Leitsatz (amtlich)

a) Die einzelnen Klauseln der „Besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung von DV-Programmen” (BVB-Überlassung) sind jeweils für sich an den Bestimmungen des AGBG zu messen und nicht lediglich im Gesamtzusammenhang zu würdigen.

b) § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB-Überlassung, wonach dem Auftraggeber ein Rücktrittsrecht zusteht, wenn bei der Funktionsprüfung Abweichungen von der Leistungsbeschreibung festgestellt werden und ihm im Fall der Ausübung des Rücktrittsrechts – unabhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts – ein pauschalierter Schadensbetrag für 100 Kalendertage zusteht, wenn die Funktionsprüfung ergeben hat, daß das Programm nicht wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann, verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG und ist deshalb unwirksam.

 

Normenkette

AGBG § 9; BVB-Überlassung § 9 Nr. 4 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 31.01.1990; Aktenzeichen 13 U 166/89)

LG Köln

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. Januar 1990 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die Beklagte schloß am 31. Oktober 1986 mit dem G. Ge K., einer Einrichtung des Landes N., einen formularmäßigen Vertrag über die Bereitstellung des EDV-Programms UTeam-Z zur unbefristeten Nutzung durch das Rechenzentrum und die Herbeiführung der vollen Funktionsfähigkeit dieses Programms auf den dortigen Anlagen im Zusammenwirken mit der vorhandenen Software gegen Zahlung einer einmaligen Vergütung. Bestandteil dieses Vertrages waren die in der Beilage Nr. 26/77 zum Bundesanzeiger Nr. 216 vom 19. November 1977 veröffentlichten „Besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung von DV-Programmen (BVB-Überlassung)” vom 4. November 1977.

Für die Prüfung der Einsatzfähigkeit der zu installierenden Programme entsprechend den in der Leistungsbeschreibung festgelegten Einsatzvoraussetzungen (Funktionsprüfung) war im Vertrag ursprünglich eine Zeitspanne von 60 Tagen vorgesehen. Wegen der nicht rechtzeitigen Lieferung einer Komponente wurde diese Zeitspanne von den Parteien einvernehmlich bis zum 31. März 1987 verlängert. Mit Schreiben vom 2. April 1987 teilte das Rechenzentrum der Beklagten mit, die während der Funktionsprüfung erreichte Leistung des EDV-Programms UTeam-Z entspreche nicht der Leistungsbeschreibung, eine Abnahme könne deshalb nicht erklärt werden. Da eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Programms wegen bestimmter, im Schreiben näher bezeichneter Mängel nicht möglich sei, trete sie vom Vertrag zurück und verlange gemäß § 9 Nr. 4 Abs. 2 der formularmäßig vereinbarten „Besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung von DV-Programmen” (im folgenden: BVB) Schadensersatz. Sie sei bereit, den Vertrag wieder aufleben zu lassen, wenn die Beseitigung der Mängel in einer noch festzulegenden Frist zugesichert werde. Es müßte dann eine neue Funktionsprüfung stattfinden.

Mit Schreiben vom 7. April 1987 widersprach die Beklagte dem von der Klägerin erklärten Rücktritt vom Vertrag. Sie verlangte eine angemessene Zeitverlängerung für die Funktionsprüfung. Da sie, die Beklagte, diese Verlängerung der Funktionsprüfung zu vertreten habe, stehe der Klägerin insoweit gemäß § 9 Nr. 4 Abs. 2 der BVB ein pauschalierter Schadensersatz zu, womit sie einverstanden sei.

Weitere Besprechungen der Parteien führten zu keiner Einigung. Der Kläger hielt an seinem erklärten Rücktritt vom Vertrage und seinem Verlangen nach pauschaliertem Schadensersatz fest, den er im Schreiben vom 20. August 1987 auf 5.200,– DM bezifferte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.200,– DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 16. Januar 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr in den Instanzen abgewiesenes Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die Revision rügt die Auslegung der beiden Schreiben der Beklagten vom 7. April und 7. Mai 1987, aus denen sie ein Anerkenntnis der Beklagten zur Leistung des klageweise geltend gemachten, auf § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB gestützten, pauschalierten Schadensersatzes herleiten will.

