Leitsatz (amtlich)
Zur Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Veröffentlichung einer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung (sog. Redaktionsschwanz).
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 1004 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen OLG vom 26.3.2019 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Hamburg vom 8.11.2013 wird zurückgewiesen, soweit das LG die Klage hinsichtlich des Antrags abgewiesen hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, durch den Zusatz zur Gegendarstellung der Klägerin vom 6.11.2012, veröffentlicht in der "Main Post" vom 7. und 11.12.2012,
"Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6. November."
den Eindruck zu erwecken oder erwecken zu lassen, die Erwiderung in der Gegendarstellung vom 6.11.2012 sei unwahr.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelinstanzen, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt Unterlassung einer redaktionellen Anmerkung der Beklagten zu einer von der Klägerin gegen die Beklagte erwirkten Gegendarstellung (sog. "Redaktionsschwanz").
Rz. 2
Die Klägerin ist im Künstlermanagement tätig und vertritt u.a. J. E. Die Beklagte verlegt die Tageszeitung "Main-Post - Würzburger Neueste Nachrichten" und verantwortet den Internetauftritt www.mainpost.de. In der Printausgabe der Beklagten vom 6.11.2012 und bereits am 5.11.2012 in der Online-Version erschien ein Artikel über J. E., in dem u.a. berichtet wurde: "A. R. von der Agentur kick.management, die E. vertritt, bestätigt den Aufenthalt der 40-Jährigen in Bad Birkenau: 'Es stimmt, sie war für sechs Wochen in der Betty-Ford-Klinik.'" Nach gerichtlicher Anordnung veröffentlichte die Beklagte eine Gegendarstellung zu diesem Bericht mit der Erwiderung der Klägerin: "Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert." Die Gegendarstellung versah die Beklagte mit folgender Anmerkung ihrer Redaktion: "Nach Paragraf 10 Bayerisches Pressegesetz wurden wir zum Abdruck dieser Gegendarstellung verurteilt. Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6. November (bzw. '... vom 5. November' in der Online-Version)."
Rz. 3
Die Klägerin ist der Auffassung, die in der redaktionellen Anmerkung enthaltene Tatsachenbehauptung, der Inhalt der Gegendarstellung sei unwahr, und der damit zu Unrecht erhobene Vorwurf der Lüge seien von der Beklagten zu unterlassen. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, durch den Zusatz zur Gegendarstellung der Klägerin vom 6.11.2012, veröffentlicht in der Main-Post vom 7. und 11.12.2012 und unter www.mainpost.de am 6.12.2012,
"Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6. November."
den Eindruck zu erwecken oder erwecken zu lassen, die Erwiderung in der Gegendarstellung vom 6.11.2012 sei unwahr.
Rz. 4
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt (veröffentlicht in AfP 2019, 360-362), die Klägerin könne von der Beklagten die Unterlassung des im Tenor der Entscheidung verbotenen Eindrucks wegen Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts verlangen. Im Kontext von Gegendarstellung und redaktioneller Anmerkung entstehe für den Leser - jedenfalls auch - der nicht fernliegende Eindruck, die in der Gegendarstellung wiedergegebene Erwiderung der Klägerin ("Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert.") sei unwahr. Dem stehe nicht entgegen, dass ein mit dem Gegendarstellungsrecht vertrauter Leser einen anderen Eindruck haben möge und davon ausgehe, hier würden gegensätzliche Standpunkte zu einem streitigen Sachverhalt vertreten.
Rz. 6
Bei der Prüfung, ob eine Äußerung mehrdeutig sei, seien nur fernliegende Deutungsvarianten auszuscheiden. Handle es sich bei der Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, werde entscheidend, ob der Wahrheitsbeweis gelinge. Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulasse, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsrechtsverletzung führten. Dem Äußernden stehe es frei, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und - wenn eine persönlichkeitsrechtsverletzende Deutungsvariante nicht dem von ihm beabsichtigten Sinne entspreche - klarzustellen, wie er seine Aussage verstehe.
