Leitsatz (amtlich)
a) Der an die Stelle der bisherigen Störerhaftung des Zugangsvermittlers für von Dritten begangene Rechtsverletzungen getretene Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. ist unionsrechtskonform dahingehend fortzubilden, dass er in analoger Anwendung gegen Betreiber drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann.
b) Kann der Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. nicht nur gegen WLAN-Betreiber, sondern auch gegen Anbieter drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden, bestehen gegen die Anwendung des Ausschlusses von Unterlassungsansprüchen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken.
c) Wird in einem vor Inkrafttreten der §§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. anhängig gemachten, nach dem Inkrafttreten dieser Vorschriften andauernden Rechtsstreit der Internetzugangsvermittler wegen Urheberrechtsverletzungen, die Dritte über den von ihm bereitgestellten Internetanschluss begangen haben, auf Unterlassung in Anspruch genommen, so ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Klageantrag an die Erfordernisse eines möglichen Sperranspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. anzupassen.
d) Soweit für die Inanspruchnahme auf Abmahnkostenersatz auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. abzustellen ist, haftet der gewerbliche Betreiber eines Internetzugangs über WLAN für von Dritten begangene Urheberrechtsverletzungen mittels Filesharing erst nach Erhalt eines Hinweises darauf, dass über seinen Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing begangen worden sind. Für die Annahme der Haftung ist nicht erforderlich, dass das vom Hinweis erfasste und das durch die erneute Verletzung betroffene Werk identisch sind.
Normenkette
RL 2001/29/EG Art. 8 Abs. 3; RL 2004/48/EG Art. 11 S. 3; TMG § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 16.3.2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Unterlassungsantrags zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island". Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 6.1.2013 wurden Teile des Computerspiels "Dead Island" über diesen Internetanschluss in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 14.3.2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.
Rz. 2
Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er stelle unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk ("Tor-Exit-Nodes") zur Verfügung.
Rz. 3
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Das LG hat den Beklagten zur Unterlassung und zur Zahlung von nach einem Streitwert von 10.000 EUR berechneten Abmahnkosten i.H.v. 651,80 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, möchte der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden der Unterlassungsanspruch sowie der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Rz. 5
Der Unterlassungsantrag sei sowohl dann begründet, wenn die Rechtsverletzung über einen vom Beklagten betriebenen offenen WLAN-Hotspot begangen worden sei, als auch dann, wenn die Rechtsverletzung über den ebenfalls vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node geschehen sei. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen.
Rz. 6
Der Beklagte sei ferner zur Zahlung von Abmahnkosten in der vom LG zugesprochenen Höhe verpflichtet.
Rz. 7
B. Die Revision des Beklagten hat überwiegend Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht den Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten zu Recht zuerkannt (dazu B I). Keinen Bestand hat allerdings die Verurteilung nach dem Unterlassungsantrag (dazu B II).
Rz. 8
I. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Abmahnkosten folgt aus § 97a Abs. 1 UrhG a.F.
Rz. 9
1. Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die im März 2013 ausgesprochene Abmahnung ist § 97a UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (BGH, Urt. v. 12.5.2016 - I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 Rz. 19 = WRP 2016, 1525 - Tannöd, m.w.N.).
Rz. 10
2. Nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. kann der Verletzte vom Verletzer die Kosten einer Abmahnung ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat, und sie dem Schuldner einen Weg weist, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH GRUR 2016, 1275 Rz. 20 - Tannöd, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin im Zeitpunkt der an den Beklagten gerichteten Abmahnung ein Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels zugestanden hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG).
Rz. 11
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island" zustehen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision nicht; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 12
b) Das Berufungsgericht hat weiter von der Revision unangegriffen festgestellt, dass das Computerspiel über den Internetanschluss des Beklagten am 6.1.2013 zum Herunterladen angeboten wurde. Die Bereitstellung eines Computerspiels zum Herunterladen über eine Internettauschbörse verletzt das Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen gem. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG (vgl. BGH, Urt. v. 27.7.2017 - I ZR 68/16, GRUR-RR 2017, 484 Rz. 10 = WRP 2017, 1222 m.w.N.).
Rz. 13
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte nach der seinerzeit bestehenden Rechtslage als Störer für die Rechtsverletzung verantwortlich war.
