Leitsatz (amtlich)

Schon nach § 313 BGB a.F. war auch eine Abänderung des Grundstücksveräußerungsvertrags zugunsten des Voräußerers beurkundungspflichtig.

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.10.1972)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 1972 wird mit der Maßgabe auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen, daß diese für die Kosten nicht als Gesamtschuldner haften.

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 31. Dezember 1960 (Urkundenrolle Nr. 1508/60 Notar C. in L.) verkaufte die Klägerin den Beklagten am M.platz in L. belegene Grundstücke der Gemarkung I. für einen Preis von 25 DM/qm. Sie trugen damals die Flurstücksnummern 83, 85, 86 und 93 der Flur 28. Infolge Neuvermessung erhielten sie dann die Flurstücksnummern 102 bis 115.

Im Kaufvertrag heißt es unter 3. u.a.:

"Die Käufer verpflichten sich der Verkäuferin gegenüber, die hier erworbenen Grundstücke innerhalb eines Jahres, gerechnet seit heute, mit einem Geschäfts- und Wohnhaus und Garagen unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Stadtbauamtes und der besonderen Bedingungen der Stadt L. zu bebauen.

Sollten die Käufer dieser Bebauungsverpflichtung nicht fristgerecht nachkommen, kann die Verkäuferin ohne Einhaltung einer Frist die Rückübertragung des vorbezeichneten Grundbesitzes verlangen.

Die Rückübertragung geschieht dann zu dem gleichen Preise, ...".

Im November 1961 wurden die Beklagten als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. In den Jahren 1961 bis 1963 bebauten sie die Grundstücke mit Ausnahme der Flurstücke 108, 111 und 112 mit Wohn- und Geschäftshäusern und Garagen. Nachdem den Beklagten seit 1963 mehrfach Fristen für eine weitere Bebauung gesetzt worden waren, beschloß der Rat der Klägerin am 22. Juli 1965 "die Rückauflassung des nicht bebauten Grundstücks". Mit Schreiben vom 4. August 1965 teilte der Stadtdirektor, vertreten durch den Stadtbaurat S. dem Beklagten zu 1 mit, der Rat der Stadt habe beschlossen, daß die Flurstücke 108, 111, 112 und Teile des Flurstücks 104 zurückzuübertragen seien, und forderte ihn zum Abschluß eines "Rückübereignungsvertrages" bis zum 1. Oktober 1965 auf. Weil der Beklagte zu 1 sich im November 1965 schriftlich verpflichtete, mit der Bebauung der Flurstücke 111 und 112 im Frühjahr 1966 zu beginnen, verfolgte die Klägerin die Rückauflassung zunächst nicht. Bebaut wurde dann aber nur das Flurstück 112.

Mit Schreiben vom 28. August 1970 bat die Klägerin den Beklagten zu 1 um Nachricht bis zum 21. September 1970, wann er die noch unbebauten Flächen bebauen wolle, und kündigte an, die Rückauflassung zu verlangen, wenn nicht innerhalb einer annehmbaren Frist gebaut werden würde. Daraufhin kam es am 11. September 1970 zu einem Gespräch zwischen Vertretern der Klägerin und den Beklagten. Der Inhalt dieses Gesprächs ist unter den Parteien teilweise streitig. Unter dem 16. September 1970 schrieb der Beklagte zu 1 der Klägerin, er habe sich entschlossen, die Durchführung des restlichen Bauvorhabens in die Wege zu leiten, und seinen Architekten mit den erforderlichen Vorbereitungen beauftragt. In der Sitzung vom 17./18. Dezember 1970 beschloß der Rat der Klägerin erneut die "Rückauflassung" der Flurstücke 108 und 111. Einen danach gestellten Antrag der Beklagten auf Verlängerung bzw. Erneuerung einer im Jahre 1966 erteilten und nicht ausgenutzten Baugenehmigung lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Grundstücke Gemarkung I. Flur 28 Flurstücke 108 und 111 an sie aufzulassen und dem Grundbuchamt gegenüber alle zur Eintragung der Eigentumsänderung erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Berufung gewendet. Sie hat beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und ihrem Klageantrag mit der Maßgabe stattzugeben, daß die Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 25 DM/qm verurteilt werden. Die Beklagten haben um Zurückweisung der Berufung gebeten.

