Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendbarkeit der Vorschriften des DOfNot für Abgeltungslast für die Gebäudeentschuldungssteuer
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschriften der DOfNot, die dem Notar hinsichtlich der Grunderwerb-, Kapitalverkehrs-, Urkunden- und Wertzuwachssteuer bestimmte Hinweispflichten auferlegen, sind auf die Abgeltungslast für die Gebäudeentschuldungssteuer nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
DOfNot §§ 38-39
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 19.11.1951) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 19. November 1951 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger kauften am 11. März 1946 von dem inzwischen verstorbenen Bäckermeister J… zwei teilweise zerstörte Grundstücke nebst Bäckereiinventar zum Preise von 35.000 RM. Der Vertrag nebst der gleichzeitig erklärten Auflassung wurde von dem Beklagten beurkundet.
Von dem Gesamtpreis entfielen 27.000 RM auf die beiden Grundstücke und 8000 RM auf das Bäckereiinventar. In Anrechnung auf den Kaufpreis übernahmen die Kläger zwei auf den Grundstücken lastende Hypotheken von 22.500 RM und 10.000 RM, den Rest von 2500 RM zahlten sie in bar an den Verkäufer. Dieser übernahm in dem Vertrag die Gewähr dafür, dass die verkauften Grundstücke frei seien von nicht übernommenen, im Grundbuch eingetragenen Belastungen und Beschränkungen sowie von nicht übernommenen Zinsen, Steuern und Abgaben. Er erklärte bei dem Vertragsabschluss, dass die Hauszinssteuer abgegolten sei. Diese Erklärung wurde in Ziff I 5 des Vertrages ausdrücklich festgehalten.
Einige Zeit nach ihrer Eintragung als Eigentümer erhielten die Kläger von der Stadtsparkasse in K… die Nachricht, dass auf den beiden von ihnen erworbenen Grundstücken noch Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen in Höhe von 2109,10 sowie 3026,16 RM nebst Zins- und Tilgungsrückständen lasteten. Sie verklagten daraufhin die Alleinerbin ihres inzwischen verstorbenen Verkäufers auf Befreiung von diesen Lasten. Die Vollstreckung des antragsgemäss vom Gericht erlassenen Urteils scheiterte an der Mittellosigkeit der Erbin. Bei dem Vorgehen gegen sie sind den Klägern Kosten in Höhe von 336,86 DM erwachsen.
Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger vom Beklagten Ersatz des ihnen entstandenen Schadens. Sie haben behauptet, er habe seine Amtspflichten bei der Beurkundung des Kaufvertrages verletzt. Er habe vor der Beurkundung das Grundbuch eingesehen, bei der Beurkundung aber nicht erklärt, dass aus dem Grundbuch etwaige Hauszinssteuerabgeltungslasten nicht zu ersehen seien. Ebenso habe er nicht erwähnt, dass die Grundakten infolge Kriegseinwirkung zerstört seien; auf diesen sei nach der Übung der Grundbuchämter ein Vermerk über bestehende Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen gemacht worden. Sie, die Kläger, hätten die Bekanntgabe des Grundbuchstandes durch den Notar dahin verstehen müssen, dass andere Belastungen nicht vorhanden seien. Hätte er sie über die Behandlung der Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen aufgeklärt, so wäre ihnen der Schaden nicht entstanden. Sie hätten dann nämlich der Erklärung des Verkäufers, dass die Hauszinssteuer abgelöst sei, nicht ohne weiteres Glauben geschenkt. Sie hätten auch andere Kaufobjekte an der Hand gehabt und hätten auf keinen Fall bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag mit J… so abgeschlossen, wie es tatsächlich geschehen sei.
Die Kläger – die Ehefrau mit Zustimmung ihres Mannes – haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1) die Kläger von den Hauszinssteuerabgeltungsdarlehen in Höhe von ursprünglich RM 2.109,10 und RM 3.026,16 zu Gunsten der Stadtsparkasse K…, jetzt einschliesslich der Staatsgrundschuld in gleicher Höhe in DM bestehend, nebst Zins- und Tilgungsrückständen: eingetragen im Grundbuch von K… Bd.… …, Bl …/Flur 27 Nr. …6/255, U… K…, gross 0,55 ar, und Nr. …7/256, U… K…, gross 0,65 ar zu befreien,
2) an die Kläger DM 336,86 zu zahlen.
Der Beklagte hat um Klagabweisung gebeten. Er hat behauptet, er pflege bei allen Grundstücksveräusserungen die Beteiligten darüber zu belehren, dass die Hauszinssteuerabgeltungslast aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sei und ihr etwaiges Bestehen von ihm nicht festgestellt werden könne, wenn die Grundakten fehlten. Des weiteren bestreitet er, dass er zur Belehrung über die Hauszinssteuerabgeltungslast überhaupt verpflichtet gewesen sei. Parteibehauptungen, wie die Erklärung des Verkäufers über die Abgeltung der Hauszinssteuer, habe er nicht auf ihre Richtigkeit hin nachzuprüfen, wenn die Feststellung der Rechtslage durch eine Grundbucheinsicht nicht möglich sei. Im übrigen hat er behauptet, dass die Kläger den Kaufvertrag auch dann, wenn sie die in der Klage von ihm verlangte Belehrung erhalten hätten, abgeschlossen haben würden, weil es sich dabei um ein besonders günstiges Angebot gehandelt hätte. Sie hätten auch vor der Währungsreform, nachdem sie von der Stadtsparkasse auf die Hauszinssteuerabgeltungslast hingewiesen worden seien, jederzeit die Grundstücke ohne Verlust weiter veräussern können. Ihre Klage gegen die Erbin des Verkäufers schliesslich sei überflüssig gewesen, weil deren Mittellosigkeit bekanntgewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger Zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Anspruch weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Notare sind bei der Beurkundung von Grundstücksveräusserungen nicht allgemein verpflichtet, mit den Beteiligten von sich aus die Gebäudeentschuldungssteuer und ihre Ablösung zu erörtern und diesbezüglich über die Rechtslage Belehrungen zu erteilen.
1. Es handelt sich hierbei um einen Fall öffentlicher Abgaben. Hinsichtlich solcher hat aber der Notar, wovon des Berufungsgericht ausgeht, keine allgemeine Belehrungspflicht gegenüber den Beteiligten (vgl. RGZ 142, 424), es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vorgeschrieben ist. Dieser Ausgangspunkt des Berufungsrichters verdient ebenso Zustimmung wie seine Ablehnung einer analogen Anwendung der §§ 38, 39 DofNot. In diesen Vorschriften wird nur hinsichtlich der dort besonders erwähnten Grunderwerb-, Kapitalverkehrs-, Urkunden- und Wertzuwachssteuer eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, und zwar auch nur nach einer ganz bestimmten Richtung hin (Pflicht zum Hinweis auf die Möglichkeit bestimmter Folgen) gemacht.
An sich ist zwar auch bei “regelwidrigen” Vorschriften eine analoge Anwendung nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 14. Aufl 1952 § 48 I 2). Im vorliegenden Fall kommt sie aber nicht in Betracht. Es ist dem Berufungsrichter zuzustimmen, dass der Gesetzgeber für die Gebäudeentschuldungssteuer nicht dieselbe Behandlung wie bei den in den §§ 38, 39 DOfNot genannten Steuern im Auge gehabt hat; denn sonst hätte er diese in der Praxis beim Erlass der Dienstordnung für Notare durchaus bekannte Steuer in die Vorschriften mit einbezogen. Entscheidend ist aber, dass die Gebäudeentschuldungssteuer nicht als “wesensgleich” mit den in den §§ 38, 39 DOfNot aufgeführten Steuern angesehen werden kann. Ob eine Grunderwerb-, Kapitalverkehrs- oder Urkundensteuer anfällt, das kann der Notar ohne weiteres beurteilen, weil der steuerrechtlich erhebliche Tatbestand von ihm beurkundet wird. Bei der Wertzuwachssteuer lässt § 39 DOfNot schon durch seine Formulierung – “ist damit zu rechnen, dass ein Rechtsgeschäft der Wertzuwachssteuer unterliegt” – erkennen, dass die Belehrungspflicht nur dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn der Notar schon aus dem Inhalt des von ihm beurkundeten Rechtsgeschäfts auf die Möglichkeit eines Steueranfalles schliessen kann.
