Leitsatz (amtlich)

Sammeltransporte von Bäcker- und Konditorwaren in der Zeit zwischen 22.00 und 5.45 Uhr zu einer in den Vertriebsweg eingeschalteten Umschlagstelle sind kein durch § 5 Abs. 5 BAZG verbotenes Ausfahren von Waren zur Nachtzeit, wenn der Warenvertrieb so organisiert ist, daß ein Ausfahren an Verbraucher und Verkaufsstellen erst von der Umschlagstelle aus beginnen kann und tatsächlich erst nach 5.45 Uhr beginnt.

 

Normenkette

BAZG § 5 Abs. 5

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 29.06.1978)

LG Braunschweig (Teilurteil vom 15.11.1977)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 29. Juni 1978 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 15. November 1977 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Teilurteil abgeändert, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, 10.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juni 1977 an den Kläger zu zahlen; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagten betreiben eine Großbäckerei. Die von ihnen hergestellten Brot- und Backwaren liefern sie zum Teil nach B. Der Kläger, der die gewerblichen Interessen B. Bäckereien vertritt, beanstandet schon seit längerem das Wettbewerbsverhalten der Beklagten. In einem voraufgegangenem Rechtsstreit haben die Parteien folgenden Prozeßvergleich geschlossen:

  1. Die Verfügungsbeklagten verpflichten sich, es zu unterlassen, unter Verstoß gegen das Bäckerei-Arbeitszeitgesetz und die Arbeitszeitordung

    1. an Werktagen in ihren zur Herstellung von Bäcker- und Konditorwaren dienenden Räumen während folgender Nachtzeiten zu arbeiten bzw. arbeiten zu lassen:

      von Montag bis Freitag von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr und von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr, sowie am Samstag von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr, soweit es sich nicht um gesetzlich zulässige Vorarbeiten gemäß § 5 des Bäckerei-Arbeitszeitgesetzes handelt oder im Einzelfall eine behördliche Ausnahmegenehmigung erteilt ist,

    2. in der Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 5.45 Uhr Bäcker- und Konditorwaren an Verbraucher oder Verkaufsstellen auszufahren,
    3. in der Nachtzeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr und bei mehrschichtigem Betrieb in der Zeit von 23.00 bis 6.00 Uhr oder von 22.00 bis 5.00 Uhr Arbeiterinnen zu beschäftigen.
  2. Für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichten sich die Verfügungsbeklagten wie Gesamtschuldner, an den Verfügungskläger eine Vertrags strafe von 10.000,– DM zu zahlen.

Die Beklagten lieferten auch in der Folgezeit Brot- und Backwaren nach B. Dazu benutzten sie einen Sattelschlepper, der die Betriebsstätte in M./H. bei H. zur Nachtzeit verließ und noch vor 5.45 Uhr auf dem Gelände des Fruchthofs B.straße in B. eintraf. Dort wurde die Ware zwecks Auslieferung an Kunden in bereitstehende kleinere Lieferwagen umgeladen. Derartige Nachtfahrten des Sattelschleppers fanden in der Zeit vom 17. Mai 1977 bis 19. Juni 1977 mindestens vierzehnmal statt, zuletzt am 28. Mai, 5., 6., 17. und 19. Juni 1977.

Der Kläger, der in diesen Nachtfahrten einen Verstoß gegen Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs erblickt und deshalb die vereinbarte Vertragsstrafe von 10.000,– DM vierzehnmal für verwirkt hält, hat die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 140.000,– DM verklagt. Hilfsweise hat er für den 5., 6., 17. und 19. Juni 1977 eine Vertragsstrafe von je 10.000,– DM mit der Behauptung beansprucht, die Beklagten hätten an diesen Tagen teils gegen das Nachtbackverbot (Ziff. 1 a des Vergleichs), teils gegen das Verbot der Beschäftigung von Arbeiterinnen zur Nachtzeit (Ziff. 1 c des Vergleichs) verstoßen.

