Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar, wenn ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr - jedenfalls soweit er Sonderrechte nach § 35 StVO nicht in Anspruch nimmt - schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht (Änderung der bisherigen Rechtsprechung).
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 16.09.1974) |
LG Koblenz |
Tatbestand
Am 4. Juli 1969 stieß der Pkw den Ehemannes der Klägerin in einer Kurve der Landstraße ... in B. mit einem entgegenkommenden, auf einer Dienstfahrt befindlichen Unimog den beklagten Landen zusammen. Die im Pkw mitfahrende Klägerin erlitt dabei Verletzungen (eine Skalpierungswunde, einen Oberkiefer- und einen Armbruch). Die Parteien gehen davon aus, dass der Ehemann der Klägerin und der Fahrer des beklagten Landes den Unfall zu gleichen Teilen fahrlässig verursacht haben.
Die Klägerin hat vom beklagten Land Schadensersatz - Schmerzensgeld (3.000 DM), Ersatz der Kleiderschäden (100 DM), Erstattung der Zahnbehandlungskosten (420 DM) und Ersatz für den Ausfall ihrer Arbeitskraft im Haushalt (1.040 DM) - begehrt und ausgeführt:
Ein Schadensersatzanspruch gegen ihren Ehemann stehe ihr nicht zu, weil dieser ihr gegenüber nur für die in eigenen Angelegenheiten geübte Sorgfalt, also nicht für leichte Fahrlässigkeit, einzustehen habe. Das beklagte Land könne im Übrigen von ihr nicht verlangen, dass sie einen Schadensersatzanspruch gegen ihren Mann durchsetze. Ein Rechtsstreit zwischen Eheleuten sei geeignet, deren Ehe zu gefährden; der Staat sei jedoch verfassungsrechtlieh verpflichtet, Ehe und Familie zu schützen. Der Haftpflichtversicherer ihres Ehemannes trete nach den Versicherungsbedingungen nicht für Schäden ein, die nächste Angehörige den Versicherungsnehmern erlitten hätten. Ihr Mann sei zudem bei seinem geringen Einkommen als Vertreter nicht in der Lage, ihr Schadensersatz zu leisten.
Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag u.a. damit begründet, dass auch der Schadensersatzanspruch gegen den Ehemann eine andere Ersatzmöglichkeit bilden könne.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das beklagte Land auf die Berufung der Klägerin zur Zahlung weiterer 420 DM nebst Zinsen (Zahnbehandlungskosten) verurteilt und die Anschlussberufung den beklagten Landen zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land den Antrag weiter, die Klage in vollen Umfang abzuweisen. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Fahrer des beklagten Landes habe den Unfall schuldhaft (mit-)verursacht. Die dadurch begründete Haftung des beklagten Landes werde durch die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ausgeschlossen.
Zwar habe auch der Ehemann der Klägerin den Unfall schuldhaft mitverursacht und sei ihr daher zum Schadensersatz verpflichtet. Denn der familienrechtliche Haftungsmaßstab der §§ 1359, 277 BGB gelte nicht für ein schuldhaft schädigendes Verhalten gegenüber dem anderen Ehegatten im Straßenverkehr. Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung verlangten von jedermann die Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt. Niemand könne sich darauf berufen, er pflege im Straßenverkehr nur die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt anzuwenden.
Die Rechtsfrage, ob ein Schadensersatzanspruch des Verletzten gegen seinen Ehegatten grundsätzlich nicht als andere Ersatzmöglichkeit im Sinne den § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen sei, bedürfe nicht der abschließenden Klärung. Denn der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann scheide in dem zur Entscheidung stehenden Fall als andere Ersatzmöglichkeit aus. Zwar sei die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht allein deswegen unzumutbar, weil die Ehepartner in intakter Ehe lebten. Der Klägerin sei es aber angesichts der finanziellen Verhältnisse ihres Ehemannes, der als Vertreter nur ein geringes Einkommen erziele, nicht zuzumuten, diesen wegen Schadensersatzes in Anspruch zu nehmen. Ihr Ehemann sei zwar in der Lage, die hier eingeklagten Schadensbeträge - ratenweise - aufzubringen; dies würde sich jedoch nur durch entsprechende Einschränkungen bei den häuslichen Bedürfnissen der ganzen Familie verwirklichen lassen. Bei der schmalen finanziellen Basis der Familie der Klägerin würde die Inanspruchnahme des Ehemannes darauf hinauslaufen, dass die Klägerin den ihr zugefügten Schaden zu einem beträchtlichen Teil selbst tragen müsste. Das beklagte Land müsse daher nach Art. 34 GG, §§ 839, 847 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld (1.500 DM) leisten.