Rz. 14
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte hafte als Störer unabhängig davon, ob die Rechtsverletzung über sein privat oder gewerblich bereitgestelltes WLAN oder den von ihm betriebenen Tor-Exit-Node erfolgt sei. Der Beklagte sei jedenfalls verpflichtet gewesen, seinen WLAN-Hotspot durch Einrichtung eines Passworts zu sichern. Als Diensteanbieter sei der Beklagte zwar nicht für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer verantwortlich. Die Sicherung durch ein Passwort sei ihm allerdings mit Blick auf Art. 12 der Richtlinie 2000/31/EG unter Berücksichtigung der abzuwägenden Grundrechte der Beteiligten zumutbar. Bei dem Betrieb des Tor-Exit-Nodes habe der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen, die nach den Feststellungen des LG technisch mögliche Sperrung von Filesharing-Software vorzunehmen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 15
bb) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rz. 50 = WRP 2008, 1104 - Internetversteigerung III; Urt. v. 12.5.2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rz. 19 = - Sommer unseres Lebens; Urt. v. 18.11.2011 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rz. 37 = WRP 2011, 881 - Sedo; Urt. v. 12.7.2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rz. 19 = - Alone in the Dark; Urt. v. 15.8.2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rz. 31 = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst; Urt. v. 26.11.2015 - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 Rz. 21 = - Störerhaftung des Accessproviders). Bei der Auferlegung von Kontrollmaßnahmen ist zu beachten, dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen (vgl. BGHZ 208, 82 Rz. 26 f. = - Störerhaftung des Accessproviders).
Rz. 16
cc) Die in § 8 Abs. 1 TMG in seiner im Abmahnungszeitpunkt geltenden Fassung vom 26.2.2007 (TMG 2007) geregelte und auf Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruhende Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters steht der Annahme nicht entgegen, dass der Anbieter eines Internetzugangs für von Dritten über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung haften kann.
Rz. 17
(1) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG 2007 sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3).
Rz. 18
(2) Der Beklagte ist Diensteanbieter i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG. Diensteanbieter ist nach der Legaldefinition des § 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 TMG jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Zu den Telemedien zählen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste (§ 1 Abs. 1 Satz 1 TMG). Das Gesetz gilt für alle Anbieter unabhängig davon, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird (§ 1 Abs. 1 Satz 2 TMG). Der Beklagte vermittelt den Zugang zur Nutzung eines elektronischen Kommunikationsdienstes, indem er es Dritten ermöglicht, von ihren Endgeräten über das von ihm bereitgehaltene WLAN und den von ihm unterhaltenen Tor-Exit-Node auf das Internet zuzugreifen (vgl. Hoffmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 8 TMG Rz. 17). Er ist unabhängig davon Diensteanbieter i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG, ob er diesen Internetzugang entgeltlich oder unentgeltlich, privat oder gewerblich oder im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit anbietet. Der Begriff des Diensteanbieters i.S.d. § 8 Abs. 1 TMG ist weiter als der Begriff des Diensteanbieters i.S.d. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG, der nur Anbieter von Diensten erfasst, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit und damit in der Regel gegen Entgelt erbracht werden (vgl. EuGH, Urt. v. 15.9.2016 - Rs. C-484/14, GRUR 2016, 1146 Rz. 34 bis 43 = WRP 2016, 1486 = CR 2016, 678 m. Anm. Franz/Sakowski - McFadden/Sony Music; Spindler in Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl., § 1 Rz. 6).
Rz. 19
(3) Es läuft § 8 Abs. 1 TMG und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG nicht zuwider, von einem Diensteanbieter, dessen Dienste zur Begehung einer Rechtsverletzung genutzt worden sind, zu verlangen, dass er diese Rechtsverletzung abstellt oder verhindert und die für ein solches Verlangen aufgewendeten Abmahnkosten und Gerichtskosten erstattet (vgl. EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 76 bis 78 - McFadden/Sony Music). Diese Vorschriften stehen der Verpflichtung des Betreibers eines privaten oder gewerblichen WLAN-Anschlusses zu Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen (vgl. EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 90 bis 101 - McFadden/Sony Music).
Rz. 20
Nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG lässt Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Inhaber nach der Richtlinie zu schützender Rechte gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden. Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet die Mitgliedstaaten gleichfalls sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Die Modalitäten dieser Anordnungen sind im Recht der Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, Urt. v. 12.7.2011 - Rs. C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rz. 135 = CR 2011, 597 m. Anm. Volkmann - L'Oréal/eBay; Urt. v. 24.11.2011 - Rs. C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rz. 32 = CR 2012, 33 - Scarlet/SABAM; Urt. v. 27.3.2014 - Rs. C-314/12, GRUR 2014, 468 Rz. 43 = WRP 2014, 540 = CR 2014, 469 - UPC Telekabel).
Rz. 21
Bei der Beurteilung der Frage, welche technischen Maßnahmen einem Diensteanbieter auferlegt werden können, um Rechtsverletzungen abzustellen oder zu verhindern, haben die für eine solche Anordnung zuständigen innerstaatlichen Behörden oder Gerichte die betroffenen Grundrechte in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen (EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 83 - McFadden/Sony Music; BGHZ 208, 82 Rz. 31 - Störerhaftung des Accessproviders). Im Streitfall ist danach ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht der Rechtsinhaber auf Schutz des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta; Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und dem Recht des Diensteanbieters auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) sowie dem Recht der Nutzer dieses Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) andererseits zu schaffen (EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 100 - McFadden/Sony Music; vgl. BGHZ 208, 82 Rz. 34 - Störerhaftung des Accessproviders).
