Leitsatz (amtlich)
a) Wer nach Art. 233 § 2 a EGBGB zum Besitz eines Grundstücks berechtigt war (Sachenrechtsmoratorium), kann von dessen Eigentümer Ersatz der auf das Grundstück gemachten notwendigen, nicht aber anderer Verwendungen verlangen.
b) Das Moratorium des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB steht einer nach dem Unternehmensgesetz der DDR gegründeten Kreditgenossenschaft zu, in die die Genossenschaftsbank Berlin den Besitz eines Grundstücks zur Nutzung des Bankgebäudes eingebracht hat.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 2a; BGB §§ 994, 996
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg |
OLG Rostock |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 2. März 2000 und das Grund- und Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 17. März 1999 insoweit aufgehoben, als der von der Klägerin geltend gemachte Hilfsanspruch auf Verwendungsersatz für die Jahre 1990 und 1991 abgewiesen und über Kosten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Jahr 1966 errichtete die damalige Landwirtschaftsbank und spätere Bank für Landwirtschaft und Nahrungsmittelwirtschaft der DDR (BLN) auf einem volkseigenen Grundstück in R. (Mecklenburg-Vorpommern) einen Gebäudekomplex zur Ausübung von Bankgeschäften. Die BLN, in deren Rechtsträgerschaft das Grundstück stand, ging später in der Genossenschaftsbank B. (GBB) als deren Niederlassung R. auf. Mit Vertrag vom 6. August 1990 übertrug die GBB das gesamte Bankgeschäft ihrer Filiale R. mit Wirkung zum 1. Juli 1990 an die Bäuerliche Handels- und Kreditgenossenschaft eG Raiffeisenbank R.-N. (BHG), bei der sie zugleich unter Einbringung von Besitz und Nutzung des Grundstücks die Mitgliedschaft erwarb. Kurze Zeit später ging aus der BHG die Klägerin hervor. Das Grundstück wurde seit der Errichtung des Gebäudekomplexes ohne Unterbrechung für Bankgeschäfte genutzt.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Januar 1996 ordnete die Oberfinanzdirektion R. das Grundstück zu 1/5 Miteigentum der Bundesrepublik Deutschland, Beklagte zu 1, und zu 4/5 Miteigentum der Stadt R., Beklagte zu 2, zu. Die Klägerin schloß mit der Beklagten zu 1 mit Wirkung zum 1. Februar 1996 einen Mietvertrag über das Bankgebäude. Das Mietverhältnis endete zum 31. März 1998.
Die Klägerin hat zuletzt die Feststellung begehrt, im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1994 gemäß Art. 233 § 2 a EGBGB zum Besitz des bebauten Grundstücks berechtigt gewesen zu sein. Hilfsweise hat sie Verwendungsersatzansprüche von zuletzt 115.665,13 DM für die Jahre 1990 bis 1996 geltend gemacht. Die Beklagten haben Widerklage auf Zahlung von Nutzungsentgelt in Höhe von 99.755,70 DM für den Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis 31. Januar 1996 erhoben. Das Landgericht hat mit Grund- und Teilurteil das Feststellungsbegehren als unzulässig und die Klage auf Verwendungsersatz für die Jahre 1990 und 1991 i.H.v. 75.139,16 DM als unbegründet abgewiesen. Der Widerklage hat es unter Abweisung der für die Zeit vom 3. Oktober 1990 bis 21. Juli 1992 verlangten Nutzungsentschädigung dem Grunde nach stattgegeben. Vor dem Oberlandesgericht ist die Berufung der Klägerin – ebenso wie die Anschlußberufung der Beklagten – ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Senat nur hinsichtlich der erfolgten Abweisung der Verwendungsersatzansprüche angenommen hat.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht ein Besitzrecht der Klägerin nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB. Einem Anspruch auf Verwendungsersatz für die Jahre 1990/1991 stehe indessen Art. 233 § 2 a Abs. 3 Satz 1 EGBGB entgegen. Denn nach dieser Vorschrift sei die Geltendmachung eines Verwendungsersatzanspruches für die Zeit bis zum 22. Juli 1992 (Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992, BGBl. I S. 1257) ausgeschlossen, es sei denn, hierüber wäre, woran es hier fehle, eine einvernehmliche Regelung getroffen worden.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß der aus der BHG hervorgegangenen Klägerin im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1994 ein gesetzliches Besitzrecht gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. b, Abs. 1 Satz 2 EGBGB (Sachenrechtsmoratorium) zustand. Die Voraussetzungen dieser durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz (BGBl. 1992 I S. 1257) mit Wirkung zum 22. Juli 1992 eingeführten und Rückwirkung entfaltenden Regelung (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1853; Urt. v. 12. Oktober 1995, V ZR 254/94, WM 1996, 91; BVerfGE 98, 17, 39) sind im Streitfall erfüllt.