Die Beklagten, die die vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Produktionsverstöße (Ziff. 1 a und 1 c des Vergleichs) bestreiten, stellen einen Verstoß gegen das nächtliche Ausfahrverbot (Ziff. 1 b des Vergleichs) in Abrede. Sie sind der Ansicht, bei den Nachtfahrten ihres Sattelschleppers nach B. habe es sich nicht um ein „Ausfahren” von Bäcker- und Konditorwaren „an Verbraucher oder Verkaufsstellen” im Sinne dieser Vergleichsbestimmung gehandelt. Die nach B. transportierten Waren seien nicht an solche Abnehmer geliefert worden, wie sie im Prozeßvergleich genannt seien, sondern an die M. Landbrot-Vertriebsgesellschaft mbH, eine Tochterfirma, die die Beklagte zu 1 und der Geschäftsführer S. der Beklagten zu 2 durch Gesellschaftsvertrag vom 15. September 1976 gegründet hätten. Diese habe auf dem Gelände des Fruchthofs B.-straße ein Zwischenlager unterhalten, das aus einem angemieteten Büroraum und einer 350 qm großen Freifläche bestanden habe, wo ein Lkw-Kofferanhänger Lagerzwecken gedient habe. Im übrigen hätten die Beklagten gegen die vereinbarten Unterlassungspflichten nicht schuldhaft verstoßen. Aufgrund einer Auskunft des zuständigen Beamten des Gewerbeaufsichtsamts B hätten sie davon ausgehen dürfen, daß gegen die nächtlichen Fahrten des Sattelschleppers nichts einzuwenden sei. Keinesfalls hätten sie die Vertragsstrafe mehr als einmal verwirkt, weil hinsichtlich der Nachtfahrten Fortsetzungszusammenhang anzunehmen sei. Hilfsweise haben sie Herabsetzung der Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß beantragt.

Das Landgericht hat die Beklagten wegen zwölf Nachtfahrten – es handelt sich um die vom 17. bis 28. Mai, 6. und 19. Juni 1977 – durch Teilurteil unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 30.000,– DM nebst 4 % Zinsen auf 10.000,– DM seit dem 20. Juni 1977 und auf 20.000,– DM seit dem 21. Juli 1977 verurteilt, wobei es die zehn Einzelfahrten im Mai zu einer Fortsetzungstat zusammengefaßt hat. Über die Klage auf Zahlung von Vertragsstrafe für Verstöße am 5. und 17. Juni 1977 hat es noch nicht entschieden.

Gegen das Teilurteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat es das Teilurteil abgeändert und die Beklagten verurteilt, über den zuerkannten Betrag von 30.000,– DM nebst Zinsen hinaus weitere 90.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Juli 1977 zu zahlen. Dem liegt zugrunde, daß es – insoweit abweichend vom Landgericht – einen Fortsetzungszusammenhang zwischen den 10 Einzelfahrten des Monats Mai 1977 verneint hat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihre Berufungsanträge weiterverfolgen, unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Teilurteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit das Landgericht über sie entschieden hat. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht führt aus: Die Beklagten hätten mit den Nachtfahrten ihres Sattelschleppers gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs verstoßen, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.45 Uhr keine Bäcker- und Konditorwaren an Verbraucher und Verkaufsstellen auszufahren. Die Fahrt von der Betriebsstätte in M./H. bei H. zum Fruchthof B.straße in B. sei lediglich Teil eines insgesamt einheitlichen Ausfahrens von Brot- und Backwaren an die in Ziff. 1 b des Vergleichs genannten Kunden. Nach dieser Vergleichsbestimmung hätte es sich um ein unerlaubtes Ausfahren an Verbraucher und Verkaufsstellen nur dann nicht gehandelt, wenn die Beklagten ihre Waren an einen selbständigen Groß- oder Zwischenhändler oder an ein werkseigenes Zwischenlager geliefert hätten. So liege es hier aber nicht. Die M. L.-V.gesellschaft mbH könne für den in Betracht zu ziehenden Zeitraum (Mai/Juni 1977) nicht als rechtlich selbständiger Groß- oder Zwi- schenhändler angesehen werden, sondern lediglich als eine eigene Einrichtung der Beklagten. Zwar sei die Gesellschaft bereits am 15. September 1976 gegründet worden. Die Eintragung in das Handelsregister sei aber erst am 5. Oktober 1977 erfolgt, so daß eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bis dahin nicht bestanden habe. Auch wenn die Gesellschaft nach Beschaffung der dafür benötigten personellen und sachlichen Mittel schon vor den vom Kläger beanstandeten Nachtfahrten werbend tätig gewesen sei, ändere das nichts daran, daß lediglich eine Vorgesellschaft bestanden habe, d.h. ein bis zur Eintragung der Gesellschaft und der damit verbundenen Erlangung der Rechtsfähigkeit bestehender gesamthänderischer Personenverband der Gründer. Die Beklagten hätten also im Rahmen eines insgesamt einheitlichen Ausfahrens von Brot- und Backwaren an Verbraucher und Verkaufsstellen lediglich an sich selbst geliefert, was mit den im Vergleich eingegangenen Unterlassungspflichten nicht in Einklang stehe. Darüber seien sich die Beklagten auch nicht im unklaren gewesen, wie die schriftsätzlichen Ausführungen erkennen ließen, die die Beklagten noch nach Vergleichsabschluß zu den Akten des Rechtsstreits 9 c O 30/77 eingereicht hätten. Im übrigen wäre es treuwidrig gewesen, wenn die Beklagten bei Abschluß des Vergleichs das nächtliche Ausliefern an die rechtlich unselbständige M. L.-V.gesellschaft als durch den Prozeßvergleich gestattet hätten ansehen wollen, ohne dies dem Kläger mitzuteilen. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben hätte es geboten, die für die Annahme oder Ablehnung des Vergleichs wesentlichen Vorstellungen nicht zu verschweigen.

