Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 26.08.1996) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. August 1996 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war ab 1980 Vertragshändler der Beklagten, die sich mit dem Vertrieb von T. -Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland befaßt. Der Händlervertrag enthält in § 7 Nr. 6 unter anderem folgende Regelung:
„Der Vertragshändler ist nicht verpflichtet, T. (= Beklagte) die Namen seiner Kunden zu nennen, und Mitarbeiter von T. sind dementsprechend nicht berechtigt, sich Namen von Kunden des Vertragshändlers zu notieren, wenn sie Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Vertragshändlers erhalten.
Der Vertragshändler verpflichtet sich jedoch, eine den jeweils geltenden T. -Richtlinien entsprechende Kundendatei gewissenhaft zu führen und an dem von T. empfohlenen Kundenkontaktprogramm auf seine Kosten teilzunehmen”.
Entsprechend dieser Verpflichtung schloß der Kläger mit der M. GmbH einen sogenannten Teilnahmevertrag, mit dem er der M. den Auftrag erteilte, die Anschrift seiner alten und neuen Kunden zu erfassen und seine Kundenkartei zum Zwecke von „Aussendungen” im Rahmen des T. -Kundenkontaktprogramms (KKP) zu führen. In dem Vertrag heißt es unter anderem:
„Die M. GmbH agiert als Treuhänder und verpflichtet sich hiermit, nach den Auflagen des Bundesdatenschutzgesetzes zu handeln. Dies bezieht sich insbesondere auf die Schweigepflichten der überlassenen Informationen und auf pflichtgemäße Verwaltung der Kundenadressen.
Die M. GmbH verpflichtet sich, die vom Händler treuhänderisch übergebenen Adressen nicht an T. -Deutschland GmbH bzw. an Dritte weiterzugeben. …”
Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der M. ist ein Vertrag über die Organisation und Durchführung eines T. -Kundenkontaktprogrammes. Nr. 7 des Vertrages lautet:
„M. darf Kundenadressen Dritten, insbesondere nicht T. (= Beklagte) zugänglich machen. T. ist nicht berechtigt, die Herausgabe von Kundenadressen der T. …-Händler von M. zu fordern.”
Mit Schreiben vom 8. Juli 1991 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Händlervertrages mit Wirkung zum 31. Januar 1993. Der Kläger, der der M. vereinbarungsgemäß die Daten seiner Kunden zur Verfügung gestellt hatte, meldete mit Schreiben vom 22. April 1993 bei der Beklagten Ausgleichsansprüche nach § 89 b HGB an. Dem trat die Beklagte entgegen.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger in der ersten Instanz im Wege der Teilklage einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 91.590,33 DM geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung und widerklagend die Feststellung beantragt, daß dem Kläger über den eingeklagten Betrag hinaus auch keine weiteren 91.590,32 DM nebst Zinsen als Ausgleichsanspruch zustehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Mit seiner Berufung hat der Kläger den Ausgleichsanspruch und den Antrag auf Abweisung der Widerklage nur noch hilfsweise geltend gemacht. In erste Linie hat er mit der Begründung, daß die Kündigung der Beklagten gemäß § 26 Abs. 2 GWB, § 242 BGB unwirksam sei, die Feststellung begehrt, daß ihm die Beklagte wegen Nichtbelieferung seit dem 31. Januar 1993 zum Schadensersatz verpflichtet sei (Hauptantrag zu 1 a) und daß der zwischen den Parteien geschlossene Händlervertrag durch die Kündigung der Beklagten nicht zum 31. Januar 1993 aufgelöst worden sei, sondern darüber hinaus zumindest bis zum 31. Juli 1993 fortbestanden habe (Hauptantrag zu 1 b). Vorab hat der Kläger die Verweisung des Rechtsstreit an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf beantragt. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit beiden Hauptanträgen als unzulässig verworfen und im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision, die insoweit, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers mit den beiden Hauptanträgen als unzulässig verworfen hat, gemäß § 547 ZPO unbeschränkt zulässig ist, ist insgesamt nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Eine Verweisung des Rechtsstreits an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf sei nicht möglich. Der Kartellsenat sei nicht nach § 92 GWB zuständig, weil das Landgericht mangels Geltendmachung eines kartellrechtlichen Anspruchs in der ersten Instanz nicht als Kartellgericht entschieden habe. Offenbleiben könne, ob auch bei „nachträglichen Kartellsachen” eine Verweisung an den Kartellsenat in Betracht komme. Die Zuständigkeit des Kartellsenats sei in diesen Sachen allenfalls dann gegeben, wenn sich der kartellrechtliche Tatbestand aus Vorbringen ergebe, welches in der Berufungsinstanz in prozeßrechtlich zulässiger Weise nachgeschoben worden sei. Hier sei die Berufung indessen mit den auf Kartellrecht gestützten Hauptanträgen unzulässig. Mit den beiden erstmals in zweiter Instanz gestellten Hauptanträgen werde nämlich nicht die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer, sondern – im Wege einer Klageänderung – ausschließlich ein neuer bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt. Im ersten Rechtszug sei Streitgegenstand allein der vom Kläger (in der zweiten Instanz nur noch hilfsweise verfolgte) Ausgleichsanspruch gewesen. Mit den in der Berufung geltend gemachten Hauptanträgen auf Feststellung verfolge der Kläger ein abweichendes Rechtsschutzziel.