Die revisionsrechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Auslegung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte hat der auf § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB, gestützten Rücktrittserklärung des Großrechenzentrums im Schreiben vom 7. April 1987 widersprochen. Bei dieser Sachlage ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Tatrichter die im Schreiben der Beklagten vom 7. April 1987 erklärte Zusage zur Leistung von pauschaliertem Schadensersatz auf die vom Großrechenzentrum vorgeschlagene Verlängerung der Zeitspanne um 30 Tage für die Funktionsprüfung bezogen hat (vgl. § 9 Nr. 4 Abs. 1 BVB, wonach 1/30 der monatlichen Überlassungsvergütung für jeden Tag zusätzlicher Funktionsprüfung als pauschalierter Schadensersatz zu zahlen ist). Einen solchen Schadensersatzanspruch verfolgt der Kläger mit seiner Klage nicht.

2. Die Revision rügt weiter, das Berufungsgericht habe übersehen, daß der Kläger sich auf ein Rücktrittsrecht aus § 361 BGB berufen könne, da es sich vorliegend um ein Fixgeschäft gehandelt habe. Einer Fristsetzung mit Ablehnungsdrohung gemäß §§ 636 Abs. 1, 634 Abs. 1 Satz 1 BGB habe es deshalb nicht bedurft. Ein Fixgeschäft sei anzunehmen, weil die Beklagte im Rahmen einer auf 60 Tage festgelegten Funktionsprüfung den Nachweis des richtigen Funktionierens des zu installierenden Programms zu erbringen gehabt habe.

Die Rüge ist unbegründet. Ein Fixgeschäft liegt schon deshalb nicht vor, weil das in Rede stehende Geschäft nach der Vorstellung der Parteien ersichtlich nicht mit der Einhaltung der für die Funktionsprüfung vorgesehenen Frist von längstens 60 Tagen stehen oder fallen sollte. Das zeigt bereits der von der Revision angeführte Umstand, daß die Parteien wegen einer Unterbrechung der Funktionsprüfung aus technischen Gründen einvernehmlich eine Verlängerung des Prüfungszeitraums bis zum 31. März 1987 vereinbart haben. Aus dem Schreiben des Großrechenzentrums vom 2. April 1987 ergibt sich zudem dessen Bereitschaft, auch nach der Erklärung des Rücktritts vom Vertrag, den Vertrag „wieder aufleben zu lassen”, wenn die behaupteten Mängel „im Rahmen einer noch festzulegenden Zeitspanne” beseitigt würden. Daraus hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgeleitet, daß im Streitfall ein Fixgeschäft nicht vorliegt.

Soweit die Revision den Rücktritt vom Vertrag auf § 636 Abs. 1 BGB stützen will, setzt die Berechtigung zum Rücktritt eine mit Ablehnungsdrohung versehene angemessene Fristsetzung voraus. Daß dies geschehen sei, macht die Revision selbst nicht geltend. Zur Entbehrlichkeit einer Fristsetzung mit Ablehnungsdrohung (vgl. § 634 Abs. 2 BGB) hat die Klägerin in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen, insbesondere nicht, daß die Beseitigung der von ihr behaupteten Mängel unmöglich wäre.

3. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, daß § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB keiner isolierten richterlichen Inhaltskontrolle anhand von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unterzogen werden dürfe. Für die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) habe der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine isolierte Inhaltskontrolle einzelner Vorschriften mit der Begründung abgelehnt, dieses Regelwerk unterscheide sich von sonstigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch, daß es nicht einseitig den Vorteil nur einer Vertragsseite berücksichtige. Vom gesetzlichen Leitbild abweichende unvorteilhafte Regelungen würden durch demgegenüber günstige im Rahmen des Gesamtregelwerks kompensiert. Durch eine isolierte Inhaltskontrolle einzelner Klauseln würde diese Interdependenz gestört. Für die BVB, die auf die besonderen Verhältnisse bei der Datenverarbeitung abgestimmten Allgemeinen Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand, gelte nichts anderes. Sie seien unter Federführung des Bundesministers des Inneren im Zusammenwirken mit den einschlägigen Herstellerverbänden erarbeitet worden, um den Vertragsbeteiligten ein Regelwerk mit ausgewogenen und interessegerechten Vertragsbedingungen zur Verfügung zu stellen.

