Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt des Erben in Pachtvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 593 a BGB findet keine Anwendung, wenn – ggf. schon vor ihrem Inkrafttreten – in dem Pachtvertrag davon abweichende Vereinbarungen getroffen sind.
Normenkette
BGB § 593a
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 14.02.2001) |
AG Dannenberg (Urteil vom 18.02.2000) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats – Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Februar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von 92.405,70 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Dannenberg vom 18. Februar 2000 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag vom 26. Oktober 1977 verpachtete die Klägerin dem Beklagten verschiedene landwirtschaftliche Grundstücke zur Größe von 14.21.09 ha. In § 11 heißt es u.a.:
„Gibt der Pächter seinen Betrieb an einen anderen mit der Vereinbarung ab, daß dieser in den Pachtvertrag eintreten soll, so hat er dies unverzüglich dem Verpächter mitzuteilen. Der Betriebsnachfolger tritt anstelle des Pächters in den Pachtvertrag ein, wenn nicht der Verpächter binnen eines Monats nach Zugang der Mitteilung gegenüber dem Pächter widerspricht.”
Der Beklagte nutzte die Pachtflächen zumindest teilweise zur Milchwirtschaft. Diese gab er 1991/1992 auf und erhielt dafür eine Milchaufgabevergütung. Aus Anlaß der früheren Rückgabe von ca. 4 ha der Pachtfläche zahlte der Beklagte an die Klägerin 12.000 DM wegen der Aufgabe der Milchwirtschaft auf dieser Teilfläche.
Mit Wirkung zum 30. Juni 1997 übertrug der Beklagte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich der Pachtflächen auf seinen Sohn. Davon unterrichtete er die Klägerin im Herbst 1997.
Das Pachtverhältnis wurde durch Kündigung der Klägerin am 30. September 1998 beendet; die Klägerin erhielt die Pachtflächen zurück.
Mit der Behauptung, die gesamte Pachtfläche habe der Milchwirtschaft gedient, auf einem Hektar habe eine Milchquote von 6.000 kg geruht und die Milchaufgabevergütung habe 1,60 DM/kg betragen, hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 98.662,08 DM nebst Zinsen beantragt. Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist überwiegend erfolgreich gewesen; das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 92.405,70 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Pächter, der ohne Zustimmung des Verpächters die Milcherzeugung durch Beantragung und Erlangung der Milchaufgabevergütung aufgibt, wegen positiver Vertragsverletzung i.V.m. § 281 BGB a.F. zur Herausgabe der auf die Pachtflächen entfallenden Vergütung verpflichtet ist. Es nimmt – stillschweigend – an, daß diese Verpflichtung den Beklagten als ursprünglichen Pächter trifft. Den Anspruch der Klägerin hält es für nicht verjährt, weil in § 591 b Abs. 2 Satz 1 BGB der Verjährungsbeginn an die tatsächliche Rückgabe der Pachtsache geknüpft sei; der Pächterwechsel kraft Gesetzes (§ 593 a Satz 1 BGB) ändere daran nichts.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß nämlich der Pächter, der ohne die erforderliche Zustimmung des Verpächters eine Milchaufgabevergütung beantragt und (bestandskräftig) erhalten hat, diese Vergütung nach § 281 BGB a.F. an den Verpächter auskehren muß, soweit die aufgegebene Milchreferenzmenge nach Beendigung des Pachtvertrags auf diesen übergegangen wäre (Senat, BGHZ 135, 284). Der Anspruch darauf, daß der Pächter seiner Verpflichtung zur Rückgabe der Pachtgrundstücke in dem Zustand, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht (§§ 586 Abs. 1 Satz 3, 596 Abs. 1 BGB), nicht nachkommt (Senat, BGHZ aaO, 287; Senatsurteil vom 16. Juni 2000, LwZR 18/99, WM 2000, 1970, 1971 f). Ob der Verpächter vom Pächter wegen pflichtwidriger Beantragung der Milchaufgabevergütung Schadensersatz fordern könnte, ist unerheblich (Senat, BGHZ aaO, 289).
2. Ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgeht, daß nach der Betriebsübergabe nebst Übergabe zugepachteter landwirtschaftlicher Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nach § 593 a BGB der Übergeber und nicht der Übernehmer zur Auskehr der Milchaufgabevergütung an den Verpächter verpflichtet ist, wenn er sie – wie hier – vor der Übergabe erhalten hat, kann dahinstehen. Das Berufungsgericht übersieht nämlich, daß § 593 a BGB hier gar nicht anwendbar ist.
a) In der Vorschrift (eingefügt in das BGB durch das Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom 8. November 1985 [BGBl. I S. 2065]) wird der Grundsatz, daß zu einem Wechsel in der Person des Pächters die Zustimmung des Verpächters notwendig ist, durchbrochen. Hat ein landwirtschaftlicher Betrieb Grundstücke zugepachtet, tritt der Übernehmer kraft Gesetzes in den Pachtvertrag anstelle des Übergebers ein, wenn die zugepachteten Grundstücke mit übergeben werden. Der Pächterwechsel vollzieht sich ohne Zustimmung des Verpächters. Dieser kann ihn auch nicht verhindern; ihm steht nach § 593 a Satz 3 BGB lediglich das Recht zur vorzeitigen Kündigung des Pachtverhältnisses unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu, wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache durch den neuen Pächter nicht gewährleistet ist.
b) In dem Pachtvertrag können jedoch davon abweichende Vereinbarungen getroffen werden; § 593 a BGB ist nämlich abdingbar (MünchKomm-BGB/Voelskow, 3. Aufl., § 593 a Rdn. 6; Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, [1995], § 593 a Rdn. 26; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 593 a Rdn. 1). Von dieser Möglichkeit haben die Parteien hier Gebrauch gemacht. In § 11 des Pachtvertrags haben sie die Wirksamkeit des Pächterwechsels durch Übergabe des Betriebs davon abhängig gemacht, daß der Verpächter nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung über die Betriebsübergabe dagegen Widerspruch erhebt. Diese Regelung gilt nach ihrem Wortlaut für jeden Fall der Betriebsübergabe; die Übergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist nicht ausgenommen. Davon sind auch die Parteien ausgegangen, denn auf die Mitteilung des Beklagten über die Betriebsübergabe an seinen Sohn hat die Klägerin ihr Einverständnis damit erklärt.