Ganz anders ist es aber bei der Gebäudeentschuldungssteuer und ihrer Ablösung. Das vom Notar beurkundete Veräusserungsgeschäft ergibt hinsichtlich dieser Abgaben nichts. Dazu kommt, dass die Einzelfälle sehr verschieden gestaltet sein können und dass über die wirkliche Rechtslage auch bei Hinzuziehung des Grundbuchs und der Grundakten kein verbindlicher Aufschluss zu erhalten ist. Die Grundlage für die Gebäudeentschuldungssteuer bildete das Gesetz über den Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken vom 1. Juni 1926 (RGBl I, 251). Danach sind aber nicht etwa alle bebauten Grundstücke von der Steuer erfasst worden. Nach § 5 des angeführten Gesetzes waren vielmehr Neu-, Ein- und Umbauten auszuschliessen, wenn sie erst nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden sind, es sei denn, dass sie mit Beihilfen aus öffentlichen Mitteln ausgeführt worden sind. Weder der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit noch das Vorliegen einer Beihilfe aus öffentlichen Mitteln können aus dem Grundbuch oder aus sonstigen dem Notar zur Verfügung stehenden Unterlagen festgestellt werden. Dazu kommt, dass schon nach der 4. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (RGBl I, 699; vgl II. Teil Kap I §§ 2 ff) in Verbindung mit der Verordnung vom 11. Februar 1932 (RGBl I, 67) die Möglichkeit einer Ablösung der Gebäudeentschuldungssteuer, die für die Zeit vom 1. April 1932 bis zum 31. März 1940 zu erheben war, bestand. Auch daraus können sich für die Einzelfälle mannigfache Rechtslagen ergeben, und selbst wenn man es auf die letzte Gestaltung abstellt, wie sie durch die Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl I, 501) und die 1. DVO hierzu vom gleichen Tage (RGBl I, 503) herbeigeführt worden ist, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Rechtslage für die einzelnen Grundstücke sehr verschieden sein konnte. Es ist insbesondere nicht so, als ob die Abgeltungslast nach § 2 der Verordnung vom 31. Juli 1942 eine Erscheinung wäre, mit der schlechthin zu rechnen wäre. Soweit der Abgeltungsbetrag vom Eigentümer aus privaten Mitteln bezahlt worden ist, ist es zur Entstehung der im § 2 der Verordnung vom 31. Juli 1942 vorgesehenen öffentlichen Last gar nicht gekommen.
Bei dieser verschiedenen Rechtslage ist es nicht angängig, eine analoge Anwendung der §§ 38, 39 DOfNot bei der Abgeltungslast für die Gebäudeentschuldungssteuer in Erwägung zu ziehen.
2. Die Meinung der Revision, die Abgeltungsslast habe eine andere Rechtsnatur als die Gebäudeentschuldungssteuer, weil sie den Vermögensstand und nicht als “laufende Ausgabe” nur den Ertragswert des Grundstücks beeinflusse, und dass bei derartigen, den Vermögensstand beeinflussenden Lasten eine. Belehrungspflicht bestehe, ist in ihren beiden Teilen nicht zutreffend.
a) Im Schrifttum wurde von Anfang an die Meinung vertreten, dass die Abgeltungslast nach der Verordnung vom 31. Juli 1942 sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich nichts anderes bedeutete als eine besonders geregelte Fortsetzung der bis dahin geltenden Hauszinssteuer (vgl Delbrück, Deutsches Recht 1942, 1479; Daimer DNotZ 1943, 52 f). Dem ist in der Tat so. Für den vorliegenden Fall interessiert nur die Gestaltung, wie sie sich ergab, wenn der Eigentümer den Abgeltungsbetrag nicht aus privaten Mitteln zahlte, sondern hierzu von einem der in der 1. Durchführungsverordnung vom 31. Juli 1942 genannten Institute ein “Abgeltungsdarlehen” aufgenommen hat, oder wenn ein Institut die Abgeltung für ihn gemäss § 4 der 1. Durchführungsverordnung kraft Auftrags des Finanzamtes geleistet hat. In diesen Fällen hatte der Eigentümer die auf etwa 17 Jahre verteilten Tilgungs- und Zinsbeträge, die als solche sogar niedriger waren als die vorhergehende Steuer (vgl § 6 der 1. DVO und Daimer aaO), zu zahlen. Dass auch das Gesetz diese Lasten wie die bisherigen Steuern als “laufende” Abgaben angesehen hat, ergibt sich aus § 13 der 1. DVO, der vorschreibt, dass ein Niessbraucher die Zins- und Tilgungsbeträge, die sich auf die Zeit seines Niessbrauchs beziehen, selbst zu tragen hat. Bei dieser Rechtslage ist die von der Revision verlangte Unterscheidung nicht am Platz.
