Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchter Mord
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 22. März 2000 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen gehören der Angeklagte und der Nebenkläger Josef H. miteinander verfeindeten Landfahrerfamilien an. In der Vergangenheit waren der Angeklagte und seine Angehörigen mehrfach vom Nebenkläger oder dessen Brüdern mit Schußwaffen angegriffen worden. Am Morgen des 19. Oktober 1999 näherte sich der Angeklagte in einer Bäckerei von hinten dem an der Theke wartenden Josef H., der ihn nicht bemerkte, und stieß ihm mit voller Wucht ein Messer zweimal in die linke hintere Körperseite und einmal in den linken Brustkorb, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte erlitt lebensgefährliche Verletzungen.
2. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Oktober 2000 bleibt die Revision mit allen verfahrensrechtlichen Beanstandungen und mit den sachlichrechtlichen Einwendungen gegen den Schuldspruch ohne Erfolg.
3. Auch der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Das Landgericht, das die für Mord angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert und einen Strafrahmen von drei bis zu 15 Jahren angenommen hat, durfte zu Lasten des Angeklagten dessen vorausgegangene Verurteilung wegen versuchten Mordes berücksichtigen, da sie entgegen der Meinung der Revision nicht tilgungsreif (§ 51 Abs. 1 BZRG) war. Die Tilgungsfrist setzt sich zusammen aus der Frist von fünf Jahren gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) BZRG sowie der verhängten (vgl. BGHR BZRG § 46 I Tilgungsfrist 2) Jugendstrafe von sechs Jahren (§ 46 Abs. 3 BZRG) und betrug somit insgesamt elf Jahre. Für die Fristberechnung kommt es nach §§ 36 Satz 1, 47 Abs. 1 BZRG auf den Tag der Verurteilung – den 13. August 1970 – und nicht auf den der Tatbegehung an (vgl. Rebmann/Uhlig, Bundeszentralregistergesetz 1985 § 47 Rdn. 14). Vor Ablauf der Tilgungsfrist ist der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 22. Juli 1981 wegen vorsätzlichen Fahrens eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden. Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG ist beim Eintrag mehrerer Verurteilungen im Bundeszentralregister die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Eintragungen die Tilgungsvoraussetzungen vorliegen, wobei es auf Art und Höhe der Verurteilungen nicht ankommt (vgl. Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz 4. Aufl. § 47 Rdn. 14).
Das Landgericht hat ausdrücklich bedacht, daß die Verurteilungen wegen versuchten Mordes vom 13. August 1970 und wegen vorsätzlicher Körperverletzung vom 11. März 1986 schon lange Zeit zurückliegen und der Angeklagte seitdem nicht mehr mit Aggressionsdelikten in Erscheinung getreten ist. Auch stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten dessen Alter sowie dessen Behinderung wegen der im Jahre 1992 durchgeführten Bypassoperation nach einem Herzinfarkt angeführt hat. Da das Landgericht diese Umstände in anderem Zusammenhang erörtert hat, schließt der Senat aus, daß sie ihm im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein könnten. Außerdem handelt es sich insoweit nicht um bestimmende Strafzumessungserwägungen, weil das Alter von 50 Jahren noch nicht als hoch (vgl. BGHR § 46 I Schuldausgleich 20) und der Zustand nach der Bypassoperation nicht als schwere Erkrankung anzusehen sind, so daß eine wesentlich erhöhte Strafempfindlichkeit wegen einer nur noch geringen Lebenserwartung nicht besteht (vgl. BGHR § 46 I Schuldausgleich 3, 7 und 19). Eine Strafmilderung allein deshalb, weil der Angeklagte nicht mit direktem, sondern nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, mußte das Landgericht nicht vornehmen, da die Vorsatzform nur im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters eine taugliche Beurteilungsgrundlage bildet und eine bedingt vorsätzliche Tötung aus nichtigem Anlaß schwerer wiegen kann, als eine mit direktem Vorsatz verübte Tat (vgl. BGH NJW 1981, 2204; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 86; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 33). Der von der Verteidigung behauptete Widerspruch zwischen dem straferschwerend gewerteten Umstand eines in der Öffentlichkeit begangenen Aggressionsdelikts und der Annahme von Heimtücke liegt nicht vor. Die Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen, der dauerhaft entstellenden Narben und der Narbenschmerzen zu Lasten des Angeklagten ist zulässig, ohne daß wegen der tateinheitlich verwirklichten schweren Körperverletzung gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoßen wird (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 305 a).
Die posttraumatische Belastungsstörung des Angeklagten als Folge eines 1994 erfolgten Schußwaffenangriffs hat die Kammer ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt. Der Vorwurf der Verteidigung, sie sei nur unzureichend gewertet worden, ist lediglich der unzulässige Versuch, die eigene Wertung an die des Tatrichters zu setzen. Das angefochtene Urteil mußte sich nicht mit der fernliegenden Möglichkeit auseinandersetzen, bei der Tat könne es sich um eine die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit begründende Auswirkung der lange zurückliegenden posttraumatischen Belastungsstörung gehandelt haben.
Entgegen der Meinung der Verteidigung ist schließlich auch die Erwägung des Landgerichts, die im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Freiheitsstrafe von 14 Jahren sei auch zur Einwirkung sowohl auf den Angeklagten als auch dessen Umfeld – wegen der vorangegangenen Aggressionsdelikte zwischen den verfeindeten Landfahrerfamilien – erforderlich, trotz der mißverständlichen Formulierung im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da es die verhängte Strafe auch ohne Berücksichtigung dieser präventiven Gedanken unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte für tat- und schuldangemessen gehalten hat, war entsprechend § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB allein die Schuld des Angeklagten ihre Grundlage. Die für die Strafhöhe nicht tragenden Gesichtspunkte der Spezial- und Generalprävention hat das Landgericht lediglich bestätigend angeführt, ohne den Bereich der schuldangemessenen Strafe zu verlassen (vgl. BHGR StGB § 46 I Generalprävention 8 und 10; Schäfer, aaO Rdn. 351 f.).
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen