegen ermangele. Dem war für Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts bereits durch Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG vorgebeugt.
Im übrigen hält der Senat auch die Auffassung des Landgerichts für zutreffend, daß die MRVO 165 nach ihrer Weitergeltung auf Grund der Pariser Verträge gemäß der mindestens sinngemäß anzuwendenden Vorschrift des Art. 125 Ziff. 1 GG den Rang einer bundesrechtlichen Rechtsnorm hat, weil sie innerhalb einer Besatzungszone einheitlich gilt. Damit geht sie aber nach Art. 31 GG dem Landesrecht vor.
III.
Geht man davon aus, daß die Frage, inwieweit ausländische Urteile in Ehesachen im Inland Wirksamkeit erlangen, durch §28 AVO bzw. §24 der vierten Durchführungsverordnung gültig geregelt ist, so hatte das durch den angefochtenen Verwaltungsakt anerkannte Ehescheidungsurteil des Zivilkreisgerichts in Prag bis zu dieser Anerkennung im Inland keine Wirkung (Stein/Jonas/Schönke ZPO 18. Aufl. Anhang zu §328 V 1; LVG Düsseldorf a.a.O.). Damit würde sich die Auffassung der Revision als irrig erweisen, die Klägerin hätte, wenn sie es nicht bei der Scheidung hätte belassen wollen, auf einer neuen Eheschließung bestehen müssen.
Aber auch wenn die Regelung des §28 AVO mit Art. 92 GG, wonach die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist, unvereinbar sein sollte, so wäre die Klägerin durch den Anerkennungsentscheid in ihren Rechten betroffen, weil sie mindestens mit einer tatsächlichen Anerkennung dieses Entscheids durch Dritte insbesondere durch andere Behörden - etwa der Standesämter - zu rechnen hatte. Mit ihrer Behauptung, sie sei durch diesen Verwaltungsakt in ihrem Recht verletzt, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des Scheidungsurteils gefehlt habe, hat sie somit ihre Klagebefugnis im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG schlüssig dargetan. Dem steht nicht die Tatsache entgegen, daß das Scheidungsurteil auf ihr eigenes Betreiben ergangen war. Auch nachdem es erlassen war, lag es in der Hand der Eheleute Sarawinsky, ob sie ihm für das Inland Geltung verschaffen wollten. Nach ihrer Wiedervereinigung im Jahre 1949 sind sie unstreitig übereingekommen, dieses nicht zu tun, sondern für die Rechtsgemeinschaft, in der sie nun lebten, rechtmäßig verbundene Eheleute zu bleiben. Die Klägerin blieb damit innerhalb dieser Rechtsgemeinschaft in ihrer Rechtsstellung als Ehefrau unangefochten. Erst durch den Anerkennungsentscheid des Beklagten wurde sie in dieser Rechtsstellung wirklich beeinträchtigt.
IV.
Das angefochtene Urteil hat diesen Entscheid aufgehoben. Die Revision hat dazu unter Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. Januar 1952 (BGHZ 4, 302, 309) in erster Linie geltend gemacht, daß ein Verwaltungsakt durch eine gerichtliche Entscheidung nicht aufgehoben werden könne.
Diese Rüge geht fehl. In dem Rechtsstreit, der jener früheren Entscheidung des Senats zugrunde lag, war auf Herausgabe eines am 18. Oktober 1947, also vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, beschlagnahmten Kraftwagens, hilfsweise auf Schadensersatz geklagt worden. Der Senat hat die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen dieses Klageanspruches verneint, dabei aber auch die Frage geprüft, ob die dort umstrittene Beschlagnahmeverfügung auf Grund des Art. 19 Abs. 4 GG noch durch eine Anfechtungsklage vor den ordentlichen Gerichten angefochten und in einem solchen Anfechtungsverfahren aufgehoben oder für nichtig erklärt werden könne. Diese Frage hat der Senat dort - ebenso wie bereits in einer früheren Entscheidung (BGHZ 4, 77, 83) - mit der Begründung verneint, daß der Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 GG nur gegenüber Rechtsverletzung Platz greife, die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes eingetreten seien. Daß in einem Rechtsstreit über eine Anfechtungsklage, die wie hier - zulässigerweise - gegen eine nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bewirkte Rechtsverletzung gerichtet ist, die Entscheidung des Gerichts nicht auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes lauten könne, ist damit nicht ausgesprochen. Das Gegenteil ergibt sich aus der Natur des Verfahrens in einem solchen Rechtsstreit als eines Rechtsmittelverfahrens gegen den Verwaltungsakt (vgl. auch §75 MRVO 165).