b) Im übrigen ist es aber auch nicht so, dass bei allen Grundstückslasten, “die den Vermögensstand … beeinflussen”, eine Belehrungspflicht für den Notar bestünde. Es gibt auch einmalige Abgaben, durch die der Wert des Grundstücks als solchen massgebend beeinflusst wird und die dennoch nicht vom Notar bei Veräusserungsverträgen mit den Beteiligten zu erörtern sind (vgl z.B. die in einem Betrag geschuldeten Strassenbaukosten). Es ist überhaupt nicht ersichtlich, wieso es auf die von der Revision genannten Unterscheidungen massgebend ankommen sollte. Auszugehen ist vielmehr davon, dass mit dem Vorhandensein öffentlicher Lasten der Verkehr grundsätzlich rechnen muss und dass dem Notar mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in solchen Fällen, weil es entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, eine Klarstellung der Verhältnisse nicht möglich ist. Deshalb ist er, wie schon erwähnt, dem Grundsatz nach nicht verpflichtet, diese öffentlichen Lasten bei der Beurkundung von Grundstücksveräusserungen zu klären. Seine Aufgabe ist nicht die eines Wirtschafts- oder Steuerberaters (RG in JW 1932, 2855).
II.
Die Kläger haben auch in den Vorinstanzen den Beklagten nicht den Vorwurf gemacht, dass er sie über die Abgeltungslast als solche nicht belehrt habe, sondern haben seine angebliche Pflichtverletzung nur darin erblickt, dass er ihnen nicht erklärt habe, dass man aus den Grundbucheintragungen nichts über sie ersehen könne und dass die Grundakten zerstört seien, so dass auch aus ihnen bezüglich der Abgeltungslast nichts festgestellt werden könne. Wenn eine allgemeine Belehrungspflicht über die Abgeltungslast bestünde, könnte sich aus ihr als Teilverpflichtung auch eine Pflicht zu der von den Klägern vermissten Unterrichtung über die Bedeutung der Grundbucheintragungen und über die Grundakten ergeben. Ist aber, wie dargelegt, diese allgemeine Belehrungspflicht zu verneinen, so könnte dem Notar aus der Unterlassung der von den Klägern verlangten Unterrichtung nur dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn er zu der Unterrichtung auf Grund anderer Vorschriften als der der §§ 38, 39 DOfNot verpflichtet gewesen wäre.
Auch das ist aber zu verneinen.
1. Aus der in den §§ 40, 41 DOfNot geregelten Pflicht des Notars zur “Feststellung des Grundbuchinhalts” ergibt sich nicht eine Pflicht zur Belehrung der Beteiligten dahin, das aus den Grundbucheintragungen keine Feststellung über eine etwaige Abgeltungslast für die Gebäudeentschuldungssteuer zu treffen ist.
§ 40 verlangt vom Notar, dass er sich bei den dort genannten Geschäften darüber vergewissert, ob die Beteiligten eine zuverlässige Kenntnis des Grundbuchstandes besitzen. Bei den besonders wichtigen Geschäften der Eigentumsübertragung und der Bestellung oder Übertragung eines grundstücksgleichen Rechts hat er grundsätzlich das Grundbuch einzusehen (§ 41), um auf dieser Grundlage insbesondere auch der sich aus § 40 ergebenden Verpflichtung sicher nachkommen zu können. Das Ziel dieser Erforschungspflichten ist klar: durch die Feststellung des Grundbuchinhalts soll eine klare Ausgangslage für das von den Beteiligten erstrebte Geschäft geschaffen werden, damit dieses mit dem von den Beteiligten gewollten Inhalt auch wirklich rechtlich durchgeführt werden kann. Die Folgen, die sich für die Beteiligten aus ihrem Rechtsgeschäft unabhängig vom Grundbuchbestand ergeben, sind aber nicht Gegenstand der dem Notar obliegenden Feststellungen und Aufklärungen, so dass er auch nicht allgemein verpflichtet sein kann, auf sie besonders aufmerksam zu machen. Das aber verlangen die Kläger. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade die Abgeltungskast eine besondere Behandlung erfahren sollte. Wollte man den Notar für verpflichtet halten, nicht nur den vorhandenen positiven Grundbuchbestand den Beteiligten klarzulegen, sondern auch in einer negativen Weise darauf hinzuweisen, dass aus dem Grundbuch nicht alles an Belastungen ersichtlich ist, dann müsste er jeweils sämtliche auch nur möglicher weise in Betracht kommenden öffentlichen Lasten und privatrechtlichen Beschränkungen aufzählen, was aber eine Überspannung der an den Notar zu stellenden Anforderungen bedeuten würde.
