Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 18.06.2004) |
Tenor
I. Auf die Revisionen der Angeklagten A. und H. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Juni 2004, auch soweit es den Mitangeklagten G. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der Angeklagten H. und G. im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit das Landgericht keine Entscheidung über den Verfall des Wertersatzes getroffen hat.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
IV. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in jeweils 25 Fällen sowie den Angeklagten A. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten H. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der Angeklagte G. ist unter Einbeziehung früherer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, der Angeklagte A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.
Nach den Feststellungen erwarben die Angeklagten H. und G., beide selbst Rauschgiftkonsumenten, im Zeitraum Anfang Oktober 2003 bis zum 5. Januar 2004 in den Niederlanden jeweils auf eigene Rechnung in 25 Fällen mindestens 50 g Marihuana, der Angeklagte H. gelegentlich auch 100 g mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 20 %, das sie mit dem Bus über die Grenze nach Deutschland einführten, hier portionierten, und – jeder für sich – teils verkauften, teils selbst konsumierten. Der Angeklagte H. veräußerte seine Ware in Portionen von 1,6-1,7 g, der Angeklagte G. in solchen von 1,3-1,4 g zum Preis von 10 EUR so lange, bis sie den Einkaufspreis von 165-200 EUR für jeweils 50 g eingenommen hatten. Das übrige Rauschgift konsumierten sie selbst. Der Angeklagte A. war den Angeklagten H. und G. in dem Zeitraum Mitte November 2003 bis zum 5. Januar 2004 als sogenannter „Läufer” beim Absatz des Rauschgifts behilflich, indem er in 25 Fällen mehr als die Hälfte der von diesen jeweils getätigten Verkäufe abwickelte, wofür er täglich 1-2 g Marihuana zum Eigenkonsum erhielt.
Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten H. … und A. führen – auch hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten G. – zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache.
Die auf die unterbliebene Anordnung des Verfalles bzw. des Verfalles des Wertersatzes bezüglich der Angeklagten H. und G. wirksam beschränkte, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt zu dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.
A) Revisionen der Angeklagten H. und A.
Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen tateinheitlich zur Einfuhr begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (H.) bzw. wegen Beihilfe dazu (A.). Zwar hat der Angeklagte H. den Verbrechenstatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, verwirklicht, indem er in 25 Fällen jeweils mindestens 50 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 20 % THC eingeführt hat. Die demnach jeweils eingeführte Mindestmenge von 10 mg THC überstieg den bei 7,5 mg THC liegenden Grenzwert der nicht geringen Menge (BGHSt 42, 1 ff.).
Das gilt jedoch nicht hinsichtlich des nur bezüglich eines Teils der eingeführten Menge tateinheitlich begangenen Handeltreibens. Unter Zugrundelegung eines von der Jugendkammer angenommenen Mindesteinkaufspreises von 165 EUR pro 50 g und des Verkaufspreises von 10 EUR für 1,6 g hätte der Angeklagte H. mit dem Verkauf von 26,4 g den von ihm eingesetzten Einkaufspreis wieder eingenommen, die restlichen 23,6 g wären zum Eigenkonsum bestimmt gewesen. Der Mitangeklagte G. hätte bei einem Verkaufspreis von 10 EUR für 1,3 g sogar lediglich 21,45 g verkaufen müssen, um den Einkaufspreis zu realisieren, während ihm 28,55 g zum Eigenkonsum zur Verfügung gestanden hätten. Angesichts des von der Jugendkammer angenommenen Wirkstoffgehalts von 20 % hätten die Angeklagten H. und G. nur mit 5,28 g bzw. 4,29 g THC und damit unterhalb der nicht geringen Menge Handel getrieben, der Angeklagte A. hätte nur in diesem Umfang Beihilfe geleistet.
Die gemäß § 357 StPO auch auf den nicht revidierenden Angeklagten G. zu erstreckende Aufhebung des Schuldspruchs führt zum Fortfall der Rechtsfolgenaussprüche.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Das Landgericht wird genauere Feststellungen zur jeweils eingeführten Rauschgiftmenge (UA S. 20: „der Angeklagte H. gelegentlich auch 100 g Marihuana”) und zum einerseits für den Handel, andererseits für den Eigenkonsum bestimmten Anteil des in den Niederlanden erworbenen Marihuanas zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob und gegebenenfalls in wieviel Fällen der Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in der Alternative des Handeltreibens verwirklicht ist. In diesem Zusammenhang wird auch das Konsumverhalten der Angeklagten während des hier maßgeblichen Zeitraums genauer aufzuklären sein. Bei der Abgrenzung zwischen Mit- und Nebentäterschaft wird der Tatrichter zu bedenken haben, daß die Angeklagten – wenn ihr eigener Rauschgiftvorrat gerade erschöpft war – wechselseitig über den Vorrat des jeweils anderen verfügen konnten (UA S. 20). Sollte der neu entscheidende Tatrichter wiederum Nebentäterschaft annehmen, wird er zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang sich die Angeklagten H. und G. gegenseitig Beihilfe zum Handeltreiben geleistet haben (z. B. durch Zurverfügungstellung der Wohnung zwecks Aufbewahrung und Portionierung des Rauschgifts).
B) Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, daß die sichergestellten Geldbeträge (140 EUR des Angeklagten H. und 237,40 EUR des Angeklagten G.) nicht gemäß § 73 StGB für verfallen erklärt wurden, übersieht sie, daß die Angeklagten sich ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolles vom 18. Juni 2004 mit der außergerichtlichen Einziehung dieser Beiträge einverstanden erklärt haben.
Rechtsfehlerhaft unterlassen hat die Jugendkammer hingegen die Prüfung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 73 a StGB bezüglich der von den Angeklagten erzielten Verkaufserlöse vorliegen. Dies wird der neu entscheidende Tatrichter nachzuholen und dabei auch zu erwägen haben, ob eine Verfallsanordnung für die Angeklagten eine unbillige Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob in Ausübung des durch § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise abgesehen werden soll (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2005 – 2 StR 402/04).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, RiBGH Rothfuß ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan, Roggenbuck, Appl
Fundstellen