Im Übrigen sei das beklagte Land auch als Kraftfahrzeughalter nach §§ 7 Abs. 1, 11 StVG zum Schadensersatz wegen der Beeinträchtigung der Klägerin in der Führung ihres Haushalts und zum Ersatz ihrer Zahnbehandlungskosten verpflichtet.
II.
Die wegen des Schmerzensgeldanspruchs zugelassene Revision bleibt sachlich ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (§ 847 BGB) nur nach den Vorschriften über die Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) zustehen kann.
Der Fahrer des beklagten Landes verursachte die Körperverletzung, die die Klägerin erlitt, nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts durch eine schuldhaft-fahrlässige Amtspflichtverletzung. Er befand sich auf einer Dienstfahrt mit einem Straßenmeistereifahrzeug und wurde somit in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig. Denn die Dienstfahrt stand in einem so engen Zusammenhang mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben des beklagten Landes, dass sie noch dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen ist (vgl. das Senatsurteil BGH, NJW 1962, 796 = MDR 1962, 463 = VersR 1963, 378).
Mit der Anwendung der Amtshaftungsnormen als Haftungsgrundlage folgt das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. das Senatsurteil BGHZ 46, 176, 179 m.w.Nachw.). Das Verhalten einer Person ist danach schon dann als "Ausübung eines öffentliches Amtes" zu werten, wenn die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die handelnde Person tätig wurde, zu dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit gehört, und wenn zwischen der Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass sich auch diese Handlung noch in den Bereich hoheitlicher Betätigung einordnet.
Auch wenn ein Amtsträger ohne die Inanspruchnahme von Sonderrechten in dieser dem hoheitlichen Bereich zurechenbaren Weise am allgemeinen Straßenverkehr teilnimmt, trifft daher die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die sonstige Körperschaft, in deren Dienst er steht (Art. 34 GG). Die persönliche Haftung des Amtsträgers nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff. BGB) scheidet damit aus. Der Staat oder die Körperschaft, die statt des Amtsträgers haftet, kann den sonst grundsätzlich zulässigen Entlastungsbeweis für "Verrichtungsgehilfen" nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht führen. Der Beweis der sorgfältigen Auswahl und Überwachung ihrer Bediensteten könnte ihnen, wenn § 831 BGB anzuwenden wäre, nicht ohne weiteres abgeschnitten werden.
Dieses Verständnis der "Ausübung eines öffentlichen Amtes" ist an Sinn und Zweck der verfassungsrechtlich normierten Überleitung der Beamtenhaftung auf die staatliche Gemeinschaft (Art. 34 GG) ausgerichtet. Der Senat sieht bei der jetzigen gesetzlichen Regelung der Amtshaftung bewusst davon ab, diesen Begriff in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung enger zu verstehen und damit an die Stelle der Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) die persönliche Haftung des Beamten nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen (§§ 823 ff. BGB) treten zu lassen mit zum Teil ungewissen, jedenfalls Rechtsunsicherheit erzeugenden weiteren Auswirkungen in anderen Bereichen (Fragen zu Art. 34 GG, einer Entlastungsmöglichkeit des Staates oder der sonstigen Anstellungskörperschaft nach § 831 Abe. 1 Satz 2 BGB, einer Freistellung des persönlich haftenden Amtsträgers durch die Anstellungskörperschaft und eines Versicherungsschutzes für den Amtsträger).
2. Die Rügen der Revision richten sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine andere Ersatzmöglichkeit, weil es ihr nach den besonderen Umständen nicht zuzumuten sei, ihren Ehemann auf Schadensersatz (Schmerzensgeld) in Anspruch zu nehmen. Diese Rügen bleiben jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg. Denn der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen das beklagte Land hängt nicht davon ab, dass sie "nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag" (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB; sogenannte Subsidiaritäts- oder Verweisungsklausel, Verweisungsprivileg). Die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar, wenn ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr durch seine Pflichtwidrigkeit Körperschäden und/oder Sachschäden verursacht. An seiner früheren Rechtsprechung zur Anwendung der Verweisungsklausel in diesem Bereich (vgl. u.a. BGRZ 42, 176, 181; 61, 101) hält der Senat nicht fest. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Amtsträger wie hier ohne die Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO am allgemeinen Straßenverkehr teilnimmt.
a) Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB widerspricht ebenso wie andere gesetzliche Haftungsprivilegien einem tragenden haftungsrechtlichen Grundsatz des Straßenverkehrsrechts, das sich seit der Einführung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 (RGBl S. 437) zunehmend zu einem eigenständigen Haftungssystem entwickelt hat. In diesem Rechtsbereich gilt der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer. Einen gesetzlichen Niederschlag hat dieser Grundsatz in § 636 Abs. 1 RVO und schon früher im Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen von 7. Dezember 1943 (RGBl I S. 674) gefunden. Insoweit hat der Gesetzgeber dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer ausdrücklich den Vorrang vor dem unfallversicherungsrechtlichen Ausschluss der Unternehmerhaftung gegeben. Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz in seiner Rechtsprechung zu den Haftungsprivilegien des Ehepartners (§ 1359 BGB) und des Gesellschafters (§ 708 BGB) anerkannt (vgl. BGHZ 46, 313, 317 ff.; 53, 352, 353 ff.; 61, 101, 104 ff.). Ein auf persönlichen Beziehungen beruhender milderer Haftungsmaßstab kann danach im Straßenverkehr mit seinen gleichen Sorgfaltsanforderungen an alle Verkehrsteilnehmer keine Geltung beanspruchen.
b) Dem Grundsatz, dass alle Verkehrsteilnehmer haftungsrechtlich gleichbehandelt werden müssen, gebührt auch gegenüber dem Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB der Vorrang.
aa) Die Auslegung, die der Senat § 839 Abe. 1 Satz 2 BGB gegeben hat, führte im Bereich des Straßenverkehrs schon bisher weitgehend zu einer haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der für den Amtsträger haftenden Körperschaft mit anderen Haftpflichtigen. Die nach den Vorschriften über die Amtshaftung ersatzpflichtige Körperschaft kann den Ersatzberechtigten nicht auf eine Kraftfahrzeughalterhaftung der öffentlichen Hand als andere Ersatzmöglichkeit verweisen (vgl. BGHZ 1, 388; 29, 38, 44; 50, 271, 273 u.a.). Soweit sie selbst als Kraftfahrzeughalterin haftet, steht sie anderen Haftpflichtigen gleich: Der Geschädigte ist nicht gehalten, andere Ersatzmöglichkeiten vorrangig zu suchen; mit anderen Ersatzpflichtigen haftet sie als Gesamtschuldnerin; sie und die anderen Ersatzpflichtigen sind im Innenverhältnis einander nach § 17 StVG zum Ausgleich entsprechend ihren Verantwortungsanteilen verpflichtet.
bb) Der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer ist aber auch dann anzuwenden, wenn die Haftungshöchstgrenzen des Straßenverkehrsgesetzes überschritten sind oder/und Schmerzensgeld zu leisten ist oder wenn die ersatzpflichtige Körperschaft im Einzelfall gar nicht Kraftfahrzeughalterin ist. Eine Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet in diesen Fällen daher nicht nur aus, wenn der Amtsträger seine (Amts-)Pflichten im Straßenverkehr gegenüber einem Dritten vorsätzlich verletzt hat. Dies gilt auch und gerade für die im Straßenverkehr regelmäßig fahrlässige Pflichtverletzung.
Der Vorrang des Grundsatzes der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung vor dem Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist durch die Gleichheit der Rechte und Pflichten im Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmer sachlich gerechtfertigt. Der Amtsträger hat auf einer Dienstfahrt, die der Durchführung einer hoheitlichen Aufgabe dient - dahingestellt bleibe die Rechtslage bei Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO - gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern die Amtspflicht, die zu ihrem Schutz erlassenen allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten (vgl. BGHZ 49, 268 = NJW 1968, 696 = MDR 1968, 392 = VersR 1968, 400). Die Amtspflichten des Amtsträgers als Teilnehmer am allgemeinen Straßenverkehr stimmen insoweit im Grundsatz inhaltlich mit den Sorgfaltspflichten überein, die auch jeder andere Verkehrsteilnehmer in der gleichen Verkehrslage zu erfüllen hat. Der Schutzzweck dieser Amtspflichten entspricht der Schutzfunktion der Verkehrsregeln im allgemeinen Recht der unerlaubten Handlungen. Sie sind in diesem Rechtsbereich dazu bestimmt, Gesundheit und Eigentum "Dritter" zu schützen. Nichts anderes gilt für die Amtspflicht des Amtsträgers, die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten. Der Rechtsgüterschutz des geschädigten Dritten geht daher auch bei der Amtshaftung in diesem Bereich nicht weiter, als wenn ein sonstiger Verkehrsteilnehmer durch sein verkehrswidriges Verhalten den Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach allgemeinem Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB) verwirklicht hätte (vgl. BGHZ 60, 54, 64; BGH, VersR 1973, 275, 276).