Darüber hinaus, so meint das Berufungsgericht, könnten die Einrichtungen der M. L.-V.gesellschaft in B. nicht als werkseigenes Zwischenlager der Beklagten angesehen werden. Die an ein solches Lager zu stellenden Anforderungen seien nier nicht erfüllt. Als Lagerraum habe der Gesellschaft nur ein Lkw-Kofferanhänger zur Verfügung gestanden, der aber für das Lagern von Ware insbesondere unter hygienischen Gesichtspunkten nicht habe benutzt werden können, weil er nicht klimatisiert, schlecht belüftbar und gegen Ungezieferbefall nicht hinreichend zu sichern gewesen sei. Im übrigen hätten die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag die täglich angelieferte Frischware ohne Benutzung des Kofferanhängers unmittelbar vom Sattelschlepper in die Lieferwagen umgeladen.

Die danach gegebenen Verstöße gegen das Ausfahrverbot von Brot- und Backwaren zur Nachtzeit hätten die Beklagten schuldhaft begangen, auch wenn unterstellt werde, daß ein Beamter des Gewerbeaufsichtsamts die Nachtfahrten des Sattelschleppers als unbedenklich bezeichnet habe. Denn wie schon das Landgericht zutreffend angenommen habe, hätten sich die Beklagten auf eine solche Auskunft nicht verlassen dürfen. Für die vom Teilurteil des Landgerichts erfaßten zwölf Nachtfahrten schuldeten sie daher die im Vergleich vereinbarte Vertragsstrafe. Diese sei für jede Einzelfahrt verwirkt. Die Zusammenfassung der Einzelverstöße oder einiger von ihnen zu einer natürlichen Handlungseinheit oder zu einer durch Fortsetzungszusammenhang verbundenen Fortsetzungstat komme im Streitfall nicht in Betracht. Eine natürliche Handlungseinheit sei zu verneinen, weil insbesondere der zeitliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Nachtfahrten des Sattelschleppers nicht so eng sei, daß diese bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches Geschehen angesehen werden könnten. Aber auch eine durch Fortsetzungszusammenhang verbundene einheitliche Fortsetzungstat scheide aus. Zutreffendsei zwar das Landgericht davon ausgegangen, daß im Rahmen der zivilrechtlichen Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO auch fahrlässige Handlungen zu einer Fortsetzungstat zusammengezogen werden könnten. Mit Rücksicht auf die Unterschiede zwischen dem Ordnungsgeld nach § 890 ZPO und der Vertragsstrafe könne aber dieser Rechtsgedanke nicht ohne weiteres auch auf die Vertragsstrafe angewendet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 33, 163, 167, 168) komme es darauf an, ob die Parteien die Anwendung des Rechtsgedankens des Fortsetzungszusammenhangs auf die Vertragsstrafentatbestände vereinbart hätten. Das sei im Streitfall zu verneinen. Die Beklagten hätten daher mit den vom Teilurteil des Landgerichts erfaßten Nachtfahrten zwölfmal gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs verstoßen, in der Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 5.45 Uhr keine Bäcker- und Konditorwaren an Verbraucher oder Verkaufsstellen auszufahren.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Kläger die Klage hilfsweise auf von ihm behauptete Produktionsverstöße (gegen Ziff. 1 a und 1 c des Prozeßvergleichs) am 6. und 19. Juni 1977 stützt. Soweit er Vertragsstrafe wegen der Nachtfahrten des Sattelschleppers verlangt, war die Klage unter Zurückweisung der Berufung des Klägers abzuweisen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können diese Fahrten nicht als unselbständiger Teil eines einheitlichen Ausfahrvorgangs beurteilt werden, den zu unterlassen sich die Beklagten in Ziff. 1 b des Vergleichs verpflichtet haben.

