Leitsatz (amtlich)
›Ein Zahlungsanspruch, in den ein rechtskräftig zuerkannter Freistellungsanspruch übergegangen ist, verjährt erst 30 Jahre nach Rechtskraft des Freistellungsurteils.‹
Tatbestand
Die Klägerinnen sind die Erbinnen des im Jahre 1987 verstorbenen Dr. K.-H. T.. Die Beklagte zu 1), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, initiierte die Gründung von Bauherrengemeinschaften in Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts und warb dafür Anleger mit Hilfe von Beteiligungsprospekten.
Aufgrund eines solchen Prospekts trat der Erblasser im März 1981 einer Bauherrengemeinschaft bei, für deren Rechnung die Beklagte zu 1) als Treuhänderin ein Eislaufcenter errichten sollte. Nach Scheitern des Bauvorhabens nahm der Erblasser die Beklagten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (Prospekthaftung) gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner u.a. verurteilt, den Erblasser von seiner Darlehensverpflichtung, die er zur Finanzierung seiner Gesellschaftereinlage gegenüber einer Bank eingegangen war, zuzüglich der vereinbarten Zinsen freizustellen. Bereits vor Rechtskraft des Urteils im April 1988 löste der Erblasser seine Darlehensschuld durch Zahlung von 72.819,50 DM zuzüglich 8,5% Zinsen seit dem 31. März 1984 ab.
Diesen Betrag nebst Zinsen verlangen die Klägerinnen nunmehr mit ihrer im Oktober 1988 eingereichten Klage von den Beklagten ersetzt. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Sprungrevision verfolgen die Klägerinnen ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Über die Sprungrevision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten waren (§§ 557, 331 ZPO; vgl. BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säummisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ aaO S. 82).
II.
Die Sprungrevision ist weitgehend begründet. Sie führt, von einem Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs abgesehen, zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
1. Das Landgericht vermißt für eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ausreichenden Sachvortrag zum Haftungsgrund: Der Hinweis der Klägerinnen auf das rechtskräftige Freistellungsurteil reiche insoweit nicht aus. Mit diesem Urteil sei nicht die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach schlechthin verbunden.
2. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die angefochtene Entscheidung verstößt gegen § 322 Abs. 1 ZPO. Sie beachtet die Rechtskraftwirkung des Freistellungsurteils nicht hinreichend. Aufgrund dieses Urteils hätte das Landgericht ohne Prüfung des Haftungsgrundes davon ausgehen müssen, daß den Klägerinnen ein Anspruch auf Schadensersatzin Form der Freistellung von der Darlehensverpflichtung zustand, die der Erblasser zur Finanzierung seiner Gesellschaftereinlage eingegangen war.
Bei dem im Vorprozeß zuerkannten Freistellungsanspruch aus Prospekthaftung handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch nach § 249 Satz 1 BGB auf Naturalrestitution. Ein solcher Anspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte die ihn belastende Verbindlichkeit tilgt oder der Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig ablehnt und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, Urteil vom 11. Juni 1986 - VIII ZR 153/85, WM 1986, 1115, 1117; BGH, Urteil vom 2. April 1987 - IX ZR 68/86, WM 1987, 725, 726; BGH, Urteil vom 9. November 1988 - VIII ZR 31O/87, NJW 1989, 1215, 1216). Der von den Klägerinnen jetzt geltend gemachte Zahlungsanspruch und der Freistellungsanspruch sind ähnlich wie die Ansprüche auf Naturalrestitution nach § 249 Satz 1 BGB und auf Geldersatz nach § 249 Satz 2 BGB - lediglich verschiedene Ausprägungen ein und desselben Schadensersatzanspruchs auf Vermögensausgleich (BGH, Urteil vom 27. November 1984 - VI ZR 38/83, NJW 1985, 1152, 1154).
Für § 249 Satz 1 und 2 BGB haben das Reichsgericht (RGZ 126, 401, 403 m.w.Nachw.) und ihm folgend der Bundesgerichtshof (BGHZ 5, 105, 109 f.) entschieden, daß die rechtskräftige Abweisung einer Klage auf Naturalrestitution wegen Fehlens einer Ersatzpflicht auch für den Anspruch auf Geldersatz Rechtskraft schafft. Diesen Entscheidungen, die im Schrifttum ganz überwiegend Zustimmung gefunden haben (Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rdn. 215; RGRK/Alff, BGB 12. Aufl. § 249 Rdn. 13; MünchKomm/Grunsky, BGB 2. Aufl. § 249 Rdn. 13; Palandt/Heinrichs, BGB 50. Aufl. § 249 Rdn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 322 Rdn. 206; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 48. Aufl. § 322 Anm. 4 "Schadensersatz"; Blomeyer, Zivilprozeßrecht 2. Aufl. S. 492; Lange, Schadensersatz 2. Aufl. S. 227; a.A. Zöller/Vollkommer, ZPO 16. Aufl. vor § 322 Rdn. 29 unter unrichtiger Berufung auf BAG AP § 322 ZPO Nr. 6; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 14. Aufl. S. 984), schließt sich der Senat an. Es gibt keinen überzeugenden Grund, einem Kläger nach Abweisung seiner Klage auf Naturalrestitution mangels Ersatzpflicht des Beklagten die Möglichkeit zu geben, ohne Rücksicht auf dieses Urteil in einem weiteren Prozeß Geldersatz zu verlangen.
