Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler durch fehlende Protokollierung der Aussage des Sachverständigen bei dessen Anhörung
Leitsatz (redaktionell)
Erläutert der Sachverständige das von ihm erstellte Gutachten über die Mangelhaftigkeit der Mietsache in der mündlichen Verhandlung und beruhen die Feststellungen des Gerichts hierauf, so stellt es einen Verfahrensfehler dar, wenn das Gericht die Aussage des Sachverständigen nicht im Protokoll festhält. Nur ausnahmsweise kann es ausreichen, die Erläuterungen des Sachverständigen in einem Aktenvermerk oder im Tatbestand des Urteils festzuhalten bzw. sie in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich hervorzuheben.
Normenkette
BGB § 535; ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 01.08.2003) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 64 des LG Berlin v. 1.8.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Auf Grund eines schriftlichen Mietvertrages v. 12.10.2000 bewohnen die Kläger seit dem 1.11.2000 die im Erdgeschoss links gelegene Wohnung in dem der Beklagten gehörenden Haus S. Straße in B. Das 1962/63 errichtete Gebäude ist mit Holzverbundfenstern ausgestattet, die aus zwei hintereinander angebrachten Fensterflügeln mit einem gemeinsamen Drehpunkt bestehen. Mit Anwaltsschreiben v. 1.2.2002 beanstandeten die Kläger bei der Beklagten, dass die Fenster undicht seien und regelmäßig großflächig beschlügen und dass sich an drei Rahmen bereits Schimmel gebildet habe. Zugleich kündigten sie eine Mietminderung an und begehrten Mangelbeseitigung. Mit Anwaltsschreiben v. 4.4.2002 setzten die Kläger der Beklagten vergeblich eine letzte Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 11.4.2002.
In dem vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger von der Beklagten zuletzt die Instandsetzung der Verbundfenster im Kinderzimmer, im Bad und auf der linken Seite des Wohnzimmers ihrer Wohnung in der Weise begehrt, dass die Fenster nicht mehr auf der Innenseite der äußeren Scheibe beschlagen. Zwischen den Parteien ist im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden, dass der Beschlag durch das Eindringen warmer und feuchter Innenraumluft in den Scheibenzwischenraum entsteht. Streitig ist, ob die Fenster deswegen mangelhaft sind. Das AG hat das Gutachten eines Sachverständigen und, nachdem die Beklagte Maßnahmen zur Verringerung der Wasserkondensation im Scheibenzwischenraum durchgeführt hatte, ein zweites Gutachten desselben Sachverständigen eingeholt. Anschließend hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt. Das LG hat den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens vernommen. Danach hat es die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Kläger hätten gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Instandsetzung der Holzverbundfenster aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach Durchführung der Maßnahmen zur Verringerung der Wasserkondensation im Scheibenzwischenraum seien die Fenster nicht mehr mangelhaft. Der Mietvertrag der Parteien enthalte keine Regelung über erhöhte Anforderungen an die Fenster. Deren Zustand sei nach Einholung des ersten Sachverständigengutachtens verbessert worden. Durch das zweite Gutachten und die Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sei bewiesen, dass die Ausbesserungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden seien und der Zustand der Fenster nicht mehr verbessert werden könne. Zwar sei noch Feuchtigkeit im Fensterbereich vorhanden, was nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich als negativ anzusehen sei. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass nur Holzverbundfenster vermietet seien. Eine Verkehrsanschauung, dass alle Fenster gleich gut und frei von Feuchtigkeit seien, gebe es nicht. Mehr als optimal abgedichtete Holzverbundfenster schulde die Beklagte nicht. Die Kläger müssten die für Holzverbundfenster typische, unvermeidbare Feuchtigkeit hinnehmen. Die von ihnen geforderte weiter gehende Instandsetzung sei nach der Erläuterung des Sachverständigen auch unmöglich, was der Verurteilung zudem entgegenstehe.