Leitsatz (amtlich)
Das Verbraucherkreditgesetz ist auf den Schuldbeitritt zu einem Existenzgründungskredit, nicht aber auf die Bestellung eines diesen Kredit sichernden Grundpfandrechts durch den Beitretenden oder einen Dritten entsprechend anwendbar.
Normenkette
VerbrKrG §§ 3, 6
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin zu 2) werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 19. September 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung zurückgewiesen worden ist, und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 28. Juni 1994 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird festgestellt, daß der Beklagten gegen die Klägerin zu 2) keine Ansprüche aus dem im Kreditvertrag vom 17. November 1991 erklärten Schuldbeitritt zustehen.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Der Kläger zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) tragen sie selbst 19 % und die Beklagte 81 %.
Von den erstinstanzlichen Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger je 16 % und die Beklagte 68 %.
Von den in der Berufungsinstanz entstandenen Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1) 50 %, die Klägerin zu 2) 9 % und die. Beklagte 41 %.
Von den in der Revisionsinstanz entstandenen Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1) 33 %, die Klägerin zu 2) 13 % und die Beklagte 54 %.
Tatbestand
Die Klägerin zu 2) wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde; außerdem begehrt sie die Feststellung, daß der Beklagten gegen sie keine Ansprüche aus einer Schuldmitverpflichtung zustehen, die sie für einen Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers zu 1) übernommen hat, und daß die Grundschuldbestellung unwirksam ist.
Der Kläger zu 1) schloß mit der Beklagten am 17. November 1991 einen Ratenkreditvertrag über 225.282 DM. Mit dem Kredit wollte er einen Sattelzug für ein zu gründendes Fuhrunternehmen kaufen. Die Klägerin zu 2) übernahm im Kreditvertrag die gesamtschuldnerische Haftung. Als Sicherheit für den Kredit übereignete der Kläger zu 1) den gekauften Sattelzug und trat einen Anspruch auf Mehrwertsteuerrückvergütung an die Beklagte ab; die Klägerin zu 2) bestellte am 19. November 1991 an ihrem Grundstück eine Grundschuld in Höhe von 40.000 DM und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung daraus.
Da der Kredit trotz mehrfacher Mahnung ab Mitte 1992 nicht mehr bedient wurde, kündigte ihn die Beklagte am 14. Juli 1993, verwertete den Sattelzug und zog den Mehrwertsteuerrückvergütungsanspruch ein. Der Kredit war danach noch in Höhe von 173.374,08 DM offen. Zur Einleitung der Zwangsvollstreckung hat die Beklagte die vollstreckbare Grundschuldbestellungsurkunde zustellen lassen.
Die Klägerin zu 2) hält ihren Schuldbeitritt im Kreditvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbraucherkreditgesetz sowie wegen Sittenwidrigkeit – infolgedessen auch die Grundschuldbestellung – für unwirksam.
Das Berufungsgericht hat dem Begehren des Klägers zu 1), die Unwirksamkeit der Grundschuldbestellung festzustellen, und seiner Vollstreckungsabwehrklage stattgegeben, weil die vom Kläger zu 1) als Nichteigentümer des Grundstücks im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung abgegebenen Erklärungen „ins Leere” gegangen seien; im übrigen hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Landgerichts bestätigt. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers zu 1) hat der erkennende Senat nicht angenommen. Die Klägerin zu 2) verfolgt mit der Revision ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin zu 2) ist zum überwiegenden Teil begründet.
1. Das Berufungsgericht hält den Schuldbeitritt der Klägerin zu 2) zu der sich aus einem Existenzgründungsdarlehen ergebenden Rückzahlungsverpflichtung des Klägers zu 1) für wirksam: Auf den Kreditvertrag sei das Verbraucherkreditgesetz nicht anwendbar (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG). Da dieser Vertrag – auch bezüglich des Schuldbeitritts – „nach einheitlichen rechtlichen Kriterien” zu beurteilen sei, könne die Klägerin zu 2) sich nicht auf Formmängel (§ 6 VerbrKrG) berufen. Ihre auf Feststellung der Nichtigkeit der Grundschuldbestellung gerichtete Klage sei unzulässig, weil sie die Löschung der Grundschuld durch Leistungsklage begehren könne. Da sie gegen die Vollstreckbarkeit des notariellen Titels keine Einwendungen erheben könne, sei ihre Vollstreckungsabwehrklage unbegründet.
2. Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kreditvertrag im Hinblick auf die Mitverpflichtung der Klägerin zu 2) wegen Formmangels unwirksam (§§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 6 Abs. 1 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990).