1. Die Frage, wie der gerichtliche Vergleich vom 10. Mai 1977 auszulegen ist, unterliegt im Streitfall der vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln, was die Parteien eines Vertrages tatsächlich gewollt und erklärt haben, und nach §§ 549, 550 ZPO kann das Revisionsgericht diese Feststellungen nur daraufhin nachprüfen, ob sie gegen Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen. Ob diese Grundsätze auch für den Prozeßvergleich gelten (vgl. BGH LM Nr. 4 zu § 133 (D) BGB m.w.N.), kann hier offen bleiben. Auch kommt es nicht auf die Erwägungen an, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Frage der Revisibilität typischer Verträge maßgebend sind (BGHZ 47, 217, 220; 33, 293, 296; 7, 365, 368). Denn mit der Vereinbarung zum Verbot des Ausfahrens von Ware zur Nachtzeit haben die Parteien keine individuell formulierten Abreden getroffen, sondern sich darauf beschränkt, die in § 5 Abs. 5 Satz 1 BAZG – Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 29. Juni 1936 (RGBl I S. 521) in der Fassung des Artikels 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 23. Juli 1969 (BGBl I S. 937), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Fahrpersonal im Straßenverkehr vom 14. Juli 1976 (BGBl I S. 1801) – getroffene Regelung unter wörtlicher Anlehnung an den Gesetzestext in den Vergleich zu übernehmen. Daß die Parteien damit eine andere als die gesetzliche Regelung gewollt und vereinbart hätten, kann weder den Feststellungen des Berufungsgerichts, noch dem Vergleich selbst entnommen werden. Die Auslegung von Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs ist daher zugleich Gesetzesauslegung. Schon aus diesem Grunde ist das Revisionsgericht in der Auslegung der mit dem Gesetz übereinstimmenden vertraglichen Regelung frei.

2. Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagten nätten mit den Nachtfahrten ihres Sattelschleppers gegen das in den Prozeßvergleich übernommene gesetzliche Verbot des Ausfahrens von Bäckerund Konditorwaren zur Nachtzeit verstoßen (§ 5 Abs. 5 BAZG). Sie meint, das Berufungsgericht habe dabei den Gesetzeszweck nicht hinreichend berücksichtigt. Das Ausfahrverbot sichere das Nachtbackverbot (§ 5 Abs. 1 BAZG), das seinerseits den Schutz der Gesundheit der im Backgewerbe Beschäftigten im Auge habe. Es gewähre aber keinen Schutz vor Konkurrenz und dürfe daher nicht dazu dienen, stärker als zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks erforderlich in die Freiheit der Berufsausübung eines Wettbewerbers einzugreifen. Gehe man davon aus, habe die Beklagte – unabhängig von der Einschaltung der M. L.-V.gesellschaft mbH – mit den nächtlichen Sattelschlepperfahrten nicht gegen das Nachtausfahrverbot des § 5 Abs. 5 BAZG und die dieser Vorschrift entsprechende Regelung in Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs verstoßen. Die nach B. transportierte Ware sei zur Nachtzeit weder hergestellt noch ausgefahren worden. Die Lieferfahrzeuge der Beklagten hätten den Fruchthof B.straße mit den am Tage zuvor hergestellten Waren immer erst nach 5.45 Uhr verlassen. Kein B. Bäcker sei daher durch die Sattelschlepperfahrten dazu angereizt worden, das Nachtbackverbot oder das nächtliche Ausfahrverbot zu übertreten. Wollte man gleichwohl die Sattelschleppertransporte als Teil eines insgesamt einheitlichen Ausfahrvorgangs ansehen, wäre es den Beklagten verwehrt, ihre Erzeugnisse rechtzeitig in B. auszuliefern. Denn bei dieser Interpretation dürfe der Sattelschlepper die Betriebsstätte in M./H. bei H. nicht vor 5.45 Uhr verlassen. Eine solche Auslegung liefe aber auf einen reinen Konkurrenzschutz B. Backwarenhersteller vor auswärtigen Mitbewerbern hinaus, der zur Sicherung des Nachbackverbots nicht erforderlich sei. Mit diesen Auführungen hat die Revision Erfolg.

