Entscheidungsstichwort (Thema)
Befüllung eines nicht mit Firmennamen gekennzeichneten Flüssiggasbehälters durch Fremdfirma
Leitsatz (amtlich)
a) Die unbefugte Befüllung eines in fremdem Eigentum stehenden Flüssiggasbehälters ist auch dann eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 BGB, wenn der Behälter nicht mit einer auf den Eigentümer hinweisenden Beschriftung oder sonstigen Kennzeichnung versehen ist.
b) Wird nach Abgabe einer auf gekennzeichnete Tanks beschränkten Unterlassungserklärung das Eigentum erneut dadurch beeinträchtigt, dass ein nicht gekennzeichneter Tank befüllt wird, wird hierdurch die Wiederholungsgefahr begründet, sofern die Erklärung nicht ausnahmsweise dahin auszulegen ist, dass der Eigentümer die Fremdbefüllung seiner nicht gekennzeichneten Lagerbehälter dulden will.
Normenkette
BGB § 1004
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 30. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, vom 20.12.2005 aufgehoben und das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Augsburg vom 7.7.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten, zu unterlassen, ohne Einwilligung der Klägerin in deren Eigentum stehende Flüssiggasbehälter zu befüllen und/oder befüllen zu lassen, es sei denn, dass dem jeweiligen Besitzer (nach Maßgabe der mit der Klägerin getroffenen Abreden) im konkreten Fall die Fremdbefüllung gestattet ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges hat die Klägerin zu 1/7, die Beklagte zu 6/7 zu tragen. Die Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin macht - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres Eigentums an einem Flüssiggastank geltend.
[2] Beide Parteien sind Lieferanten von Flüssiggas. Die Beklagte befüllte ohne Einwilligung der Klägerin am 7.1.2003, am 24.2.2003 und am 4.11.2003 im Auftrag der Firma H. GmbH einen bei dieser Kundin aufgestellten Gaslagerbehälter, der - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - auch ohne ausdrückliche Kennzeichnung im Eigentum der Klägerin steht. Am 1.11.2003 hatte sich die Beklagte in einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ggü. der Klägerin verpflichtet, ohne Einwilligung der Klägerin kein Flüssiggas in Behälter zu füllen oder füllen zu lassen, die sich im Eigentum der Klägerin befinden und mit deren Firmenbezeichnung versehen sind, sofern dem Besitzer eine Befüllung durch Dritte nicht gestattet ist, und hatte für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen.
[3] Die Klägerin hat die Beklagte in erster Instanz aus dem Vertragsstrafenversprechen in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie die Verurteilung der Beklagten begehrt, die Befüllung aller in ihrem - der Klägerin - Eigentum stehenden Flüssiggasbehälter zu unterlassen, ohne Beschränkung auf solche Behälter, die als ihr Eigentum gekennzeichnet sind.
[4] Das LG hat die Klage abgewiesen. Die - allein gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens gerichtete - Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der - von dem erkennenden Senat zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe
[5] Die Revision der Klägerin ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verurteilung der Beklagten.
[6] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[7] Der Klägerin stehe derzeit kein "unbeschränkter" Unterlassungsanspruch zu, da keine Wiederholungsgefahr bestehe. Diese sei durch die - auf gekennzeichnete Tanks beschränkte - Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 1.11.2003 ausgeräumt worden, mit der sich die Klägerin begnügt habe. Eine neuerliche rechtswidrige Beeinträchtigung der Eigentumsrechte der Klägerin sei nicht ersichtlich, zumal die Befüllung vom 4.11.2003 schon zwei Jahre zurückliege.
[8] II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[9] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein - uneingeschränkter - Unterlassungsanspruch zu (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Beklagte hat Eigentum der Klägerin in anderer Weise als durch Besitzentziehung oder -vorenthaltung beeinträchtigt, als sie den Gasbehälter bei der Firma H. GmbH befüllte. Diese Beeinträchtigung musste die Klägerin nicht dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB). Die Beklagte hat die aus ihrem Verstoß gegen § 1004 Abs. 1 BGB folgende Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt.
[10] 1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die unbefugte Befüllung eines in fremdem Eigentum stehenden Flüssiggasbehälters eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 BGB ist, weil dieses Vorgehen die Sachherrschaft des Eigentümers auch dann verletzt, wenn ein Tank seiner technischen Bestimmung entsprechend befüllt wird (st.Rspr. z.B. Senat, Urt. v. 10.10.2005 - II ZR 323/03, BGHReport 2006, 250 = MDR 2006, 570 = WM 2006, 333 m.w.N.).