Diese Erwägungen gelten auch für den umgekehrten Fall der erfolgreichen Freistellungsklage. Die Rechtskraft der Verurteilung zur Freistellung schließt Einwendungen des Verurteilten gegen den Grund seiner Schadensersatzpflicht in einem nachfolgenden Zahlungsprozeß aus. Das Landgericht hätte hier deshalb - von der Einrede der Verjährung des Zahlungsanspruchs abgesehen - nur noch prüfen dürfen, ob der rechtskräftig zuerkannte Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist. An einer solchen Umwandlung kann indes kein Zweifel bestehen. Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen hatte die Darlehensverpflichtung, von der die Beklagten ihn freizustellen hatten, unstreitig getilgt.
b) Auf die danach gegebene Verletzung des § 322 Abs. 1 ZPO durch das Landgericht kann die Sprungrevision gestützt werden. Es liegt insoweit kein Verfahrensmangel im Sinne des § 566 a Abs. 3 Satz 2 ZPO vor. Die unzutreffende Beurteilung der Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung begründet eine Sach- und nicht eine Verfahrensrüge (vgl. BGHZ 16, 217, 228; Wieczorek/Rössler, ZPO 2. Aufl. § 559 Anm. B II b 1). Der Fehler ist dem Landgericht nicht im Verfahren vor Fällung des Urteils, sondern bei der Entscheidung selbst unterlaufen. Abgesehen davon ist die Rechtskraft des in einem Vorprozeß ergangenen Urteils von Amts wegen zu beachten (vgl. BGHZ 36, 365, 367; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1989 V ZR 283/86, WM 1989, 1897, 1899)
3. Das angefochtene Urteil läßt sich auch mit anderer Begründung nicht halten (§ 563 ZPO). Die Einrede der Beklagten, der mit der Zahlungsklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung sei verjährt, greift nicht durch. Die Verjährungsfrist ist nicht abgelaufen. Sie beträgt hier nach § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB 30 Jahre und hat erst mit der Rechtskraft des Freistellungsurteils im April 1988 zu laufen begonnen. Zwar ist über den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht rechtskräftig erkannt. Rechtskräftig entschieden ist aber über den dafür präjudiziellen Freistellungsanspruch. Dieser Entscheidung kann in bezug auf den Zahlungsanspruch, in den der Freistellungsanspruch übergegangen ist, keine geringere Wirkung beigemessen werden als einem Feststellungsurteil, das nur ganz allgemein die Schadensersatzpflicht des Schädigers ausspricht und das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ganz überwiegender Meinung des Schrifttums unter § 218 BGB fällt (BGH, Urteil vom 3. November 1988 - IX ZR 203/87, WM 1988, 1855, 1856 m.w.Nachw.). Das Freistellungsurteil enthält nämlich die Feststellung, daß dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen ein Anspruch auf Schadenser.satz in Form der Freistellung von der in Rede stehenden Darlehensverpflichtung zusteht. Dieser nunmehr mit einer Zahlungsklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt ebenso wie ein Anspruch auf Geldersatz nach rechtskräftiger Feststellung der präjudiziellen Ersatzpflicht des Schädigers durch ein Feststellungsurteil erst 30 Jahre nach Rechtskraft des Freistellungsurteils.
III.
Auf die Revision der Klägerinnen waren die angefochtene Entscheidung daher abzuändern und die Beklagten zur Zahlung des zuerkannten Betrages zu verurteilen. Der geltend gemachte Zinsanspruch war nur teilweise zuzuerkennen. Für die Zeit seit dem 16. Mai 1985 ist ein über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehender Verzugsschaden nicht schlüssig vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993075 |
DB 1992, 89 |
NJW 1991, 2014 |
BGHR BGB § 218 Freistellungsurteil 1 |
BGHR BGB § 249 Freistellungsanspruch 2 |
BGHR ZPO § 322 Abs. 1 Freistellungsurteil 1 |
BGHR ZPO § 559 Abs. 2 Verfahrensmangel 1 |
BGHR ZPO § 566a Abs. 3 Satz 2 Verfahrensmangel 2 |
DRsp I(112)169d |
DRsp I(123)347b-c |
WM 1991, 1001 |
WM 1991, 1002 |
JuS 1991, 963 |
VersR 1991, 939 |
DRsp-ROM Nr. 1992/748 |