Das Oberlandesgericht hat der Klage Zug um Zug gegen Zahlung von 12.750 DM stattgegeben.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstreben. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Stadtdirektor habe die Klägerin bei der Einlegung der Berufung wirksam vertreten können, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 55 Abs. 1 NRWGO ist der Stadtdirektor (zur Bezeichnung des Gemeindedirektors als Stadtdirektor vgl. § 47 Abs. 4 NRWGO) gesetzlicher Vertreter der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften. Diese Vertretungsmacht berechtigte ihn - hier gesetzlich vertreten durch den Ersten Beigeordneten (§ 51 Abs. 1 NRWGO) -, die zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit der Einlegung und Durchführung der Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zu beauftragen. Eines Beschlusses des Rats der Klägerin bedurfte es dafür nicht. Denn die Zuständigkeitsregelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 Buchst. t NRWGO, wonach der Rat der Gemeinde die Entscheidung über die Führung von Rechtsstreitigkeiten, soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt, nicht übertragen kann, betrifft allein die interne Geschäftsführungsbefugnis, ohne die umfassende - nach außen wirkende - Vertretungsmacht des Stadtdirektors einzuschränken (Kottenberg/Rehn, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen 10. Aufl. § 28 Anm. II 2 a. E.; § 55 Anm. I; von Loebell, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen 2. Aufl. § 28 Anm. 2, Anm. 4 zu Buchst. t; § 55 Anm. 2; vgl. auch Amtliche Begründung zu Art. I Nr. 20 des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und anderer kommunal-verfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, Landtagsdrucksache NRW Nr. 695 vom 21. März 1968, 6. Wahlperiode Band 4 S. 23).

II.

1.

In der Sache selbst ist auf Grund der rechtlich bedenkenfreien Auslegung des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß die Parteien in Nr. 3 des notariellen Vertrages vom 31. Dezember 1960 ein Wiederkaufsrecht im Sinne des § 497 BGB vereinbart haben.

a)

Der Wiederkauf selbst, der zur Entstehung des im vorliegenden Fall geltend gemachten Auflassungsanspruchs führt (§ 433 Satz 1 BGB), kommt grundsätzlich durch die Erklärung des Verkäufers gegenüber dem Käufer, daß er das Wiederkaufsrecht ausübe, zustande, § 497 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht hält diese Voraussetzung hinsichtlich der Flurstücke 108 und 111 für gegeben. Das auf Grund des Ratsbeschlusses der Klägerin vom 22. Juli 1965 an den Beklagten zu 1 gerichtete Schreiben vom 4. August 1965 habe, so führt das Berufungsurteil aus, klar zum Ausdruck gebracht, auf Grund welcher Vereinbarung welche Grundstücke zurückverlangt würden. Es habe ausgereicht, daß das Schreiben nur an den Beklagten zu 1 gerichtet worden sei. Denn dieser sei nach den gegebenen Umständen von der Beklagten zu 2, seiner Ehefrau, mindestens stillschweigend bevollmächtigt worden. Daß dem "in Vertretung" des Stadtdirektors unterzeichnenden Stadtbaurat S. die Vertretungsmacht gefehlt habe, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Weil die Klägerin nicht erst durch dieses Schreiben verpflichtet, sondern ihre wesentliche Bindung entsprechend der Rechtsnatur des Wiederkaufs als eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags bereits durch den Vertrag vom 31. Dezember 1960 begründet worden sei (Hinweis auf das Senatsurteil BGHZ 29, 107, 112), sei auch eine weitere Unterschrift (vgl. § 56 Abs. 1 NRWGO) nicht erforderlich gewesen.

Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

b)

Da die Parteien das Recht des Wiederkaufs aber davon abhängig gemacht haben, daß die Beklagten die werworbenen Grundstücke entgegen der eingegangenen Verpflichtung nicht innerhalb eines Jahres seit Vertragsschluß mit einem Geschäfts- und Wohnhaus und Garagen bebauten, ist die Erklärung der Klägerin, sie übe das Wiederkaufsrecht aus, nur dann wirksam geworden, wenn die genannte Bedingung eingetreten ist. Auch das bejaht das Berufungsgericht. Unter Berücksichtigung des angestrebten Zwecks einer zusammenhängenden Bebauung des "rückwärtigen" Teils des M. platzes, der Bestimmungen des Stadtbauamtes und der besonderen Bedingungen der Stadt, der Bebauung mehrerer Grundstücke durch die Beklagten und ferner des Umstandes, daß die Beklagten vor dem Rechtsstreit eine Bebauungsverpflichtung für die Flurstücke 108 und 111 nicht in Abrede gestellt haben, legt es den Vertrag dahin aus, daß die Beklagten den Eintritt der Bedingung nur durch eine Bebauung des jeweiligen Flurstücks sollten ausschließen können.

Hiergegen wendet sich die Revision. Sie rügt, daß das Berufungsgericht ausschließlich und in unzulässiger Weise auf die spätere Entwicklung der Dinge abgestellt und dabei den Vertrag entgegen seinem Wortlaut ausgelegt habe. Dies sei rechtsfehlerhaft, zumal nach dem vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag der Beklagten bei Vertragsabschluß kein Vertreter der Klägerin anwesend gewesen sei und der Notar unstreitig, wie es auch der Lebenserfahrung entspreche, den Text der Rückauflassungsklausel nach eigenem Gutdünken formuliert habe.

Dieser Angriff hat keinen Erfolg.

Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht sei bei der Deutung jener Vertragsklausel von dem reinen Wortlaut "einem" Geschäfts- und Wohnhaus abgewichen, ist ihr entgegenzuhalten, daß bei der Auslegung von vertraglichen Willenserklärungen, wie sich aus § 133 BGB ergibt, gerade nicht der bloße Wortlaut der Erklärungen entscheidend ist. Vielmehr muß der wirkliche Wille der Vertragschließenden, wie er in der Erklärung - bei Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte - Ausdruck gefunden hat, ermittelt werden. Das hat das Oberlandesgericht getan. Es hat dabei den unstreitig angestrebten Zweck einer zusammenhängenden Bebauung des hier maßgeblichen Teils des M.platzes berücksichtigt. Ferner hat es den weiteren Wortlaut des Vertrages herangezogen, wonach die Beklagten sich nach den Bestimmungen des Stadtbauamts und den besonderen Bedingungen der Stadt zu richten hatten, und hat auch mit daraus gefolgert, daß die Beklagten nach der bei Vertragsschluß bereits bestehenden Planung nicht nur ein Wohn- und Geschäftshaus, sondern eine zusammenhängende Front von mehreren solcher Häuser errichten sollten. Schließlich hat es in zulässiger Weise (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1973, V ZR 26/71, WM 1973, 869, 870, linke Spalte; BGH WM 1971, 1513, 1515, linke Spalte) berücksichtigt, daß die Beklagten inzwischen auch mehrere Häuser der genannten Art gebaut und sich in dem vorprozessualen Schriftwechsel nicht auf den jetzt eingenommenen Standpunkt gestellt haben. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auf diese spätere Entwicklung der Dinge nicht ausschließlich abgestellt. Es hat darin nur eine Bestätigung seiner Auslegung gefunden. Die auf diese Weise gefundene Auslegung ist möglich; sie bindet das Revisionsgericht.

Dafür, daß der Berufungsrichter das Vorbringen über das Fehlen eines Vertreters der Klägerin beim Vertragsabschluß und über die Formulierung der Wiederkaufsklausel übersehen hätte, ist kein Anhalt gegeben. Der Tatrichter braucht nicht jedes einzelne Farteivorbringen und jeden seiner sachentsprechenden Beurteilung zugrundeliegenden Umstand ausdrücklich zu erörtern (vgl. BGHZ 3, 162, 175).

2.

Ist somit der Rückauflassungsanspruch schon im August 1965 wirksam entstanden, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits weiterhin darauf an, ob der Anspruch bestehen geblieben ist und die Klägerin ihn jetzt auch geltend machen kann.

a)

Der Vereinbarung zwischen den Parteien vom November 1965 hat das Berufungsgericht zu Recht keine den Auflassungsanspruch berührende Bedeutung beigemessen. Nach den getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin beschlossen, ihren Rückauflassungsanspruch bis zum 1. Mai 1966 "auszusetzen", wenn der Beklagte zu 1 sich schriftlich verpflichtete, einen Bauantrag für die Flurstücke 111 und 112 einzureichen und mit der Bebauung im Frühjahr 1966 zu beginnen. Eine derartige Verpflichtungserklärung hat der Beklagte auch abgegeben. Dennoch ist nur das Flurstück 112 bebaut worden, Schon aus diesem Grunde ist der Anspruch auf Rückübereignung der noch unbebaut gebliebenen Flurstücke weder beseitigt worden, noch ist die Klägerin gehindert, ihn geltend zu machen, ohne daß darauf eingegangen zu werden braucht, ob es sich um eine nachträgliche Vertragsänderung handelt, wie das Berufungsgericht annimmt, und ob diese nach § 313 BGB der Beurkundung bedurft hätte.

Die Revision rügt, daß in diesem Zusammenhang weitere, in der Folgezeit eingetretene Umstände vom Berufungsgericht nur teilweise berücksichtigt worden seien (Schreiben der Klägerin vom 28. August 1970 und die Erklärung der Vertreter der Klägerin vom 11. September 1970). Sie meint, die damaligen Erklärungen der Klägerin seien im Zusammenhang mit ihrem genannten Schreiben und dem Umstand, daß die Beklagten die Vereinbarung vom November 1965 durch die Bebauung des Flurstücks 112 teilweise erfüllt haben, dahin auszulegen, daß die Klägerin auf ihren Auflassungsanspruch habe verzichten wollen.

Diese Rüge ist nicht stichhaltig. Denn alle von der Revision angeführten Umstände sind vom Berufungsgericht gewürdigt worden. Ihr Versuch, den Erklärungen der Beklagten einen anderen Inhalt zu geben, laufen ohne Darlegung eines Verfahrensmangels oder Verstoßes gegen materielles Recht auf eine Korrektur der tatrichterlich Feststellungen hinaus. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht jedoch gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO).

b)

Nach der Auffassung des Berufungsgerichts hat auch die am 11. September 1970 getroffene angebliche Vereinbarung den Auflassungsanspruch nicht beseitigt. Das Berufungsgericht unterstellt zwar zugunsten der Beklagten, die Vertreter der Klägerin hatten damals erklärt, daß die Klägerin in Anbetracht der Bereitschaft der Beklagten zur Ausfüllung der Baulücke ohne Fristbestimmung von der Geltendmachung des Anspruchs Abstand nehme. Dabei habe es sich aber - so führt es weiter aus - um eine nachträgliche Änderung des inzwischen bedingungsfrei gewordenen Kaufvertrags gehandelt, wodurch dieser nicht habe lediglich abgewickelt, sondern gehemmt oder gar ausgeschlossen werden sollen. Zu ihrer Wirksamkeit hätte die Vereinbarung gemäß § 313 BGB der Beurkundung bedurft. Das müsse auch dann gelten, wenn die Stellung des Veräußerers (der Beklagten) verbessert werde. Die genannte Formvorschrift solle nämlich auch den Erwerber schützen und gewährleisten, daß der Vertragsinhalt vollständig, richtig und hinreichend verständlich zu Papier gebracht werde.

aa)

Hiergegen wendet die Revision ein, durch die Vereinbarung sei der Auflassungsanspruch der Klägerin einverständlich beseitigt worden. Das sei vergleichbar mit der Aufhebung eines Veräußerungsvertrags, die nicht formbedürftig sei.

Der Angriff ist nicht begründet.

Die Revision knüpft mit ihrer Bemerkung, es sei vereinbart worden, "daß die Klägerin die (Rück-) Auflassung nicht mehr verlangt", ersichtlich an die vom Berufungsgericht unterstellte Erklärung der beiden Klägervertreter vom 11. September 1970 an. Diese darauf gestützte Vereinbarung hat das Berufungsgericht dahin ausgelegt, daß der Rückauflassungsanspruch bestehen bleiben sollte, daß es sich also nicht um eine Aufhebung des Wiederkaufsvertrages oder um einen Verzicht oder Erlaß der Rückauflassungsverpflichtung handelte. Dies ergibt sich aus den die Frage der Formbedürftigkeit betreffenden Urteilsausführungen über die "Abänderung" des Vertrages (BU 22) und über die Einschränkung oder Erleichterung von Verpflichtungen des Veräußerers (BU 24) und ferner daraus, daß es bei der Erörterung der Frage des Rechtsmißbrauchs heißt, die Beklagten hätten nicht davon ausgehen dürfen, die Klägerin werde sich mit einer bloßen Absichtserklärung, wie sie in dem Schreiben vom 16. September 1970 zum Ausdruck gebracht worden sei, begnügen (BU 27). An diese rechtlich mögliche Auslegung einer Individualvereinbarung ist das Revisionsgericht gebunden. Der Angriff der Revision stellt einen unzulässigen Versuch dar, das rechtsgeschäftliche Verfahren der Parteien anders als der Tatrichter auszulegen.

bb)

Die Revision macht weiter geltend, die Absprache vom 11. September 1970 sei deswegen nicht formbedürftig gewesen, weil sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allenfalls der Abwicklung des Wiederkaufsverhältnisses gedient habe. Insoweit sei der weitere Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen gewesen, daß bei der Ausführung der Bebauungsverpflichtung erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten seien, die der Verwirklichung des Bauprojekts in der vertraglich vorgesehenen Weise entgegengestanden hätten.

Auch dieser Angriff bleibt ohne Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (LM BGB § 313 Nr. 14, 57) bedürfen nachträgliche Änderungen eines formgültig abgeschlossenen Veräußerungsvertrags allerdings dann nicht der notariellen Beurkundung, wenn sie nur der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unerwartet hervorgetretenen Schwierigkeit dienen und durch sie der Inhalt der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen als solcher nicht berührt wird.

Eine derartige Sachlage hat der Senat in einem Fall (LM BGB § 313 Nr. 57) für gegeben erachtet, in dem ein Grundstücksverkäufer für den Fall des Nichteinhaltens einer vom Käufer übernommenen befristeten Bebauungsverpflichtung sich ein Wiederkaufsrecht vorbehalten und die Vertragspartner nach Fristablauf, aber vor Ausübung des Wiederkaufsrechts zur Beseitigung von Schwierigkeiten hinsichtlich des Bauprojekts sich ohne Beurkundung auf die Verlängerung der Bebauungsfrist geeinigt hatten. Darauf kann sich die Revision jedoch nicht mit Erfolg berufen. Dabei kann dahinstehen, ob sich der vorliegende Fall von jenem nicht schon etwa dadurch wesentlich unterscheidet, daß die Klägerin durch ihre Erklärung, das Wiederkaufsrecht auszuüben, bereits einen unbedingten Auflassungsanspruch erworben hat. Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, daß die Parteien die unterstellte Vereinbarung vom 11. September 1970 deswegen geschlossen haben, weil sich die Beklagten zu diesem Zeitpunkt unvorhergesehenen Schwierigkeiten bei der Bebauung gegenüber sahen. Das Berufungsgericht hat insoweit keine Tatsachen festgestellt. Auch aus dem Vorbringen der Beklagten, das die Revision als übergangen rügt, läßt sich derartiges nicht entnehmen. Die angeführten Schriftsatzstellen ergeben nichts dafür, daß den Beklagten die Verwirklichung der vorgesehenen Bebauung Schwierigkeiten bereitete. Daß dieser Teil des Marktplatzes, an dem die Grundstücke liegen, in einem sehr schlechten Zustand war und der Schwerpunkt der Stadtentwicklung sich erst nach und nach in Richtung Marktplatz und Umgebung verlagerte, hinderte die Errichtung von Gebäuden nicht. Das gilt auch für den vorgetragenen Umstand, daß wegen der ungünstigen Verkehrslage Pächter und Mieter von Gewerberäumen auf zwei von den Beklagten bereits bebauten Grundstücken häufig gewechselt und die Räume in der Zwischenzeit teilweise mehrere Monate lang leer gestanden haben.

cc)

Zu prüfen ist ferner, ob die den (Wieder-) Kaufvertrag abändernde Vereinbarung dem in § 313 BGB geregelten Formzwang aus dem Grunde nicht unterliegt, weil die Stellung der Beklagten als Veräußerer durch das zeitliche Hinausschieben der Verpflichtung zur Übereignung der Grundstücke verbessert werden sollte. Eine dahingehende Auffassung wird überwiegend in der Literatur vertreten (Planck/Siber, BGB 4. Aufl. § 313 Anm. 5 b; BGB-RGRK, 11. Aufl. § 313 Anm. 40, 43; Palandt/Heinrichs, BGB 32. Aufl. § 313 Anm. 10 a; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 15. Bearb: § 42 II 3; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil 10. Aufl. § 7 II und Fußn. 2; Hoche, DNotZ 1958, 346 ff). Danach soll ein Änderungsvertrag nur dann formbedürftig sein, wenn die Verpflichtung des Veräußerers erweitert oder verschärft wird. Diesem Argument ist für die vom 1. Juli 1973 an geschlossenen Verträge über Übertragung oder Erwerb von Grundstücken schon durch die Neufassung des § 313 Satz 1 BGB (BGBl 1973 I 501) der Boden entzogen. Der Senat hält es aber auch für die vor diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge nicht für zutreffend. Er schließt sich insoweit vielmehr dem vom Reichsgericht (RGZ 51, 179, 181; WarnRspr 1909 Nr. 74; 1911 Nr. 381; 1927 Nr. 89; JW 1921, 1231 Nr. 7) und im Schrifttum von Staudinger/Kaduk (BGB 10./11. Aufl. § 313 Rdn. 58 ff), Erman/Battes (BGB 5. Aufl. § 313 Rdn. 49) und Soergel/Schmidt (BGB 10. Aufl. § 313 Rdn. 22) vertretenen Standpunkt an, daß grundsätzlich jede wesentliche Änderung, die an die Stelle der ursprünglichen Vereinbarung tritt, hinsichtlich der Form nicht anders beurteilt werden könne, als wenn sie sofort zum Bestandteil des Vertrages gemacht worden wäre, soweit es sich nicht um Fälle der Regulierung von Abwicklungsschwierigkeiten handelt (vgl. oben), die auch schon das Reichsgericht als vom Formzwang ausgenommen angesehen hat (vgl. insbesondere RG JW 1921 a.a.O.).