1. Das von der Klägerin seit 1. Juli 1990 fortwährend genutzte Bankgebäude wurde 1966 mit Billigung eines staatlichen Organs errichtet. Denn die mit Wirkung zum 1. Oktober 1968 in „Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN)” umbenannte Landwirtschaftsbank (GBl. DDR 1969 II S. 41) war ein zentrales staatliches Organ des Ministerrates der DDR (vgl. GBl. DDR 1966 II S. 329; GBl. DDR 1975 I S. 692). Eine Errichtung des Gebäudes durch die Klägerin selbst oder durch ihre unmittelbare Rechtsvorgängerin, die BHG, wird von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB nicht gefordert (vgl. Senat BGHZ 136, 212, 218; 137, 369, 375 ff; Urt. v. 27. Oktober 2000, V ZR 258/99, WM 2001, 470, 471).
2. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB begünstige auch eine Bäuerliche Handels- und Kreditgenossenschaft, der – wie hier – von einem staatlichen Organ die Bankgeschäfte einer Niederlassung übertragen und das auf dem volkseigenen Grundstück errichtete Filialgebäude zur selbständigen Nutzung überlassen wurden.
a) Das Moratorium des Art. 233 § 2 a EGBGB sollte in ungeklärten Nutzungsfällen eine einstweilige Sicherung des Besitzstandes gewährleisten, um die Schaffung von Fakten bis zu einer Bereinigung des Sachenrechts zu verhindern (Senat BGHZ 125, 125, 134; Urt. v. 27. Oktober 2000, V ZR 258/99, aaO). Welche Fälle von der Bereinigung erfaßt würden, stand bei Verabschiedung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes noch nicht fest, so daß der Schutz des Moratoriums auch in Zweifelsfällen eingreifen sollte (vgl. BT-Drucks. 12/2944, S. 46). Entscheidend ist daher, ob aus damaliger Sicht ein Sachverhalt gegeben war, dessen Einbeziehung in die sachenrechtliche Bereinigung oder anderweitige Anpassung an das Recht der Bundesrepublik Deutschland wenigstens in Betracht kam (Senat, BGHZ 137, 369, 374; Urt. v. 27. Oktober 2000, V ZR 258/99, aaO). Dementsprechend hat der Senat Konsumgenossenschaften und Bäuerliche Handelsgenossenschaften sozialistischen Rechts, die ein bebautes volkseigenes Grundstück als Rechtsträger genutzt hatten, in den Anwendungsbereich des Sachenrechtsmoratoriums einbezogen (BGHZ 137, 369, 374 ff; Urt. v. 19. Dezember 1997, V ZR 55/97, VIZ 1998, 225). Für die vorliegende Fallgestaltung gilt im Ergebnis gleiches.
