Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 10.06.2015) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 10. Juni 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erweist sich zum Schuldspruch aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch bleibt das Rechtsmittel erfolglos.
Rz. 2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen geriet der Angeklagte nach einem Diskothekenbesuch mit seinem Bruder, dem später Geschädigten, in einen heftigen Streit, der über mehrere Stunden hinweg an verschiedenen Orten immer wieder aufflammte. Nachdem der Geschädigte nach einem erfolglosen Versöhnungsversuch die Wohnung der Mutter verlassen hatte, warf der Angeklagte aus einem Fenster des Hauses ein Messer in der Größe eines Brotmessers nach seinem Bruder, den er – wie beabsichtigt – im oberen Bereich des Rückens traf. Dabei war ihm bewusst, dass dieses Vorgehen „generell lebensgefährlich” war, was er billigend in Kauf nahm. Tötungsvorsatz hatte er nicht. Der Geschädigte erlitt durch das Auftreffen des Messers eine Stichverletzung, die ihm erhebliche Schmerzen bereitete und mit zwölf Stichen genäht werden musste. Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) gewertet.
Rz. 3
Der Angeklagte entschuldigte sich in der Hauptverhandlung bei seinem Bruder, der die Entschuldigung annahm und die Sache damit als erledigt betrachtete.
Rz. 4
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts stellt es keine Lücke in den Urteilsgründen dar, dass das Landgericht ohne Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB im Rahmen der Strafzumessung lediglich allgemein zugunsten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er sich bei seinem Bruder entschuldigt habe. Das Landgericht musste sich durch die in der Hauptverhandlung ausgesprochene Entschuldigung gegenüber dem Bruder zu einer Prüfung der Voraussetzungen des § 46a StGB nicht veranlasst sehen, da diese nicht auf eine vom Bemühen um einen umfassenden Ausgleich mit dem Verletzten getragene Wiedergutmachung hinweist.
Rz. 5
a) Eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil” wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646; Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30).
Rz. 6
b) Eine Wiedergutmachung in diesem Sinne liegt nach den Feststellungen fern. Zwar steht es grundsätzlich einer Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht im Wege, wenn ein Opfer dem Täter den Ausgleich in der Weise leicht macht, dass es an das Maß der Wiedergutmachungsbemühungen keine hohen Anforderungen stellt und schnell zu einer Versöhnung bereit ist (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 41/01, StV 2001, 457). Doch liegt es angesichts des das Leben des Geschädigten jedenfalls abstrakt gefährdenden Messerwurfs nicht nahe, dass die bloße Entschuldigung des Angeklagten, auch wenn der Geschädigte diese angenommen hat, eine umfassende Versöhnung zwischen Täter und Opfer bewirkt hat. Der Angeklagte selbst hat in seiner Einlassung angegeben, dass eine Versöhnung nach dem Vorfall zunächst nicht gelungen sei, vielmehr erst ein Jahr später stattgefunden habe und das Verhältnis zu seinem Bruder auch weiterhin „nicht das beste” sei, auch wenn man sich wieder vertrage. Es spricht nichts dafür, dass sich diese – ersichtlich weiterhin nicht unbelastete – Beziehung zwischen den Brüdern allein durch die später in der Hauptverhandlung ausgesprochene Entschuldigung im Sinne einer umfassenden Aussöhnung verändert hätte. Vor diesem Hintergrund musste sich das Landgericht allein durch die ausgesprochene Entschuldigung nicht gedrängt sehen, sich mit einer Strafmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO), die zu weiteren Feststellungen zu einem etwaigen Schadensausgleich geführt hätte, ist nicht gerügt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 – 3 StR 276/12, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 10).
Unterschriften
Becker, Schäfer, Gericke, Spaniol, Tiemann
Fundstellen
Haufe-Index 9178608 |
ZAP 2016, 405 |
StRR 2016, 16 |
StRR 2016, 3 |