Das Berufungsgericht geht irrig davon aus, daß im vorliegenden Fall das Verbraucherkreditgesetz nicht auf den Schuldbeitritt anwendbar sei, weil die Beurteilung nach „einheitlichen rechtlichen Kriterien”, also eine Gesamtbetrachtung, ergebe, daß es sich auch im Verhältnis zur Klägerin zu 2) um ein Existenzgründungsdarlehen i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG handele. Für den Schuldbeitritt zu einem gewerblichen Kredit hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, daß im Wege der Einzelbetrachtung auf das Verhältnis des Kreditgebers zu dem jeweiligen Mitverpflichteten abzustellen ist, die – entsprechende – Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mitverpflichtung also nicht ausgeschlossen ist, wenn der Kreditnehmer, dem die Kreditmittel zur Verfügung gestellt werden, diese zu gewerblichen Zwecken einsetzt. Entscheidend ist, ob in der Person des Mitverpflichteten die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes erfüllt sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 151/95, WM 1996, 1258 ff., und vom 10. Juli 1996 – VIII ZR 213/95, WM 1996, 1781 ff.; Senatsurteil vom 12. November 1996 – XI ZR 202/95, ZIP 1997, 158 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Für den Fall eines Existenzgründungsdarlehens kann schon im Interesse einer Vermeidung von Wertungswidersprüchen nichts anderes gelten. Auch hier ist darauf abzustellen, ob der Mitverpflichtete als Verbraucher im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes anzusehen ist.
Da in der Person der Klägerin zu 2) die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes vorliegen, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit ihrer Schuldmitverpflichtung von § 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG in der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung auszugehen.
Nach dieser Vorschrift müssen im Kreditvertrag Angaben zur Höhe des Nettokredits, zum Zinssatz und zu den sonstigen, im einzelnen zu bezeichnenden Kosten enthalten sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Höhe des Nettokredits ist nicht genannt; außerdem ist das sich erst aus einem Tilgungsplan vom 16. Dezember 1991 ergebende Aufgeld von insgesamt 2.199,32 DM nicht aufgeführt. Der Vertrag ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 VerbrKrG a.F. unwirksam. Er ist auch nicht im Hinblick auf die Mitverpflichtung der Klägerin zu 2) nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F. gültig geworden, weil der Kredit nicht an die Klägerin zu 2), sondern dem Kläger zu 1) durch auftragsgemäße Überweisung an den Verkäufer des Sattelzuges zur Verfügung gestellt worden ist, also nur er Empfänger des Darlehens im Sinne von § 6 Abs. 2 VerbrKrG a.F. ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 12. November 1996 a.a.O.).
Der Antrag der Klägerin zu 2) festzustellen, daß die Beklagte aus dem Schuldbeitritt keine Ansprüche gegen sie hat, erweist sich somit als begründet.
3. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Grundschuldbestellung durch die Klägerin zu 2) als unzulässig angesehen, weil sie in der Lage sei, durch Leistungsklage die Löschung der Grundschuld zu verlangen.
Dieser Auffassung liegt eine Verkennung des Klagebegehrens zugrunde. Die Klägerin zu 2) macht nicht einen Rückgewähranspruch mit dem Ziel der Löschung geltend, sondern will die Unwirksamkeit ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärungen bei der Grundschuldbestellung festgestellt haben. Eine Klage mit diesem Ziel ist nicht unzulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, so daß das Berufungsurteil insoweit im Ergebnis zutreffend ist.
Die Klägerin zu 2) hat die Grundschuld zur Sicherung des an den Kläger zu 1) gewährten Kredits bestellt. Gründe dafür, daß dieses Geschäft, bei dem sie als Dritte ein Grundpfandrecht als Sicherungsmittel zur Verfügung stellt, unwirksam ist, sind nicht ersichtlich. Es handelt sich dabei insbesondere nicht um einen Kreditvertrag im Sinne von § 1 Abs. 2 VerbrKrG oder ein einem solchen Vertrag gleichstehendes Geschäft; die grundpfandrechtliche Absicherung durch Dritte und die damit verbundene Zweckabrede werden von Zweck des Verbraucherkreditgesetzes nicht erfaßt. Die Gesichtspunkte, die zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auch auf derartige Geschäfte führen, spielen hier keine Rolle.
4. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin zu 2) gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde keine Einwendungen erheben kann und deshalb ihre Vollstreckungsabwehrklage unbegründet ist.
Nach der konkludeten Zweckerklärung sichert die Grundschuld das an den Kläger zu 1) ausgezahlte Darlehen. Daß der Beklagten gegen den Kläger zu 1) ein Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 173.374,08 DM zusteht, ist durch Abweisung seiner negativen Feststellungsklage zwischen diesen Parteien rechtskräftig festgestellt. Die Klägerin zu 2) hat sich zur Begründung ihrer Vollstreckungsabwehrklage nur auf dieselben, im Berufungsurteil zutreffend abgehandelten Argumente berufen, auf die der Kläger zu 1) seine negative Feststellungsklage gestützt hat; die Ausführungen, die ihre eigene – schon in Analogie zu § 6 Abs. 1 VerbrKrG unwirksame – schuldrechtliche Verpflichtung betreffen, sind im vorliegenden Zusammenhang ohne entscheidende Bedeutung.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder, Dr. Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 1825800 |
NJW 1997, 1442 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 643 |
MDR 1997, 438 |
ZBB 1997, 180 |