Die beanstandeten Sattelschlepperfahrten der Beklagten stehen zu Sinn und Zweck des Gesetzes nicht in Widerspruch. § 5 Abs. 5 BAZG, der es untersagt, Bäcker- und Konditorwaren zur Nachtzeit auszufahren, ist darauf gerichtet, die Einhaltung des in § 5 Abs. 1 BAZG aus sozialpolitischen Gründen angeordneten Nachtbackverbots zu sichern (BVerfGE 41, 360, 371 = NJW 1976, 2119, 2120 = GewArch. 1976, 190, 192; Zmarzlik in: Das Deutsche Bundesrecht, Erläuterungen zum Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien, V B 57 S. 7; Potrykus in: Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Anm. 8 zu § 5 BAZG; Rohmer, Arbeitszeitordnung und Jugendschutzgesetz, 5. Aufl., Anm. 2 zu § 5 BAZG). Sinn der Regelung ist es, den Anreiz zu Verstößen gegen das Nachtbackverbot, das die im Backgewerbe Beschäftigten vor den Gefahren ständiger gesundheitsschädigender Nachtarbeit schützen soll, zu nehmen und im Zusammenhang damit den Wettlauf um eine möglichst frühzeitge Belieferung der Kunden in Grenzen zu halten. Damit stellt diese Vorschrift – neben ihrer sozialpolitischen Zweckbestimmung – auch darauf ab, alle am Vertrieb von Bäcker -und Konditorwaren Beteiligten insoweit der gleichen wettbewerblichen Ausgangslage zu unterwerfen; keiner der Wettbewerber soll sich beim Ausfahren der Ware an Verbraucher oder Verkaufsstellen einen ungerechtfertigten zeitlichen Vorsprung verschaffen können, da andernfalls auch die Durchsetzung des im sozialpolitischen Interesse für erforderlich angesehene Nachtbackverbots gefährdet wäre.

Das Berufungsgericht ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß eine Regelung, wie sie in § 5 Abs. 5 BAZG getroffen ist, dem Hersteller von Brot- und Backwaren nicht untersagt, Ware zur Nachtzeit an einen selbständigen Groß- oder Zwischenhändler oder an ein werkseigenes Zwischenlager auszufahren (so auch Zmarzlik zu § 5 BAZG in: Das Deutsche Bundesrecht, aaO, S. 12; derselbe in: Bäcker-Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl., § 5 Rdn. 28 a; derselbe in: Anmerkung zu OLG Braunschweig, ArbSch. 1963, 86; Erlaß des Schleswig-Holsteinischen Ministers für Arbeit, Soziales und Vertriebene vom 10. September 1969, Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1969, S. 572; Erlaß des Niedersächsischen Sozialministers vom 31. Mai 1977, GA I 17). Denn mit einem Antransport von Ware an diese Empfänger ist eine Auslieferung an Verbraucher oder Verkaufsstellen noch nicht verbunden. Derartige Transportvorgänge führen nicht zu einem Wettlauf der beteiligten Wettbewerber um eine möglichst frühzeitige Belieferung der Kunden und reizen deshalb auch nicht zu Verstößen gegen das Nachtbackverbot an. Sie stehen mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in Einklang.

Soweit jedoch das Berufungsgericht Warenlieferungen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.45 Uhr nur an Groß- oder Zwischenhändler oder an ein werkseigenes Zwischenlager für erlaubt hält und deshalb meint, daß die Nachtfahrten des Sattelschleppers zum Fruchthof B.straße unter das in Ziff. 1 b des Prozeßvergleichs übernommene gesetzliche Ausfahrverbot fallen, ist das Urteil nicht frei von Rechtsirrtum. Das Berufungsgericht verkennt, daß § 5 Abs. 5 BAZG lediglich die Auslieferung von Ware an Verbraucher und Verkaufsstellen zu bestimmten Zeiten verbietet, daß er aber im übrigen jede andere Art des Warentransports zur Nachtzeit – also nicht nur die Auslieferung an Groß- und Zwischenhändler oder an ein werkseigenes Zwischenlager – unberührt läßt und damit erlaubt.

