Leitsatz (amtlich)
Als Mindestwert eines im Entwicklungszustand des Rohbaulandes befindlichen Grundstücks ist nicht generell der Rohbaulandpreis für Innenbereichsgrundstücke zu verstehen. Für Grundstücke im Außenbereich, bebaut mit landwirtschaftlichen Gebäuden, ist vielmehr deren spezieller Verkehrswert als Bauland für landwirtschafltiche Nutzung ohne gesicherte Erschließung maßgebend. Dieser läßt sich am besten mit der Vergleichswertmethode ermitteln.
Normenkette
SachenRBerG § 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2; WertV § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen LwU 190/99) |
AG Bautzen (Aktenzeichen 2 XV 76/97) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden – Landwirtschaftssenat – vom 6. April 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in W. (Flurstück Nr. 562/2). Es wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten – einer LPG – mit Wirtschaftsgebäuden (Milchviehanlage) bebaut. Die Funktionsfläche beträgt 8.100 qm, die Gebäude werden genutzt. Der Kläger hat 1993/94 ein Verfahren zur Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes beantragt und begehrt die Zahlung eines Nutzungsentgelts nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997, das er auf der Grundlage eines Bodenwerts von 20 DM/qm unter Abzug von 20 % für Erschließungskosten mit 13.608 DM berechnet. Darauf hat die Beklagte 4.252,50 DM bezahlt. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 9.355,50 DM nebst Zinsen und weiteren 11,50 DM (Zinsen auf gezahlte Beträge) nebst Zinsen zu verurteilen.
Das Landwirtschaftsgericht hat auf der Grundlage eines vom Sachverständigen ermittelten Bodenwerts von 9 DM/qm die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 3.402,50 DM nebst Zinsen und weiterer 11,50 DM verurteilt. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seine Klage im abgewiesenen Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch des Klägers auf Nutzungsentgelt (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB) und berechnet ihn der Höhe nach wie den nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geschuldeten Erbbauzins mit jährlich 3,5 % des Bodenwerts (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG). Es legt den vom Sachverständigen ermittelten Bodenwert von 9 DM/qm zugrunde. Von Rohbaulandwerten im Sinne von § 4 Abs. 3 WertV könne nicht ausgegangen werden, weil das Grundstück im Außenbereich liege. Es komme vielmehr auf den sich nach dem „Bodenwert eines für landwirtschaftliche Gebäude baureifen Grundstückes an”. Diesen Anforderungen werde das Sachverständigengutachten gerecht.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß ein Bereinigungstatbestand vorliegt und dem Kläger dem Grunde nach ein Nutzungsentgelt für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 zusteht (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB). Es bemißt sich der Höhe nach wie ein nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geschuldeter Erbbauzins, im vorliegenden Fall nach § 43 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG mit jährlich 3,5 % des Bodenwerts. Wie aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG unmittelbar folgt, berücksichtigt dieser Zinssatz bereits das sog. Halbteilungsprinzip. Dies alles zieht auch die Revision nicht in Zweifel.
2. Erörterungsbedürftig ist nur der Ansatz zur Ermittlung des Bodenwerts. Insoweit zielt die Revision allein darauf ab, die sich aus § 19 Abs. 3 Satz 2 SachenRBerG ergebende Untergrenze (Bodenwert im Entwicklungszustand des Rohbaulandes) dahin zu verstehen, daß in jedem Fall mindestens der für den sog. Innenbereich geltende Rohbaulandwert zugrunde zu legen sei, weil sich auch die Definition des Rohbaulandes in § 4 Abs. 3 WertV nur auf Flächen beziehe, „die nach den §§ 30, 33, 34 des Baugesetzbuches für eine bauliche Nutzung bestimmt sind”. Dieses Verständnis berücksichtigt nicht den systematischen Zusammenhang mit den Regeln der Bodenwertermittlung im übrigen (§ 19 Abs. 2 SachenRBerG) und verkennt auch Sinn und Zweck der vom Gesetz aufgestellten Untergrenze.
Maßgebend ist allein der Bodenwert eines um die Abzugsbeträge nach § 19 Abs. 2 Satz 3 SachenRBerG verminderten Werts eines baureifen Grundstücks. Dieser ist grundsätzlich der Verkehrswert im Sinne von § 194 BauGB, der sich ergeben würde, wenn das Grundstück unbebaut wäre (§ 19 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SachenRBerG). Maßgebend ist also derjenige Preis, der im Ermittlungszeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (§ 194 BauGB). Der Gesetzgeber hat diese Leitlinie der Wertermittlung generell (Ausnahme: § 20 SachenRBerG) für die Sachenrechtsbereinigung vorgeschrieben. Er kann dabei nicht übersehen haben, daß ein wesentlicher Teil der Bereinigungsfälle Sachverhalte betrifft, in denen durch ehemalige LPGen landwirtschaftliche Grundstücke im Außenbereich mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebaut worden sind. Dann aber muß die Bodenwertermittlung zwingend auch der Tatsache Rechnung tragen, daß es zwar um „baureife” Grundstücke geht (weil diese im Bereinigungsfall bereits bebaut sind), aber deren Lage im Außenbereich mit eingeschränkter Möglichkeit der Bebauung (vgl. § 35 BauGB) nicht außer Betracht bleiben kann. Die Auffassung der Revision läuft darauf hinaus, eine untere Bodenwertgrenze aufzustellen, die sich stets am Rohbaulandpreis für Innenbereichsgrundstücke zu orientieren habe, und damit letztlich von einem Wert auszugehen, der die Vorgaben von § 194 BauGB und die Marktverhältnisse außer Betracht läßt. Dies steht aber im Gegensatz zur Grundkonzeption des Gesetzes.
