Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. März 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn für die Herstellung von Computer-Software.
Dem liegt folgender, vom Berufungsgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde: Die …-bank schloß mit der Beklagten einen Vertrag über die Herstellung der Software für ein Kalkulationssystem, wofür sie der Beklagten ein Budget von 241.000,– DM zur Verfügung stellte. Da die Beklagte das für diese Arbeit erforderliche Know-how nicht besaß, schaltete sie die Klägerin ein. Die Beklagte stellte der Klägerin ein Softwaresystem zur Verfügung und beauftragte diese, das System so umzuarbeiten, daß es für die betriebswirtschaftliche Konzeption der …-bank geeignet war. Die Parteien vereinbarten, daß die Klägerin ihr Entgelt entsprechend den Monatsgehältern der am Projekt beteiligten Mitarbeiter berechnen solle. Nachträglich verlangte die …-bank von der Beklagten anstelle einer Ein-Platz-Lösung eine Mehr-Platz-Lösung und sagte ihr dafür ein weiteres Budget von 300.000,– DM zu. Als das ihr von der …-bank zur Verfügung gestellte Gesamtbudget von 541.000,– DM erschöpft war, verfaßte die Beklagte eine Aufstellung der ihr vorliegenden Rechnungen der Klägerin und der an diese geleisteten Zahlungen, die sie der Klägerin unter dem 11. Mai 1992 übersandte, nach der das der Beklagten zur Verfügung gestellte Gesamtbudget der …-bank von 541.000,– DM bis auf einen Restbetrag von 2.725,– DM erschöpft war. Die Klägerin setzte die Arbeiten fort und übermittelte der Beklagten jeweils für die Monate Mai bis Dezember 1992 entsprechende Monatsrechnungen. Auf diese Rechnungen erstattete die Beklagte im wesentlichen nur die Reisekosten, nicht jedoch die in Rechnung gestellten Programmierarbeiten. Unter dem 22. Februar 1993 teilte sie der Klägerin schriftlich mit, sie sei der Auffassung, sie habe gegenüber der Klägerin keine Zahlungsverpflichtung mehr, weil das von ihr, der Beklagten, mit der …-bank für das Projekt vereinbarte Budget von 541.000,– DM bereits in vollem Umfang an die Klägerin geflossen sei. Die Klägerin erwiderte auf das Schreiben der Beklagten vom 22. Februar 1993 bereits am folgenden Tag, daß sie ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt aufrechterhalte und daß sie zu Recht die Einstellung der Arbeiten am Projekt angedroht habe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Begrenzung ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin auf 541.000,– DM ergebe sich zwingend daraus, daß sie selbst von der …-bank nur diesen Betrag erhalten habe. Im übrigen hat sie geltend gemacht, mit der Klägerin am 8. Mai 1992 ausdrücklich eine Gesamtvergütung von 542.000,– DM vereinbart zu haben.
Das Landgericht hat der auf Zahlung des noch offenen Betrages von 107.714,– DM nebst Zinsen gerichteten Klage nach der Erhebung von Zeugenbeweis stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die im Schreiben vom 11. Dezember 1991 niedergelegte Vergütungsvereinbarung sehe eine zeitliche Begrenzung der Gehaltserstattung nicht vor. Die nachträgliche Vereinbarung eines Höchstbetrages sei nicht bewiesen, die Vereinbarung eines Budgets von 541.000,– DM zwischen der …-bank und der Beklagten und die Erschöpfung dieses Budgets seien nicht Geschäftsgrundlage der Vergütungsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Klägerin.
Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgebracht, die im Schreiben vom 11. Dezember 1991 niedergelegte Vergütungsvereinbarung habe keine zeitlich unbegrenzte Zahlung der Gehälter vorgesehen. Der Projektplan der Klägerin habe vielmehr einen Abschluß der Arbeiten bis zum 31. März 1992 vorgesehen, die Parteien seien davon ausgegangen, daß der Klägerin danach nichts mehr erstattet werde. Dementsprechend sei in einem Gespräch vom 12. Februar 1995 festgehalten worden, daß die Beklagte nach dem 31. März 1992 nur noch Reisekosten zu tragen habe. Die Klägerin hat dieses Vorbringen bestritten.
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage ohne weitere Beweiserhebung abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht begehrt.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, da der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist.
1. Das Berufungsgericht führt aus, zwischen den Parteien sei ein Werkvertrag geschlossen worden. Die Klägerin habe sich verpflichtet, die ihr zur Verfügung gestellte Software auf die Erfordernisse der …-bank umzuarbeiten, die Beklagte habe sich verpflichtet, dafür gemäß dem Schreiben vom 11. Dezember 1991 die Monatsgehälter für die am Projekt beteiligten Mitarbeiter der Klägerin zu erstatten. Auch wenn kein fester Werklohn abgemacht und auch eine Frist für die Umarbeitung und Anpassung der Software nicht bestimmt gewesen sei, handele es sich um eine Werklohnvereinbarung für die Erstellung eines funktionsfähigen, den Vorgaben der …-bank entsprechenden Systems.