Rz. 7
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergebe sich vorliegend aus dem Kontext des konkreten Redaktionsschwanzes die Vermittlung - auch - des Eindrucks, es solle damit ausgedrückt werden, die Beklagte habe in diesem Fall eine unwahre Gegendarstellung abdrucken müssen. Mehrdeutigkeit liege vor. Es sei daher für die Prüfung des Unterlassungsanspruchs die das Persönlichkeitsrecht stärker verletzende Deutungsvariante zugrunde zu legen. Bei der Äußerung einer Tatsachenbehauptung komme es darauf an, ob der Wahrheitsbeweis gelinge. Im Streitfall sei prozessual unbestritten geblieben, dass der Inhalt der klägerischen Gegendarstellung wahr sei. Die gegenteilige Äußerung bzw. die Vermittlung eines dahingehenden - nicht fernliegenden - Eindrucks habe die Klägerin daher äußerungsrechtlich nicht hinzunehmen. Eine nach dem Kenntnisstand des Äußernden umstrittene oder zweifelhafte Tatsache dürfe ein Äußernder nicht als feststehend hinstellen. Von dem Äußernden sei im Interesse des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen zu verlangen, dass er zum Ausdruck bringe, dass seine Sicht umstritten und der Sachverhalt nicht wirklich aufgeklärt sei. Hieran fehle es im Streitfall.
Rz. 8
Es bestehe auch kein Wertungswiderspruch im Äußerungsrecht, wenn gegendarstellungsrechtlich zulässige redaktionelle Anmerkungen im Einzelfall mit einem Unterlassungsverbot belegt würden. Die anzulegenden Maßstäbe im Gegendarstellungsrecht und bei der Prüfung von Unterlassungsansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seien unterschiedlich. Die Wiederholungsgefahr sei aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung indiziert.
II.
Rz. 9
Die Revision hat Erfolg. Sie führt, soweit es um die Veröffentlichung des sog. Redaktionsschwanzes in der Printausgabe der Beklagten geht, zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin insoweit ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB nicht zu. Im Übrigen führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis allerdings zu Recht angenommen, dass die angegriffene Äußerung bei zutreffender Sinndeutung als unwahre Tatsachenbehauptung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreift. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. BGH vom 14.1.2020 - VI ZR 496/18 NJW 2020, 1587 Rz. 34; v. 10.4.2018 - VI ZR 396/16 NJW 2018, 2877 Rz. 15; v. 4.4.2017 - VI ZR 123/16 NJW 2017, 2029 Rz. 16; v. 19.1.2016 - VI ZR 302/15 NJW 2016, 1584 Rz. 11; jeweils m.w.N.).
Rz. 11
a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st.Rspr., BGH, Urt. v. 2.7.2019 - VI ZR 494/17 AfP 2019, 434 Rz. 24; v. 16.1.2018 - VI ZR 498/16 VersR 2018, 492 Rz. 20; v. 4.4.2017 - VI ZR 123/16 NJW 2017, 2029 Rz. 30; v. 10.1.2017 - VI ZR 562/15 VersR 2017, 369 Rz. 13; v. 27.9.2016 - VI ZR 250/13 GRUR 2017, 298 Rz. 12; v. 18.11.2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rz. 19; v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rz. 14). Fernliegende Bedeutungen sind auszuschließen (BVerfGE 93, 266, 296; BVerfG NJW 2010, 3501 Rz. 22).
Rz. 12
Die Ermittlung des Aussagegehalts ist dabei nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrkränkende Beschuldigungen erstreckt sich auch auf solche Behauptungen, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2019 - VI ZR 494/17 AfP 2019, 434 Rz. 29; v. 22.11.2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rz. 16 f.; v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93 VersR 1994, 1123, 1124, juris Rz. 19; v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9, 14, juris Rz. 40 ff.). Bei der Annahme solcher verdeckter Behauptungen ist im Ehrenschutzprozess zwischen (privaten) Grundrechtsträgern aber besondere Zurückhaltung geboten, um die Spannungslage zwischen Ehrenschutz und Kritikfreiheit nicht einseitig unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu Lasten der letzteren zu verschieben (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2019 - VI ZR 494/17 AfP 2019, 434 Rz. 30; v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93 VersR 1994, 1123, 1124, juris Rz. 19; v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9, 14, juris Rz. 41). Bei der Ermittlung sog. verdeckter Aussagen ist zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist. Vom Äußernden würde anderenfalls verlangt, die möglichen Schlüsse spekulativ vorwegzunehmen und jeweils zurückzuweisen (vgl. Senat, Urt. v. 2.7.2019 - VI ZR 494/17, AfP 2019, 434 Rz. 30; vom 22.11.2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rz. 17; v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, VersR 2004, 343, 344, juris Rz. 17; v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93, VersR 1994, 1123, 1124, juris Rz. 19; BVerfG NJW 2018, 1596 Rz. 22; NJW 2004, 1942 Rz. 16). Die vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze aus der sog. "Stolpe-Entscheidung" des BVerfG, wonach bei der Abwägung im Rahmen der Prüfung eines Unterlassungsanspruchs alle nicht entfernt liegenden Deutungsvarianten zugrunde zu legen sind, die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, da es dem Äußernden freisteht, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und - wenn eine persönlichkeitsverletzende Deutungsvariante nicht dem von ihm beabsichtigten Sinn entspricht - klarzustellen, wie er seine Aussage versteht (vgl. BVerfGE 114, 339, 350 f., juris Rz. 34 ff.), betreffen dagegen den Fall einer offenen mehrdeutigen Aussage (so auch OLG Köln, AfP 2015, 440, 441, juris Rz. 36; OLG Düsseldorf AfP 2014, 70, 73, juris Rz. 41; OLG Stuttgart, Urt. v. 8.2.2017 - 4 U 166/16, juris Rz. 187; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl., § 16 Rz. 88; a.A. wohl Meyer in Paschke/Berlit/Meyer/Kröner, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 4. Aufl., 40. Abschnitt Rz. 23) und passen zudem nicht zu dem einmaligen Vorgang des Abdrucks einer Gegendarstellung.