b) Die BHG hat die ihr überlassene Liegenschaft allerdings nicht als Rechtsträger genutzt, denn ein Rechtsträgerwechsel nach § 3 RechtstrAO (GBl. DDR 1969 II S. 433) in Verbindung mit einer Übertragung der unbeweglichen Grundmittel nach §§ 2, 4, 5 ÜbGrMAO (GBl. DDR 1974 I S. 489 ff) hätte nur zugunsten einer sozialistischen Genossenschaft erfolgen können. Der Rechtsträgerwechsel stellte zum maßgeblichen Zeitpunkt aber nicht die einzige Möglichkeit dar, wirksam ein Nutzungsrecht zu übertragen. Die Befugnis staatlicher Organe, die Nutzung volkseigener Grundstücke auf private Rechtspersonen zu übertragen, war durch das Unternehmensgesetz vom 7. März 1990 (GBl. DDR I S. 141) geschaffen worden. Es gestattete eine staatliche Beteiligung an privaten Unternehmen, unter anderem an eingetragenen Genossenschaften (vgl. § 2), durch Geld- oder Sachleistungen, wobei volkseigener Boden nur zur Nutzung eingebracht werden durfte. Ergänzend hierzu räumte das vom Präsidenten der Staatsbank am 30. März 1990 bestätigte Statut der GBB (GBl. DDR I S. 251) dieser das Recht ein, unter Beteiligung von Vorstand und Verwaltungsrat Zweigniederlassungen aufzulösen, diese mit anderen Genossenschaftsbanken zu verschmelzen und sich an Genossenschaften zu beteiligen (§§ 3 Abs. 2, 5 Abs. 1 des Statuts). Von diesen Befugnissen hat die GBB, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Wirkung vom 1. April 1990 die Rechtsnachfolge der BLN angetreten hat (§ 1 Abs. 1, § 11 Abs. 1 des Statuts) mit Geschäftsübernahmevertrag vom 6. August 1990 Gebrauch gemacht. Sie hat unter Auflösung ihrer Niederlassung R. deren Bankgeschäfte an die BHG übertragen und bei dieser unter Einbringung der Nutzung des mit der Bankfiliale bebauten volkseigenen Grundstücks die Mitgliedschaft erworben. Dies genügt Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1, lit. b EGBGB, denn bei Verabschiedung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes war es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß so begründete Nutzungsverhältnisse in die Sachenrechtsbereinigung oder sonstige Rechtsanpassung einbezogen würden (vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, DtZ 1993, 34, 35, 37). Insbesondere kam es in Betracht, den bis zum Beitritt nutzungsberechtigten Genossenschaften jedenfalls auf vertraglicher Grundlage die Möglichkeit zu eröffnen, die ehemals volkseigenen Grundstücke zu günstigen Bedingungen zu nutzen oder zu erwerben (vgl. Senat BGHZ 137, 369, 375). Dies wird durch den weit gefaßten Wortlaut des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 lit. b EGBGB bestätigt, der nicht auf einen Rechtsträgerwechsel oder die Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechtes (vgl. Nutzungsrechtsgesetz, GBl. DDR 1970 I S. 372) abstellt, sondern lediglich eine Übertragung von Gebäuden und dazu gehörigen Grundstücksflächen zur Nutzung und selbständigen Bewirtschaftung und Verwaltung fordert (vgl. auch Senat, Urt. v. 27. Oktober 2000, V ZR 258/99, aaO, 471).
III.
Rechtsfehlerhaft versagt das Berufungsgericht jedoch der Klägerin Ersatzansprüche für die in den Jahren 1990/1991 getätigten Verwendungen.
1. Zwar führt das zugunsten der Klägerin eingreifende gesetzliche Besitzrecht bis zu seiner Beendigung zum Ausschluß gesetzlicher Verwendungsersatzansprüche. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt dies aber nicht aus der Bestimmung des Art. 233 § 2 a Abs. 3 Satz 1 EGBGB. Denn diese Vorschrift trifft keine Regelung über das materielle Bestehen von Verwendungsersatz- und Nutzungsentgeltansprüchen, sondern schließt nur im Interesse des Rechtsfriedens ihre gerichtliche Durchsetzung bis zum Ablauf des Moratoriums aus (vgl. BT-Drucks. 12/2695, S. 23, 32; Senat, Urt. v. 18. Februar 2000, V ZR 324/98, WM 2000, 1160, 1162; BVerfGE 98, 17, 41). Während der Dauer des Besitzrechts fehlt es vielmehr an einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis als Grundlage für Verwendungsersatz nach Art. 233 § 1 EGBGB, §§ 994 ff BGB und damit sogleich an einer unberechtigten Eigengeschäftsführung nach Art. 233 § 1 EGBGB, § 687 Abs. 2 BGB, die Ansprüche nach §§ 684 Satz 2, 812 BGB auslösen könnte. Auch ein bereicherungsrechtlicher Verwendungsersatzanspruch (vgl. MünchKomm-BGB/Lieb, 3. Aufl., § 812 Rdn. 250, 257) kommt nicht in Betracht, da die Verwendungen nicht rechtsgrundlos, sondern aufgrund eines gesetzlichen Besitzrechtsverhältnisses getätigt wurden, das nach dem Willen des Gesetzgebers während seines Bestehens eine bereicherungsrechtliche Kondiktion ausschließen sollte (BT-Drucks. 12/2480, S. 78 i.V.m. BT-Drucks. 12/2695, S. 23, 32).
