Leitsatz (amtlich)
Ein Soldat kann die sog. Beamtenklausel einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn das Antragsformular in der Rubrik „Berufsstellung” keine für Soldaten passende Wahlmöglichkeit enthielt und er infolgedessen das Kästchen „Beamter” angekreuzt hat.
Normenkette
BB-BUZ § 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem beklagten Versicherungsunternehmen eine Berufsunfähigkeitsrente.
Der Kläger, der damals Soldat war, schloß 1988 bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Das Antragsformular, das der Agent der Beklagten ausfüllte, enthielt im Abschnitt 2, in dem Angaben über die zu versichernde Person erfragt wurden, die Zeile „2.2 Jetzige berufliche Tätigkeit …”, in die der Agent der Beklagten „Leutnant Offizier BWehr” einsetzte. Die Zeile „2.4 Berufsstellung” wies unter den Rubriken „Nicht selbständig”, „Selbständig” und „Sonstige” insgesamt 17 Kästchen für verschiedene Berufsgruppen auf, von denen der Agent, weil die Angabe „Soldat” fehlte, in der Rubrik „Nicht selbständig” das Kästchen „Beamter” ankreuzte. Die in den Vertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten in § 2 Abs. 5 BUZR die folgende sogenannte Beamtenklausel:
„Ist der Versicherte Beamter im öffentlichen Dienst und ist er vor Erreichen der gesetzlich vorgesehenen Altersgrenze wegen Dienstunfähigkeit entlassen oder in den Ruhestand versetzt worden, so gilt auch dies als Berufsunfähigkeit. …”
Im Jahre 1994 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 3 des Soldatengesetzes in den Ruhestand versetzt. Er erhob unter Berufung auf die Beamtenklausel, die seiner Meinung nach wegen der Berufsangabe „Beamter” im Antragsformular auf ihn anzuwenden ist, Anspruch auf die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 2.608,38 DM ab April 1995. Die Beklagte lehnte die Leistung mit der Begründung ab, daß die Beamtenklausel nicht eingreife und der Kläger seine allgemeine Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 1-3 BUZR nicht dargelegt habe.
Das Landgericht hat unter Anwendung der Beamtenklausel die Beklagte zur Zahlung der Rente für die Zeit von April 1995 bis Juni 1999 verurteilt und festgestellt, daß die Beklagte auch für das nachfolgende Vierteljahr zur Rentenzahlung verpflichtet ist. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beamtenklausel greift nicht ein.
I. Das Landgericht ist der Ansicht des Klägers gefolgt, er habe durch die Berufsbezeichnung „Beamter” im Antragsformular den Antrag auf eine individualvertragliche Sondervereinbarung des Inhalts gestellt, daß er, obwohl als Soldat nicht Beamter, die Vergünstigung der Beamtenklausel in Anspruch nehmen dürfe, und die Beklagte habe diesen Antrag angenommen. Das Berufungsgericht hat zur Frage einer solchen Sondervereinbarung nicht Stellung genommen, sondern statt dessen § 2 Abs. 5 BUZR dahin ausgelegt, daß auch Berufssoldaten Beamte im Sinne dieser Vorschrift seien. Diese Auslegung hat es auf eine Zusammenschau der Versicherungsbedingungen mit dem Antragsformular gestützt, das in der Rubrik „Berufsstellung” den Soldatenberuf nicht kenne, so daß ein Berufssoldat nur als Beamter eingeordnet werden könne.
II. Dieser Auslegung vermag der Senat sich nicht anzuschließen.
1. Der Senat kann die Beamtenklausel frei auslegen (BGHZ 112, 204, 210 m.w.N.).
2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85).
a) Der verständige Versicherungsnehmer geht zunächst vom Wortlaut der Klausel aus. Das Wort „Beamter” ist eindeutig, wenn man die Beamtenklausel für sich allein betrachtet. Es läßt schon nach dem natürlichen Sprachgebrauch keine erweiternde Deutung dahin zu, daß auch nichtbeamtete Staatsdiener wie Soldaten – oder Richter und Minister – darunter fallen. Außerdem handelt es sich um einen Ausdruck, mit dem die Rechtssprache einen fest umrissenen Begriff verbindet. Dann ist im Zweifel anzunehmen, daß auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 – IV ZR 133/94 – VersR 1995, 951 unter 2 b). Für die Rechtssprache ist das Beamtenrechtsrahmengesetz maßgeblich, dessen § 5 bestimmt, daß es zur Begründung des Beamtenverhältnisses einer Ernennung durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde bedarf, in der die Worte „unter Berufung in das Beamtenverhältnis” enthalten sein müssen. An einer derartigen Ernennung fehlt es bei Soldaten.
