Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 9. Mai 2000
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall B. 2 der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt wird,
- im Ausspruch über die in diesem Falle verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs in Tateinheit mit „sexueller Nötigung … unter den Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB” (Fall B. 1; zur Bezeichnung als „Vergewaltigung” vgl. BGHR StGB § 177 II Strafrahmenwahl 10) und wegen sexueller Nötigung (Fall B. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Die Revision der Nebenklägerin beanstandet mit der Sachrüge, daß die Strafkammer im Fall B. 2 die Voraussetzungen der Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht angenommen und zudem zu Unrecht einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 StGB bejaht hat, obgleich sie die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB (Beischlaf) als erfüllt angesehen hat. Zudem macht sie mit der Aufklärungsrüge geltend, daß ihre Vernehmung zu den Folgen der Tat geboten gewesen sei.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit die Nichtanwendung des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB gerügt wird. Dies führt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs im Fall B. 2, so daß es auf die Frage der Zulässigkeit der weiteren, sich allein gegen die Straffestsetzung wendenden Beanstandungen nicht ankommt.
1. Die Revision ist zulässig, soweit Ziel des Rechtsmittels eine Verurteilung des Angeklagten nach dem Nebenklagedelikt des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB ist (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO). Denn bei der Vorschrift des § 177 Abs. 3 StGB handelt es sich – anders als etwa bei der Strafzumessungsvorschrift des besonders schweren Falles nach § 177 Abs. 2 StGB – um einen Qualifikationstatbestand. Im 6. Strafrechtsreformgesetz wurde die Strafzumessungsvorschrift des § 177 Abs. 3 StGB i.d.F. des 33. StrÄndG durch die Qualifikationsnormen des § 177 Abs. 3 und 4 StGB i.d.F. des 6. StrRG ersetzt (vgl. BTDrucks. 13/9064 S. 12; BGHR StGB § 177 III Nr. 2 Werkzeug 1 = NStZ 1999, 242 f.). Damit steht die richtige Anwendung einer den Schuldspruch betreffenden Rechtsnorm in Frage, die Gegenstand einer zulässigen Revision eines Nebenklägers sein kann. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Gesetzgeber die Qualifikationsnorm nicht in der Form eines eigenen Paragraphen mit eigener Überschrift, sondern nur als Absatz innerhalb eines Tatbestands mit einem Grundtatbestand (Abs. 1), zwei Qualifikationen (Abs. 3 und 4) und Strafzumessungsvorschriften (Abs. 2 und 5) ausgestaltet hat (vgl. zur entsprechenden Fallgestaltung bei § 226 Abs. 2 StGB: BGH, Urt. vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 327/00, zur Veröffentlichung bestimmt).
2. Die Revision ist insoweit auch begründet. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte zur Durchführung des gewaltsamen Geschlechtsverkehrs die Hände der Nebenklägerin, einer auf dem Straßenstrich tätigen Prostituierten, mit zwei Plastikschnellbindern auf den Rücken gefesselt und deren Füße mit einem speziellen, aus einem Holzstab mit zwei Lederriemen bestehenden Fesselungswerkzeug so gefesselt, daß ihre Beine gespreizt blieben.
Die eigens zu diesem Zweck mitgeführten und bereitgelegten Fesselungsmaterialien stellen Werkzeuge i.S. des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, die der Angeklagte bei sich führte, um damit den von ihm erwarteten Widerstand der Geschädigten durch Gewalt zu verhindern (BGHR StGB § 177 III Nr. 2 Werkzeug 1 = NStZ 1999, 242 f.).
Da die getroffenen Feststellungen zur Verwendung der Fesselungswerkzeuge auf dem Geständnis des Angeklagten beruhen und auszuschließen ist, daß in einer neuen Verhandlung insoweit weitere Erkenntnisse getroffen werden können, hat der Senat nach Erteilung eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO den Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO abgeändert und nunmehr auf § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB gestützt. Dabei hat der Senat dem Umstand, daß die Tat des Angeklagten die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt, dadurch Rechnung getragen, daß er sie mit der in der gesetzlichen Überschrift des § 177 StGB enthaltenen Bezeichnung „Vergewaltigung” gekennzeichnet hat (vgl. dazu BGHR StGB § 177 II Strafrahmenwahl 10). Es besteht kein Anlaß, von dieser Tatbezeichnung auf die der „sexuellen Nötigung” nach § 177 Abs. 1 StGB nur deswegen zurückzugehen, weil der Täter zusätzlich zu einer Vergewaltigung weitere qualifizierende Merkmale nach § 177 Abs. 3 oder 4 StGB erfüllt (vgl. zum umgekehrten Fall der Verneinung der Indizwirkung des Regelbeispiels BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 357).
Der neue Tatrichter wird bei der Entscheidung über den anzuwendenden Strafrahmen und über die Festsetzung der Strafe Gelegenheit haben, der Frage der Folgen der Tat für die Geschädigte nachzugehen.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 557855 |
NStZ 2001, 420 |