2. Dies bedeutet aber nicht, daß der Klägerin nach dem Erlöschen des Besitzrechtes mit Ablauf des 31. Dezember 1994 (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 2, 3 EGBGB) gesetzliche Verwendungsersatzansprüche für den zurückliegenden Zeitraum vollständig versagt bleiben. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß nach Beendigung eines Besitzrechts in (entsprechender) Anwendung der §§ 994 ff BGB auch Ausgleich für die in der Zeit der Besitzberechtigung gemachten Verwendungen verlangt werden kann, weil sonst der berechtigte Besitzer schlechter stünde als der unberechtigte Besitzer (BGHZ 34, 122, 131, 132; Senat BGHZ 75, 288, 292 f; 131, 220, 222; Urt. v. 13. Oktober 1978, V ZR 147/77, NJW 1979, 716; Urt. v. 8. Juni 1999, V ZR 24/98, NJW-RR 2000, 895, 896). Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß das das Besitzrecht begründende Rechtsverhältnis keine abweichenden Sonderregelungen enthält, sondern eine ausfüllungsfähige Regelungslücke aufweist (Senat BGHZ 131, 220, 223; Urt. v. 8. Juni 1999, V ZR 24/98, aaO). Das Sachenrechtsmoratorium nach Art. 233 § 2 a EGBGB enthält solche Sonderbestimmungen, die einer Anwendung der §§ 994 ff BGB nach Beendigung der Besitzberechtigung entgegenstünden, nicht. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte grundsätzlich für die gesamte Dauer des Besitzrechts Nutzungs- und Verwendungsersatz geschuldet sein (BT-Drucks. 12/2695 S. 23, 32). Eigentümer und Grundstücksnutzer sollten sich allerdings im Interesse des Rechtsfriedens ohne Inanspruchnahme der Gerichte möglichst selbst einigen. Für den Fall, daß zwischen den Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielt würde, blieb es dem Gesetzgeber unbenommen, auch noch nachträglich, also rückwirkend (vgl. Staudinger/Rauscher, 1996, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 87), Nutzungsentgelte bzw. Verwendungsersatzleistungen einzuführen (BT-Drucks. 12/2695 aaO). Dementsprechend sah Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB in der Fassung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) ausdrücklich vor, daß die Rechtsverhältnisse zwischen den Grundstückseigentümern und den zum Besitz Berechtigten auch in Ansehung von Nutzungen und Verwendungen einer Regelung durch Gesetz vorbehalten bleiben. Von diesem Vorbehalt machte der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Sachenrechtsänderungsgesetzes vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2457) Gebrauch, indem er unter Neufassung des Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB dem Eigentümer Ansprüche auf Nutzungsentschädigung in den Fällen des Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB für die Zeit bis zum Ablauf des 31. Dezember 1994 vorenthielt, soweit unter den Beteiligten keine anderslautenden Abreden getroffen worden waren. Diese Entscheidung korrigierte er später im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1998 (BVerfGE 98, 17 ff) mit Wirkung vom 3. November 2000 dahin, daß der jeweilige Eigentümer für die Zeit vom 22. Juni 1992 bis 31. März 1995 ein Nutzungsentgelt in Anlehnung an den nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geschuldeten Erbbauzins verlangen kann (BGBl. 2000 I S. 1481). Der Gesetzgeber traf aber weder bei der Neufassung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB im Jahre 1994 noch bei der im Jahre 2000 erfolgten Anpassung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Regelung über die Ersatzfähigkeit von während des Besitzrechtes getätigten Verwendungen, über deren Ausgleich zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen erzielt werden konnte. Die Gesetzesmaterialien geben keinen hinreichenden Aufschluß darüber, weshalb die Frage solcher Ansprüche keiner Klärung zugeführt wurde (BT-Drucks. 