Leitsatz (amtlich)
›Ein versuchter Raub mit Todesfolge liegt auch dann vor, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, daß sich in der Todesfolge die dem Raubversuch eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht.‹
Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten Ar. wegen gemeinschaftlichen versuchten Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten I. wegen derselben Delikte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. wegen Anstiftung zum versuchten Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Der Angeklagte A. macht mit seiner Revision zahlreiche verfahrensrechtliche Beanstandungen geltend, daneben erheben alle Angeklagten die Sachrüge. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
I. Die von dem Angeklagten A. erhobenen Verfahrensrügen sowie die Sachrügen, soweit diese sich auf die jeweilige Strafzumessung beziehen, sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
II. Auch im übrigen hält das Urteil einer materiellrechtlichen Überprüfung stand.
1. Den Verurteilungen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Nach vorangegangenen Streitereien war der Angeklagte A. entschlossen, den Eheleuten Cemal und Meryem Gö., die in G. einen Döner-Imbiß betrieben, erheblichen Schaden zuzufügen und sich an ihnen zu rächen. Er weckte deshalb zunächst bei den Angeklagten Ar. und I. den Entschluß, das Ehepaar zu überfallen und zu berauben. A. erklärte, Cemal Gö. sei ein Betrüger, Feigling und Zuhälter. Die beiden könnten eine in dem Imbiß befindliche Geldbörse erbeuten, in der sich immer erhebliche Geldbeträge befänden. Ar. und I. waren einverstanden, kamen jedoch zu der Überzeugung, den Überfall nicht allein ausführen zu können. Deshalb zogen sie den Angeklagten Gü. hinzu, dem sie aufgrund seines Vorlebens die Tat zutrauten. Als Mittäter wurde schließlich noch der ehemalige Mitangeklagte B. gewonnen, der nach Aussage des Gü. ein echter Profi sei und erst neulich jemanden umgebracht habe. Tatsächlich hatte B. im Juli 1995 in R. einem Bekannten Messerstiche versetzt und mit einer Pistole auf den Kopf geschlagen, worauf das Opfer verstarb. A. war die Hinzuziehung der weiteren Täter in Kenntnis der maßgebenden Umstände nur recht. Es kam zu einem oder zwei Treffen mit den übrigen Beteiligten, bei denen neben dem Überfall auf das Ehepaar Gö. auch die Durchführung eines weiteren Auftrags, der dahin ging, einen Geschäftsbekannten des A. umzubringen, besprochen wurde. B. erklärte hierzu sein Einverständnis, A. meinte aber, daß man erst die Sache in G. machen solle. Er erklärte, daß der Mann bestimmt sagen werde, wo das Geld sei, wenn man ihm eine Pistole an den Kopf halte. Die Frau könne sich vielleicht wehren, gegebenenfalls solle man die Opfer mit Schnüren binden. Wenn der Mann nicht sage, wo das Geld sei, solle man ihn schlagen und mit einem Messer ins Bein schneiden. Dem Angeklagten A. kam es darauf an, daß den Opfern möglichst übel mitgespielt würde (vgl. UA S. 25). Eine Tötung stellte er sich bei dem von ihm erwünschten Messereinsatz durchaus vor (vgl. UA S. 26, 85). Die Angeklagten Gü., B., Ar. und 1. waren mit der von A. vorgegebenen Art der Ausführung des Überfalls einverstanden und bewaffneten sich mit zwei Messern mit einer Klingenlänge von