Rz. 22
dd) Danach haftet der Beklagte für über den von ihm betriebenen WLAN-Zugang begangene Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung, weil er diesen Internetzugang nicht hinreichend gesichert hat.
Rz. 23
(1) Der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses haftet für über diesen Anschluss von Dritten begangene Rechtsverletzungen, wenn das WLAN ohne die im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und zumutbaren Zugangssicherungen betrieben wird (BGHZ 185, 330 Rz. 18 ff. = - Sommer unseres Lebens). Hierunter sind der im Kaufzeitpunkt aktuelle Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts zu verstehen (BGH, Urt. v. 24.11.2016 - I ZR 220/15,GRUR 2017, 617 Rz. 14 = WRP 2017, 705 - WLAN-Schlüssel).
Rz. 24
Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Verhaltenspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung durch Dritte gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Die Gründe, die den Senat bewogen haben, eine Störerhaftung des Plattformbetreibers erst anzunehmen, nachdem er von einer ersten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 = - Internetversteigerung I; Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rz. 47 = - Internetversteigerung II; Urt. v. 17.8.2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rz. 21 - Stiftparfüm; Urt. v. 12.7.2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rz. 28 = - Alone in the Dark), liegen bei privaten WLAN-Anschlussbetreibern nicht vor. Es geht hier nicht um ein Geschäftsmodell, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre. Auf den Zugangsvermittler sind die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, die im Falle des Host Providers einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen, nicht anwendbar (vgl. BGHZ 185, 330 Rz. 24 = - Sommer unseres Lebens, m.w.N.).
Rz. 25
(2) Auch im Falle der gewerblichen Bereitstellung eines Internetzugangs über WLAN ist der Betreiber zur Abwendung seiner Störerhaftung zur Vornahme entsprechender Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet. Diese Verpflichtung entsteht allerdings erst nach Erhalt eines geeigneten Hinweises auf eine Rechtsverletzung.
Rz. 26
Zwar ist die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG und § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG vorgesehene Privilegierung des Host Providers auf den Betreiber eines gewerblichen WLAN nicht anwendbar (vgl. EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 55 bis 65 - McFadden/Sony Music). Die Auferlegung einer anlasslosen Verhaltenspflicht bei Inbetriebnahme - hier: der Pflicht zur Verschlüsselung mittels eines Passworts - wäre aber geeignet, das Geschäftsmodell der gewerblichen Bereitstellung von Internetzugängen unverhältnismäßig zu erschweren (vgl. BGHZ 208, 82 Rz. 27 = - Störerhaftung des Accessproviders).
Rz. 27
Die Anforderungen an die Qualität des eine Verhaltenspflicht begründenden Hinweises auf eine Rechtsverletzung hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird der Zugangsvermittler in Anspruch genommen, weil er die Verbindung zu einer Internetseite herstellt, die über elektronische Verweise das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Werke mittels Filesharing ermöglicht, so ist dem Hinweiserfordernis jedenfalls Genüge getan, wenn die Internetseite und das betroffene Werk angegeben werden (vgl. BGHZ 208, 82 Rz. 27 = - Störerhaftung des Accessproviders). Beanstandet der Rechtsinhaber - wie im Streitfall -, dass über den Internetanschluss des Zugangsvermittlers Rechtsverletzungen im Wege des Filesharing begangen werden, so reicht es für die Begründung einer Verhaltenspflicht aus, wenn der Betreiber zuvor darauf hingewiesen worden ist, dass sein Anschluss (überhaupt) für rechtsverletzende Handlungen dieser Art genutzt worden ist. Der Annahme einer Störerhaftung steht nicht entgegen, dass das im Hinweis benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechtsverletzung betroffenen Werk identisch ist. Die dem Anschlussinhaber zur Verfügung stehende Maßnahme des Passwortschutzes ist inhaltlich und technisch nicht auf ein bestimmtes Schutzrecht ausgerichtet, sondern dient generell der Abschreckung von Nutzern, die den Zugang missbräuchlich nutzen möchten (vgl. EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 96 - McFadden/Sony Music). Insofern besteht - anders als im Fall des Host-Providers, der bei Annahme einer Verhaltenspflicht auf bestimmte Schutzrechte bezogene zukünftige Verletzungen verhindern und deshalb eingestellte Informationen daraufhin untersuchen muss (vgl. BGHZ 191, 19 Rz. 51 = - Stiftparfüm, m.w.N.) - keine Veranlassung, die Verhaltenspflicht des Zugangsvermittlers in Fällen der vorliegenden Art schutzrechtsbezogen auszugestalten.