[11] 2. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch verkannt, dass die Beklagte mit der am 4.11.2003 - ohne Einwilligung der Klägerin - vorgenommenen Befüllung eines im Eigentum der Klägerin stehenden Flüssiggastanks auch dann deren Eigentum i.S.v. § 1004 BGB beeinträchtigt hat, wenn der Behälter nicht mit einer auf das Eigentum der Klägerin hinweisenden Beschriftung oder sonstigen Kennzeichnung versehen war (vgl. Senat, Urt. v. 10.10.2005 - II ZR 323/03, BGHReport 2006, 250 = MDR 2006, 570 = WM 2006, 333; v. 9.2.2004 - II ZR 131/03, BGHReport 2004, 972, 973; v. 15.9.2003 - II ZR 367/02, BGHReport 2004, 256 = MDR 2004, 93 = WM 2004, 733, 735; Beschl. v. 4.7.2005 - II ZR 74/04, nicht veröffentlicht, Umdr. S. 2). Darauf, ob die Beklagte als unmittelbare (Handlungs-)Störerin erkennen konnte, dass der von ihr befüllte Tank Eigentum der Klägerin war, kommt es nicht an. Der Tatbestand der Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt ebenso wenig wie der Unterlassungsanspruch ein Verschulden voraus (Senat, Urt. v. 9.2.2004a.a.O.; v. 15.9.2003a.a.O.). Ein Zumutbarkeitskriterium besteht nach der Rechtsprechung des BGH nur für den mittelbaren Störer (vgl. BGH v. 20.12.1988 - VI ZR 182/88, BGHZ 106, 229, 235 = MDR 1989, 439 = CR 1989, 485; 148, 13, 17). Von diesen Grundsätzen Abweichendes kann den von der Revisionserwiderung herangezogenen Senatsentscheidungen nicht entnommen werden, auch nicht dem Beschluss vom 22.3.2004 (- II ZR 76/03 - nicht veröffentlicht).
[12] 3. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts war die Eigentumsbeeinträchtigung vom 4.11.2003 rechtswidrig. Die Klägerin ist nicht deshalb verpflichtet, eine Befüllung der nicht als ihr Eigentum gekennzeichneten Flüssiggasbehälter durch die Beklagte zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB), weil sie - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - von der Beklagten ursprünglich nur eine auf gekennzeichnete Behälter beschränkte Unterlassungserklärung gefordert und entgegengenommen hat. Daraus lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin - wie die Revisionserwiderung offenbar meint - die Verpflichtung eingehen wollte, die Befüllung der in ihrem Eigentum stehenden, nicht gekennzeichneten Behälter durch die Beklagte zu dulden.
[13] 4. Ebenso rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine Wiederholungsgefahr verneint.
[14] Die festgestellte Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin begründet die tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr (Senat, Urt. v. 24.10.2005 - II ZR 56/06, BGH v. 24.10.2005 - II ZR 56/04, BGHReport 2006, 191 = WM 2006, 334; v. 15.9.2003a.a.O.; BGH v. 30.10.1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 10 = MDR 1999, 290). Die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der Beklagten vom 1.11.2003 war nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte erklärt hätte, sie wolle künftig das Alleinbefüllungsrecht der Klägerin hinsichtlich aller in deren Eigentum stehenden Flüssiggasbehälter respektieren. Die Unterlassungserklärung vom 1.11.2003 bleibt hinter diesem Erfordernis zurück, weil sie sich nur auf solche Behälter bezieht, die mit der Firmenbezeichnung, dem Firmenlogo der Klägerin oder mit einem Eigentumsaufkleber versehen sind.
[15] Es kann dahinstehen, ob - wie die Revisionserwiderung meint - durch die Zusage, künftig in der genannten Weise gekennzeichnete Gasbehälter der Klägerin nicht mehr zu befüllen, die Wiederholungsgefahr dennoch - zunächst - entfallen ist, weil die Klägerin von der Beklagten nur eine derart eingeschränkte Unterlassungserklärung gefordert und entgegengenommen hat. Jedenfalls hat die am 4.11.2003 - nach Abgabe der Unterlassungserklärung - vorgenommene Befüllung eines im Eigentum der Klägerin stehenden Gastanks eine neue Wiederholungsgefahr begründet (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 UWG Rz. 1.157). Diese konnte nur durch eine weitere - alle, auch nicht besonders gekennzeichnete Gastanks der Klägerin - umfassende Unterlassungserklärung beseitigt werden.
[16] 5. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht verwirkt.
[17] Ein Recht ist nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird (st.Rspr., vgl. z.B. BGH v. 20.10.1988 - VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, 298 = MDR 1989, 246).
[18] Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Umstände, die das Vertrauen der Beklagten darauf hätten rechtfertigen können, dass die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch nicht mehr geltend machen würde, sind nicht ersichtlich. Der - seit der letzten Befüllung bis zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs - verstrichene Zeitraum von etwa neunzehn Monaten, auf den sich die Revisionserwiderung beruft, genügt hierfür nicht. Zudem hatte die Klägerin schon mit der Einforderung der Vertragsstrafe deutlich gemacht, dass sie die erneute Beeinträchtigung ihres Eigentums durch die Beklagte nicht hinzunehmen gewillt war.
Fundstellen
Haufe-Index 1717930 |
BGHR 2007, 622 |
EBE/BGH 2007, 114 |
GRUR 2007, 623 |
WM 2007, 845 |
MDR 2007, 774 |
WRP 2007, 538 |
GuT 2007, 154 |
LL 2007, 442 |
www.judicialis.de 2007 |