mindestens zwölf Zentimetern, zwei Gaspistolen, von denen eine defekt war, sowie einer Armbrust, deren Funktionstüchtigkeit sie zuvor überprüft hatten. Daß es bei einer tatsächlichen Anwendung der Waffen zu tödlichen Folgen kommen konnte, war naheliegend und für jeden einsichtig - allen Angeklagten klar (vgl. UA S. 53). Dann fuhren Gü. B., Ar. und I. mit dem Pkw des I. nach G., um den Raub zu begehen. Während der Fahrt wurde nochmals über den bevorstehenden Überfall gesprochen. Dabei stellten die Täter unterschiedliche Erwägungen zur Art der Ausführung an. Geredet wurde darüber, die Opfer gegebenenfalls zu schlagen und den Mann falls notwendig zu stechen, ohne daß die Feststellungen an dieser Stelle eine Einschränkung auf Stiche in das Bein enthalten (vgl. UA S. 28). In G. blieb I. im Pkw zurück. Gü., B. und Ar. betraten den Imbiß. In einem ihnen günstig erscheinenden Moment lud B. eine (der mitgeführten Gaspistolen durch und richtete sie gegen den Kopf von Meryem Gö. Sodann übernahm Ar. die Zeugin und hielt diese fest. Da die Zeugin sich wehrte und schrie, schlug er ihr mit der von ihm geführten Gaspistole auf den Kopf, wodurch die Zeugin eine blutende Platzwunde erlitt. B. hielt mittlerweile im Gastraum Cemal Gö. fest, der sich ebenfalls heftig wehrte und schrie. Gü. versuchte, mit der Armbrust in das Bein von Cemal Gö. zu schießen, was ihm aber nicht gelang. Nachdem Cemal Gö. dem Gü. die Armbrust aus der Hand geschlagen hatte, zog dieser das von ihm mitgeführte Messer, lief auf Cemal Gö. zu und stach mehrmals auf dessen Oberkörper, zunächst im Brust- und Bauch-, sodann im Rückenbereich ein. Mit diesem Vorgehen wollte er eine weitere Gegenwehr oder ein Fliehen von Cemal Gö. verhindern und ihn töten. Nicht festgestellt werden konnte, daß Gü. davon ausging, mittels der Tötung Gö.s noch an das Geld heranzukommen (vgl. UA S. 57 f.). Unmittelbar nach diesem Geschehen flohen die Täter, zumal eine in dem Haus wohnende Nachbarin auf den Lärm aufmerksam geworden war und sich bemerkbar gemacht hatte. Sie sahen keine Möglichkeit mehr, den geplanten Raub zu vollenden, ohne Gefahr zu laufen, festgenommen zu werden. Eine im Lokal befindliche Geldbörse mit etwa DM 79.000,-- blieb zurück. Cemal Gö. schleppte sich auf den Bürgersteig, wo er kurz darauf an den Folgen der Stichverletzungen verstarb. Der tatsächliche Waffeneinsatz entsprach nicht den Wunschvorstellungen von Ar. und I., sie billigten ihn jedoch (vgl. UA S. 54). A. war der Ausgang des Unternehmens keineswegs unwillkommen, hatte er doch auf diese Weise eine Befriedigung seiner Haß- und Rachegefühle erreicht.
Diese Feststellungen rechtfertigen die Verurteilungen.
2. Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, daß der im Bereich des objektiven Tatbestandes des § 251 StGB auch für die Mittäterschaft der Angeklagten Ar. und I. sowie die Anstiftung des Angeklagten A. notwendige besondere Kausalzusammenhang zwischen dem Grunddelikt des versuchten Raubes und dem qualifizierenden Tötungserfolg besteht. Er wird nicht dadurch aufgehoben, daß es dem Mitangeklagten Gü. bei Ausführung der Messerstiche möglicherweise nicht mehr darauf ankam, die Beute zu erlangen, er vielmehr nur noch beabsichtigte, die Gegenwehr des Opfers zu unterbinden und dessen Flucht zu verhindern.
