Leitsatz (amtlich)
a) Mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschluß v. 25.2.1976, BVerfGE 41, 360 ff) ist auch derzeit die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 1 und 5 BAZG zu bejahen. Ein grundlegender Wandel der wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ist seither nicht eingetreten.
b) Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und 5 BAZG ist nur dann sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG, wenn sich der Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft.
Normenkette
BAZG § 5 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 11.12.1986) |
LG Oldenburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. Dezember 1986 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte unterhält in G., Landkreis C., einen gewerblichen Betrieb, in dem sie Bäcker- und Konditorwaren herstellt und von dort aus vertreibt. In den Nächten vom Dienstag, dem 7. zum 8. und vom Mittwoch, dem 8. zum 9. Mai 1985 ließ sie in der Zeit von 0.00 bis 4.00 Uhr und von 22.00 bis 24.00 Uhr Back- und Konditorwaren herstellen und auch vor 5.45 Uhr jeweils mit ihren Fahrzeugen zu Abnehmern ausfahren. Ihr war bekannt, daß diese vorzeitige Herstellung der Backwaren nach § 5 Abs. 1 und das vorzeitige Ausfahren nach § 5 Abs. 5 BAZG (Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 29. Juni 1936; RGBl. I S. 521 in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 23. Juli 1969; BGBl. I S. 937) verboten waren. Sie besaß für diese Tätigkeiten keine Ausnahmegenehmigungen der Verwaltungsbehörde.
Der Kläger, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs gehört, hat geltend gemacht, durch die Nichtbeachtung der Vorschriften des BAZG habe die Beklagte auch gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen. Er hat – soweit es für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist – die Beklagte auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat demgegenüber einen Wettbewerbsverstoß in Abrede gestellt. Die Vorschriften des BAZG seien für die Beurteilung nicht mehr heranzuziehen, weil sie verfassungswidrig seien. Die Beklagte hat insofern die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG angeregt und dazu vorgetragen: Gegenüber den Verhältnissen, wie sie der – die Verfassungswidrigkeit der fraglichen Vorschriften des BAZG verneinenden – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1976 (BVerfGE 41, 360) zugrundegelegen hätten, seien wesentliche Veränderungen eingetreten. Der Wettbewerb auf dem Markt für Bäckereiwaren sei intensiver geworden. Durch die technische Entwicklung entfielen die von dem Bundesverfassungsgericht in seiner früheren Entscheidung zugrundegelegten Rechtfertigungsgründe des Gesundheitsschutzes und des Mittelstandsschutzes für die Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit. Industrielle Backwarenhersteller, die bei einer Aufhebung des Nachtbackverbots ihre Arbeitnehmer in geregelten und daher weniger gesundheitsgefährdenden Wechselschichten beschäftigen könnten, hätten bei Fortbestehen des Verbots praktisch keine Möglichkeit des Berufszugangs; die bestehenden Betriebe seien durch das Nachtbackverbot in ihrer Existenz akut gefährdet. Die handwerksmäßig betriebenen Bäckereien könnten dagegen unter Ausnutzung neuer Technologien und wegen der regelmäßig kürzeren Wege zwischen den Herstellern und den Abnehmern durch das Nachtbackverbot in ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden. Das Verbot werde im übrigen auch praktisch nicht mehr beachtet, da die Verwaltungsbehörden in weitem Umfange Ausnahmegenehmigungen erteilten.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
- zu veranlassen oder zu dulden, daß von Montag bis Freitag von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr und von 22.00 bis 24.00 Uhr und/oder am Sonnabend von 22.00 bis 24.00 Uhr in den zur Herstellung von Bäcker- und Konditorwaren dienenden Räumen gearbeitet wird, es sei denn, es liegen gesetzliche Ausnahmetatbestände nach dem Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vor,
- in der Nachtzeit von 22.00 bis 5.45 Uhr Bäcker- oder Konditorwaren an Verbraucher oder Verkaufsstellen abzugeben oder auszufahren.
Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe gegen die Vorschriften des BAZG verstoßen, die mit dem Grundgesetz vereinbar und weiterhin gültig seien. Die tatsächlichen Verhältnisse, die das Bundesverfassungsgericht veranlaßt hätten, das Nachtbackverbot als eine mit Art. 12 GG zu vereinbarende Berufsausübungsregelung anzusehen, hätten sich nicht in erheblicher Weise verändert. Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten in den Betrieben fordere weiterhin das Nachtbackverbot. Es sei nicht mit Sicherheit zu erwarten, daß die industriellen Großbäckereien bei einer Aufhebung des Verbots im Schichtbetrieb arbeiten würden; auch bei möglichen Wechselschichten werde die Gesundheit der Arbeitnehmer belastet; ferner sei nicht erkennbar, daß die handwerksmäßig betriebenen Bäckereien sich der modernen Einrichtungen, die ein Backen in Zeiten, in denen es verboten sei, überflüssig machen könnten, wegen den damit verbundenen hohen Investitionskosten auch bedienen würden. Der Schutz der kleinen Bäckereien vor dem Wettbewerb der Industriebäckereien sei weiterhin erforderlich, weil sich die Wettbewerbslage zwischen den beiden Gruppen nicht verändert habe. Es seien keine Entwicklungen erkennbar, die die Großbetriebe unverhältnismäßig oder willkürlich mehr belasteten als die kleinen Betriebe. Veränderte Konsumgewohnheiten und Veränderungen im Kreis der Abnehmer sowie das Auftreten neuer Produkte auf dem Markt träfen die industriell und die handwerksmäßig betriebenen Bäckereien in gleicher Weise.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (Urteil veröffentlicht in WRP 1987, 198).
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger begehrt, beantragt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage und regt an, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 1 und Abs. 5 BAZG einzuholen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten bestätigt und dabei ausgeführt, die Vorschriften des § 5 Abs. 1 und Abs. 5 BAZG, gegen die die Beklagte unstreitig verstoßen habe, seien nicht verfassungswidrig. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen es zuletzt durch Beschluß vom 25. Februar 1976 (BVerfGE 41, 360 ff) die Verfassungswidrigkeit des Abs. 1 verneint habe, seien auch für die Verhältnisse, wie sie sich im Herbst 1986 nach den Behauptungen der Beklagten darstellten, weiterhin gültig. Das Landgericht habe das Parteivorbringen über die Veränderung der wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten zutreffend gewertet, so daß auf dessen Ausführungen Bezug genommen werden könne. Das Nachtbackverbot sei ferner nicht deshalb verfassungswidrig, weil sich viele Betriebe nicht mehr daran hielten; eine von den zuständigen Behörden großzügig geübte Praxis, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, könne ein wirksam erlassenes Gesetz nicht nachträglich verfassungswidrig machen. Die Beibehaltung des Nachtbackverbotes enthalte auch keine übermäßige Beschränkung der Freiheit der Berufsausübung. Trotz der Konzentration im Lebensmittelhandel seit 1976, des Auftretens neuer Konkurrenzprodukte in Form vorgebackener Ware und veränderter Frühstücksgewohnheiten der Verbraucher hätten die Großbetriebe keine Marktanteile gegenüber den Handwerksbetrieben verloren; vereinzelt auftretende Schwierigkeiten in den Grenzgebieten zu Staaten, in denen das Nachtbackverbot nicht gelte, seien hinzunehmen.
§ 5 BAZG, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, habe einen den Wettbewerb regelnden Inhalt, so daß der Verstoß der Beklagten zugleich die Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG begründe. Die Beklagte habe sich aber auch planmäßig und bewußt über die Vorschriften hinweggesetzt, um sich in Form eines zu vergrößernden Umsatzes bei geringeren Kosten namentlich bei den Brotausfahrten und der Belieferung von Lebensmittelgeschäften mit frischer Ware vor gesetzestreuen Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
II. Die dagegen eingelegte Revision der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Die Revision stellt den Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 5 BAZG nicht in Frage. Da die Beklagte keine Ausnahmegenehmigung besaß, durfte sie nach diesen Vorschriften in der Zeit von 22.00 bis 24.00 Uhr und von 0.00 bis 4.00 Uhr an Wochentagen, auf die kein Feiertag folgt, in ihren Betriebsräumen niemanden zur Herstellung von Bäcker- oder Konditorwaren arbeiten lassen. Sie durfte diese Waren ferner nicht in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 5.45 Uhr ausfahren lassen.
2. Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 51) und vom 25. Februar 1976 (BVerfGE 41, 360) ist das Nachtbackverbot in § 5 Abs. 1 BAZG mit dem Grundgesetz vereinbar, weil der Gesetzgeber befugt war, im Interesse des Schutzes der Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer und des Schutzes der handwerksmäßig betriebenen Bäckereien gegenüber den industriell betriebenen Unternehmen insoweit die Ausübung des Berufes zu regeln, ohne dabei das Grundrecht der Berufsfreiheit zu verletzen. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten behaupteten Veränderungen der wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten in der Zeit zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1976 und dem Jahre 1986, soweit sie den Schutz der Arbeitnehmer und der Klein- und Mittelbetriebe betreffen, als nicht so erheblich angesehen, daß die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift nunmehr in Frage gestellt sein könnte. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat in den beiden Entscheidungen dem Nachtbackverbot einen Gesundheitsschutz beigemessen, weil die Arbeitnehmer, wenn auch unvollkommen, davor bewahrt würden, daß ihre Gesundheit durch noch längere Arbeitszeiten während der nächtlichen Phase niedrig liegender Leistungsmöglichkeiten stärker belastet würden. Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage rechtlich zutreffend erörtert, ob die von dem Bundesverfassungsgericht angegebenen Gründe insoweit noch fortbestehen und das nach den getroffenen Feststellungen ohne Rechtsverstoß bejaht.
Es ist zu dieser Überzeugung gelangt, weil auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Rechtsstreit nicht sicher sei, ob die Großbäckereien bei einer Aufhebung des Nachtbackverbots überhaupt zu einem geregelten Schichtbetrieb übergehen würden oder nur eine alle Arbeitnehmer belastende Nachtschicht einführen würden. Es ist weiter davon ausgegangen, daß bei Wechselschichten der belastende Effekt der Nachtarbeit erhalten bleibt. Das Berufungsgericht hat bei einer Nichtanwendung des Nachtbackverbotes auch Gefahren für den Gesundheitsschutz der in den handwerksmäßig betriebenen Bäckereien tätigen Arbeitnehmer gesehen, weil nicht feststehe, daß alle oder die Mehrzahl dieser Bäckereien von den modernen Möglichkeiten – mit der Möglichkeit der Vorbereitung am Vortag – im Blick auf die damit verbundenen erheblichen Investitionskosten und die Arbeitsmarktlage Gebrauch machen würden; vielmehr sei zu erwarten, daß bei einer Aufhebung des Nachtbackverbots sich die Arbeitszeit generell verlängern werde. Diese Ausführungen lassen einen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat sich – entgegen der Meinung der Revision – widerspruchsfrei mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat das Nachtbackverbot weiter unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Mittelstands als gerechtfertigt angesehen. Das Berufungsgericht hat auch hierzu rechtsfehlerfrei festgestellt, daß sich die wirtschaftliche Lage der Brot- und Backwarenindustrie in ihrem Verhältnis zu den handwerksmäßig betriebenen Bäckereien nicht wesentlich gegenüber dem Zustand, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1976 zugrundelag, verändert hat, so daß ein Schutzbedürfnis für die handwerksmäßig betriebenen Bäckereien gegenüber den Großbetrieben auch weiterhin fortbesteht. Es hat dabei den Zahlenangaben entnommen, daß sich der Umsatz der Großbäckereien geringfügig erhöht hat. Das Berufungsgericht hat bei seinen Erwägungen auch berücksichtigt, daß zu allen Backwaren neue Produkte, insbesondere vorgebackene Halbfertigprodukte, in Wettbewerb getreten seien und daß sich veränderte Eßgewohnheiten gebildet hätten. Daraus hat es, ohne daß dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre, gefolgert, daß die Großbetriebe nicht einseitig durch die Entwicklungen auf dem Markt gegenüber dem Zustand, wie er im Jahre 1976 bestand, belastet worden seien.