Rz. 28
(3) Danach haftet der Beklagte auf Unterlassung, weil er - nach eigenem Bekunden - keine hinreichenden Maßnahmen zur Sicherung seines WLAN-Internetzugangs getroffen und insb. keinen Passwortschutz eingerichtet hat. Soweit er das WLAN gewerblich bereitgestellt hat, war er aufgrund der im Jahr 2011 an ihn ergangenen Abmahnungen wegen der Verletzung von Urheberrechten mittels Filesharing zur Einrichtung des Passwortschutzes verpflichtet. Dass sich die Abmahnungen auf die Verletzung von Rechten an anderen Werken als dem vorliegend betroffenen Werk richtete, hindert nach dem Vorstehenden (Rz. 27) die Annahme einer solchen Verhaltenspflicht nicht. Der vom Beklagten seinem Vortrag zufolge den Nutzern erteilte Hinweis, eine illegale Nutzung sei unerwünscht, reicht zur Vermeidung einer Störerhaftung nicht aus.
Rz. 29
ee) Sofern die Rechtsverletzung durch Dritte über den vom Beklagten unterhaltenen Tor-Exit-Node erfolgt ist, ist nach den vorgenannten Grundsätzen der Störerhaftung mangels hinreichender Sicherung ebenfalls eine Haftung des Beklagten gegeben.
Rz. 30
(1) Sofern der Beklagte den Tor-Exit-Node privat zur Verfügung gestellt hat, war er - ebenso wie bei der privaten Bereitstellung eines WLAN (s. Rz. 23 f.) - verpflichtet, seinen Internetanschluss gegen eine missbräuchliche Nutzung durch Dritte hinreichend zu sichern.
Rz. 31
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es dem Beklagten möglich und zumutbar, den Zugang zu Internettauschbörsen, also zu Peer-to-peer-Netzwerken über den Tor-Exit-Node durch eine Portsperre für Peer-to-peer-Software zu verhindern. Gegen diese tatrichterliche Feststellung, die nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, wendet sich die Revision vergeblich. Entgegen der Ansicht der Revision war das Berufungsgericht nicht nach § 139 ZPO verpflichtet, den Beklagten auf die Notwendigkeit näheren Sachvortrags zur Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Portsperre hinzuweisen. Eines solchen Hinweises bedurfte es nicht, weil bereits das LG eine entsprechende Feststellung getroffen und der Beklagte diese Feststellung in der Berufungsinstanz nicht beanstandet hat. Die Rüge der Revision, der Feststellung des LG liege keine hinreichende Sachkunde zugrunde, bleibt aus dem gleichen Grund erfolglos.
Rz. 32
(2) Auch im Falle einer gewerblichen Bereitstellung liegen die Voraussetzungen einer Störerhaftung vor. Dabei kann dahinstehen, ob eine Haftung des Beklagten bereits deshalb anzunehmen ist, weil der vom Beklagten mittels des Tor-Netzwerks ermöglichte anonyme Zugang zum Internet in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen begründet und deren Verfolgung vereitelt, so dass verschärfte Haftungsanforderungen zu gelten haben (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rz. 21 = WRP 2009, 1139 - Cybersky; BGH v. 12.7.2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rz. 22 = CR 2013, 190 m. Anm. Tinnefeld = MDR 2013, 478 - Alone in the Dark). Die Annahme einer Verhaltenspflicht ist im Streitfall jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte bereits wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener Urheberrechtsverletzungen mittels Filesharing abgemahnt worden ist. Die nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts bestehende technische Möglichkeit, die Nutzung von Filesharing-Software über das Tor-Netzwerk zu sperren, ist keine schutzrechtsbezogene Maßnahme, sondern dient der Vorbeugung gegen jegliche Urheberrechtsverletzung durch Filesharing. Deshalb löst - ebenso wie im Falle der gewerblichen WLAN-Bereitstellung (s. Rz. 27) - bereits der an den Betreiber gerichtete Hinweis, über den von ihm bereitgestellten Tor-Exit-Node seien Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen worden, eine entsprechende Verhaltenspflicht aus.
Rz. 33
Mit Blick darauf, dass nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts die Einrichtung einer Sperre von Peer-to-Peer-Software möglich und zumutbar ist, wird die Teilnahme des Beklagten an der Bereitstellung des Tor-Netzwerks durch eine solche Maßnahme nicht unverhältnismäßig gefährdet oder erschwert.