V.
Der Revision kann auch nicht beigetreten werden, wenn sie meint, eine Aufhebung des Anerkennungsentscheides sei deshalb ausgeschlossen, weil er nach der ausdrücklichen Bestimmung des §28 Abs. 1 Satz 3 der AVO z. EheG "für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend sei". Diese Bindung besteht naturgemäß nur, solange der Verwaltungsakt in sich selbst Bestand hat. Sie fällt fort, sobald er in einem gesetzmäßigen Rechtsmittelverfahren aufgehoben ist. Die gegenteilige Ansicht wurde bedeuten, daß ein Rechtsmittelverfahren gegen den Verwaltungsakt überhaupt ausgeschlossen wäre.
VI.
Die Revision macht weiter geltend, das Verfahren in den Vorinstanzen habe insofern an einem grundlegenden Mangel gelitten, als der Ehemann der Klägerin, der jetzige Nebenintervenient, nicht beteiligt gewesen sei, obwohl über seine Rechte entschieden worden sei.
Auch diese Rüge ist im Ergebnis unbegründet. Zuzugeben ist der Revision, daß ein Urteil, durch welches ein Verwaltungsakt aufgehoben oder für nichtig erklärt wird, als "negatives Gestaltungsurteil" (vgl. Klinger a.a.O. §75 B 1 Seite 449) über den Kreis der am Prozeß Beteiligten hinaus für und gegen alle wirkt (Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozesses, 7. Aufl. §87 I 3 Seite 395; Stein/Jonas/Schönke ZPO §322 IV 3, §325 VI 3; Baumbach/Lauterbach ZPO §322 4). Die Militärregierungsverordnung 165 sieht deshalb im §41 für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten vor, daß das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen über die Beiladung von Personen oder Behörden zu entscheiden hat, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung in dem anhängigen Verfahren berührt werden (ebenso §60 des Verwaltungsgerichtsgesetzes für die amerikanische Zone). Die für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten maßgebende Zivilprozeßordnung enthält eine solche Vorschrift nicht. Sie gibt im §66 demjenigen, der ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiegt, die Möglichkeit, von sich aus dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beizutreten. Sie kennt ferner die Streitverkündung durch eine Prozeßpartei an einen Dritten.
Es würde im Hinblick auf die oben erörterte Wirkung eines Gestaltungsurteils für und gegen alle ohne Zweifel zweckmäßig sein, die angeführte Vorschrift des §41 der MRVO 165 auch in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten entsprechend anzuwenden, wenn darin über die Aufhebung oder Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes zu entscheiden ist. Ob aber ihre Anwendung geboten, also ihre Nichtanwendung bezw. die Verkennung der Möglichkeit ihrer Anwendung einen Verfahrensmangel darstellt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da dieser Mangel für die Entscheidung unerheblich geblieben ist. Der Nebenintervenient hat nicht vorgetragen, daß und in welcher Hinsicht er in den vorangegangenen Rechtszügen das Vorbringen des Beklagten hätte ergänzen können und ergänzt haben würde, wenn er bereits damals am Rechtsstreit beteiligt gewesen wäre. Er könnte sich überdies auf den von ihm gerügten Verfahrensmangel nur berufen, wenn er, der Nebenintervenient, ohne sein Verschulden von der vorliegenden Klage seiner Ehefrau und demnach von der Möglichkeit, dem Beklagten zum Zwecke seiner Unterstützung beizutreten, nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte. Andernfalls müßte der etwaige Verfahrensmangel als unerheblich oder doch in entsprechender Anwendung des §295 ZPO als von ihm genehmigt angesehen werden. Nun hat zwar der Beklagte in den Vorinstanzen seine Auffassung, daß diese Klage unzulässig sei, auch damit begründet, daß die mit ihr erstrebte Rechtswirkung die Rechtsstellung des am Verfahren nicht beteiligten Ehemannes der Klägerin beeinträchtigen werde. Daß er es unterlassen habe, den Ehemann von diesem Verfahren rechtzeitig zu benachrichtigen, hat der Beklagte jedoch nicht behauptet. Auch der Nebenintervenient hat im Revisionsrechtszuge nicht geltend gemacht, daß er dem Verfahren nicht schon im ersten oder zweiten Rechtszuge habe beitreten können, weil er nicht gewußt habe, daß es anhängig sei.
