Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenpatient
Leitsatz (amtlich)
Der Kassenpatient, der zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus überwiesen wird, tritt in vertragliche Beziehungen nur zu dem die Ambulanz kraft kassenärztlicher Beteiligung gem. § 368a Abs. 8 RVO betreibenden Chefarzt, nicht aber in solche zu dem Krankenhausträger. Das gilt auch dann, wenn die Behandlung in der Krankenhausambulanz von einem nachgeordneten Klinikarzt durchgeführt wird.
Normenkette
BGB §§ 276-277; RVO § 368a Abs. 8
Tatbestand
Der beklagte Landkreis ist Träger des Krankenhauses R. Er hat als Chefarzt Dr. L. angestellt und ihm im Anstellungsvertrag nebst Zusatzvertrag u. a. die Erlaubnis erteilt, als Nebentätigkeit eine Ambulanz zu betreiben. Dr. L. kann dafür persönliche und sachliche Mittel des Krankenhauses in Anspruch nehmen und hat das im vereinbarten Rahmen zu vergüten. Er ist ferner, beschränkt auf Überweisungen durch Kassenärzte und auf die zum Fachgebiet der inneren Krankheiten gehörenden ärztlichen Leistungen, gemäß § 368 a Abs. 8 RVO in Verbindung mit § 29 ZOÄ an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung beteiligt.
Die klagenden Eheleute wollten sich darüber ärztlich beraten lassen, ob die Erstklägerin Konduktorin (mögliche Vererberin) von Hämophilie sei. Ihr Bruder war nämlich im siebenten Lebensjahr an dieser Bluterkrankheit gestorben. Der Hausarzt überwies deshalb die Erstklägerin, die Kassenpatientin war, an das Krankenhaus R. Sie stellte sich dort am 11. Januar 1979 in der Ambulanz vor, wo sie von dem Oberarzt Dr. S. behandelt wurde. Die erhobenen medizinischen Befunde ergaben zunächst keinen Hinweis auf Hämophilie A. Nach telefonischer Beratung mit einem Arzt der Universitätsklinik T. vereinbarte der Oberarzt Dr. S. mit der Erstklägerin eine weitere Untersuchung ihres Blutes auf den sogenannten Faktor VIII - Spiegel. Auf seine Veranlassung hin wurde eine Blutprobe (mit einem Anschreiben im Namen des Chefarztes Dr. L.) gemäß telefonischer Absprache mit einer dortigen medizinisch-technischen Assistentin an das Gerinnungslabor des Städtischen Krankenhauses K. übersandt. Das Ergebnis des (nicht unterzeichneten) Testberichtes dieses Labors, wonach der Faktor VIII mit 88 % einen Normalwert ergeben habe, teilte Dr. S. dem Hausarzt der Erstklägerin mit und fügte hinzu, es sei somit - auch nach Auskunft der Universitätsklinik T. - unwahrscheinlich, daß Frau St. (die Erstklägerin) Konduktorin sei. Das Laborergebnis war indessen unrichtig; die Erstklägerin war Konduktorin für Hämophilie A. Am 23. August 1981 hat sie das Kind Alexander geboren, das an einer schweren Form von Hämophilie A leidet.
Die Kläger haben in erster Instanz von dem Chefarzt Dr. L., dem Oberarzt Dr. S. sowie von dem Beklagten Feststellung der Ersatzpflicht für alle Schäden begehrt, die ihnen infolge der Bluterkrankheit ihres Sohnes Alexander in Zukunft entstehen werden. Sie werfen den Ärzten Fehler bei der Bestimmung des Gerinnungsfaktors vor und behaupten, bei Kenntnis des zutreffenden Befundes würden sie auf Kinder verzichtet haben.
Der Beklagte und die Stadt K. als Trägerin des Städtischen Krankenhauses K., die ihm in zweiter Instanz als Streithelferin beigetreten ist, haben ärztliche Fehler nach dem seinerzeit vorauszusetzenden Wissensstand bestritten. Die Streithelferin hat insbesondere geltend gemacht, Vertragspartner der Kläger sei nur der Chefarzt Dr. L. gewesen.
Das Landgericht hat die Klage gegen die in Anspruch genommenen Ärzte abgewiesen, derjenigen gegen den Beklagten jedoch stattgegeben. Dessen Berufung hatte keinen Erfolg. Seine Revision führte zur Abweisung auch der gegen ihn gerichteten Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, zwischen den Klägern und dem Beklagten als Träger des Krankenhauses R. sei ein Behandlungsvertrag über die genetische Untersuchung und Beratung im Hinblick auf Hämophilie A zustande gekommen. In Anlehnung an die Entscheidung des erkennenden Senates BGHZ 95, 63 erwägt es u. a.: Auch der Kassenpatient trete zu dem behandelnden Arzt in eine direkte vertragliche Beziehung, der Krankenhauspatient daneben zu dem Träger des Krankenhauses. Im Regelfall werde der Pflichtenkreis des Krankenhauses, an das er überwiesen werde, nicht dadurch eingeschränkt, daß die Behandlung dem liquidationsberechtigten Chefarzt überlassen werde. Auch im ambulanten Bereich bleibe das Krankenhaus diejenige Institution, die die ärztlichen Leistungen anbiete. Diese Leistungen wolle der Patient in aller Regel auch vom Krankenhaus erhalten. Ohne eindeutige abweichende Klarstellung könne der Kassenpatient nicht damit rechnen, daß die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in der Ambulanz ihm den Chefarzt, mit dem er ohnehin selten in Kontakt kommen werde, als Haftungsschuldner verschaffe, er dafür aber den Krankenhausträger aus der Haftung entlasse. Demnach sei, so meint das Berufungsgericht, der Krankenhausträger bei ambulanter Behandlung eines Kassenpatienten diesem zum fehlerfreien Erbringen aller ärztlichen Leistungen verpflichtet. Deshalb habe der Beklagte für Fehler des hinzugezogenen Gerinnungslabors des Städtischen Krankenhauses K. nach § 278 BGB einzustehen. Erst recht hafte er für Fehler anderer, von ihm angestellter, bei der ärztlichen Versorgung des Patienten tätig gewordener Ärzte, die seine Erfüllungsgehilfen seien. Dahingestellt bleiben könne, ob er für vertragliches Fehlverhalten seines Chefarztes nach § 31 BGB (Organhaftung) oder nach § 278 BGB (Haftung für Erfüllungsgehilfen) einzustehen habe.
Sodann führt das Berufungsgericht aus, jedenfalls die Ärzte des Städtischen Krankenhauses K. hätten schuldhaft ihre Sorgfaltspflicht bei der Bestimmung des Gerinnungsfaktors und der Beratung der Kläger verletzt; das sei auch ursächlich für die Zeugung des Sohnes Alexander der Kläger gewesen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war der Beklagte als Träger des Krankenhauses R. nicht Vertragspartner der Kläger. Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung des ärztlichen Behandlungsvertrages, auf die die Kläger ihre Ersatzansprüche allein stützen können, bestehen deshalb gegen ihn nicht.
1.
Die ambulante Versorgung von Kassenpatienten gehört, von Notfällen abgesehen, nicht zu den Aufgaben eines Krankenhauses. Dessen Aufgabe ist in der gesetzlichen Krankenversicherung primär die ärztliche Behandlung bei Krankenhauspflege, also die stationäre Behandlung der Patienten (§§ 184, 368 g Abs. 6 RVO), während die ambulante Behandlung der Sozialversicherten in erster Linie den nicht in ein Krankenhaus eingebundenen, frei praktizierenden Ärzten (einschließlich der Belegärzte) vorbehalten ist (BVerfGE 16, 286, 298 = NJW 1963, 1607 ff.; BSGE 56, 111, 114; 56, 228 f.; BAG Urt. vom 14. Dezember 1982 - 6 RKa 24/81 - SozR 2200 § 368 a RVO Nr. 7).