Rz. 34
ff) Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält entgegen der Auffassung der Revision auch einer grundrechtlichen Betrachtung stand. Bei der Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen - dem im Falle geschäftlichen Handelns des Beklagten betroffenen Recht auf unternehmerische Freiheit gem. Art. 16 EU-Grundrechtecharta und Art. 12 Abs. 1 GG, dem Recht auf Schutz des geistigen Eigentums der Klägerin gem. Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG sowie dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit gem. Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG - hat das Grundrecht der Klägerin Vorrang, weil die effektive Durchsetzung des Eigentumsschutzes nicht gewährleistet wäre, würde im Streitfall vom Erfordernis zumutbarer Schutzmaßnahmen bei der Bereitstellung von Internetzugängen abgesehen. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht Vortrag des Beklagten dazu übergangen hätte, dass die Informationsfreiheit der Nutzer durch die Mitbetroffenheit legaler Inhalte (vgl. dazu EuGH GRUR 2014, 468 Rz. 63 - UPC Telekabel; BGH v. 26.11.2015 - I ZR 174/14, ECLI:DE:BGH:2015:261115UIZR174.14.0, BGHZ 208, 82 Rz. 54 und 55 = CR 2016, 198 m. Anm. Kremer/Telle = CR 2016, 408 m. Anm. Neidinger = MDR 2016, 338 - Störerhaftung des Accessproviders) nennenswert beeinträchtigt oder der Betrieb des Tor-Netzwerks grundlegend in Frage gestellt wäre.
Rz. 35
d) Zur Höhe des Anspruchs auf Zahlung von Abmahnkosten bringt die Revision keine Beanstandungen vor. Rechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts bestehen insoweit nicht. Eine Deckelung des Aufwendungsersatzanspruchs der Klägerin gem. § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8.10.2013 geltenden Fassung auf 100 EUR kommt nicht in Betracht. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werks zum Herunterladen über das Internet stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung i.S.v. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. dar (vgl. BGH GRUR 2016, 1275 Rz. 55 - Tannöd; Versäumnisurt. v. 30.3.2017 - I ZR 50/16, ZUM-RD 2018, 5 Rz. 34).
Rz. 36
II. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs durch das Berufungsgericht. Durch die nach Erlass des Berufungsurteils vorgenommene Änderung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG sind die Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entfallen.
Rz. 37
1. Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt hat, ist ihre Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 5.10.2017 - I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rz. 9 = WRP 2018, 420 - Energieausweis; Urt. v. 1.3.2018 - I ZR 264/16, GRUR 2018, 622 Rz. 11 = WRP 2018, 682 - Verkürzter Versorgungsweg II).
Rz. 38
a) Im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung lagen die Voraussetzungen der Störerhaftung des Beklagten in gleicher Weise wie im Zeitpunkt der Abmahnung vor (dazu vorstehend Rz. 10 ff.).
Rz. 39
b) Nach Verkündung des Berufungsurteils am 16.3.2017 ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (BGBl. 2017 I, S. 3530) mit Wirkung vom 13.10.2017 als § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG eine neue Regelung eingefügt worden. Danach können Diensteanbieter, die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich sind, insb. nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung sowie auf Ersatz der Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche in Anspruch genommen werden. Dies gilt nach dem zwar vor Erlass des Berufungsurteils, aber nach der beanstandeten Handlung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (BGBl. 2016 I, S. 1766) mit Wirkung vom 27.7.2016 eingefügten § 8 Abs. 3 TMG n.F. auch für Diensteanbieter, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk (WLAN) zur Verfügung stellen.
Rz. 40
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch unterfällt dem nunmehr in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. vorgesehenen Ausschluss unabhängig davon, ob sich der Anspruch auf die Begehung der Rechtsverletzung über das vom Beklagten bereitgestellte WLAN oder den vom Beklagten unterhaltenen Tor-Exit-Node stützt. Die Revisionserwiderung macht vergeblich geltend, der Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. stehe die Unionsrechtswidrigkeit dieser Vorschrift entgegen.
Rz. 41
a) Es verstieße allerdings gegen Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG, wenn der Rechtsinhaber aufgrund des Ausschlusses des Unterlassungsanspruchs durch § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. keine Möglichkeit mehr hätte, gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler zu erlangen, deren Dienste von Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. In diesem Fall dürfte § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. nicht angewendet werden und müsste der nach den Grundsätzen der Störerhaftung gewährte Unterlassungsanspruch fortbestehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, gehalten, für ihre volle Wirksamkeit zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH, Urt. v. 5.4.2016 - C-689/13, EuZW 2016, 431 Rz. 40 - PFE/Airgest).
Rz. 42
b) Es ist aber nicht erforderlich, § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. unangewendet zu lassen, um Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen. Der an die Stelle des nach den Grundsätzen der Störerhaftung gewährten Unterlassungsanspruchs getretene Anspruch auf Sperrung von Informationen nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. bietet dem Rechtsinhaber bei unionsrechtskonformer Auslegung die Möglichkeit, gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler zu erlangen, durch die verhindert wird, dass deren Dienste von Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.