VII.
Das Berufungsgericht hat (BU Seite 7/8) die Frage erörtert, ob die Regelung des §28 AVO z. EheG, wonach die Entscheidung über die Anerkennung eines ausländischen Urteils, obwohl sie ihrem sachlichen Gehalt nach möglicherweise ein Akt der Rechtsprechung sei, dem Landesjustizminister zusteht, mit der Vorschrift des Art. 92 GG vereinbar sei, nach welcher die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist. Es hat dabei auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. Mai 1956 (BGHZ 20, 323, 337) hingewiesen, in welcher die Vorschrift des §28 AVO z. EheG als ein - freilich durch die Möglichkeit seiner Anfechtung vor den ordentlichen Gerichten abgemilderter - Einbruch in den Bereich der rechtsprechenden Gewalt bezeichnet ist.
Das Berufungsgericht hat diese Frage offengelassen. Auch wenn die Regelung des §28 AVO z. EheG verfassungsmäßig sei, könne, so führt es aus, der Anerkennungsentscheid des Beklagten keinen Bestand haben, weil die Anerkennung nach den Bestimmungen des §328 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 habe versagt werden müssen, die Anerkennung also unter Verletzung dieser Bestimmungen ausgesprochen sei.
Dieser Auffassung ist beizutreten, so daß auch für das Revisionsgericht hier keine Veranlassung besteht, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §28 AVO z. EheG zu entscheiden.
Nach §328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ist die Anerkennung eines, ausländischen Urteils u.a. ausgeschlossen, wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Art. 17 EGBGB abgewichen ist. In Art. 17 Abs. 1 EGBGB ist bestimmt, daß für die Scheidung einer Ehe die Gesetze des Staates maßgebend sind, dem der Ehemann zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. Daß diese Vorschrift nicht dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau entgegensteht, hat der Senat bereits in einer früheren Entscheidung - LM Nr. 1 zu Art. 17 EGBGB - ausgesprochen. Ihre Anwendung ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil beide Ehegatten Deutsche sind. Sie schützt, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, nach Wortlaut, Sinn und Zweck "eine deutsche Partei", also nicht nur Deutsche gegenüber Ausländern, sondern auch Deutsche gegenüber Deutschen (vgl. Verwaltungsgerichtshof Stuttgart - Urteil vom 8. Januar 1954 - FamRZ 55 Seite 179).
Nach Ansicht der Revision kommt es auf die Frage, ob in dem Ehescheidungsurteil des Prager Gerichts von der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 EGBGB deshalb abgewichen ist, weil die Ehe nach deutschem Recht nicht hätte geschieden werden dürfen, nicht an, da in jedem Fall eine etwaige Abweichung nicht zum Nachteil des Ehemannes erfolgt sei. Wie bereits das Reichsgericht (RG 121, 30) ausgesprochen habe, könne ein Nachteil nicht vorliegen, wenn in dem Scheidungsurteil nach dem übereinstimmenden Antrag beider Parteien erkannt worden sei. Ob dieser auch von Staudinger/Raape EGBGB 9. Aufl. Art. 17 Anm. G 4 vertretenen Auffassung beizutreten ist, kann dahinstehen. Nach dem Inhalt der vom Beklagten in beglaubigter Abschrift überreichten beglaubigten Übersetzung des Prager Urteils (Blatt 19 der Akten) ist der Ehemann der Klägerin in dem Ehescheidungsverfahren durch einen Pfleger vertreten gewesen. Dieser hat die Behauptungen der Klägerin bestritten und beantragt, ihre Scheidungsklage abzuweisen. Das Urteil ist also nicht auf den übereinstimmenden Antrag beider Parteien ergangen.