12/7425, S. 91 f; BT-Drucks. 14/3508, S. 9 ff). Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des Sachenrechtsänderungsgesetzes vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2457) einen gesetzlichen Ausgleich für im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1994 getätigte Verwendungen auch für den Fall des Unterbleibens vertraglicher Absprachen ausschließen wollte, bestehen nicht. Sein Untätigbleiben allein läßt einen solchen Schluß nicht zu. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber gesetzliche Verwendungsersatzansprüche durch die von ihm verfügte Unentgeltlichkeit der Nutzung kompensieren wollte, zumal die Befreiung von der Nutzungsentgeltpflicht unabhängig davon eingreifen sollte, ob Verwendungen getätigt wurden oder nicht. Auch der Gesetzeszusammenhang spricht gegen eine generelle Versagung von Verwendungsersatzansprüchen. Denn nach der seit ihrem Inkrafttreten unverändert gebliebenen Bestimmung des Art. 233 § 2 a Abs. 6 Satz 5 EGBGB soll in bestimmten Fällen, in denen die Besitzberechtigung durch ein einseitiges Lösungsrecht des Eigentümers beendet wird, § 1000 BGB keine Anwendung finden. Dies bedeutet aber, daß der Gesetzgeber Verwendungsersatzansprüche nach §§ 994 ff BGB für die zurückliegende Zeit des Besitzrechts nicht ausschließen, sondern den Nutzern lediglich das in § 1000 BGB geregelte Zurückbehaltungsrecht verwehren wollte (vgl. auch Palandt/Bassenge, aaO, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 13; MünchKomm-BGB/Wendtland, aaO, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 19; Staudinger/Rauscher, aaO, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 128). Somit beansprucht der Regelungsplan des Gesetzgebers, wonach nach Ablauf des Besitzrechts für die davor gemachten Verwendungen grundsätzlich auch dann ein Ausgleich zu gewähren ist, wenn hierüber keine vertragliche Übereinkunft erzielt wurde (BT-Drucks. 12/2695, S. 23, 32), nach wie vor Gültigkeit. Da eine ausdrückliche Regelung insoweit jedoch fehlt, ist diese Lücke im Wege der analogen Rechtsanwendung unter Beachtung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen zu schließen.
3. Die aufgezeigte Regelungslücke ist durch eine Heranziehung der §§ 994 ff BGB nach Ablauf des Besitzrechts auszufüllen, wobei aber den Besonderheiten des Sachenrechtsmoratoriums Rechnung zu tragen ist. Dies wird den vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen am ehesten gerecht. Denn er hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Problematik des Nutzungs- und Verwendungsersatzes in Anlehnung an die für das Eigentümerbesitzerverhältnis geltenden Vorschriften der §§ 997 ff BGB regeln zu wollen, soweit dies angesichts der Vergleichbarkeit der Interessenlagen angezeigt erscheint. Dabei hat er sich vorwiegend von Vertrauensschutzerwägungen leiten lassen (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 91, 92; BVerfGE 98, 38, 42). So hat er die mit Inkrafttreten des Sachenrechtsänderungsgesetzes angeordnete Versagung von gesetzlichen Nutzungsentgelten mit einer gebotenen Gleichbehandlung moratoriumsberechtigter Nutzer und unverklagter redlicher Besitzer gemäß § 993 Abs. 1 BGB begründet (BT-Drucks. 