Rz. 13
b) Nach diesen Grundsätzen enthält die angegriffene Äußerung die Behauptung, die in der Gegendarstellung enthaltene Erwiderung der Klägerin ("Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert.") sei unwahr.
Rz. 14
aa) Insoweit kann dahinstehen, ob diese Behauptung, wofür einiges spricht, unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs mit dem in der Gegendarstellung wiedergegebenen Inhalt der Erstmitteilung der Beklagten und der Erwiderung der Klägerin bereits offen aufgestellt wird. Denn selbst wenn man dies verneinen würde, wird dann jedenfalls durch das Zusammenspiel der offenen Äußerungen unter Berücksichtigung ihres Kontextes im Sinne einer verdeckten Behauptung die zusätzliche Sachaussage getroffen, der Inhalt der in der Gegendarstellung abgedruckten Erwiderung sei unwahr, der Mitarbeiter der Klägerin habe sich also tatsächlich wie in der Erstmitteilung der Beklagten geschildert geäußert ("Es stimmt, sie war für sechs Wochen in der Betty-Ford-Klinik."). Diese Schlussfolgerung wird dem unvoreingenommenen und verständigen Leser dadurch unabweislich nahe gelegt, dass die Beklagte nicht nur darauf hinweist, die Gegendarstellung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt abdrucken zu müssen, sondern im Anschluss daran ausdrücklich an ihrer eigenen konträren Darstellung festhält. Der Durchschnittsleser kann sich diese Haltung der Beklagten nur damit erklären, dass die Erwiderung der Klägerin, die die Beklagte abdrucken musste, nach dem Ergebnis nochmaliger Prüfung seitens der Beklagten unrichtig ist. Zwar ergibt sich aus der Abfolge von Gegendarstellung und redaktioneller Anmerkung für jeden Leser, dass der Wahrheitsgehalt der Erwiderung der Klägerin zwischen den Parteien umstritten ist. Dies ändert aber nichts an der Behauptung der Beklagten, die Version der Klägerin sei unwahr. Eine Relativierung dieser Aussage dahingehend, die Wahrheit oder Unwahrheit sei nach Ansicht der Beklagten lediglich noch nicht abschließend geklärt, weshalb sie - derzeit - an ihrer Darstellung festhalte, ergibt sich aus der redaktionellen Anmerkung nicht. Gerade weil es die Beklagte nicht bei einem Hinweis auf die Gesetzeslage zu ihrer Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung belässt, liegt eine solche Schlussfolgerung bezüglich der im Ausgangsartikel geschilderten Interviewsituation ohne eine entsprechende ausdrückliche Erklärung für den verständigen Leser fern.
Rz. 15
Da der Gegenstand der Erwiderung in der Gegendarstellung die dem Beweis zugängliche Frage betrifft, ob der Mitarbeiter der Klägerin gegenüber einem Reporter der Beklagten eine bestimmte Auskunft erteilt hat, handelt es sich bei der Aussage, die Erwiderung sei unwahr, um eine Tatsachenbehauptung (vgl. zur Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen etwa BGH, Urt. v. 16.1.2018 - VI ZR 498/16 VersR 2018, 492 Rz. 35 f. m.w.N.).