2. Soweit die Grundakten in Betracht kommen, entspricht es der herrschenden Meinung, dass auch diese vom Notar bei den in den §§ 40, 41 DofNot genannten Geschäften einzusehen sind (vgl Seybold-Hornig-Lemmens, RNoto 1937 Anm v 8 zu § 21). Da sich der Geschäftsverkehr auf die Beachtung dieses nicht nur erforderlichen, sondern auch üblichen Vorgehens verlässt, wird es grundsätzlich auch zu den Pflichten des Notars gehören, den Beteiligten Mitteilung zu machen, wenn ihm im Einzelfalle eine Grundakteneinsicht nicht möglich war. Freilich ist dies nur dann zu verlangen, wenn aus den Grundakten möglicherweise Vorgänge zu ermitteln wären, die eine vorhandene Grundbucheintragung näher bezeichnen oder die zu einer Grundbucheintragung in einer für das zu beurkundende Geschäft massgeblichen Weise führen könnten. Diese Einschränkung ergibt sich aus den §§ 40, 41 DOfNot. Diese Vorschriften beziehen sich, wie dargelegt, nur auf den “Grundbuchbestand”; deshalb kann auch aus den Grundakten nur das in Betracht kommen, was eine vorhandene Eintragung näher bestimmt (vgl z.B. § 874 BGB) oder zu einer Eintragung führen kann (vgl § 17 GBO), wie der Berufungsrichter mit Recht ausführt.
a) Im vorliegenden Falle sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Revision scheint einem etwa vorhanden gewesenen Vermerk über ein gewährtes Abgeltungsdarlehen dieselbe Bedeutung beizumessen wie einem Eintragungsantrag, wenn sie ausführt, der fragliche Stempelaufdruck auf den Grundakten habe “die Abgeltungszahlung … für Beteiligte und Interessenten erkennbar gemacht”. Dem kann aber nicht zugestimmt werden. Nach der Allgemeinen Verfügung des Reichsjustizministers vom 2. Oktober 1942 (DJ 1942, 655) war der Vermerk nicht für Dritte bestimmt, sondern nur für das Grundbuchamt selbst. In der genannten Allgemeinen Verfügung wird in Ziff 1 bestimmt, dass das Grundbuchamt dem Institut, welches die Gewährung eines Abgeltungsdarlehens – damit ist nach § 3 der 1. DVO vom 31. Juli 1942 die zunächst für das Reich bestehende Abgeltungslast auf das Institut übergegangen – angezeigt hat, über alle Eintragungen so Mitteilung zu machen hat, wie wenn das Institut eine an erster Stelle eingetragene Hypothek erworben hätte. Dann heisst es in Ziff 2, dass die Anzeige zu den Akten zu nehmen und ein formloser Hinweis an geeigneter Stelle des Handblattes oder auf dem Grundaktendeckel oder notfalls (wenn keine Grundakten und kein Handblatt geführt werden) sogar im Grundbuch selbst mit Bleistift anzubringen sei, “um zu verhindern, dass die Anzeige übersehen wird”. Irgendeine Vorstufe zu einer Hypothekeneintragung ist mit der Anzeige des Instituts und mit dem Vermerk über die Anzeige nicht verbunden gewesen. Die Rechtslage ist also eine andere als bei einem Eintragungsantrag.