Der Umstand, daß die vertragliche Regelung einige Jahre vor Inkrafttreten des § 593 a BGB vereinbart wurde, steht der Annahme, die Vorschrift sei abbedungen worden, nicht entgegen. Zwar bestimmt die Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom 8. November 1985, daß Pachtverhältnisse aufgrund von Verträgen, die – wie hier – vor dem 1. Juli 1986 geschlossen worden sind, sich von da an nach der neuen Fassung der §§ 581 bis 597 BGB richten (Art. 219 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Aber das bedeutet nicht, daß frühere vertragliche Vereinbarungen, die zulässigerweise von den neuen Vorschriften abweichen, ab deren Inkrafttreten unwirksam wurden; vielmehr haben sie dieselbe Wirkung wie unter der Geltung des neuen Rechts vereinbarte Abweichungen.
3. Findet § 593 a BGB keine Anwendung, läßt sich die Frage, ob bei Beendigung des Pachtverhältnisses der ursprüngliche Pächter oder der Übernehmer für die Auskehr der (anteiligen) Milchaufgabevergütung haftet, nicht anhand einer Auslegung des § 593 a BGB, sondern nur anhand der Regelungen des Pachtvertrags beantworten. Ihn hat das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – nicht ausgelegt. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten und auch nicht erforderlich sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (BGHZ 65, 107). Sie ergibt, daß sich der Anspruch der Klägerin nur gegen den Sohn des Beklagten richtet; der Beklagte ist nicht passivlegitimiert.
Nach der Regelung in § 11 des Pachtvertrags tritt der Betriebsnachfolger anstelle des Pächters in den Pachtvertrag ein, wenn nicht der Verpächter innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Hier hat die Klägerin der Übergabe des Betriebs an den Sohn des Beklagten und damit seinem Eintritt in den Pachtvertrag nicht widersprochen; sie hat sogar auf die Mitteilung des Beklagten hin ihr Einverständnis mit der Betriebsübergabe erklärt. Damit schied der Beklagte schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung als Pächter aus; sein Sohn wurde der neue und alleinige Vertragspartner der Klägerin. Nur er mußte von da an alle Pflichten aus dem Pachtvertrag erfüllen. Wenn daneben auch der Beklagte wenigstens für solche Verbindlichkeiten haften sollte, die während seiner Pachtzeit begründet worden waren, hätte das in der Übergabeklausel zum Ausdruck kommen müssen. Die Formulierung „anstelle des Pächters” läßt es jedenfalls nicht zu, irgendeine fortbestehende Haftung des Beklagten anzunehmen. Das entspricht auch der Interessenlage aller Beteiligten. Bei der – wie hier – Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge will sich der Übergeber üblicherweise auf sein „Altenteil” zurückziehen; die mit dem Betrieb zusammenhängenden wirtschaftlichen und rechtlichen Vorteile, aber auch Risiken und Verpflichtungen sollen auf den Übernehmer übergehen. Eine fortbestehende Haftung des Übergebers für bis zu seinem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten ist regelmäßig nicht gewollt. Das Interesse des Verpächters an der Beibehaltung eines ordnungsgemäß wirtschaftenden und solventen Pächters ist ausreichend gewahrt, wenn – wie hier – die Wirksamkeit der Übergabe – ähnlich wie bei der befreienden Schuldübernahme nach §§ 414 ff BGB – von seinem Willen abhängt. Er hat dann nämlich die Möglichkeit, den Pächterwechsel zu verhindern. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß die Klägerin den Beklagten durch ihr Einverständnis mit der Betriebsübergabe auch aus der Haftung für Verbindlichkeiten, die vor der Übergabe begründet worden waren, entlassen hat. Für diese Auslegung spricht überdies der Umstand, daß die Klägerin beim Erhalt der Mitteilung des Beklagten von der Betriebsübergabe wußte, daß er 1991/1992 seine gesamte Milchreferenzmenge freigesetzt und die Milchaufgabevergütung erhalten hatte; denn ca. 1 1/2 Jahre vorher hatten sich die Parteien über die Zahlung eines Teils der Vergütung an die Klägerin geeinigt. Wenn sie nach der Betriebsübergabe vom Beklagten einen weiteren Teil der Vergütung hätte verlangen wollen, dann hätte nichts näher gelegen, als das mit ihrer Zustimmung zu verbinden.
4. Nach alledem ist die Klage unbegründet. Deswegen ist die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils auch insoweit zurückzuweisen, als das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung verurteilt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 746118 |
BGHR 2002, 846 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1205 |
NZM 2002, 987 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2523 |
ZEV 2002, 418 |
AgrarR 2002, 369 |
DNotZ 2002, 952 |
MDR 2002, 1056 |