Es entspricht allgemeiner Ansicht, daß der Versuch eines Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 22, 23 StGB in der Form möglich ist, daß durch eine Tathandlung des Raubes der Tod des Opfers verursacht wird, ohne daß die Wegnahme gelingt (vgl. nur RGSt 62, 422; BGHSt 42, 158; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 251 Rdn. 4; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 251 Rdn. 7). Allerdings ist davon auszugehen, daß bei § 251 StGB als erfolgsqualifiziertem Delikt zur Rechtfertigung der gegenüber einer Idealkonkurrenz von Grunddelikt und Fahrlässigkeitstatbestand wesentlich erhöhten Strafdrohung ein besonderer Unrechtsgehalt erforderlich ist, der darin liegt, daß die Todesfolge auf der dem Grunddelikt anhaftenden speziellen Gefahr beruhen muß (vgl. Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 18 Rdn. 4). Daher reicht der bloße Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie zwischen Grundtatbestand und Todeserfolg nicht aus (vgl. BGHSt 38, 295, 298), notwendig ist vielmehr ein qualifikationsspezifischer Gefahrzusammenhang (vgl. Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 3). Die gebotenen Einschränkungsmerkmale lassen sich dabei nicht generell für alle Qualifikationstatbestände mit Todesfolge formulieren, vielmehr müssen sie für jeden in Betracht kommenden Straftatbestand nach dessen Sinn und Zweck in differenzierender Wertung ermittelt werden (vgl. BGHSt 33, 322, 323; 38, 295, 298).
Bei einer auf die ratio des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ergibt sich, daß der notwendige besondere Kausalzusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch eine Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Ein versuchter Raub mit Todesfolge liegt vielmehr auch dann vor, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, daß sich in der Todesfolge die dem konkreten Raubversuch eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht.
Der Senat hat in diesem Zusammenhang für den Tatbestand des vollendeten Raubes mit Todesfolge bereits entschieden, daß dieser auch dann gegeben sein kann, wenn der Räuber die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht und Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert (vgl. BGHSt 38, 295, 297 ff.; zust. Tröndle, StGB 48. Aufl. § 251 Rdn. 2; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 251 Rdn. 4; Samson in SK-StGB § 251 Rdn. 6; a.A. Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 6 m. w. Nachw.). Entsprechendes gilt für den versuchten Raub mit Todesfolge. Wie im Falle der Vollendung ist eine § 251 StGB einschränkende Auslegung in dem Sinne, daß die zur Wegnahme eingesetzte Gewalt den Tod des Opfers verursacht haben muß, unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Schutzzwecks der Norm nicht geboten (vgl. BGHSt 38, 295, 299). Die insoweit durch Art 19 Nr. 128 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469) neu gefaßte Vorschrift verlangt nur noch, daß der Tod des Opfers "durch den Raub" verursacht wird. Sie gebietet somit keine Einschränkungen auf nur der Wegnahme dienende Nötigungshandlungen.
Hier wurde der Raubversuch mit Messern, Gaspistolen und einer Armbrust durchgeführt. Da geplant war, die Waffen einzusetzen, bestand eine tatspezifische Gefährlichkeit nicht nur bei der Wegnahmehandlung als solcher. Die von Gü. zur Ermöglichung der Wegnahme eingesetzte Gewalt ging unmittelbar in Handlungen über, welche die Ausschaltung des Widerstands des Opfers oder die Verhinderung seiner Flucht bezweckten, während die anderen Beteiligten den Raubversuch noch nicht abgebrochen hatten. Ein solcher Geschehensablauf lag im Hinblick auf den Tatplan derart nahe und war mit dem eigentlichen Raubgeschehen so eng verknüpft, daß der Unrechtsgehalt der Tat nicht in adäquater Weise erfaßt würde, wollte man den besonderen Kausalzusammenhang zwischen Grundtatbestand und schwerer Folge verneinen.
3. Die Tötung von Cemal Gö. stellt auch keine Exzeßhandlung des Mitangeklagte Gü. dar, die den Beschwerdeführern Ar. und I. als Mittätern und A. als Anstifter nicht mehr zugerechnet werden könnte.