b) Im übrigen kommt es auf diese Frage auch nicht entscheidend an, weil im vorliegenden Fall mit der blossen Mitteilung von Nichtvorhandensein der Grundakten die Kläger nichts gewonnen hätten. Von Erheblichkeit hätte eine solche Mitteilung für sie erst dann sein können, wenn sie gewusst hätten, dass die Gewährung eines Abgeltungsdarlehens auf dem Grundaktendeckel im allgemeinen vermerkt wurde und dass dies auch bei den von ihnen gekauften Grundstücken so war, Ob letzteres zutrifft, können die Kläger selbst nicht behaupten. Der Vermerk war, wie aus der erwähnten Allgemeinen Verfügung des Reichsjustizministers vom 2. Oktober 1942 ersichtlich ist, nur im Einzelfalle vorzunehmen, wenn das Institut eine entsprechende Anzeige gemacht hatte. Im übrigen muss aber auch hier an dem schon oben unter I gewonnenen Ergebnis festgehalten werden, dass der Notar zu einem Hinweis auf die Abgeltungslast nicht verpflichtet war, woraus sich ergibt, dass er auch über ihre grundbuchtechnische Behandlung die Beteiligten nicht unterrichten musste.
3. Zu den von den Klägern verlangten Hinweisen war der Beklagte schliesslich auch nicht auf Grund seiner allgemeinen “Fürsorgepflicht”, wie sie § 30 DOfNot festlegt, verpflichtet. Insoweit kommt es auf die näheren Umstände des Einzelfalles an, die aber nach den Feststellungen des Berufungsrichters und dem eigenen Vortrag der Kläger nicht so sind, dass der Beklagte zu einer besonderen Behandlung der Frage der Abgeltungslast verpflichtet gewesen wäre.
a) Es mag durchaus sein, dass die Kläger bei der Erörterung des Kaufpreises deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass die Höhe des Kaufpreises für sie vom Bestehen oder Nichtbestehen der Abgeltungslast massgebend abhänge. Dennoch würde sich auch unter dieser Voraussetzung keine Pflicht des Beklagten zur Erörterung der Frage, wie das Bestehen einer Abgeltungslast festgestell werden könne, ergeben; das aber verlangen die Kläger, we sie meinen, der Beklagte hätte sie über den Ausschluss der Abgeltungslast aus dem Grundbuch und über den Verlus der Grundakten unterrichten müssen. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung des § 139 ZPO kommt es somit für die Entscheidung über den Anspruch der Kläger nicht an.
Bei der Belehrungs- und Erörterungspflicht des Notars in dem hier interessierenden Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Beeinflussung des zu beurkundenden Geschäfts durch bestimmte Steuer- oder Kostenvorschriften und der Prüfung der tatsächlichen Lage in einem Einzelfalle im Hinblick auf solche Steuer- oder Kostenfolgen. Dass eine Abgeltungslast auf den Grundstücken ruhen konnte, war den Beteiligten bekannt, wie der Vermerk in der Urkunde in Ziff I 5 deutlich ergibt. Die von den Klägern verlangte Belehrung konnte nur im Zusammenhang mit der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Abgeltungslast im vorliegenden Falle tatsächlich bestand, von Bedeutung sein.
Es lässt sich aber nicht sagen, dass der Notar nach dieser Seite der tatsächlichen Feststellung der steuerrechtlich erheblichen Verhältnisse zur Erörterung, Aufklärung und Belehrung immer schon dann verpflichtet wäre, wenn er erkennen kann, dass die Frage für eine Partei von besonderer Bedeutung sei. Ein gegenteiliger Grundsatz ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Die Entscheidungen in JW 1915 S 513 und JW 1917 S 600, die vom Berufungsgericht angeführt werden, sprechen deutlich aus, dass dem Notar nur insoweit “die Pflicht zur Aufklärung der Vertragsschliessenden” obliegt, “als es durch das Zustandekommen einer rechtswirksamen Beurkundung erfordert wird” (JW 1915 S 513). Es wird in den angeführten Entscheidungen vom Notar nicht verlangt, dass er die steuerliche Lage mit den Beteiligten erörtert, sondern nur, dass er sie darauf hinweist, dass das nach ihrem Auftrag zum Zwecke der Steuerersparnis als Schenkung (JW 1915 S 513) bezw. Vollmachtserteilung (JW 1917 S 600) beurkundete Geschäft möglicherweise nach seinem näheren Inhalt auch als gegenseitiger Vertrag oder als Veräusserungsvertrag aufgefasst werden könnte. Dies ergibt sich zwanglos aus der Pflicht des Notars, die Beteiligten über die Bedenken zu unterrichten, die vom rechtlichen Standpunkt aus ihrem Geschäftswillen entgegenstehen. Um etwas dem Ähnliches handelt es sich aber im vorliegenden Falle nicht. Vielmehr geht es hier, wie schon erwähnt, um die Verpflichtung zu Belehrungen im Rahmen der tatsächlichen Feststellung einer steuerrechtlichen Lage. Im vorliegenden Falle hat hierzu der Verkäufer vor dem Notar eine Erklärung abgegeben. Das, was die Kläger verlangen, läuft, allgemein gefasst, darauf hinaus, dass der Notar bei einer solchen Lage der Gegenpartei mitteilen müsste, dass er selbst zur Klärung der Frage nichts beitragen könne. Eine solche Pflicht lässt sich aber aus § 30 DOfNot nicht herleiten.