Dementsprechend wird die ambulante Behandlung primär durch die zugelassenen Kassenärzte sichergestellt. Chefärzte von Krankenhäusern nehmen an der kassenärztlichen Versorgung nur teil, wenn sie vom Zulassungsausschuß eine "Beteiligung‹ nach § 368 a Abs. 8 RVO erhalten haben. Aufgrund dieser beteiligungsärztlichen Stellung können sie vom Kassenpatienten nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden, sondern nur auf Überweisung durch einen Kassenarzt und nur für diejenige ärztliche Tätigkeit, auf die sich ihr Beteiligungsrecht erstreckt (BVerfGE aaO). Ohne eine solche Beteiligung des Chefarztes können die besonderen Einrichtungen eines Krankenhauses für die Kassenpatienten aufgrund besonderer Vereinbarungen zwischen kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhausträger gemäß § 368 n Abs. 2 Satz 2 RVO für besondere ärztliche Versorgungsleistungen nutzbar gemacht werden. Darum geht es aber im Streitfall nicht.
2.
Diese gesetzliche Regelung bestimmt den Inhalt der Rechtsbeziehungen eines Kassenpatienten, der zum Zwecke der ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus überwiesen wird, zu den ihn dort behandelnden Ärzten und dem Krankenhausträger.
a)
Mit der Überweisung des Kassenpatienten in die Krankenhausambulanz und der Aufnahme zur Behandlung dort kommt ein Behandlungsvertrag zwischen dem Kassenpatienten und dem beteiligten Chefarzt zustande. Dieser Vertrag ist eingebettet in die öffentlich-rechtliche Ordnung der kassenärztlichen Versorgung mit ihrer öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen dem Kassenmitglied und seiner Krankenkasse, deren Verband und der Kassenärztlichen Vereinigung, und schließlich dem dieser zugehörenden Kassenarzt bzw. an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten Chefarzt. Diese Viererbeziehung wird maßgeblich bestimmt durch den zwischen dem Verband der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung geschlossenen Gesamtvertrag, der den Leistungsrahmen der kassenärztlichen Versorgung und der Vergütung der Ärzte näher festlegt. In den Grenzen dieses öffentlich-rechtlichen Rahmens ist das Behandlungsverhältnis zwischen dem Kassenpatienten und seinem Arzt, den § 368 d Nr. 4 RVO diesem gegenüber ausdrücklich zur "Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts‹ verpflichtet, jedoch privatrechtlich geordnet: Der Patient ist mit dem Kassenarzt bzw. dem an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten Chefarzt in einem privatrechtlichen Behandlungsvertrag verbunden, durch den er eigene vertragliche Ansprüche gegen den Arzt im Rahmen des erörterten öffentlich-rechtlichen Verhältnisses erhält (BGHZ 97, 273, 276; Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht RWS Skript 137 2. Auflage S. 9 f.; Deutsch in Deutsch/Matthies, Arzthaftungsrecht - Grundlagen pp. - RWS Skript 148 2. Auflage S. 7 f. m. N.).