Zutreffend hat auch das Berufungsgericht dargelegt, daß die Gründe, auf die das Prager Gericht sein Urteil gestützt hat, nach deutschem Recht - zu der Zeit als das Urteil erlassen wurde, galt in Deutschland das Ehegesetz von 1946 - eine Scheidung nicht zugelassen hätten. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, daß die Ehe wegen "der Verschiedenartigkeit der Charaktere" und "der lang andauernden Verschollenheit des Ehemannes" geschieden worden sei. Wie sich aus dem Urteil ergebe, hätten die Parteien nur ungefähr einen Monat in Rewnitz zusammengelebt. Nach deutschem Recht sei eine Ehescheidung wegen der Verschiedenartigkeit der Charaktere der Ehegatten oder wegen einer lang andauernden Verschollenheit eines Ehegatten nicht möglich. Anderweitige Gründe, die eine Ehescheidung nach deutschem Recht ermöglicht hätten, seien nicht ersichtlich. Die in dem Urteil angeführten Streitigkeiten seien geringfügig. Nach deutschem Recht stelle es keinen Scheidungsgrund dar, daß der Ehemann gern in Gesellschaften gegangen sei, während die Klägerin dies abgelehnt habe.
Dem ist zuzustimmen. Die in dem Scheidungsurteil angeführten Tatsachen enthalten keine schwere Eheverfehlung des Ehemannes, so daß eine Scheidung nach §43 EheG nicht hätte erfolgen können. Für eine Scheidung aus §48 EheG fehlte es schon an der Voraussetzung der 3-jährigen Heimtrennung. Ferner hat das Gericht zwar festgestellt, daß die Ehe zerrüttet gewesen sei, es fehlt aber an der für eine Ehescheidung nach deutschem Recht erforderlichen Feststellung, daß die Zerrüttung unheilbar gewesen sei.
Die Tatsache, daß das Prager Gericht hiernach in seinem Urteil zum Nachteil des Ehemannes von dem deutschen Scheidungsrecht und damit von der Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB abgewichen ist, wird auch nicht nachträglich dadurch beseitigt, daß der Ehemann dieses Urteil jetzt anerkennen will, weil er es nunmehr zu seinem Vorteil ausnützen zu können glaubt. Maßgebend für die Frage, ob es zu seinem Nachteil ergangen ist, ist allein der Inhalt des Urteils als solcher und allenfalls der Verhandlung, auf die es ergangen ist (Wieczorek ZPO §328 E III a Seite 757; Stein/Jonas/Schönke §328 VI).
Die im §328 ZPO angeführten Hinderungsgründe für die Anerkennung eines ausländischen Urteils beruhen mit Ausnahme des in Ziffer 2 angeführten auf zwingendem öffentlichem Recht. Der Ehemann der Klägerin kann also auf die Anwendung der Vorschrift des §328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO auch nicht wirksam verzichten (Stein/Jonas/Schönke §328 I 1; RG 36, 381, 384).
VIII.
Nach dieser Vorschrift war somit die Anerkennung des Ehescheidungsurteils durch den Beklagten nicht zulässig. Der die Anerkennung aussprechende Erlaß beruht auf einer Verletzung dieser gesetzlichen Bestimmung und ist deshalb vom Berufungsgericht mit Recht aufgehoben worden. Ob die Anerkennung des Scheidungsurteils auch auf Grund der Vorschrift des §328 Abs. 1 Ziff. 1 oder, wie das Berufungsgericht angenommen hat, des §328 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO ausgeschlossen war, bedarf keiner Entscheidung.
Auch der Umstand, daß der Nebenintervenient inzwischen (am 8. September 1956) wieder geheiratet hat, kann nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Die Ausschließungsgründe des §328 ZPO werden dadurch nicht berührt. Der Nebenintervenient mußte im übrigen bei seiner Wiederverheiratung damit rechnen, daß die Klägerin den Anerkennungsentscheid des Beklagten anfechten werde. Sie hatte, wie unstreitig ist, bereits vor dem 25. Juli 1956 seinem Prozeßbevollmächtigten erklären lassen, daß sie sich mit einer Auflösung der Ehe nicht abfinden werde. Wenn der Nebenintervenient trotzdem eine neue Ehe einging, so tat er das auf eigene Gefahr.
Nach alledem konnte die Revision des Nebenintervenienten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§97, 100 Abs. 2, 101 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018554 |
NJW 1958, 831 |
NJW 1958, 831 (Volltext mit amtl. LS) |
DVBl 1958, 709 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1958, 414 |
MDR 1958, 414-415 (Volltext mit amtl. LS) |
ZZP 1958, 458-465 |
VwRspr. 1958, 187 |