Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Urteil vom 18.08.2003) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 18. August 2003 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Die dem Angeklagten im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin freigesprochen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin, die die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel sind unbegründet.
I.
Die Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2002 in seiner Wohnung seine frühere Lebensgefährtin M. K., die Nebenklägerin, vergewaltigt zu haben, indem er sie zunächst durch die von ihr unbemerkte Verabreichung eines Schlafmittels in einem Getränk widerstandslos gemacht, anschließend mit Schnüren an Händen und Füßen gefesselt, ihr den Mund mit Paketklebeband verschlossen, ihr eine Augenmaske aufgesetzt und dann mit der Wehrlosen gegen ihren Willen den Beischlaf ausgeübt habe.
Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht. Es hat, beraten durch Sachverständige, für möglich erachtet, daß die Nebenklägerin Fesselung und Knebelung bei einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten erlebt und hingenommen habe, weil sie den Angeklagten nicht an eine andere Frau, die Zeugin S. …, habe verlieren wollen. Sie könne die Anzeige wegen Vergewaltigung sieben Monate nach dem Geschehen deshalb erstattet haben, weil der Angeklagte schließlich konkret beabsichtigt habe, die Zeugin S. zu heiraten. Dadurch könne sich bei der Nebenklägerin im nachhinein ein Gefühl der Schande eingestellt haben, zumal der Angeklagte mit der Zeugin S. … ähnlich verfahren sei wie mit der Nebenklägerin, indem er auch diese beim Geschlechtsverkehr gefesselt habe. Dies könne zu einem „artifiziellen Trauma” bei der Nebenklägerin geführt haben. Infolgedessen könne die Nebenklägerin die möglicherweise damals unter ihrer Fesselung einvernehmlich vorgenommenen sexuellen Handlungen nachträglich als unfreiwillig und erzwungen empfunden haben und subjektiv davon auch überzeugt sein (UA S. 107).
Entscheidungsgründe
II.
Das freisprechende Urteil des Landgerichts begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Revisionen beanstanden, das Landgericht habe nicht dargelegt, welchen Sachverhalt es als festgestellt erachte; es habe lediglich die Einlassungen des Angeklagten und die Bekundungen der Beweispersonen angeführt und gewürdigt.
Den Revisionen ist einzuräumen, daß den Urteilsgründen ein ausdrücklich hervorgehobener Abschnitt fehlt, aus dem sich die für erwiesen erachteten Tatsachen ergeben (vgl. zu den Anforderungen nur BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 4, 5; Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 33). Das führt hier jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe verdeutlicht noch hinreichend, von welchem festgestellten Sachverhalt die Strafkammer ausgegangen ist. Danach hat zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin in der Schlußphase ihrer Beziehung Geschlechtsverkehr stattgefunden, bei dem die Nebenklägerin in der von ihr bezeichneten Weise gefesselt war, den Mund verklebt hatte und während des Verkehrs auch Schmerzen empfand. Einzelne Umstände waren jedoch nicht aufklärbar. An der Unfreiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs hatte die Strafkammer erhebliche Zweifel. Sie hat ein freiwilliges Sicheinlassen der Nebenklägerin auf den Angeklagten und dessen ungewöhnliche Praktiken für möglich gehalten.
2. Gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Das Revisionsgericht hat diese Bewertung hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist weder widersprüchlich, unklar oder lückenhaft, noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze (vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16; BGH NStZ 2000, 48).
Beide Revisionen unternehmen es lediglich, ihre eigene Sicht der Dinge und ihre Würdigung in den Vordergrund zu rücken und an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Eine abweichende Wertung der Beweise vermag aber grundsätzlich einer Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Die Strafkammer hat ihre Zweifel an der Darstellung der Nebenklägerin nachvollziehbar begründet. Die Ausführungen zu dem Anruf bei der Polizei durch eine „Frau Fuchs”, den die Strafkammer aufgrund mehrerer verschiedener Umstände – entgegen deren Beteuerungen – der Nebenklägerin selbst zuordnet, die Bewertung des zeitlichen Ablaufs, wie ihn die Nebenklägerin geschildert hat, und die inhaltlichen Abweichungen zwischen der polizeilichen Aussage der Nebenklägerin einerseits und ihren Angaben bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung belegen hinreichend die Zweifel der Strafkammer an der Darstellung der Nebenklägerin. Hinzu kam das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch., der die Alternativhypothese einer unbewußten Falschaussage nicht zu verwerfen vermochte. Diese ging davon aus, die Nebenklägerin könne sich überwunden und auf „Fesselungssex” mit dem Angeklagten eingelassen haben, weil sie ihn zu diesem Zeitpunkt noch geliebt habe. Erst als sie aus Enttäuschung darüber, daß sich der Angeklagte der Zeugin S. zugewandt und diese sogar habe heiraten wollen, einen „Schub” verspürt habe und sich im Laufe der Zeit Schuld- und Schamgefühle über den möglicherweise einvernehmlich durchgeführten Geschlechtsverkehr unter Fesselung gebildet hätten, sei sie möglicherweise im nachhinein davon überzeugt gewesen, daß die sexuellen Handlungen ohne ihr Einverständnis erfolgt seien, obwohl tatsächlich seinerzeit ihr Einverständnis vorgelegen habe.
Unter diesen Umständen erweist es sich auch nicht als Widerspruch, daß die Strafkammer eine bewußte Falschaussage der Nebenklägerin verneint. Die Schilderung ihrer Empfindungen deutet auch nach der Wertung des Landgerichts vielmehr auf die Realitätsgerechtigkeit der Darstellung hin. Das steht indes nicht wirklich einer unbewußten Verschiebung von Geschehenem wie auch ihrer Beweggründe entgegen, aus denen sie sich auf die Wünsche des Angeklagten eingelassen haben könnte, das Vorgefallene aber Monate später aus ihrer Enttäuschung heraus anders einordnet.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2557619 |
StV 2004, 521 |