Die im übrigen zulässige Berufung führe mit dem Hilfsantrag nicht zum Erfolg. Dem Kläger stehe kein Ausgleichsanspruch zu. Die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB im Vertragshändlerverhältnis setze unter anderem voraus, daß der Vertragshändler verpflichtet sei, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so daß dieser sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen könne. Daran fehle es hier, weil die M. auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung mit dem Kläger sowohl gemäß §§ 11, 28, 35 BDSG als auch gemäß §§ 667, 675 BGB verpflichtet gewesen sei, nach Beendigung des Vertragshändler- und des Teilnahmevertrages die Kundendaten des Klägers in ihrem Bestand zu löschen. Die Beklagte habe daher bei Vertragsende nur noch im Falle einer Vertragsverletzung durch die MHI auf die Kundendaten des Klägers zurückgreifen können. Die bloße Möglichkeit einer solchen Vertragsverletzung durch die M. begründe indessen keinen Ausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beklagte.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Die von der Revision unter Hinweis auf § 551 Nr. 4 ZPO erhobene Rüge, für die Entscheidung über die Berufung des Klägers sei nicht das Berufungsgericht, sondern der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zuständig gewesen, ist nicht begründet. Insoweit wird auf das den Parteien bekannte Senatsurteil vom 14. Februar 1996 – VIII ZR 68/95 (= WM 1996, 1511 unter II 1) verwiesen, das in dem gleichgelagerten Rechtsstreit eines anderen Vertragshändlers gegen die Beklagte ergangen ist.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers mit den beiden Hauptanträgen als unzulässig verworfen. Auch insoweit wird auf das vorbezeichnete Senatsurteil (aaO unter II 2) Bezug genommen.
Zu einer anderen Beurteilung gibt die Revision keine Veranlassung. Ihrer Ansicht, die beiden erstmals in zweiter Instanz gestellten Hauptanträge seien im Wege einer zulässigen Klageänderung in die schon wegen des Hilfsantrags zulässige Berufung eingeführt worden, kann nicht gefolgt werden. Dazu hat der Senat in seinem Urteil vom 14. Februar 1996 bereits ausgeführt, daß „zwar bei einer im übrigen zulässigen Berufung auch ein bisher nicht gestellter Antrag im Wege der Klageänderung gemäß § 263 ZPO in das Berufungsverfahren eingeführt werden (kann). Dafür ist jedoch Voraussetzung, daß der Kläger mit der geänderten Klage zumindest teilweise die ursprüngliche Beschwer angreift. Diese Voraussetzung ist in bezug auf einen neuen Hauptantrag nicht erfüllt, wenn der Kläger sein erstinstanzliches Begehren lediglich mit einem Hilfsantrag weiterverfolgt. In diesem Fall wendet er sich mit dem neuen Hauptantrag gerade nicht gegen die durch das erstinstanzliche Urteil begründete Beschwer …” (aaO unter II 2 a). Ob sich, wie die Revision meint, dem Beschluß des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1995 – IX ZB 65/95 (= WM 1996, 420 a.E.) eine andere Auffassung entnehmen läßt, kann dahinstehen, weil dieser Teil der Entscheidung aus den im Senatsurteil vom 14. Februar 1996 (aaO) genannten Gründen nicht tragend ist. Deswegen bedarf es auch in der vorliegenden Sache wiederum nicht der von der Revision vorsorglich geforderten Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes.