b)
Vertragspartner des Kassenpatienten, der an die Krankenhausambulanz überwiesen wird, ist ausschließlich der an der kassenärztlichen ambulanten Versorgung beteiligte Chefarzt. Das beruht auf folgenden Erwägungen: Die dargelegte sozialversicherungsrechtliche Regelung läßt klar erkennen, daß der Chefarzt derjenige ist, der über seine Mitgliedschaft bei der Kassenärztlichen Vereinigung durch den öffentlich-rechtlichen Gesamtvertrag mit der Krankenkasse des Kassenpatienten verbunden ist. Die Überweisung des Hausarztes, die richtigerweise nicht auf das Krankenhaus, sondern auf den an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten Chefarzt Dr. L. hätte lauten müssen, ist für die Krankenkasse, die Kassenärztliche Vereinigung und den Chefarzt unmißverständlich. Das Krankenhaus als ›Institution‹, also der Krankenhausträger, soll die ambulante Behandlung des Kassenpatienten nicht übernehmen, sondern der Chefarzt der Ambulanz, der sozialversicherungsrechtlich gegenüber dem Kassenpatienten allein dazu befugt ist, sofern es nicht um eine Einweisung zur stationären Behandlung oder um eine Notfallbehandlung in der Ambulanz geht. Der Kassenpatient seinerseits wird sich in der Regel kaum eigene Gedanken darüber machen, wer von den in der Krankenhausambulanz tätigen Ärzten als sein Vertragspartner anzusehen ist. Er will von dem Arzt behandelt werden, an den er überwiesen ist, und wird sich allenfalls vorstellen, daß es sich dabei um den Arzt handelt, der dafür über die Kassenärztliche Vereinigung das Honorar erhält. Mit der Aufnahme in die Ambulanz des Chefarztes, an den die Überweisung trotz ihres allgemeinen Hinweises gerichtet war, ist die Erstklägerin mithin Patientin des Chefarztes geworden, und dieser hatte sie grundsätzlich auch persönlich zu behandeln (vgl. § 32 ZOÄ und den ausdrücklichen Hinweis darauf im Beteiligungsbeschluß des Zulassungsausschußes vom 21. Juni 1972).
c)
An dieser rechtlichen Beurteilung ändert nichts der Umstand, daß der Chefarzt Dr. L. seiner Verpflichtung zur persönlichen Behandlung der Patientin nicht nachgekommen ist, sondern diese Behandlung vollständig dem Oberarzt Dr. S. überlassen hat. Zwar verstieß er damit gegen die Auflagen in dem kassenärztlichen Beteiligungsbeschluß und gegen die Vorschrift des § 32 ZOÄ. Ein Vertretungsfall lag nicht vor; keine der Parteien hat vorgetragen, daß Dr. L. im konkreten Fall an einer persönlichen Behandlung der Erstklägerin gehindert war.
aa)
Der Oberarzt Dr. S. hat keine vertragliche Behandlungsverpflichtung gegenüber der Erstklägerin übernommen und wollte eine solche auch nicht übernehmen. Im Rahmen der vom Chefarzt als an der kassenärztlichen Versorgung Beteiligtem wahrzunehmenden ärztlichen Tätigkeit war er dessen Vertreter in der Ambulanz. Mangels einer eigenen beteiligungsärztlichen Zulassung war er nicht der Arzt, an den die Erstklägerin von ihrem Hausarzt überwiesen worden war. Er hat sicher nicht daran gedacht, er selbst könne dieser Patientin gegenüber eigene Vertragspflichten haben. Soweit der Krankenhausträger als Vertragspartner der Patientin in Betracht kommen könnte - dazu wird Näheres gleich auszuführen sein -, könnte er allenfalls als dessen Erfüllungsgehilfe tätig geworden sein.
bb)
Der Krankenhausträger ist, wie eingangs ausgeführt, bei der Überweisung eines Kassenpatienten in die Ambulanz des beteiligten Chefarztes in die sozialversicherungsrechtlichen und bürgerlich-rechtlichen Beziehungen nicht einbezogen. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinen vertraglichen Abmachungen mit dem Chefarzt, die diesem als Nebentätigkeit das Betreiben der Ambulanz in den Räumen und unter Zuhilfenahme persönlicher und sachlicher Mittel des Krankenhauses gestatten. Der Chefarztvertrag regelt nur die internen Beziehungen zwischen Chefarzt und Krankenhausträger. Er gibt Auskunft darüber, in welchem Umfange der Chefarzt für Nebentätigkeiten freigestellt wird, und er regelt, welche Gegenleistungen der Chefarzt dafür zu erbringen hat, daß er Einrichtungen des Krankenhauses benutzen und das Personal des Krankenhauses mit einsetzen darf. Übt der Chefarzt in der Ambulanz seine beteiligungsärztliche Nebentätigkeit aus, dann ist er insoweit keinen Weisungen des Krankenhausträgers unterworfen. Er behandelt die ihm überwiesenen Kassenpatienten in eigener Verantwortung, nicht anders als ein niedergelassener Kassenarzt. Daß der Krankenhausträger aus dem Dienstvertrag berechtigt ist, den Chefarzt zur Einhaltung der Vereinbarungen über Art und Umfang der Nebentätigkeit im allgemeinen anzuhalten, ist rechtlich ohne Bedeutung für die Beziehungen zwischen dem Chefarzt und dem einzelnen Patienten, dessen Behandlung er übernommen hat.