Rz. 43
aa) Statt des nach bisheriger Rechtslage möglichen Unterlassungsanspruchs auf Grundlage der Störerhaftung sieht die gleichfalls durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes mit Wirkung vom 13.10.2017 eingefügte Regelung des § 7 Abs. 4 TMG n.F. einen Anspruch auf Sperrung von Informationen vor. Nach Satz 1 und 2 dieser Vorschrift kann, wenn ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen wurde, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen, der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Abs. 3 TMG die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern, wenn für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit besteht, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen und die Sperrung zumutbar und verhältnismäßig ist. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes wird mit § 7 Abs. 4 TMG n.F. ein Verfahren geschaffen, mit dem "abseits der viel kritisierten Störerhaftung" die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG umgesetzt wird, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Es soll sich hierbei nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf aktives Tun handeln, der auf die Sperre bestimmter Ports am Router oder einer bestimmten Webseite oder auf Datenmengenbegrenzung gerichtet sein könne (vgl. BT-Drucks. 18/12202, 12).
Rz. 44
bb) Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, soweit die Rechtsverletzung mittels des vom Beklagten bereitgestellten Tor-Exit-Nodes begangen worden sei, sei der Anspruch auf Sperrung von Informationen nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. schon deshalb nicht geeignet, den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TMG n.F. zu kompensieren, weil ein Sperranspruch nur gegen den Betreiber eines WLAN und nicht gegen andere Vermittler eines Zugangs zum Internet bestehen könne.
Rz. 45
(1) Der Anspruchsausschluss des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. differenziert nicht nach der technischen Art und Weise der Zugangsvermittlung. Angesichts des klaren Wortlauts der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG n.F. und der in der Begründung zum Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes deutlich zum Ausdruck kommenden Absicht, die Haftung von Zugangsvermittlern auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung abzuschaffen, ist die Regelung auf alle Zugangsvermittler und nicht nur auf WLAN-Betreiber anwendbar. Der anstelle des ausgeschlossenen Unterlassungsanspruchs gewährte Sperranspruch besteht nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 TMG n.F. dagegen allein gegen WLAN-Betreiber und nicht gegen andere Zugangsvermittler. Der Sperranspruch ist damit insoweit ungeeignet, den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs auszugleichen.
Rz. 46
(2) Das völlige Entfallen von Rechtsbehelfen des Rechtsinhabers gegen Mittelspersonen verstieße gegen Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG und den grundrechtlich vorgesehenen Schutz des geistigen Eigentums (vgl. EuGH GRUR 2011, 1025 Rz. 131 und 145 - L'Oréal/eBay; GRUR 2012, 265 Rz. 31 - Scarlet/SABAM; EuGH GRUR 2014, 468 Rz. 31 - UPC Telekabel; BGH v. 26.11.2015 - I ZR 174/14, ECLI:DE:BGH:2015:261115UIZR174.14.0, BGHZ 208, 82 Rz. 34 = CR 2016, 198 m. Anm. Kremer/Telle = CR 2016, 408 m. Anm. Neidinger = MDR 2016, 338 - Störerhaftung des Accessproviders; Spindler in Spindler/Schmitz, a.a.O., § 7 Rz. 89 und § 8 Rz. 20; Franz/Sakowski, CR 2017, 734, 736; Grisse, GRUR 2017, 1073, 1080; Hoeren/Klein, MMR 2016, 764, 766; Hofmann, GPR 2017, 176, 180; Spindler, CR 2017, 333, 334 und NJW 2017, 2305).
Rz. 47
Dem Unionsrecht - hier: Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG - kann allerdings bezogen auf einen Zugangsvermittler, der den Zugang nicht mittels WLAN, sondern auf andere Weise bereitstellt, zur vollen Wirksamkeit verholfen werden, ohne dass von der Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. insoweit abgesehen werden müsste. Die Unionsrechtskonformität des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG n.F. kann vielmehr durch eine richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 4 TMG n.F. sichergestellt werden.
Rz. 48
Die nationalen Gerichte sind aufgrund des Umsetzungsgebots gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gem. Art. 4 Abs. 3 EUV gehalten, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Dieser Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als die bloße Auslegung innerhalb des Gesetzeswortlauts und findet seine Grenze erst in dem Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfortbildung nach nationalen Methoden unzulässig ist. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert deshalb auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rz. 19 bis 35; Beschl. v. 16.4.2015 - I ZR 130/13, GRUR 2015, 705 Rz. 26 = WRP 2015, 863 - Weihrauch-Extrakt-Kapseln I).