Bei der Beurteilung dieser Frage ist von dem mit der Vorschrift des § 313 Satz 1 BGB in der alten Fassung verfolgten Zweck auszugehen. Dieser besteht im wesentlichen darin, dem Grundeigentümer Schutz vor unüberlegten und übereilten Veräußerungen zu gewähren. Das war auch der eigentliche Grund für die Einführung der Beurkundung. Darin erschöpft sich ihr Zweck jedoch nicht. Denn es soll gleichzeitig auch dem Grundstückskäufer auf Grund fachkundiger Beratung durch die beurkundende Person Schutz zuteil werden (BGHZ 57, 394, 397 f). Und darüber hinaus werden mit dem Beurkundungszwang bei Grundstücksveräußerungsverträgen noch weitere rechtspolitische Ziele verfolgt; er dient zugleich der Sicherheit im Rechtsverkehr, indem durch ihn der Beweis getroffener Vereinbarungen erleichtert, eine unklare oder fehlerhafte Vertragsabfassung verhindert und späteren Rechtsstreitigkeiten über den Vertragsinhalt vorgebeugt wird (RGZ 135, 70, 71; BGHZ 29, 6, 11; 53, 189,194; Staudinger/Kaduk, a.a.O. § 313 Rdn. 1; Erman/Battes, a.a.O. § 313 Rdn. 1). Diese Vielfalt der Zwecke hat im Gesetz dadurch Ausdruck gefunden, daß nicht nur die Veräußerungspflicht als solche oder die unmittelbar auf den Eigentumsübergang hinzielenden Abreden, sondern der ganze Vertrag dem Beurkundungszwang unterliegen. Es müssen also alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Villen der Vertragspartner das schuldrechtliche Rechtsgeschäft zusammensetzt, beurkundet werden (LM BGB § 313 Nr. 57). Dies wird von der Gegenmeinung nicht gebührend berücksichtigt. Es kann daher für die Frage der Formpflicht von nachträglichen Abänderungen nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Pflichten zur Übereignung verschärft werden. Vielmehr sind insbesondere wegen des zuletzt genannten Zwecks der Sicherheit im Rechtsverkehr alle Änderungen, wenn sie für die gegenseitigen Leistungsverpflichtungen wesentlich sind, zu beurkunden. Um eine solche Änderung handelt es sich, wenn die Parteien die Zeit für die Auflassung hinausschieben. Denn es ist sowohl für den Veräußerer von erheblicher Bedeutung, ob er bereits jetzt das Grundstück übereignen und herausgeben muß oder erst später, als auch für den Erwerber, der erst später als ursprünglich vereinbart das Grundstück nutzen oder verwerten kann.

Nach alledem ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die von ihm im Sinne des Vortrags der Beklagten unterstellte Vereinbarung vom 11. September 1970 nach § 125 BGB nichtig ist.

c)

Das Berufungsgericht hat noch geprüft, ob der Klägerin ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Last fällt. Es hat ein solches Verhalten weder darin gesehen, daß die Klägerin das Wiederkaufsrecht erst im Sommer 1965 ausgeübt hat, noch in der späten Erhebung des Auflassungsanspruchs, Schließlich hat das Berufungsgericht das Verhalten der Klägerin nach dem 11. September 1970 und das Klagebegehren auch unter Berücksichtigung des von den Beklagten behaupteten Inhalts der Absprache von dem genannten Tag nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen. Dagegen sind keine rechtlichen Bedenken zu erheben.

3.

Aus diesen Gründen war das Rechtsmittel mit der Kostenfolge aus den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Richtigzustellen ist lediglich die vom Oberlandesgericht getroffene Kostenentscheidung dahin, daß die Beklagten auch für die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges nach Kopfteilen haften; denn für eine gesamtschuldnerische Haftung (§§ 421 BGB, 100 Abs. 4 ZPO) ist kein Grund ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018686

NJW 1974, 271

NJW 1974, 271-272 (Volltext mit amtl. LS)

DNotZ 1974, 359

DNotZ 1974, 359-360

MDR 1974, 391 (Volltext mit amtl. LS)

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