cc)
Freilich kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß der Krankenhausträger im Streitfall eine Organisation der Krankenhausambulanz mindestens geduldet hat, die im Widerspruch zu der Verpflichtung des Chefarztes stand, die in die Ambulanz überwiesenen Kassenpatienten persönlich zu behandeln. Organisatorische Maßnahmen, die nach außen hin sichtbar machen, welche Patienten in der Ambulanz Patienten des Krankenhauses sind (etwa Notfallpatienten oder stationär aufgenommene, in der Ambulanz zu behandelnde), und welche Kassenpatienten des Chefarzts sind, werden freilich wenig praktikabel sein. Immerhin müssen, wenn die persönliche Behandlung überwiesener Kassenpatienten durch den Chefarzt gewährleistet sein soll, die Zuständigkeiten geregelt sein. Ob das in der Ambulanz des beklagten Krankenhausträgers der Fall war, ist jedenfalls nicht festgestellt. Für die Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, daß eine Behandlung durch den Chefarzt selbst (von zulässigen Vertretungsfällen abgesehen) nicht gewährleistet war. Es spricht manches dafür, daß die Ambulanz mithin weitgehend unter dem falschen Etikett einer Chefarztbeteiligung unzulässiger Weise zur Krankenhausambulanz geworden war (vgl. dazu schon BVerfGE 16, 280, 301 ff.). Das wird dann dem Krankenhausträger nicht verborgen geblieben sein, und er mag das deswegen stillschweigend geduldet haben, weil er selbst durchaus davon materielle Vorteile haben konnte.
Indessen führt auch der Umstand, daß der Krankenhausträger eine unzulässige Praxis der Behandlung von überwiesenen Kassenpatienten durch nachgeordnete Ärzte des Krankenhauses organisatorisch ermöglicht und geduldet hat, nicht zu einer vertraglichen Mithaftung aus dem Behandlungsvertrag zwischen dem beteiligten Chefarzt und dem in seine Ambulanz überwiesenen Kassenpatienten. An ihn ist, auch wenn der überwiesene Patient in der Ambulanz praktisch von einem seiner angestellten Ärzte und nicht vom Chefarzt behandelt wird, dieser Patient nicht überwiesen. Dieser bleibt deshalb Patient des zur Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Chefarztes, und nur für diesen rechnet die Krankenkasse über die Kassenärztliche Vereinigung ab. Darüber treten, soweit ersichtlich, in der Praxis auch keine Mißverständnisse auf. Sozialrechtliche Sanktionen gegen den Mißbrauch der kassenärztlichen Beteiligung durch den Chefarzt können sich auch nicht gegen den Krankenhausträger, sondern nur gegen den Chefarzt richten. Der Krankenhausträger wird allenfalls mittelbar betroffen, wenn etwa dem Chefarzt die Beteiligung entzogen wird. Schließlich kann schwerlich angenommen werden, daß der Krankenhausträger überhaupt den Willen hat, mit dem in die Ambulanz überwiesenen Kassenpatienten in vertragliche Beziehungen zu treten. Andererseits schafft der Krankenhausträger durch sein Handeln nach außen auch keinen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Patienten derart, daß dieser das Krankenhaus deswegen als zusätzlichen Haftungsschuldner im ärztlichen Behandlungsverhältnis ansehen darf und der Krankenhausträger sich an einem entsprechenden Erklärungsverhalten festhalten lassen müßte. Weder die Überweisung in die Krankenhausambulanz noch die Art und Weise, in der der Krankenhausträger