12, 7425, S. 91; ferner BVerfGE 98, 17, 30 f, 32). Für den Sonderfall eines Moratoriumsbesitzes aufgrund eines unwirksamen Kaufvertrages hat er die insoweit eingeführte Entgeltpflicht auf eine Parallele zu § 987 BGB zurückgeführt (Art. 233 § 2 a Abs. 8 Satz 2 EGBGB; BT-Drucks. 12, 7425, S. 91 f). Darüber hinaus hat er durch den in Art. 233 § 2 a Abs. 6 Satz 5 EGBGB für bestimmte Fallgestaltungen vorgesehenen Ausschluß des § 1000 BGB zu erkennen gegeben, daß er grundsätzlich einen Rückgriff auf die Verwendungsersatzregelungen der §§ 994 bis 1003 BGB nach Ablauf des Besitzrechts nicht ausschließen wollte. Infolgedessen kann dem Regelungsplan des Gesetzgebers und dem von ihm angestrebten angemessenen Interessenausgleich am ehesten durch eine differenzierte Anwendung der Vorschriften der §§ 994 ff BGB auf die Moratoriumstatbestände Geltung verschafft werden, zumal diesen Bestimmungen eine abgestufte, an der Art der Verwendung und dem Grad der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Besitzers ausgerichtete Interessenabwägung immanent ist. Der Umfang des geschuldeten Verwendungsersatzes hängt dabei maßgebend von den Besonderheiten des im Einzelfall betroffenen Nutzungsverhältnisses ab.
a) Im Streitfall kann die Klägerin in Anwendung dieser Grundsätze Ausgleich für die im Zeitraum vom3. Oktober 1990 bis 22. Juli 1992 getätigten notwendigen Verwendungen (§§ 994 Abs. 1, 995 BGB) verlangen. Für nützliche Verwendungen (§ 996 BGB) gebührt ihr dagegen kein Ersatz, sofern insoweit nicht eine vertragliche Übereinkunft erzielt wurde.
aa) Als Nutzerin eines als Sacheinlage überlassenen volkseigenen Grundstückes durfte die Klägerin angesichts der unklaren Rechtslage bis zum 22. Juli 1992 (Inkrafttreten des Art. 233 § 2 a EGBGB) darauf vertrauen, daß das Grundstück – wie bisher – unentgeltlich genutzt werden kann (BVerfGE 98, 17, 42, 43). Dagegen genoß sie grundsätzlich keinen Vertrauensschutz hinsichtlich der Ersatzfähigkeit von nach dem Beitritt getätigter Verwendungen. Nach den bis dahin geltenden Nutzungsbedingungen war ein Ausgleich für solche Aufwendungen nicht vorgesehen (vgl. auch BT-Drucks. 12/2480, S. 78). Anders als bei der Frage des Nutzungsentgeltes (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 91; BVerfGE 98, 31, 32, 42, 43) war damit eine Gleichstellung mit einem unverklagten redlichen Besitzer weder geboten noch gewollt (a.A. offenbar MünchKomm-BGB/Wendtland, aaO, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 28). Eine solche Gleichbehandlung ist auch aus einem weiteren Grund abzulehnen. Die Klägerin war in ihrer Eigenschaft als besitzberechtigte Fremdbesitzerin in gewissem Sinne partiell bösgläubig; sie wußte nämlich, daß sie eine fremde Sache werterhöhend veränderte und damit dem Eigentümer eine möglicherweise nicht gewollte Leistung aufdrängte (vgl. Staudinger/Grunsky, aaO, Vorbemerkung zu §§ 994 – 1003 BGB Rdn. 36 für den Fall eines unrechtmäßigen Fremdbesitzers). Daher ist die Klägerin insoweit eher mit einem bösgläubigen unrechtmäßigen Fremdbesitzer zu vergleichen, so daß ihr die in § 996 BGB vorgesehene Privilegierung nicht gebührt. Es kommt hinzu, daß die Klägerin die Vornahme nützlicher, also nicht zur Erhaltung oder ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlicher Verwendungen (Senat BGHZ 64, 333, 339; 121, 220, 223) im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage ohne weiteres hätte zurückstellen können oder mit dem Eigentümer hierüber eine vertragliche Abrede hätte treffen können.