Zu diesen durch § 5 Abs. 5 BAZG nicht untersagten Warentransporten zählen auch die beanstandeten Sattelschlepperfahrten. Zwar haben auch sie im wirtschaftlichen Endergebnis der Versorgung der Verbraucher und Verkaufsstellen mit Brot- und Backwaren gedient. Gleichwohl verstoßen sie – nicht anders als eine Anlieferung an Groß- oder Zwischenhändler oder an ein werkseigenes Zwischenlager – nicht gegen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Soweit sich diese auf Einhaltung und Sicherung des Nachtbackverbots richtet, ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen, daß die mit dem Sattelschlepper transportierte Ware unter Übertretung dieses Verbots hergestellt worden sei. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts ist im Gegenteil davon auszugehen, daß der Sattelschlepper jeweils schon von 22.00 Uhr an beladen worden ist, also mit Ware, die die Beklagten schon vorher, d.h. ohne Verstoß gegen das Nachtbackverbot, hergestellt hatten. Aber auch soweit durch § 5 Abs. 5 BAZG den Mitbewerbern der Anreiz zu Verstößen gegen das Nachtbackverbot genommen und im Zusammenhang damit eine Veränderung der Wettbewerbssituation zuungunsten der Mitbewerber verhindert werden soll, ist nicht ersichtlich, daß die Beklagten dagegen verstoßen hätten. Wie die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, ist die Ware im Sammeltransport nach B. befördert und dort nicht unmittelbar an Verbraucher oder Verkaufsstellen ausgeliefert worden, sondern erst, nachdem sie sortiert und in die auf dem Fruchthof B.straße bereitgestellten kleineren Lieferwagen umgeladen worden war. Daraus ergibt sich, daß die beanstandeten Sattelschleppertransporte nicht schon der Belieferung von Verbrauchern oder Verkaufsstellen gedient haben, sondern auf dem Fruchthof B.straße enden sollten, wo erst die Sammelladung sortiert und zwecks Auslieferung an die Kunden auf die dafür verwendeten Lieferwagen verteilt wurde. Daß diese Lieferwagen den Fruchthof B.straße schon vor 5.45 Uhr verlassen hätten, ist weder von den Vorinstanzen festgestellt worden, noch hat der Kläger darauf seinen Vertragsstrafenanspruch gestützt. Darüber hinaus war der eingesetzte Sattelschlepper nach den Feststellungen, die das Berufungsgericht zum zeitlichen Ablauf und zu Art und Umfang des Warenvertriebs der Beklagten in B. getroffen hat, nicht einmal geeignet, Verbraucher und Verkaufsstellen rechtzeitig, d.h. alsbald nach 5.45 Uhr, mit Ware zu versorgen. Abgesehen von der vorauszusetzenden Größe des Sattelschleppers und den bei einer Warenauslieferung an Einzelkunden oder Verkaufsstellen damit verbundenen Schwierigkeiten technischer Art, konnte die Mehrzahl der zu beliefernden Kunden mit einem einzelnen Fahrzeug dieser Art nicht so rechtzeitig erreicht werden, wie es allein mit den bereitgestellten Lieferwagen möglich war.