cc) Für den Ordnungsbereich des Straßenverkehrs fehlt es damit an einem sachlich rechtfertigenden Grund, der die Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Amtspflichtverletzungen bei einer den allgemeinen Verkehrsregeln unterworfenen Dienstfahrt rechtfertigen könnte. Der - sich jetzt grundsätzlich als Verweisungsprivileg des Staates auswirkenden - Subsidiaritätsklausel steht nach dem Zweck der Amtspflicht eine gegenüber dem Haftungssystem des Verkehrsrechts erweiterte Haftung für alle Vermögensschäden statt nur für die Schäden aus der Verletzung der Gesundheit oder/und des Eigentums nicht gegenüber. Der ursprüngliche Zweck der Verweisungsklausel, die Entschlussfreude des Beamten bei der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben zu stärken, tritt ohnehin zurück, wenn der Amtsträger wie jeder andere Verkehrsteilnehmer den für alle gültigen Verkehrsregeln unterworfen ist und daher insoweit allen anderen Verkehrsteilnehmern gleichsteht.
c) Im Ordnungsbereich des Straßenverkehrs steht auch die dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer widersprechende Benachteiligung eines Mitschädigers (Zweitschädigers) einer Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen.
aa) Allerdings ist § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für den Geschädigten nicht ohne Bedeutung, auch wenn er entweder vom anderen Schädiger Ersatz erhält oder von der haftpflichtigen Körperschaft. Denn immerhin führt die Anwendung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dazu, dass er zunächst den u.U. zeitraubenden und kostspieligen Versuch unternehmen muss, eine andere Ersatzmöglichkeit zu verwirklichen (vgl. Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., Rdn. 313). Darüber hinaus muss er es im Gegensatz zu anderen Schadensersatzberechtigten bei einer Anwendung dieser Vorschrift hinnehmen, dass sich von ihm bezahlte Versicherungen zugunsten des Schädigers auswirken (vgl. Marschall v. Bieberstein, Versicherungsleistungen bei Amtspflichtverletzungen, Festschrift für Reimer Schmidt, 1976, S. 771, 774).
bb) Entscheidendere Bedeutung kommt dieser Frage aber für einen etwaigen weiteren (Mit-)Schädiger (Zweitschädiger) zu. Bei dem bisherigen Verständnis der Verweisungsklausel haftet dieser nicht nur dem Geschädigten gegenüber allein; ihm ist vielmehr auch ein Ausgleich (Rückgriff) gegenüber der öffentlichen Hand verwehrt. Er hat endgültig den gesamten Schaden zu tragen, obgleich er zur Rechtsgutverletzung nur einen Teil neben dem Amtsträger beigetragen hat, hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in gleicher Höhe (zu je 1/2). Das wäre im Grundsatz nicht anders, wenn der Zweitschädiger zum Unfall nur zu einem geringen Bruchteil beigetragen hätte.