Der Gesetzgeber hat schließlich auch keinen Vertrauenstatbestand für einen umfassenden Ersatz nach dem Beitritt erfolgter Verwendungen geschaffen. Er brachte erstmals mit Inkrafttreten der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz eingeführten Vorbehaltsregelung des Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB (nach damaliger Fassung: Vorbehalt u.a. einer gesetzlichen Regelung „in Ansehung von Nutzungen und Verwendungen”) überhaupt zum Ausdruck, daß eine Ausgleichspflicht für Verwendungen in Frage kommen könne, traf aber weder zu diesem Zeitpunkt noch später eine Aussage zum Umfang der Ersatzverpflichtung (vgl. BT-Drucks. 12/2695, S. 23, 32 sowie BT-Drucks. 12/7425, S. 91 f).
bb) Demgegenüber ist die Klägerin berechtigt, Ersatz für die von ihr im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis 22. Juli 1992 getätigten notwendigen Verwendungen gemäß §§ 994 Abs. 1, 995 BGB zu verlangen. Sowohl nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (§ 994 Abs. 1 BGB), als auch nach dem Recht der ehemaligen DDR (§ 33 Abs. 2 ZGB) kann ein unverklagter gutgläubiger Besitzer in vollem Umfang Ersatz notwendiger Aufwendungen beanspruchen. § 994 Abs. 2 BGB gewährt darüber hinaus sogar auch einem bösgläubigen unberechtigten Besitzer aus Gründen der Billigkeit einen Ausgleich für notwendige Verwendungen (vgl. Mugdan, Protokolle, 3. Band, S. 681). Im Geltungsbereich des zugunsten der Klägerin eingreifenden Moratoriumstatbestandes ist demgegenüber eine umfassende Ersatzpflicht für notwendige Verwendungen gemäß §§ 994 Abs. 1, 995 BGB geboten, um die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Die Klägerin ist als berechtigte Fremdbesitzerin aus den aufgezeigten Gründen insoweit zwar nicht einem redlichen unrechtmäßigen Besitzer gleichzustellen; es ist aber genauso wenig gerechtfertigt, sie als bösgläubige unberechtigte Besitzerin zu behandeln. Sie nimmt vielmehr eine Zwischenstellung ein. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß sich der Grundstückseigentümer notwendigen Verwendungen – im Gegensatz zu nützlichen Verwendungen – nicht hätte entziehen können (vgl. insoweit BT-Drucks. 12/5992, S. 208). Anders als nützliche Verwendungen konnte der Nutzer solche Aufwendungen auch nicht für unabsehbare Zeit zurückstellen, ohne eine Verschlechterung des Gebäudes befürchten zu müssen. Diese Erwägungen haben den Gesetzgeber schließlich veranlaßt, notwendige Verwendungen, die nach dem Beitritt auf der Grundlage eines mit einem staatlichen Verwalter abgeschlossenen Überlassungsvertrages getätigt wurden, in die Sachenrechtsbereinigung einzubeziehen (§ 12 Abs. 2 Satz 4 SachenRBerG; BT-Drucks. 12/5992, aaO; vgl. auch Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 15). Auch wenn der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 Satz 4 SachenRBerG nur eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallregelung getroffen hat, lassen die hierbei getroffenen Wertungen auch für den Bereich des Sachenrechtsmoratoriums Schlußfolgerungen zu. Ein Ausgleich für notwendige Verwendungen ist der Klägerin auch nicht deswegen zu versagen, weil sie das Grundstück bis zum 22. Juli 1992 unentgeltlich nutzen durfte. Denn diesem Gesichtspunkt wird durch die in § 994 Abs. 1 Satz 2 BGB getroffene Regelung (kein Ersatz für gewöhnliche Erhaltungskosten bei Verbleib der Nutzungen) hinreichend Rechnung getragen.