Die Rüge der Revision hat keinen Erfolg.

Soweit die öffentliche Hand ihre Rechtsbeziehungen privatrechtlich gestaltet, nimmt sie hinsichtlich der Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen keine Sonderstellung ein (BGH WM 1984, 1174; vgl. auch BGH ZIP 1981, 989, 990).

Die von der Revision angestellten Erwägungen, mit denen sie eine „Gesamtwürdigung” der BVB auf ihre Ausgewogenheit erreichen möchte, greifen nicht durch.

Bei der VOB/B handelt es sich, ebenso wie bei den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) um Regelwerke, die unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustande gekommen sind und die seit vielen Jahrzehnten weitgehende Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen gefunden haben. Sie sind zu einer „allgemein geregelten Vertragsordnung”, zu einer umfassenden, „fertig bereitliegenden Rechtsordnung” geworden (BGHZ 101, 307, 314; BGHZ 86, 135, 141). Der Bundesgerichtshof hat deshalb nicht die einzelnen Klauseln, sondern diese Regelwerke als Ganzes auf ihre Ausgewogenheit überprüft (BGHZ 86, 135, 141).

Schon von der Geltungsdauer her können die BVB, nicht mit den ADSp oder der VOB/B verglichen werden. Von einer jahrzehntelangen Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen kann keine Rede sein. Vielmehr sind bereits vor ihrem Erlaß unterschiedliche Auffassungen zwischen der öffentlichen Hand und den Herstellern hervorgetreten, die nicht einvernehmlich ausgeräumt werden konnten (vgl. Zahrnt, Die Besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung und die Pflege von DV-Programmen, 2. Aufl. 1988 S. 18, 19; Müller/Hengstenberg CR 1987, 222 f.; Weyer CR 1986, 625 f.). Insbesondere die Verzugsregelung und die Rechtsfolgen des Verzuges (pauschalierter Schadensersatz) sind nach wie vor umstritten (vgl. Müller-Hengstenberg CR 1987, 222, 223 für die BVB-Erstellung). Im übrigen wurden die BVB nicht geschaffen, um ein allgemeines und ausgewogenes Regelwerk für die Überlassung von Computersoftware zu schaffen, sondern um den Belangen der öffentlichen Hand Rechnung zu tragen (vgl. Müller-Hengstenberg, BVB-Computersoftware, 2. Aufl. 1988 S. 18; derselbe CR 1987, 222), die als Nachfragerin mit erheblicher Marktmacht die Anwendung dieser Bedingungen regelmäßig wird durchsetzen können (vgl. Braun/Schwab, Besondere Vertragsbedingungen für die Miete von EDV-Anlagen und -Geräten, 2. Aufl. 1990 S. 12). Ob die BVB außerhalb staatlicher Beschaffungstätigkeit im Bereich der privaten Industrie in größerem Umfang als Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt werden, ist umstritten (vgl. Müller-Hengstenberg aaO S. 18; Braun/Schwab aaO S. 12). Die BVB sind damit weder von ihrer Entstehung, noch von ihrer Zielsetzung, noch vom Umfang ihrer Anerkennung als „fertig bereitliegende Vertragsordnung” unter den beteiligten Verkehrskreisen mit den ADSp oder der VOB/B vergleichbar. Die einzelnen Klauseln sind daher jeweils für sich an den Bestimmungen des AGBG zu messen und nicht lediglich im Gesamtzusammenhang zu würdigen.

4. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Klausel des § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB zu Unrecht wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG als unwirksam angesehen. Im Blick auf die Regelung in § 636 Abs. 1 Satz 2 BGB sei nicht zu erkennen, warum es dem gesetzlichen Leitbild widersprechen solle, wenn dem Kläger in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB das Recht eingeräumt werde, vom Vertrag zurückzutreten und daneben pauschalierten Schadensersatz zu verlangen. Diese Möglichkeit bestehe auch im Werkvertragsrecht. Nach Werkvertragsrecht sei es im Falle des Verzuges möglich, neben dem Rücktrittsrecht auch den entstandenen Verzugsschaden geltend zu machen, der sich nach § 286 BGB richte.

Auch diese Rüge der Revision hat keinen Erfolg.

§ 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB hat folgenden Wortlaut:

„Hat der Auftraggeber seine Leistungen vereinbarungsgemäß erbracht und wurden während der Funktionsprüfung Abweichungen von der Leistungsbeschreibung festgestellt, kann der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten. In diesem Fall zahlt der Auftragnehmer unabhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts pauschalierten Schadensersatz für 100 Kalendertage, wenn die Funktionsprüfung ergeben hat, daß das Programm nicht wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann, es sei denn, der Auftragnehmer weist nach, daß er die Gründe hierfür nicht zu vertreten hat. Ein nach Abs. 1 und § 8 zu leistender pauschalierter Schadensersatz wird angerechnet.”

Die Inhaltskontrolle einer Klausel am Maßstab des § 9 AGBG setzt zunächst eine Auslegung der Klausel nach objektiven Kriterien voraus. Die so ausgelegte Klausel ist sodann daraufhin zu überprüfen, ob sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, insbesondere, ob sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG).

Die Regelung in § 9 Ziff. 4 Abs. 2 BVB sieht vor, daß dem Auftraggeber ein Rücktrittsrecht zusteht, wenn nach vereinbarungsgemäßer Erbringung der Leistungen bei der Funktionsprüfung Abweichungen von der Leistungsbeschreibung festgestellt werden. In diesem Fall schuldet der Auftragnehmer – unabhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts – einen pauschalierten Schadensersatz für 100 Kalendertage, wenn die Funktionsprüfung ergeben hat, daß das Programm nicht wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann.

Diese Klausel weicht vom gesetzlichen Leitbild, das – wie die Parteien nicht in Zweifel ziehen – nach den tatrichterlichen Feststellungen durch die gesetzlichen Regeln des Werkvertragsrechts bestimmt ist, in zwei wesentlichen Punkten ab. Einmal läßt das bürgerliche Recht ganz allgemein bei nicht pünktlicher vertragsgerechter Leistung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung erst zu, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer zuvor eine Frist zur Erfüllung gesetzt hat, die mit der Erklärung verbunden sein muß, daß er die Annahme der Leistung im Falle des fruchtlosen Fristablaufs ablehnen werde (vgl. § 326 Abs. 1 BGB als allgemeine Regelung u. §§ 636 Abs. 1, 634 Abs. 1 BGB für das Werkvertragsrecht). Zum anderen räumt das Gesetz dem Gläubiger im Falle des fruchtlosen Fristablaufs nur die Möglichkeit ein, entweder das Rücktrittsrecht auszuüben oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Wer das Rücktrittsrecht ausgeübt und damit den Vertrag beseitigt hat, kann nicht mehr auf diesen Vertrag als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs zurückgreifen.

Der Senat tritt dem Berufungsgericht in der Beurteilung bei, daß die Regelung in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB sich zum Nachteil des Auftragnehmers weit von den gesetzlichen Regeln des BGB im allgemeinen und den grundlegenden Prinzipien des Werkvertragsrechts im besonderen entfernt und daß dies mit den Geboten von Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbaren ist. Dies hat die Unwirksamkeit der Klausel in diesem Punkt zur Folge (§ 9 Abs. 1 AGBG).