Hat einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die übrigen nach § 251 StGB strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen oder die Drohungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist (vgl. Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 17; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 251 Rdn. 5). Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter oder Anstifter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hatte. Die dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen dürfen also nicht von wesentlich anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Mittäter oder Anstifter wollte und es sich vorstellte (vgl. für den Fall der Mittäterschaft BGH LM Nr. 2 zu § 250 StGB; BGH NJW 1973, 377; BGHR StGB § 251 Todesfolge 2; für den Fall der Anstiftung BGH NJW 1987, 77). Jedoch begründet nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan bzw. den Vorstellungen des Anstifters oder Mittäters die Annahme eines Exzesses. Differenzen, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muß, und solche, bei denen die verabredete Tatausführung durch eine in ihrer Schwere und Gefährlichkeit gleichwertige ersetzt wird, werden in der Regel vom Willen des Beteiligten umfaßt, auch wenn er sie sich nicht so vorgestellt hat. Ebenso ist der Beteiligte für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist und deswegen auf deren Billigung geschlossen werden kann (vgl. BGH NJW 1973, 377; BGHR StGB § 251 Todesfolge 2).
Allerdings enthalten die Urteilsgründe Ausführungen, die unter Beachtung dieser Grundsätze für die Annahme eines Exzesses des Mitangeklagten Gü. sprechen könnten. So ist davon die Rede, die heftige Gegenwehr des Opfers Cemal Gö. sei von den Vorstellungen der Angeklagten erheblich abgewichen, es sei dann zu einer Spontanhandlung des Angeklagten Gü. gekommen (vgl. UA S. 5-7). Der Sinngehalt dieser Ausführungen läßt sich jedoch nur in einer Zusammenschau mit den weiteren die Vorstellung der Angeklagten von der Tatausführung betreffenden Feststellungen bewerten. Aus diesen ergibt sich, daß alle Beteiligten mit dem Einsatz der mitgeführten Waffen sowie mit Gewalthandlungen, die zum Tode eines der Opfer führen konnten, rechneten und sie auch billigten. Die Beschwerdeführer mögen zwar zunächst nicht gewünscht haben, daß die erforderliche Gewalt über einen Messerstich in das Bein von Cemal Gö. hinausging. Ein fest vereinbarter Tatplan in dem Sinne, daß hierin gleichzeitig die äußerste vereinbarte Gewalthandlung lag, ist dem Zusammenhang der Urteilsgründe aber nicht zu entnehmen. Alle Täter kalkulierten nach den getroffenen Feststellungen vielmehr durchaus die ohnehin naheliegende Möglichkeit ein, daß sie bei entsprechender Gegenwehr massiver als zunächst erhofft gegen die Eheleute Gö. vorgehen mußten. Mit der geplanten Tatausführung schufen sie eine Situation, die voraussehbar ohne weiteres eskalieren konnte. Genau diese Gefahr hat sich dann realisiert. Auch soweit die Tötungshandlung nicht mehr final auf die Wegnahme der Beute gerichtet war, liegt im Hinblick auf die örtlich und räumlich enge Verknüpfung mit den zuvor eingesetzten Nötigungsmitteln, die der Ermöglichung der Wegnahme dienen sollten, keine von dem vorgestellten Geschehen so erhebliche Abweichung vor, daß deren Zurechnung nicht mehr gerechtfertigt wäre.
4. Daß die Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihnen gebilligten Tathandlungen bezüglich der Todesfolge leichtfertig handeln, bedarf bei der Art des Messereinsatzes keiner näheren Darlegung. Für ihre Haftung als Mittäter oder Anstifter ist es unerheblich, daß der Mitangeklagte Gü. den Tod von Cemal Gö. vorsätzlich herbeiführte (vgl. nur BGHSt 19, 339, 341; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 18 Rdn. 7; Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 17 jeweils m. w. Nachw.).
Fundstellen
Haufe-Index 2993546 |
NJW 1998, 3361 |
NStZ 1998, 511 |
LL 1999, 32 |