c) Das Berufungsgericht hat bei der Erörterung der Frage, ob die Vorschriften des BAZG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegneten, auch nicht, wie die Revision meint, das Vorbringen der Beklagten übersehen, falls diese weiterhin an das Nachtbackverbot und das Ausfahrverbot gebunden werde, müsse sie ihre Produktion und damit ihren Betrieb im ganzen stillegen. Das Berufungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, daß nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten die Verwaltungsbehörden von der ihnen nach dem BAZG zustehenden Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, in weitem Umfang Gebrauch machen. Damit steht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gefolgert hat, nicht zu befürchten, daß das BAZG ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles strikt angewandt würde, und die Beklagte aus diesem Grund zu einer Einstellung ihres Betriebs gezwungen sein könnte. Das Berufungsgericht hat zudem dem vorgelegten Zahlenmaterial entnommen, daß sich die Produktion der Backwarenbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten seit 1981 laufend erhöht habe. Diese Steigerung hat das Berufungsgericht zu Recht herangezogen, um damit zu belegen, daß die Vorschriften des BAZG in ihrer Gesamtheit, also mit der Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, nicht zu einer Existenzgefährdung der Großbetriebe führen.
3. Auch § 5 Abs. 5 BAZG, der das Ausfahrverbot beinhaltet, ist nicht verfassungswidrig. Das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot, Bäcker- und Konditorwaren zur Nachtzeit auszufahren, ist darauf gerichtet, die Einhaltung des in § 5 Abs. 1 BAZG angeordneten Nachtbackverbots zu sichern (BGH, Urt. v. 27.6.1980 – I ZR 123/78, WRP 1981, 138, 140 – Backwaren-Nachttransporte). Daher sind für die Verfassungsmäßigkeit des Abs. 5 die gleichen Gründe maßgebend, die auch für Abs. 1 gelten (vgl. vorstehend 2.). Auch die Revision zeigt nicht auf, daß die Verfassungsmäßigkeit des Abs. 5 nach anderen Maßstäben zu beurteilen wäre, als dies für Abs. 1 geschehen ist.
III. Auch die Angriffe der Revision dagegen, daß das Berufungsgericht aus den Verstößen gegen die Vorschriften des BAZG hergeleitet hat, die Beklagte habe sich wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG verhalten, sind nicht begründet.
1. Die Verstöße gegen die Vorschriften des BAZG können zwar nicht allein schon deshalb, wie das Berufungsgericht in erster Linie gemeint hat, als unlauter im Sinne des § 1 UWG beurteilt werden, weil die Beklagte sich, ohne eine Ausnahmegenehmigung erhalten zu haben, nicht nach diesen Vorschriften richtete. § 5 Abs. 1 und Abs. 5 BAZG sind weder unmittelbar wettbewerbsregelnde Normen, deren Verletzung bereits im Hinblick auf ihren Schutzzweck die Sittenwidrigkeit begründet, noch sind es Vorschriften, die wie beispielsweise solche zum Schutz der Volksgesundheit oder der Rechtspflege der Wahrung besonders gewichtiger Rechtsgüter und Gemeinschaftsinteressen dienen und deren Verletzung als Verstoß gegen das sittlich-rechtliche Empfinden der Allgemeinheit nach ständiger Rechtsprechung sittenwidrig ist (vgl. zur Gesundheitswerbung BGHZ 44, 208, 209 – Novopetrin; BGH, Urt. v. 26.6.1970 – I ZR 14/69, GRUR 1970, 558, 559 – Sanatorium I; ferner allgemein BGH, Urt. v. 4.6.1986 – I ZR 29/85, GRUR 1986, 823, 824 – Fernsehzuschauer-Forschung). Von den Vorschriften des BAZG kann nicht gesagt werden, daß ihre Einhaltung einem sittlichen Gebot entspreche. Sie sollen nicht die Grenze des Wettbewerbs auf dem hier einschlägigen Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Backwaren festlegen oder einen bestimmten Personenkreis vor dem Wettbewerb Unberufener im Interesse der Allgemeinheit schützen. Vielmehr