b) Fürvor dem 3. Oktober 1990 gemachte notwendige Verwendungen kann die Klägerin demgegenüber keinen Ersatz beanspruchen. Der Gesetzgeber ging ersichtlich davon aus, daß in dieser Zeit gesetzliche Verwendungsersatzansprüche ausgeschlossen waren (vgl. BT-Drucks. 12/2480, S. 78). Mit der Einführung des Sachenrechtsmoratoriums strebte er nur die Sicherung des bisherigen Nutzungszustandes an (BT-Drucks. 12/2944, S. 2, 46). Angesichts dieser gesetzgeberischen Intention kommt ein Ausgleich für vor dem Beitritt getätigte notwendige Verwendungen weder in entsprechender Anwendung des § 994 BGB noch nach anderen gesetzlichen Vorschriften in Betracht.
IV.
1. Die Tatsacheninstanzen werden daher zu prüfen haben, inwieweit die von der Klägerin für den Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis 22. Juli 1992 behaupteten Aufwendungen als notwendige Verwendungen im Sinne der §§ 994 Abs. 1, 995 BGB anzusehen sind. Da das Landgericht die Klage insoweit dem Grunde nach abgewiesen hat und weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit gemäß §§ 565, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, weil eine Entscheidung durch das Berufungsgericht (§ 540 ZPO) nicht sachdienlich erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 1994, III ZR 37/93, NJW-RR 1994, 1171, 1173; Urt. v. 20. Juni 1996, IX ZR 100/95, NJW-RR 1997, 50, 53).
2. Wegen der noch nicht beschiedenen Ansprüche auf Verwendungsersatz besteht Anlaß zu folgenden Hinweisen:
a) Die dargestellten Erwägungen über die Ersatzfähigkeit notwendiger Verwendungen gelten in ähnlicher Weise für den Zeitraumab 22. Juli 1992 bis 31. Dezember 1994. Der Gesetzgeber hat zwar für diese Zeit auf Veranlassung des Bundesverfassungsgerichts eine Nutzungsentgeltpflicht eingeführt. Dies bedeutet aber nicht, daß deswegen nunmehr auch nützliche Verwendungen im Sinne von § 996 BGB als ersatzfähig anzuerkennen sind. Denn insoweit ist das Vertrauen des Nutzers nach wie vor nicht schützenswert. Er konnte aufgrund der zum 22. Juli 1992 in Kraft getretenen Regelung des Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB nicht davon ausgehen, daß nunmehr auch nützliche Verwendungen ersatzfähig sind. Andererseits ist der Nutzer in dieser Zeit auch nicht auf die Ersatzansprüche eines bösgläubigen Fremdbesitzers nach § 994 Abs. 2 BGB beschränkt (a.A. wohl MünchKomm-BGB/Wendtland, aaO, Art. 233 § 2 a EGBGB Rdn. 26). Ihm ist vielmehr nach wie vor entsprechend den Regelungen der §§ 994 Abs. 1, 995 BGB ein Ausgleich für notwendige Verwendungen zuzuerkennen.
b)Mit Ablauf des Besitzrechtes zum 31. Dezember 1994 kann die Klägerin grundsätzlich bis zum 1. Februar 1996 (Mietbeginn) gemäß §§ 994, 995, 996 BGB Ersatz für nach Besitzende erfolgte notwendige und nützliche Verwendungen verlangen, denn das Sachenrechtsmoratorium enthält insoweit keine abschließenden Sonderregelungen, die einen Rückgriff auf diese Vorschriften ausschließen (vgl. auch Senat, Urt. v. 14. Juli 1995, V ZR 45/94, NJW 1995, 2627, 2628). Allerdings werden die Tatgerichte zu prüfen haben, ob die Klägerin Kenntnis von ihrer ab diesem Zeitpunkt fehlenden Besitzberechtigung besaß (§§ 990, 994 Abs. 2, 996 BGB).
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Lemke, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.07.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 322 |
NJW 2002, 130 |
BGHR 2001, 955 |
BGHR |
DNotI-Report 2001, 181 |
NZM 2001, 999 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 621 |
WM 2002, 40 |
ZAP 2001, 1315 |
ZfIR 2001, 828 |
JuS 2002, 501 |
MDR 2001, 1287 |
NJ 2002, 149 |