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers insoweit zurückgewiesen, als er mit dem Hilfsantrag sein in erster Instanz erfolgloses Begehren weiterverfolgt.
Das Berufungsgericht hat einen Ausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB aus den gleichen Gründen verneint wie der erkennende Senat in dem gleichgelagerten Rechtsstreit eines anderen Vertragshändlers gegen die Beklagte (Senatsurteil vom 17. April 1996 – VIII ZR 5/95 = WM 1996, 1555). Der Senat hat in dieser Entscheidung entgegen einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum daran festgehalten, daß die analoge Anwendbarkeit des § 89 b HGB im Vertragshändlerverhältnis neben einer Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten die Verpflichtung des Vertragshändlers voraussetzt, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, d.h. seine Kundendaten zu übermitteln, so daß dieser sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (aaO unter II 1). Weiter hat der Senat entschieden, daß diese Voraussetzung bei der hier wie dort gegebenen Vertragsgestaltung nicht erfüllt ist, weil die M. auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung mit dem Vertragshändler sowohl gemäß §§ 11, 28 bzw. 35 BDSG als auch gemäß § 667, 675 BGB verpflichtet war, nach Beendigung des Teilnahme- und des Vertragshändlervertrages die Kundendaten des Vertragshändlers in ihrem Bestand zu löschen (aaO unter II 2). Zu einer anderen Beurteilung geben weder die Revision noch die von dieser in bezug genommene Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 17. April 1996 Veranlassung.
a) Vergeblich verweist die Revision erneut auf die im Schrifttum (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 17. April 1996 aaO unter II 1) verbreitete Ansicht, anstelle der Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstammes durch Übermittlung der Kundendaten genüge auch die faktische Kontinuität des Kundenstammes. Diese rechtfertigt keine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB, weil nur die Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes den Vertragshändler in gleicher Weise wie den Handelsvertreter daran hindert, den Kundenstamm nach Vertragsende als seinen eigenen zu verwerten und gegen Zugriffe des Herstellers bzw. Lieferanten zu sichern.
b) Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Auffassung des Senats, daß einzelne tatsächlich erfolgte Verstöße der M. gegen ihre Löschungspflicht zwar eine Vertragsverletzung darstellen mögen, aber keinen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte begründen (aaO unter II 2 b a.E.), auch dann gelte, wenn derartige Verletzungen der Geheimhaltungspflicht nicht vereinzelt, sondern planmäßig erfolgten, stellt sich nicht. Die Revision zeigt keinen Vortrag des Klägers auf, wonach planmäßige Verstöße vorliegen. Der Hinweis darauf, daß die Beklagte bei Rückrufaktionen Kunden unmittelbar angeschrieben habe, vermag eine planmäßige Weitergabe von Kundendaten durch die M. an die Beklagte nicht zu belegen. Die Beklagte hat im einzelnen vorgetragen, wie sie die Kundenanschriften mit Hilfe des Kraftfahrtbundesamtes ermittelt hat. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
c) Entgegen der in der Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 17. April 1996 (aaO) vertretenen Ansicht verstößt die Versagung eines Ausgleichsanspruchs weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, noch gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Dadurch, daß die analoge Anwendung des § 89 b HGB nicht über das bisher von der Rechtsprechung anerkannte Maß hinaus ausgedehnt wird (indem nicht anstelle der Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übermittlung des Kundenstamms bereits die faktische Kontinuität des Kundenstammes für ausreichend erachtet wird), kann nicht in bestehende (Grund)-Rechte des Vertragshändlers eingegriffen werden. Der Senat sieht daher auch keine Veranlassung, das Verfahren gemäß der Anregung der Revision bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen.
Unterschriften
Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Fundstellen
Haufe-Index 1383877 |
CI 1998, 119 |