Bei dieser Art des Vertriebs, der somit nicht auf einem einheitlichen Liefervorgang, sondern auf einem Sammeltransport und einem davon verschiedenen Ausliefervorgang aufbaut, kann der Umschlag der Ware auf dem Fruchthof B.straße nicht als ein der Umgehung des Ausfahrverbots dienender Scheintatbestand angesehen werden, wie er bei einem bloßen Umladen von Fahrzeug zu Fahrzeug ohne stichhaltigen Grund gegeben sein konnte. Dient eine Umschlagstelle, wie sie die Beklagten hier benutzt haben, dem Vertrieb von Bäcker- und Konditorwaren in der Weise, daß ein Ausfahren an Verbraucher und Verkaufsstellen erst von ihr aus beginnen kann und tatsächerst nach 5.45 Uhr beginnt, ist ihre Benutzung rechtlich nicht anders als diejenige Tätigkeit zu beurteilen, mit der auch der B. Bäcker seine Ware zur rechtzeitigen Ausfahrt ab 5.45 Uhr bereit hält. Auf die Rechtsform der Umschlagstelle kommt es dabei nicht an. Ob es sich bei ihr um ein rechtlich selbständiges Unternehmen handelt, oder ob sie dem Hersteller der Waren, die über sie umgeschlagen werden, rechtlich zuzuordnen ist, ist unerheblich. Für die Frage, wie Antransporte zur Umschlagsteile nach § 5 Abs. 5 BAZG zu beurteilen sind, ist nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur von Bedeutung, ob nach der tatsächlichen Ausgestaltung des Warenvertriebs Ausfahrten an Verbraucher und Verkaufsstellen erst von ihr aus möglich sind.

Aus den gleichen Gründen ist es im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht von Bedeutung, ob die von den Beklagten benutzte Umschlagstelle über einen zur Lagerung von Brot- und Backwaren geeigneten Lagerraum verfügt. Ist er Vertrieb – wie hier – so gestaltet, daß er weder zu Verstößen gegen das Nachtbackverbot anreizt, noch die Wettbewerbslage zuungunsten der Mitbewerber verändert, kommt es auf das Vorhandensein von Lagerraum nicht an. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es trifft zwar zu, daß dem Vorhandensein von Lagerraum Bedeutung für die Frage zukommen kann, von wo aus ein Ausfahren von Ware an Verbraucher und Verkaufsstellen beginnt. Daß es aber angesichts der aufgezeigten Gesetzeszwecke für die Unterscheidung zwischen einem erlaubten nächtlichen Antransport und dem verbotenen Ausfahren von Ware an Verbraucher und Verkaufsstellen auf das Vorhandensein von Lagerraum entscheidend ankommt, ist bei einem Vertrieb, wie ihn die Beklagten hier gestaltet haben, nicht ersichtlich.

Bei den vom Kläger beanstandeten Sattelschlepperfahrten handelte es sich also, wie die Revision mit Recht ausführt, nicht schon um ein verbotenes Ausliefern von Bäcker- und Konditorwaren zur Nachtzeit, sondern lediglich um Sammeltransporte zu einer Umschlagstelle, um von dort aus mit besonderen Fahrzeugen Ware an Verbraucher und Verkaufsstellen auszufahren. So wie z.B. nächtliche Eisenbahntransporte von Waren, die der Umschlagstelle auf dem Fruchthof durch einen bahnamtlichen Rollfuhrunternehmer angeliefert worden wären, schwerlich schon als „Ausfahren an Verbraucher oder Verkaufsstellen” im Sinne des § 5 Abs. 5 BAZG hätten angesehen werden können, können auch die Sattelschleppertransporte der Beklagten nicht als ein solches Ausfahren gelten. Rechtlich können diese nicht anders als jene beurteilt werden.

3. Erweist sich somit schon aus diesen Gründen das Vertragsstrafenbegehren des Klägers hinsichtlich der beanstandeten Nachtfahrten des Sattelschleppers als unbegründet, kommt es auf die von der Revision ebenfalls angegriffenen Ausführungen und Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verschuldensfrage nicht mehr an. Auch erübrigt sich ein Eingehen auf die Erörterungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen vertragsstrafenbewehrte Unterlassungspflichten durch Fortsetzungszuammenhang zu einer (Fortsetzungs–)Tat verbunden werden können. Zu diesen Fragen wird das Berufungsgericht bei der nunmehr erforderlichen Prüfung der vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Produktionsverstöße – auf die es vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus nicht angekommen war – gegebenenfalls erneut Stellung zu nehmen haben.

4. Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil danach aufzuheben und die Sache unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und Abweisung der Klage im übrigen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit es im Berufungsrechtszug noch auf die zur Rechtfertigung des Vertragsstrafenbegehrens hilfsweise aufgestellten Behauptungen des Klägers über Produktionsverstöße der Beklagten am 6. und 19. Juni 1977 ankommt.

 

Unterschriften

v. Gamm, Alff, Merkel, Piper, Erdmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237556

Nachschlagewerk BGH

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