dem Patienten in dieser Ambulanz begegnet, legen das dem Patienten in einer Weise nahe, daß sein Vertrauen geschützt werden müßte. Der Kassenpatient wird zwar annehmen, er werde jetzt ›im Krankenhaus‹ behandelt, dies aber schwerlich deswegen, weil die Überweisung fälschlich nicht auf den Chefarzt selbst ausgestellt war - ein Erklärungsverhalten, das darüber hinaus nicht vom Krankenhausträger ausgegangen ist und auf das er keinen Einfluß hatte -, sondern deswegen, weil er zur Behandlung in das Krankenhaus zu gehen hat, das in seinen Räumen eine Ambulanz unterhält. Er wird, wie eingangs schon erörtert, als seinen Vertragspartner denjenigen Arzt ansehen, der auch nach Ansicht des die Behandlung honorierenden Sozialversicherungsträgers der Vertragsschuldner ist, wenn er sich darüber überhaupt Gedanken macht. Ob der in der Ambulanz für ihn sichtbar tätige und ihn behandelnde Klinikarzt den Chefarzt deswegen vertritt, weil dieser im konkreten Fall an einer persönlichen Behandlung verhindert ist, oder aber deswegen, weil der Chefarzt seiner Verpflichtung zur persönlichen Behandlung nicht nachkommt, obwohl er sich nicht vertreten lassen müßte, kann der Patient in der Regel ebenso wenig beurteilen wie er abschätzen kann, ob diejenigen Patienten, die sich gerade in der Ambulanz aufhalten, Krankenhauspatienten sind oder solche des Chefarztes in der Ambulanz. Dieser Unterschied muß ihm auch nicht verdeutlicht werden. Er erwartet wahrscheinlich, eine besonders qualifizierte Behandlung in der Krankenambulanz zu erhalten, weil ihm ersichtlich die dort bereitstehende gute personelle und sachliche Ausstattung zugute kommt. Daß er im Falle eines Fehlschlags der Behandlung deswegen neben dem behandelnden Arzt einen zusätzlichen Haftungsschuldner im Krankenhausträger hat, wird ihm indessen nicht derart nahegelegt, daß er darauf vertrauen kann.
Zu Unrecht verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 18. Juni 1985 (BGHZ 95, 63 ff.). Zum einen ging es bei jenem Fall nicht um die Behandlung eines Kassenpatienten, die die erörterten sozialrechtlichen Besonderheiten aufweist. Zum anderen unterscheidet sich die Lage des Privatpatienten, der wie im damals entschiedenen Fall ein Krankenhaus zum Zwecke der stationären Behandlung aufsucht, grundsätzlich von derjenigen eines in die Krankenhausambulanz überwiesenen Kassenpatienten: Der stationär aufgenommene Privatpatient schließt einen die ärztliche und pflegerische Betreuung umfassenden Krankenhausaufnahmevertrag von vornherein mit dem Krankenhausträger ab, und es geht dann nur darum, ob er mit der zusätzlichen Wahl gesondert zu liquidierender ärztlicher Leistungen insoweit den Krankenhausträger aus der vertraglichen Haftung entläßt. Im Streitfall dagegen kontrahiert der Patient mit dem Chefarzt und kann sich nur fragen, ob er, ohne auf die Rechtslage hingewiesen worden zu sein, den Krankenhausträger als zusätzlichen Haftungsschuldner erhält. Deswegen sind die Erwägungen, mit denen der erkennende Senat seinerzeit für eine stationäre Behandlung die Haftung des Krankenhausträgers auch für Fehler des selbst liquidierenden Chefarztes bejaht hat, auf den Streitfall nicht übertragbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1456547 |
BGHZ, 363 |
NJW 1987, 2289 |