Rz. 16
bb) Hingegen enthält die angegriffene Äußerung - auch verdeckt - nicht die Behauptung, die Klägerin habe in ihrer Erwiderung auf die Erstmitteilung bewusst die Unwahrheit verbreitet, also gelogen. Ein solches Verständnis drängt sich dem Leser schon deshalb nicht auf, weil sich aus dem Inhalt der Gegendarstellung und der redaktionellen Anmerkung nicht ergibt, dass ein satzungsmäßiger Vertreter der Klägerin selbst die streitige Auskunft erteilt hätte oder bei der Auskunftserteilung anwesend gewesen wäre. Für den verständigen Leser liegt vielmehr die Annahme nahe, dass die Klägerin ihre Erwiderung im Vertrauen auf die Richtigkeit einer ihr gegenüber von ihrem Mitarbeiter erteilten Information über den Inhalt des von ihm mit dem Redakteur der Beklagten geführten Gesprächs formuliert hat.
Rz. 17
c) Die Behauptung, die Klägerin stelle der Erstmitteilung der Beklagten eine unwahre Erwiderung entgegen, ist geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Denn auch wenn damit nicht der Vorwurf der Unehrlichkeit im Sinne lügnerischen Verhaltens verbunden ist, ist der durch die Äußerung hervorgerufene Eindruck, die Klägerin sei nicht willens oder in der Lage, den wahren Sachverhalt aufzuklären, und zwinge die Beklagte letztlich zum Abdruck einer unrichtigen Gegendarstellung, für das öffentliche Bild der Klägerin abträglich.
Rz. 18
d) Im Ergebnis ist im Revisionsverfahren mit dem Berufungsgericht von der Unwahrheit der angegriffenen Behauptung der Beklagten auszugehen.
Rz. 19
Dies ergibt sich zwar - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht aus der im unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils getroffenen Feststellung, im streitgegenständlichen Verfahren trete die Beklagte dem Vortrag der Klägerin, dass deren Gegendarstellung wahr gewesen sei, nicht entgegen, oder aus der in den Entscheidungsgründen enthaltenen Feststellung, im Streitfall sei prozessual unbestritten geblieben, dass der Inhalt der klägerischen Gegendarstellung wahr sei. Denn hierzu im Widerspruch ist im Tatbestand des Berufungsurteils im Rahmen der Wiedergabe des streitigen Parteivorbringens ausgeführt, die Klägerin meine, vorliegend sei prozessual unstreitig, dass der klägerische Mitarbeiter sich nicht so, wie im Beitrag der Beklagten vom 6.11.2012 wiedergegeben, geäußert habe. Angesichts dieser Widersprüchlichkeit können die tatbestandlichen Feststellungen in diesem Punkt keinen Beweis für das - unstreitige - Vorbringen der Parteien gem. § 314 ZPO liefern (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2015 - VI ZR 102/14 VersR 2015, 1165 Rz. 48 m.w.N.). Damit kann die Revision mit ihrer - zutreffenden - Rüge gehört werden, das Berufungsgericht habe, soweit es von der Unstreitigkeit der Wahrheit der Erwiderung ausgegangen sei, das gegenteilige Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung unberücksichtigt gelassen.
Rz. 20
Prozessual ist jedoch deshalb davon auszugehen, dass die im Streit stehende Behauptung der Beklagten nicht (erweislich) wahr ist, weil die Beweislast für die Wahrheit dieser persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptung nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt (vgl. Senat, Urt. v. 11.12.2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rz. 15; v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 juris Rz. 30; v. 17.11.1992 - VI ZR 344/91, VersR 1993, 193, juris Rz. 14; BVerfG NJW 2016, 3360 Rz. 17; BVerfGE 114, 339, 352, juris Rz. 42). Die Revision macht jedoch nicht geltend, dass die Beklagte Beweisangebote zur Wahrheit ihrer Behauptung unterbreitet hätte, die vom Berufungsgericht übergangen worden wären.
Rz. 21
2. Dennoch hat das Berufungsgericht die Beklagte zu Unrecht zur Unterlassung entsprechend dem Klageantrag verurteilt. Dabei kann offenbleiben, ob die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin durch die angegriffene redaktionelle Anmerkung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtswidrig war, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Denn jedenfalls war die Bejahung der für das Bestehen eines Anspruchs entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr rechtsfehlerhaft.
Rz. 22
a) Die Beurteilung, ob die Wiederholungsgefahr für ein beanstandetes Verhalten fortbesteht, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Sie ist im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar darauf, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat (vgl. BGH vom 4.6.2019 - VI ZR 440/18 VersR 2019, 1375 Rz. 22 m.w.N.).