Das Argument der Revision, auch im Werkvertragsrecht könne neben dem Rücktrittsrecht ein Verzugsschaden geltend gemacht werden (§ 636 Abs. 1 Satz 2 BGB), greift nicht durch. Der Regelung in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB kann nicht mit der gebotenen Klarheit (§ 5 AGBG) entnommen werden, daß der dort vorgesehene pauschalierte Schadensersatz ein Ausgleich für einen dem Auftraggeber etwa entstandenen Verzugsschaden sein soll. Dagegen spricht, daß der pauschalierte Schadensersatz „unabhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts … für 100 Kalendertage” zu zahlen ist. Die Höhe eines etwaigen Verzögerungsschadens hängt aber davon ab, wann die Funktionsprüfung abgebrochen und das Rücktrittsrecht ausgeübt worden ist. Das spricht dafür, daß durch die Schadenspauschale in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB nicht nur ein Verzögerungsschaden des Auftraggebers aufgefangen werden soll. Im übrigen ist in § 9 Nr. 4 Abs. 2 letzter Satz BVB eine Anrechnung von pauschalierten Schadensersatzleistungen des Auftragnehmers aus § 9 Nr. 4 Abs. 1 und § 8 BVB vorgesehen. § 9 Nr. 4 Abs. 1 BVB enthält eine Schadenspauschalierung bei einer vom Auftragnehmer zu vertretenden Verlängerung der Funktionsprüfung, in § 8 Abs. 1 BVB ist eine Schadenspauschalierung für den Fall der verzögerlichen Lieferung von Programmen durch den Auftragnehmer vorgesehen. Auch dies spricht dafür, daß durch die Schadenspauschale in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB nicht lediglich ein bereits von § 9 Nr. 4 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 BVB erfaßter Verzugsschaden abgegolten werden soll.

Die Bedenken gegen die Schadenspauschalierung in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB werden noch dadurch verstärkt, daß dem Auftragnehmer nach ihrem erkennbaren Sinn der Nachweis abgeschnitten sein soll, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Dies ergibt sich aus folgendem: Für den Fall der Vertragsverletzung ist in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB apodiktisch festgelegt, daß der Auftragnehmer eine bestimmte Summe, nämlich die Überlassungsvergütung für 100 Tage „zahlt”. Diese Formulierung wird durch die Regelung verstärkt, daß diese Zahlung „unabhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts” zu leisten ist. Hierdurch wird der in § 9 Nr. 4 Abs. 2 BVB festgelegte Schadensbetrag ausdrücklich von den tatsächlichen Verhältnissen abgekoppelt. Aus der Sicht des Auftragnehmers ist damit die Berufung auf die tatsächlichen Verhältnisse abgeschnitten. Außerdem legt die Formulierung in § 9 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 BVB, wonach sich der Auftragnehmer von seiner Schadensersatzpflicht durch den Beweis fehlenden Verschuldens befreien kann, den Rückschluß nahe, daß zwar der Grund des Anspruchs (fehlendes Verschulden) beseitigt werden kann, daß es hinsichtlich der Schadenshöhe aber bei dem zuvor pauschal festgelegten Schadensbetrag bewendet und der Nachweis eines geringeren Schadens nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse nicht offensteht. Daß eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale, unausgewogen ist, wird durch § 11 Nr. 5 b AGBG bestätigt. Auch wenn diese Regelung gemäß § 24 AGBG im kaufmännischen Verkehr keine Anwendung findet, hindert dies nicht, diesen Umstand im Rahmen der Prüfung am Maßstab von § 9 AGBG zum Nachteil des Klauselverwenders mitzuberücksichtigen (vgl. BGH NJW 1984, 1750, 1751).

5. Die auf § 139 ZPO gestützte Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe den anwaltlich vertretenen Kläger veranlassen müssen, den Versuch zu unternehmen, die Klageforderung im Berufungsverfahren mit neuem Sachvortrag auf einen gesetzlichen Anspruch in Form eines Verzugsschadens (§§ 636 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 1 BGB) zu stützen, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 749264

BGHZ

BGHZ, 55

BB 1991, 373

NJW 1991, 976

BGHR

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