Diese Beurteilung läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von keiner der Parteien in Frage gestellt.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte sei nicht verpflichtet, der Klägerin über den bereits geleisteten Betrag von 541.000,– DM hinaus ein Entgelt zu zahlen. Dazu führt es aus, die Besonderheit des Falls bestehe in dem durch die …-bank festgelegten Budget von zunächst 241.000,– DM und der späteren Erhöhung dieses Budgets auf 541.000,– DM. Dieser Umstand spreche „für die Festlegung einer Geschäftsgrundlage dahin, daß der Klägerin nicht mehr zufließen sollte als eben diese 541.000,– DM, welche die Beklagte bei der Bank zu liquidieren berechtigt war”. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte „eine Beauftragung der Klägerin ohne Rücksicht auf das ihr zur Verfügung stehende Budget vorgenommen haben könnte”. Daß beide Seiten von einer Limitierung der Vergütung auf das zur Verfügung stehende Budget ausgegangen seien, werde durch die der Klägerin übermittelte Aufstellung der Beklagten vom 11. Mai 1992 bestätigt. Dort habe die Beklagte erhaltene Rechnungen der Klägerin und Zahlungen an diese bezogen auf das Budget von 541.000,– DM gegenübergestellt. Wenn die Mitarbeiterin der Klägerin, Frau S., gegen diese Aufstellung im Antwortschreiben vom 13. Mai 1992 nicht protestiert und „nur von geringfügigen, auf beigefügten Kopien vermerkten Änderungen” gesprochen habe, was sich die Klägerin „nach den Regeln der Anscheins- oder Duldungsvollmacht” zurechnen lassen müsse, so bestätige dies den Standpunkt der Beklagten. Darüber hinaus habe die Beklagte im Schreiben vom 22. Februar 1993 an die Klägerin schriftlich eine mündliche Vereinbarung vom selben Tag bestätigt, daß sie keine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin für das in Rede stehende Projekt mehr habe. Der Antwortbrief der Klägerin vom 23. Februar 1993 belege zwar, daß die Klägerin an ihrer Rechtsauffassung festgehalten habe, es sei aber nicht ersichtlich, welchen Rechtsstandpunkt sie in dem Gespräch vom 22. Februar 1993 eingenommen habe. Zu Unrecht habe das Landgericht aus der Aussage des Zeugen W., er könne sich nicht an eine Abmachung erinnern, die im Schreiben der Beklagten vom 11. Dezember 1991 niedergelegte Vergütungsregelung solle nur so lange gelten, bis das Budget erschöpft sei, den Schluß gezogen, der Zeuge habe „eine solche Vereinbarung ausdrücklich in Abrede gestellt”. Seine Bekundung, beide Parteien seien von einer Beendigung des Projekts vor Ausschöpfung des Budgets ausgegangen, spreche in erheblichem Maße für die Festlegung einer Geschäftsgrundlage dahin, daß sich die Klägerin an die zur Verfügung stehende Auftragssumme zu halten hatte. Ein verständiger und verantwortungsbewußter Geschäftspartner müsse sich darauf einstellen, den Gesamtbetrag nicht zu überschreiten, zumal der Beklagten nach der Ausschöpfung des Budgets keinerlei Gewinn mehr verblieben sei. Einer Kündigung der Vereinbarung vom 11. Dezember 1991 durch die Beklagte habe es nicht bedurft, weil der Klägerin klar sein mußte, daß mehr als 541.000,– DM nicht zur Verfügung standen. Bei dieser Sachlage sei die Klage abzuweisen, ohne daß es des von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweises über den Inhalt des Gesprächs vom 12. Februar 1992 noch bedürfe, in dem vereinbart worden sein solle, daß die Beklagte nach dem 31. März 1992 nur noch die Reisekosten zu erstatten habe.
3. Die Rügen der Revision haben Erfolg.
a) Das Berufungsgericht geht von der im Schreiben der Klägerin vom 11. Dezember 1991 bestätigten Vergütungsregelung aus. Dort heißt es, daß die von der Klägerin durchzuführenden Programmierarbeiten für das Projekt …-bank auf der Grundlage der durchschnittlichen Monatsgehälter ihrer am Projekt beteiligten Mitarbeiter erfolge (GA 12). Es heißt dort weiter, daß eine endgültige Kalkulation der zu leistenden Programmierarbeiten „auf der Basis der fachlichen Vorgaben” erfolge, die sodann „die Grundlage für eine noch gemeinsam festzulegende Abschlußvergütung der Programmierarbeiten sein” solle. Eine „Abschlußvergütung” ist nicht vereinbart worden. Das Berufungsgericht hat eine vertraglich vereinbarte Honorarbegrenzung auf das Budget von 541.000,– DM nicht festgestellt. Der vom Landgericht vernommene Zeuge W. hat sie nicht bestätigt, eine eigene Beweiserhebung hat das Berufungsgericht nicht durchgeführt.