Rz. 23
b) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dann, wenn bereits ein - hier unterstellter - rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 14.11.2017 - VI ZR 534/15 ZUM 2018, 440 Rz. 17 m.w.N.). Es hat allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Vermutung entkräftet werden kann, wobei an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr kann ausnahmsweise etwa dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.2019 - VI ZR 440/18 VersR 2019, 1375 Rz. 36 m.w.N.). Hiervon ist vorliegend sowohl hinsichtlich der vom Unterlassungsbegehren der Klägerin erfassten Printausgabe der Beklagten als auch hinsichtlich der Online-Version auszugehen.
Rz. 24
aa) Der Klageantrag der Klägerin ist bezüglich der Printausgabe darauf gerichtet, der Beklagten zu untersagen, durch den Zusatz zur Gegendarstellung der Klägerin vom 6.11.2012, veröffentlicht in der Main-Post vom 7. und 11.12.2012, den Eindruck zu erwecken oder erwecken zu lassen, die Erwiderung in der Gegendarstellung vom 6.11.2012 sei unwahr. Das Unterlassungsbegehren knüpft daher an die besondere Situation der Veröffentlichung der Gegendarstellung der Klägerin an. Eine Wiederholungsgefahr könnte insoweit nur bestehen, wenn der - erneute - Abdruck dieser Gegendarstellung in der Printausgabe der Beklagten zu besorgen wäre, die von der Beklagten mit dem beanstandeten Zusatz versehen werden könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Es ist nicht festgestellt, dass die Klägerin eine erneute Gegendarstellung - im Wege der Zwangsvollstreckung aus der gerichtlichen Anordnung - von der Beklagten verlangen würde. Sie könnte dies auch nicht mehr. Denn selbst wenn ihr Anspruch nicht bereits durch die erfolgte Veröffentlichung der Gegendarstellung vom 6.11.2012 erfüllt worden wäre, fehlte in dem für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz im März 2019, das notwendige berechtigte Interesse der Klägerin an einer Gegendarstellung wegen Überschreitens der Aktualitätsgrenze (vgl. Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl., Kap. 5 Rz. 211). Jegliche Anhaltspunkte für ein Interesse der Beklagten an einer erneuten Veröffentlichung der Gegendarstellung in der Printausgabe der Main-Post fehlen.
Rz. 25
bb) Hinsichtlich der Online-Version begehrt die Klägerin die Unterlassung des Zusatzes der Beklagten zur Gegendarstellung der Klägerin vom 6.11.2012, veröffentlicht unter www.mainpost.de am 6.12.2012, der von der Klägerin als Anlage K 13 vorgelegt wurde. Wie sich aus der angegebenen Web-Adresse, dem Veröffentlichungsdatum und der vorgelegten Anlage ergibt, bezieht sich das Unterlassungsbegehren demnach auf die Veröffentlichung des beanstandeten Redaktionsschwanzes in der aktuellen Onlineausgabe der Main-Post, d.h. im Rahmen der aktuellen Berichterstattung unter www.mainpost.de. Das etwaige Vorhalten der redaktionellen Anmerkung in den im Internet zugänglichen Altmeldungen, also in einem Online-Archiv, und damit eine Dauerhandlung (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2009 - I ZR 77/06, juris Rz. 12) ist dagegen nach Auffassung des Senats vom Antrag der Klägerin nicht erfasst. Das Berufungsgericht hat auch keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass die Klägerin vorgetragen hätte, die Beklagte unterhalte ein Online-Archiv, in dem der Redaktionsschwanz - wie als Anlage K 13 vorgelegt - abrufbar (gewesen) sei.
Rz. 26
Da die Veröffentlichung der Ausgangsmitteilung bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz bereits mehr als sechs Jahre zurücklag, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung als ausgeschlossen gelten, dass die Gegendarstellung samt Redaktionsschwanz zu diesem Zeitpunkt noch in die aktuelle Onlineausgabe eingestellt oder eine erneute Einstellung zu besorgen war. An der Wiederholungsgefahr fehlt es dann aber wie bei der Printausgabe.
III.
Rz. 27
Das Urteil des Berufungsgerichts war daher aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO. Der Senat kann hinsichtlich des auf die Printausgabe der Main-Post bezogenen Unterlassungsantrags in der Sache selbst entscheiden, weil hierzu weitere Feststellungen nicht zu treffen und nicht zu erwarten sind, § 563 Abs. 3 ZPO. Bezüglich der Onlineausgabe ist der Klägerin noch Gelegenheit zur Äußerung zum erstmals vom Senat thematisierten Gegenstand ihres Klageantrags vor dem Tatgericht zu geben, weshalb die Sache insoweit gem. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war.
Fundstellen