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat einen Mangel der in Rede stehenden Holzverbundfenster und deswegen den von den Klägern geltend gemachten Instandsetzungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verfahrensfehlerhaft verneint.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Mängel der Fenster nach Durchführung der Maßnahmen zur Verringerung der Wasserkondensation im Scheibenzwischenraum nicht mehr vorhanden seien. Es ist mithin davon ausgegangen, dass die Fenster zunächst mangelhaft waren. Trotz der nach seinen Feststellungen auch weiterhin auftretenden Feuchtigkeit im Scheibenzwischenraum hat es die Fenster aber deswegen nicht mehr für mangelhaft gehalten, weil ihr Zustand nicht weiter verbessert werden könne, bzw. weil die von den Klägern geforderte weiter gehende Instandsetzung unmöglich sei. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht ausdrücklich auf das zweite Gutachten des Sachverständigen sowie dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung gestützt. Dem bei den Akten befindlichen zweiten Gutachten lässt sich insoweit jedoch nichts entnehmen. Darin wird lediglich dargelegt, dass bestimmte Mängel der Fenster, die in dem ersten Gutachten des Sachverständigen aufgeführt sind, behoben worden seien. Daher verbleiben als Grundlage der Feststellung des Berufungsgerichts nur die Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Insoweit beruht das Berufungsurteil indessen, wie die Revision zu Recht rügt, auf einem Verfahrensfehler.
Das Berufungsgericht hat die Aussage des Sachverständigen bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht in das Protokoll aufgenommen. In diesem findet sich lediglich der Vermerk: "Der Sachverständige erläuterte mündlich seine Gutachten ...". Dies entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO, wonach u. a. die Aussage des Sachverständigen im Protokoll festzustellen ist (BGH, Urt. v. 24.2.1987 - VI ZR 295/85, MDR 1987, 751 = NJW-RR 1987, 1197, unter II 2; Urt. v. 27.1.1993 - XII ZR 141/91, WM 1993, 914 = NJW-RR 1993, 519, unter 2; Urt. v. 11.7.2001 - VIII ZR 215/00, MDR 2001, 1311 = BGHReport 2001, 891 = WM 2001, 2024 = NJW 2001, 3269, unter II 1b, jeweils m. w. N.; vgl. ferner BGHZ 40, 84 [86 f.] zur Parteivernehmung; Urt. v. 18.9.1986 - I ZR 179/84, MDR 1987, 209 = NJW 1987, 1200, unter II 2 zur Zeugenaussage). Das Berufungsgericht hat die Erläuterungen des Sachverständigen auch weder in einem Aktenvermerk oder im Tatbestand des Urteils festgehalten, noch hat es den Inhalt der Erläuterungen des Sachverständigen in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich erkennen lassen, wie es nach der zitierten Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise ausreichen kann (BGH, Urt. v. 18.9.1986 - I ZR 179/84, MDR 1987, 209 = NJW 1987, 1200; ferner Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034, unter 2). Die auf die mündliche Aussage des Sachverständigen gestützte Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Zustand der Fenster nicht weiter verbessert werden könne, bzw. dass die von den Klägern geforderte weiter gehende Instandsetzung unmöglich sei, erscheint auch nicht etwa selbstverständlich. Nach den eigenen Angaben der Beklagten sind fast alle anderen Holzverbundfenster in ihrem Haus nicht beschlagen.
Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts, der nicht gem. § 295 ZPO geheilt werden kann (BGH, Urt. v. 18.9.1986 - I ZR 179/84, MDR 1987, 209 = NJW 1987, 1200; Urt. v. 27.1.1993 - XII ZR 141/91, WM 1993, 914 = NJW-RR 1993, 519; Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034, unter 4), macht die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erforderlich, weil das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob das Berufungsgericht die Aussage zutreffend berücksichtigt hat (BGH BGHZ 40, 84 [86 f.]; Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034, unter 4). Dies gibt dem Berufungsgericht die Möglichkeit, die Frage der Mangelhaftigkeit der Holzverbundfenster unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens in der Revisionsinstanz noch einmal zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 1167230 |
WuM 2004, 411 |
DS 2004, 262 |
IWR 2005, 64 |
JWO-MietR 2004, 210 |