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen seine auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gestützte Auffassung, der Klägerin habe nicht mehr zufließen sollen als 541.000,– DM, nicht.
Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhoben worden sind, die beim Abschluß aber zutage getreten sind, oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut (BGHZ 25, 390, 392; 40, 334, 335, 336; 61, 153, 160; 84, 1, 8, 9; 89, 226, 231, 232; 120, 10, 23; 121, 378, 391). Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind entwickelt worden, um bei Verträgen die Folgen schwerwiegender Störungen der Vertragsgrundlage im Rahmen des Zumutbaren halten zu können (BGHZ 61, aaO; 84, aaO). Wenn einer Seite nach der gesamten Interessenlage ein Festhalten an den ursprünglichen Absprachen nicht zuzumuten ist, so ermöglichen es diese Regeln, die vertraglichen Beziehungen an die veränderten Umstände anzupassen.
Solche gemeinsamen Vorstellungen sieht das Berufungsgericht - insoweit in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts und gestützt auf die Aussage des Zeugen W. - in der Erwartung der Parteien, die Arbeiten könnten vor der Erschöpfung des Budgets abgeschlossen werden. Aus diesen gemeinsamen Vorstellungen ergab sich dann aber die Folge, daß weder die Beklagte mit der Möglichkeit rechnete, an die Klägerin mehr zahlen zu müssen, als das Budget hergab, noch die Klägerin mit der Möglichkeit, Leistungen erbringen zu müssen ohne Anspruch auf die gemäß Schreiben vom 11. Dezember 1991 vereinbarte Vergütung.
Diese gemeinsamen Vorstellungen der Parteien über das Ende der erforderlichen Arbeiten sind nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfüllt worden. Damit ist eine Situation entstanden, die die Parteien nicht in Betracht gezogen und die sie nicht geregelt hatten. Davon ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls in der Revisionsinstanz auszugehen.
Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage ist bei einer solchen Sachlage eine Anpassung des Vertragsinhalts an die veränderten Verhältnisse nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Beide Parteien haben eine Einstellung der Arbeiten vor ihrem sachlichen Abschluß bei Überschreiten der Budgetgrenze nicht in Betracht gezogen. Sie haben grundsätzlich an ihrer Zusammenarbeit festgehalten. Deshalb konzentrierte sich die zu entscheidende Frage darauf, ob und welche Vergütung die Klägerin bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erhalten sollte.
Das Berufungsgericht führt indessen aus, wenn beide Vertragsparteien von einer Beendigung des Projekts vor der Erschöpfung des Budgets ausgegangen seien, so spreche dies „im erheblichen Maße” für die „Festlegung einer Geschäftsgrundlage dahin, daß sich die Klägerin an die zur Verfügung stehende Auftragssumme zu halten hatte”.
Diese in der Diktion allerdings nicht ganz eindeutigen Ausführungen des Berufungsgerichts können nicht als Feststellung eines - ausdrücklich oder konkludent - erzielten Einvernehmens der Parteien über die kostenlose Weiterarbeit der Klägerin verstanden werden; für eine solche Feststellung würde es jedenfalls an einer nachvollziehbaren Begründung fehlen.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts können jedoch als tatrichterliche Bewertung der aus der Budgetüberschreitung sich ergebenden Folgen verstanden werden. Insoweit hat das Berufungsgericht (S. 7 Abs. 2, S. 9 Mitte u. S. 10 Abs. 1) entscheidend darauf abgestellt, daß nicht ersichtlich sei, warum die Beklagte bereit gewesen sein sollte, die überschießenden Kosten aus eigener Tasche zu bezahlen. Das ist eine in dieser Form rechtsfehlerhafte einseitige Betrachtung, wie die Revision mit Erfolg rügt. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang nur recht beiläufig erwähnt, daß die Beklagte allein Vertragspartnerin der …-bank und deshalb zur Fertigstellung des Projekts verpflichtet war. Erkennbare Folgerungen hat es aus diesem Umstand bei seiner Abwägung nicht gezogen. Es hat keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben, warum es der Klägerin zumutbar gewesen sein soll, nach Überschreitung des Budgets kostenlos weiterzuarbeiten. Das kann nicht allein daraus abgeleitet werden, daß die Klägerin die Budgetgrenze kannte. Die eigene Liquidität und der wirtschaftliche Sinn eines erteilten Auftrages gehören grundsätzlich zum Risikobereich des Auftraggebers. Es gibt keinen Erfahrungssatz, daß der Auftragnehmer bereit ist, die Folgen eines Kalkulationsirrtums seines Auftraggebers zu tragen, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint (S. 9 Abs. 1 a.E.).
II. Schon wegen dieses grundlegenden Abwägungsfehlers ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben, die weiter von ihm herangezogenen Umstände unter Berücksichtigung der von der Klägerin insoweit erhobenen Beanstandungen erneut zu überprüfen.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Scharen, Keukenschrijver, Mühlens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.1999 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541376 |
NJW-RR 2000, 1219 |