Diese Vorschrift verlangt eine besondere Ausgangslage und besondere Gefahren, wenn der Notar tätig werden soll: es muss die Gefahr einer Übervorteilung, eine Irrtums oder eines Zweifels bei einem Beteiligten vorliegen, und zwar in einer dem Notar erkennbaren Weise, was mit dem Ausdruck “nach Möglichkeit” deutlich unterstrichen wird.
b) Diese Voraussetzungen lassen sich aber im vorliegenden Falle nicht bejahen.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte irgend wie an der Zuverlässigkeit des Verkäufers hätte Zweifel haben müssen. Der Verkäufer war mit den Käufern bekannt und übernahm die Gewähr dafür, dass die Grundstücke mit keinen weiteren als den im Vertrag erwähnten und von den Käufern übernommenen Belastungen belastet seien; dass er mittellos gewesen wäre, ist von keiner Seite erwähnt worden.
Noch viel weniger war an irgendeine Gefahr der Übervorteilung der Kläger zu denken. Sie übernahmen die beiden Hypotheken von zusammen 32.500 RM, bekamen aber dafür nicht nur die beiden Grundstücke, für die ein auch von der Preisbehörde nicht beanstandeter Betrag von 27.000 RM angesetzt wurde, sondern auch noch Inventar im Werte von 5.500 RM (denn nur 2500 RM sind in bar bezahlt worden) sowie die Kriegssachschädenansprüche des Verkäufers. Ihre Leistungen mussten somit geringer als die des Verkäufers erscheinen.
Schliesslich ist auch nicht anzuerkennen, dass der Notar hätte damit rechnen müssen, dass die Kläger seine Aufklärung über den Grundbuchinhalt dahin hätten verstehen können, dass sie mit einer Abgeltungslast nicht zu rechnen hätten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Notar ihre angeblich vorhandene unrichtige Vorstellung des Inhalts, im Grundbuch würde auch die Abgeltungslast eingetragen, hätte erkennen können. Dieser Irrtum lag vom Standpunkt des Beklagten aus fern. Man ging von der Hauszinssteuer aus, von der im allgemeinen bekannt war, dass sie als eine laufende Abgabe im Grundbuch nicht eingetragen war. Selbst in der Urkunde, die der Beklagte im vorliegenden Falle angefertigt hat, ist noch von der “Hausz inssteuer” die Rede, nicht aber von der “Abgeltungslast”, wie es der damaligen Rechtslage entsprochen hat. Es hätte auch im übrigen keines ausdrücklichen Festhaltens der Erklärung des Verkäufers bedurft, dass die Hauszinssteuer abgelöst sei, wenn sich dies schon aus dem Grundbuchinhalt ergeben hätte. War aber der angebliche Irrtum der Kläger dem Beklagten nicht bekannt und auch nicht nach Sachlage erkennbar, so war er auch nicht zu einer Aufklärung nach dieser Seite hin verpflichtet und somit auch nicht zu den von den Klägern verlangten Erklärungen.
Nach alle dem musste die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Meiß, Dr. Geiger, Rietschel, Dr. Weber, Wolany
Fundstellen
Haufe-Index 1384492 |
DNotZ 1953, 492 |