Rz. 49
Im Streitfall ist zur Wahrung des Regelungsgehalts des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und des Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung dahingehend möglich und nötig, dass der in § 7 Abs. 4 TMG n.F. geregelte Sperranspruch nicht nur gegenüber Anbietern von Internetzugängen über WLAN, sondern in entsprechender Anwendung der Vorschrift auch gegenüber den übrigen Internetzugangsvermittlern gegeben ist. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift liegen vor (vgl. Spindler in Spindler/Schmitz, a.a.O., § 7 Rz. 89; Grisse, GRUR 2017, 1073, 1078 f.). Die Interessenlage im durch § 7 Abs. 4 TMG n.F. geregelten Sachverhalt - Sperranspruch gegen den Betreiber eines drahtlosen lokalen Netzwerks (WLAN) - und im nicht geregelten Sachverhalt - Sperranspruch gegen den Betreiber eines drahtgebundenen Internetzugangs - ist vergleichbar, weil die unterschiedliche technische Art der Gewährung des Internetzugangs interessenneutral ist; die wirtschaftlichen und grundrechtlichen Belange der Zugangsvermittler, Rechtsinhaber und Internetnutzer sind jeweils gleichermaßen betroffen. Mit Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG und die aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbare Absicht des Gesetzgebers, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, handelt es sich zudem um eine planwidrige Regelungslücke.
Rz. 50
cc) Die Revisionserwiderung macht weiter ohne Erfolg geltend, der Anspruch auf Sperrung von Informationen nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. sei im hier vorliegenden Fall einer Rechtsverletzung durch Filesharing im Rahmen von Internettauschbörsen mangels wirksamer Sperrmaßnahmen nicht geeignet, den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TMG n.F. zu kompensieren.
Rz. 51
(1) Die Revisionserwiderung macht geltend, die Sperre möge hilfreich sein, auf einer bestimmten Webseite erfolgende Rechtsverletzungen zu verhindern. Als alleinige Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber Rechtsverletzungen durch Filesharing sei sie jedoch unzureichend, weil diese durch Webseitensperren gerade nicht unterbunden werden könnten. Auch Portsperren seien nach aktuellem Stand der Technik nicht geeignet, solche Rechtsverletzungen auszuschließen, weil die aktuellen Tauschbörsentechnologien nicht mehr auf bestimmte Ports zugriffen. Hiermit dringt die Revisionserwiderung nicht durch.
Rz. 52
(2) Im Streitfall kann schon nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass der in § 7 Abs. 4 TMG n.F. vorgesehene Anspruch auf Sperrung von Informationen nicht geeignet ist, die beanstandete Rechtsverletzung zu verhindern. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass Portsperren zur Verhinderung des Datenflusses zu und von einem Peer-to-Peer-Netzwerk geeignet und zumutbar sind. Die Revisionserwiderung versucht vergeblich, ihre abweichende eigene Einschätzung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung zu setzen. Dem Beklagten ist auch nicht durch eine Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens die Gelegenheit zu neuem Sachvortrag zu geben. Die Rechtslage hat sich zwar nach Verkündung des Berufungsurteils geändert. Es kam allerdings auch nach der alten Rechtslage auf die Eignung und Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen durch Filesharing an. Die Parteien hatten Gelegenheit, dazu vorzutragen.
Rz. 53
(3) Selbst wenn Rechtsverletzungen in Internettauschbörsen durch Portsperren nicht verhindert werden könnten, ist nicht ersichtlich, dass es keine anderen möglichen und zumutbaren Sperrmaßnahmen zur Verhinderung solcher Rechtsverletzungen gibt.
Rz. 54
Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen und insb. nicht auf die in der Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich genannten Sperrmaßnahmen beschränkt. Um Sperrmaßnahmen handelt es sich auch bei der Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort und der vollständigen Sperrung des Zugangs. Zwar dürfen nach der durch das Dritte Änderungsgesetz zum Telemediengesetz mit Wirkung zum 13.10.2017 eingefügten Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 1 TMG Diensteanbieter nach § 8 Abs. 3 TMG von einer Behörde nicht verpflichtet werden, (1.) vor Gewährung des Zugangs a) die persönlichen Daten von Nutzern zu erheben und zu speichern (Registrierung) oder b) die Eingabe eines Passworts zu verlangen oder (2.) das Anbieten des Dienstes dauerhaft einzustellen. Den Gerichten ist aber (anders als Behörden) eine solche Verpflichtung des Diensteanbieters nach § 8 Abs. 3 TMG und (erst Recht) anderer Diensteanbieter nach § 8 Abs. 1 TMG nicht verboten (vgl. Grisse, GRUR 2017, 1073, 1076; a.A. Mantz, GRUR 2017, 969, 971).
Rz. 55
Nach seinem Wortlaut erfasst § 8 Abs. 4 Satz 1 TMG nur Behörden. Dass die Regelung sich damit nicht auf Gerichte erstreckt, folgt weiter zum einen aus dem Regelungszusammenhang mit der Bestimmung des § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG, die zwischen gerichtlichen und behördlichen Anordnungen unterscheidet, mit denen Diensteanbieter auch im Falle ihrer Nichtverantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen verpflichtet werden können. Zum anderen folgt dies aus den Gesetzgebungsmaterialien. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eine Prüfung angeregt, ob das Merkmal "von einer Behörde" gestrichen werden kann, so dass die genannten Maßnahmen auch nicht durch ein Gericht angeordnet werden können und die Regelung damit jegliche - behördliche wie gerichtliche - Verpflichtung zu den genannten Maßnahmen untersagt (BT-Drucks. 18/12496, 2). Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung das Anliegen des Bundesrats mit der Begründung abgelehnt, der Ausschluss behördlicher Anordnungen unter Zulassung gerichtlicher Vorgaben sei das Ergebnis einer Ressortabstimmung (BT-Drucks. 18/12496, 5).