§ 19 Abs. 3 Satz 1 SachenRBerG sieht zur Vereinfachung und Streitvermeidung für die nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG vorzunehmenden Abzüge eine Pauschalierung mit gestaffelter Abzugshöhe nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde vor, in der das einschlägige Grundstück liegt. § 19 Abs. 3 Satz 2 SachenRBerG soll verhindern, daß der Bodenwert eines Grundstücks durch dieses pauschale Abzugsverfahren unter seinen wirklichen Wert gedrückt wird. Diese insbesondere für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und den dort in der Regel sehr niedrigen Bodenwerten bedeutsame Regelung (vgl. Czub, SachenRBerG, § 19 Rdn. 28 m.w.N.) verfolgt nicht den Zweck, den marktbezogenen Wert nach § 194 BauGB durch einen fiktiv auf den Innenbereich bezogenen Wert zu ersetzen. Für Rohbauland im Sinne dieser Untergrenze kann deshalb nicht streng die Definition von § 4 Abs. 3 WertV herangezogen werden (a.A. wohl Bischoff in Eickmann, SachenRBerG, § 19 Rdn. 10 und 41; Knauber, RVI, B 410, SachenRBerG, § 19 Rdn. 18 und 38). Nach Sinn und Zweck der Bestimmung ist vielmehr auch insoweit abzustellen sowohl auf die Lage des Grundstücks als auch auf das nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten vorgegebene Maß der baulichen Nutzung. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß dessen Lage im Außenbereich und seine eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit nicht unberücksichtigt bleiben kann. Es gibt nach der zutreffenden Sicht des Berufungsgerichts für die Bodenwertermittlung zur Sachenrechtsbereinigung mithin auch im Außenbereich Rohbauland, d.h. für eine bestimmte bauliche Nutzung (landwirtschaftliche Gebäude) vorgesehene Flächen, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist (vgl. § 4 Abs. 3 WertV).
Von diesem Ansatz her ist der Bodenwert des vorliegenden Grundstücks zutreffend über die Vergleichswertmethode (§ 13 WertV) zu bestimmen und dabei festzustellen, ob sich im einschlägigen Gebiet ein Markt für Außenbereichsgrundstücke gebildet hat, die mit landwirtschaftlichen Nutzgebäuden bebaut sind oder bebaut werden können (vgl. auch Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 3. Aufl., § 4 WertV Rdn. 317-321). Dieser Aufgabe hat sich der Sachverständige unterzogen, indem er näherungsweise zehn Vergleichswerte aus dem Bereich der gewerblichen Nutzung herangezogen hat und von dem so gewonnenen Mittelwert Abschläge für die eingeschränkte Bebaubarkeit und die Baureifmachung der Grundstücke, ferner einen Zuschlag für die besonders gute Verkehrsanbindung des streitgegenständlichen Grundstücks gemacht hat. Er kommt so zu einem gerundeten Bodenwert von 9 DM/qm, den er über die vom Gutachterausschuß genannten Vergleichswerte für im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung geklärte Ankaufsfälle einer Kontrolle unterzieht. Dies hat das Berufungsgericht übernommen. Aus Rechtsgründen ist dies nicht zu beanstanden. Auch die Revision bezweifelt nur den zu § 19 Abs. 3 Satz 2 SachenRBerG vom Gutachter und vom Berufungsgericht eingenommenen rechtlichen Standpunkt, erinnert aber im übrigen nichts gegen den Inhalt des Gutachtens, insbesondere zieht sie nicht die erhobenen Vergleichswerte und ihre Anpassung an die Besonderheiten des vorliegenden Falles in Zweifel. Trifft aber der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts zu, dann folgt daraus gleichzeitig, daß die von ihm gebilligte Bodenwertermittlung jedenfalls nicht zum Nachteil des Revisionsklägers ausschlägt. Nur hierauf kommt es aber im vorliegenden Revisionsverfahren an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Krüger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539813 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP-Ost 1999, 745 |
NJ 2000, 144 |
GuG 2001, 109 |
OVS 2000, 239 |
OVS 2000, 64 |