Eine solche mit einer Anwendung des Verweisungsprivilegs verbundene Belastung anderer im Rechtsbereich des Verkehrshaftpflichtrechts bedürfte besonderer Rechtfertigung, weil diese Zweitschädiger dann unmittelbar oder mittelbar den gesamten Schaden tragen und damit den Amtsträger oder die Körperschaft, die an seiner Stelle verantwortlich ist, von ihrem Verantwortungsanteil entlasten (vgl. zur Kritik an dieser Auswirkung der Subsidiaritätsklausel und den Vorschlägen, dem Mitschädiger einen Ausgleichsanspruch gegen die öffentliche Hand zu erhalten, zuletzt Keuk, AoP 168, 175, 192; Waldeyer, NJW 1972, 1249, 1251; Futter, Die Subsidiarität der Amtshaftung - Instrument der Haftungslenkung, Berlin 1974, S. 56 f.; Ruland, VSSR 1975, 92, 102 ff.; ders., BayVBl 1976, 581, 583). Ein derartiger Sachgrund ist nicht ersichtlich. Insbesondere reicht dazu nicht der fiskalische Gesichtspunkt aus, die haftende Körperschaft zu entlasten. Vielmehr gehört zu dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer auch der Gedanke des Schadensausgleichs entsprechend den Verantwortungsanteilen. Dieser Gedanke ist u.a. in § 17 StVG verwirklicht, der auch für dienstlich benutzte Fahrzeuge gilt. Mit dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung ist dagegen ein Haftungsprivileg unvereinbar, das den eigenen Haftungsanteil auf einen Dritten *überwälzt". Es ist kein sachlich gerechtfertigter Grund erkennbar, warum dieser Dritte (oder der sein Risiko abdeckende Rechtsträger) den Haftungsanteil einen anderen Verkehrsteilnehmern übernehmen soll, der wie er und jeder andere Verkehrsteilnehmer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten und die gleichen Sorgfaltspflichten zu erfüllen hat. Mit der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr wird auch der Amtsträger und die Körperschaft, in deren Dienst er steht, grundsätzlich den Ordnungsregeln des Straßenverkehrs und damit auch dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer unterworfen, gegenüber dem ein sachlich nicht gerechtfertigtes Haftungsprivileg zu Lasten Dritter zurücktreten muss.
d) Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf die besonderen Rechtsbeziehungen des Amtsträgers und der Körperschaft, in deren Dienst er steht, zum Bürger zugeschnitten. Bei der Schaffung dieses Privilegs hat der Gesetzgeber die Entwicklung des Straßenverkehrsrechts zu einem Ordnungsbereich mit eigenständigem Haftungssystem noch nicht vorausgesehen und auch nicht voraussehen können. Bei den inzwischen eingetretenen Verhältnissen ist für seine Anwendung bei der Teilnahme eines Amtsträgers am allgemeinen Straßenverkehr kein Raum mehr.
Das Fehlen eines sachlich rechtfertigenden Grundes für die Anwendung der Subsidiaritätsklausel im Ordnungsbereich des Straßenverkehrs ist somit nicht bloß für eine Reform des Staatshaftungsrechts zu beachten. Vielmehr ist es schon im Rahmen des geltenden Rechte für die Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich diesen Verweisungsprivilegs und dem des Grundsatzes der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer von Gewicht und ist für diese Abgrenzung maßgeblich.
III.
Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zuerkennung eines Ersatzes wegen der Beeinträchtigung in der Haushaltsführung (350 DM) und auf Erstattung der Zahnbehandlungskosten (480 DM) richtet. Wegen dieser Ansprüche hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen. Es hat die in der Urteilsformel ausgesprochene Zulassung der Revision mit der Erwägung begründet, es sei weiterer Klärung bedürftig, ob ein Anspruch gegen den anderen Ehegatten eine andere Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB darstelle (S. 11 BU) und sich dabei auf ein Senatsurteil bezogen, das einen Schmerzensgeldanspruch betrifft (VersR 1973, 941 = BGHZ 61, 101). Das Berufungsgericht hat das Schadensersatzbegehren der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz gewürdigt und die Schadensersatzansprüche wegen der Beeinträchtigung in der Haushaltsführung und wegen der Zahnbehandlungskosten auch auf der Grundlage der Schadensersatzvorschriften dieses Gesetzes (§§ 7 Abs. 1, 11 StVG) zugesprochen, weil es die Kraftfahrzeughaltereigenschaft des beklagten Landes bejaht hat (S. 8, 11 BU). Auf eine andere Ersatzmöglichkeit kommt es somit nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts nicht an, soweit es eine Haftung des beklagten Landes nach §§ 7, 11 StVG bejaht hat. Seine Ausführungen über die Zulassung der Revision sind dementsprechend in dem Abschnitt der Entscheidungsgründe enthalten, der vom Schmerzensgeld handelt und schließlich die Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes ausspricht (I. 3. b), aber vor dem Abschnitt, der den Ersatz der Zahnbehandlungskosten betrifft (II.). Damit hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf den Schmerzensgeldanspruch beschränkt, für den eine andere Ersatzmöglichkeit auch vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus allein erheblich sein kann.
Fundstellen
Haufe-Index 3017211 |
BGHZ 68, 217 |
BGHZ, 217 |
NJW 1977, 1238 |
DRiZ 1977, 88 |
JR 1977, 331 |
DAR 1977, 241 |
MDR 1977, 735 |
VRS 53, 12 |
VersR 1977, 541 |
VerwRspr 1978, 58 |