sollten, wie die Entstehungsgeschichte im einzelnen zeigt, aus sozialpolitischen Gründen die im Backgewerbe Beschäftigten vor den Gefahren gesundheitlicher ständiger Nachtarbeit geschützt werden, ohne dabei die Interessen der Gewerbebetriebe und der Verbraucher zu vernachlässigen (vgl. BT-Drucks. V/4493, S. 1). Auch durch das Ausfahrverbot in Abs. 5 sollte nicht die Wettbewerbslage der Unternehmen beeinflußt werden, sondern nur das Nachtbackverbot in seiner sozialpolitischen Zielsetzung unterstützt werden (BGH, Urt. v. 27.6.1980 – I ZR 123/78, WRP 1981, 138, 140 – Backwaren-Nachttransporte). Auch das Ausfahrverbot dient damit nicht dem Schutz von Individualinteressen im Wettbewerb. Eine andere Beurteilung ist nicht daraus herzuleiten, daß die Vorschriften des BAZG, wie das Bundesverfassungsgericht in den beiden vorerörterten Entscheidungen ausgeführt hat, auch dem Mittelstandsschutz dienen sollen. Für die Auslegung und die Anwendung des UWG haben solche wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Überlegungen grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BGHZ 43, 278, 283 – Kleenex; s. auch Lehmann, WRP 1985, 377, 381). § 1 UWG kommt vielmehr die Aufgabe zu, unlauteren Mitteln und Methoden des Wettbewerbs entgegenzutreten. Wenn Vorschriften, die wie hier des BAZG, über ihren unmittelbaren sozialpolitischen Zweck hinaus auch noch die Wirkung haben, daß sie im Interesse dieses Zwecks zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen beitragen, indem sie den Anreiz mindern, aus Gründen des Wettbewerbs den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen, ist ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift nicht ohne weiteres ein nach § 1 UWG beachtlicher Wettbewerbsverstoß (vgl. zum LadenschlußG BGHZ 79, 99, 103; BGH, Urt. v. 8.12.1983 – I ZR 189/81, GRUR 1984, 361, 362 = WRP 1984, 202 – Hausfrauen-Info-Abend).
2. Handelt es sich, wovon nach den vorstehenden Ausführungen auszugehen ist, bei den Vorschriften des BAZG um wertneutrale Normen, ist ein Verstoß gegen § 1 UWG nur dann gegeben, wenn sich die Beklagte über das Gesetz bewußt und planmäßig und in der Absicht hinweggesetzt hat, sich dadurch einen Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Wettbewerbern zu verschaffen (vgl. zum LadenschlußG BGH, Urt. v. 8.12.1983 – I ZR 189/81, GRUR 1984, 361, 362 = WRP 1984, 202 – Hausfrauen-Info-Abend; st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 8.10.1987 – I ZR 182/85, GRUR 1988, 382, 383 = WRP 1988, 365 – Schelmenmarkt). Nach den vom Berufungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Denn danach waren der Beklagten die bestehenden Verbote bekannt; sie wollte durch das Backen während der Nachtzeit und das anschließende vorzeitige Ausfahren einen höheren Umsatz bei geringeren Kosten erzielen und auch solche Abnehmer – wie etwa Lebensmittelgeschäfte – mit der frisch gebackenen Ware erreichen, die andernfalls Backwaren nicht bei ihr bezogen hätten. Damit hat sich die Beklagte durch ihr Verhalten auch dann einen Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft, wenn das Nachtbackverbot von einem Teil ihrer Mitbewerber, insbesondere von Großbäckereien, nicht beachtet worden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat jedenfalls eine nicht unerhebliche Zahl von Wettbewerbern der Beklagten die Vorschriften des BAZG eingehalten; vor diesen hat sich die Beklagte einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschafft.
IV. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht die Verurteilung der Beklagten bestätigt; deren Revision war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
v. Gamm, Piper, Erdmann, Scholz-Hoppe, Mees
Fundstellen
Haufe-Index 1237552 |
GRUR 1989, 116 |
Nachschlagewerk BGH |