Rz. 56
Für den Fall, dass andere, mildere Sperrmaßnahmen nicht geeignet sind, die beanstandete Rechtsverletzung abzustellen, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Schutz der Rechtsinhaber und ihres Rechts auf geistiges Eigentum auch die Sicherung des Zugangs durch ein Passwort und womöglich sogar - im äußersten Fall - die vollständige Sperrung des Zugangs in Betracht zu ziehen (vgl. EuGH GRUR 2016, 1146 Rz. 85 bis 100 - McFadden/Sony Music). Bei der Anordnung von Sperrmaßnahmen sind allerdings die betroffenen Grundrechte in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Bei der Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen - dem Recht auf Schutz des geistigen Eigentums der Rechtsinhaber (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta; Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und dem Recht auf unternehmerische Freiheit des Diensteanbieters (Art. 16 EU-Grundrechtecharta, Art. 12 GG) sowie dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 GG) andererseits - kann den Grundrechten des Diensteanbieters und der Internetnutzer der Vorrang zukommen, wenn einerseits das Angebot des Internetzugangs grundlegend in Frage gestellt und die Informationsfreiheit der Nutzer durch die Mitbetroffenheit legaler Inhalte nennenswert beeinträchtigt wäre und andererseits nur verhältnismäßig wenige oder geringfügige Rechtsverletzungen zu befürchten sind (vgl. EuGH GRUR 2014, 468 Rz. 63 - UPC Telekabel; BGHZ 208, 82 Rz. 54 und 55 - Störerhaftung des Accessproviders). Die ergriffenen Sperrmaßnahmen dürfen den Internetnutzern die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erhalten, nicht unnötig vorenthalten (EuGH GRUR 2014, 468 Rz. 63 - UPC Telekabel; vgl. auch BGHZ 208, 82 Rz. 55 - Störerhaftung des Accessproviders).
Rz. 57
3. Das aus der Neufassung des § 8 Abs. 2 Satz 1 TMG folgende Entfallen des Unterlassungsanspruchs führt allerdings nicht zur Abweisung des Unterlassungsantrags durch den Senat. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten es, der Klägerin durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den auf der nach Beendigung der Berufungsinstanz erfolgten Ersetzung des Unterlassungsanspruchs durch einen Anspruch auf Sperrmaßnahmen gem. § 7 Abs. 4 TMG n.F. gründenden Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Unterlassungsklage durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - I ZR 85/10, GRUR 2012, 1153 Rz. 16 = WRP 2012, 1390 - Unfallersatzgeschäft; Urt. v. 18.10.2012 - I ZR 137/11, GRUR 2013, 409 Rz. 23 = WRP 2013, 496 - Steuerbüro; Urt. v. 22.1.2014 - I ZR 164/12, GRUR 2014, 393 Rz. 49 = WRP 2014, 424 - wetteronline.de). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass schon der nach bisherigem Recht mögliche Unterlassungsanspruch gegen den Zugangsvermittler diesem regelmäßig ein aktives Handeln zur Verhinderung zukünftiger Rechtsverletzungen abverlangte, auch wenn der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag diese Handlungen nicht aufzuführen brauchte (vgl. BGH GRUR 2013, 1030 Rz. 21 - File-Hosting-Dienst; BGHZ 208, 82 Rz. 14 = - Störerhaftung des Accessproviders; Hofmann, GPR 2017, 176, 180). Nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. ist es nunmehr Sache der Klägerin, die begehrten Sperrmaßnahmen im auf positive Leistung gerichteten Klageantrag zu benennen (s. Rz. 43).
Rz. 58
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rz. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage der Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Modalitäten des gegen Zugangsvermittler zu gewährenden Rechtsbehelfs - im Streitfall: des Anspruchs gem. § 7 Abs. 4 TMG n.F. - unterliegen nicht dem Unionsrecht, sondern fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG sowie EuGH GRUR 2011, 1025 Rz. 135 - L'Oréal/eBay; GRUR 2012, 265 Rz. 32 - Scarlet/SABAM; GRUR 2014, 468 Rz. 43 - UPC Telekabel; BGHZ 208, 82 Rz. 34 - Störerhaftung des Accessproviders).
Rz. 59
IV. Danach ist das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 11960965 |
BGHZ 2019, 276 |
BB 2018, 1793 |
BB 2018, 2050 |
DB 2018, 6 |