b) Die Zusammenschau der Beamtenklausel mit dem Antragsformular rechtfertigt kein anderes Auslegungsergebnis. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, ist bei der Auslegung der Beamtenklausel auch das Antragsformular zu berücksichtigen, weil es Bedeutung für das Verständnis des Versicherungsnehmers von den in der Klausel verwendeten Begriffen erlangen kann. Jedoch wird der Versicherungsnehmer allein daraus, daß bei den im Antrag benannten „Berufsstellungen” die des Soldaten fehlt, die des Beamten aber angeführt ist, nicht ableiten, daß die Beklagte mit dem in § 2 Abs. 5 BUZR verwendeten Begriff „Beamter” jeden Versicherungsnehmer erfassen will, der – wenngleich nicht Beamter – eine jedenfalls beamtenähnliche berufliche Stellung innehat. Die im Antrag enthaltene Aufzählung beruflicher Stellungen ist zwar – gerade mit Blick auf Soldaten, Richter oder Minister – unvollständig. Der künftige Versicherungsnehmer mag sich dadurch aufgerufen sehen, ein Kästchen mit einer beruflichen Stellung anzukreuzen, die der seinen nahekommt, so beim Soldaten die des Beamten. Der verständige Versicherungsnehmer wird aber auch bei einer Gesamtschau von Antrag und Beamtenklausel nicht annehmen, daß diese „Behelfslösung” durch den Antragsteller zugleich dafür maßgeblich sein könnte, was nach den Versicherungsbedingungen unter einem „Beamten” zu verstehen ist. Das gilt umso mehr, als die erfragte „Berufsstellung” Teil der erbetenen Angaben zur „zu versichernden Person” sind, die als solche nicht auf den Inhalt des beantragten Versicherungsvertrages, insbesondere nicht auf die Ausgestaltung des Leistungsversprechens des Versicherers gerichtet sind; dazu verhalten sich vielmehr die Angaben zu Abschnitt 4 des Antrags.
Die Beamtenklausel greift daher nicht ein. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.
III. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO).
1. Eine einzelvertragliche Sondervereinbarung zwischen den Parteien des Inhalts, daß der Kläger wie ein Beamter versichert werden sollte, die das Landgericht bejaht hat, ist nicht zustande gekommen. Insoweit fehlt es schon an einem Antrag des Klägers, als „Beamter” versichert zu werden. Ein solcher Antrag ergibt sich nicht daraus, daß der Kläger bei der erfragten Berufsstellung das Kästchen „Beamter” angekreuzt hat. Denn diese Angabe ist – wie dargelegt – nicht auf die Ausgestaltung des Leistungsversprechens des Versicherers gerichtet. Die vom Kläger angekreuzte Antwort konnte schon deshalb vom Empfängerhorizont her nicht als ein solcher Antrag verstanden werden; erst recht nicht, nachdem der Kläger unmittelbar zuvor auch angegeben hatte, als Offizier der Bundeswehr tätig zu sein.
2. Auch eine Haftung der Beklagten wegen Falschauskunft des Versicherungsvertreters kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Nach den Grundsätzen der von der Rechtsprechung entwickelten versicherungsrechtlichen Vertrauenshaftung (BGHZ 40, 22, 24 f.) haftet der Versicherer in dem Umfang auf Erfüllung, den der Versicherungsagent dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluß als Inhalt der Versicherung dargestellt hat. Der Kläger hat indessen nicht bewiesen, daß der Agent der Beklagten ihm versprach, er werde gemäß der Beamtenklausel behandelt werden. Soweit der Kläger vorträgt, der Agent habe ihm die Informationsschrift „Versorgungslücke der Beamten” ausgehändigt und ihm erklärt, daß ihm als Soldat genau dieser Versicherungsschutz gewährt werde, ist sein Vortrag nicht schlüssig. Denn in dieser Informationsschrift wird die Beamtenklausel nicht erwähnt. Für seine weitere Behauptung, der Agent habe ihm ausdrücklich zugesichert, daß er Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bereits dann beanspruchen könne, wenn er aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Soldatendienst entlassen werde, hat der Kläger keinen Beweis angeboten, sondern sich auf die Anregung seiner eigenen Vernehmung als Partei beschränkt.
IV. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Der Kläger muß Gelegenheit erhalten, unter Beachtung der Rechtsprechung des Senats zur Frage seiner Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1-3 BUZR vorzutragen (zum Inhalt seiner Darlegungslast vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1987 – IVa ZR 240/86 – VersR 1988, 234 unter 2 c; Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 57).
Unterschriften
Terno, RiBGH Dr. Schlichting ist in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Terno, Ambrosius, Wendt, Felsch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.09.2001 durch Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651630 |
BGHR 2002, 99 |
NJW-RR 2002, 168 |
Nachschlagewerk BGH |
ZBR 2002, 103 |
DÖD 2002, 67 |
NVersZ 2002, 64 |
VersR 2001, 1502 |
ZfS 2002, 34 |