Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Entscheidung vom 19.11.1968) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. November 1968 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die G. Gesellschaft für Auslandsbesitz & Co. KG in W. (im folgenden KG genannt) schloß mit dem Beklagten am 1. Oktober 1966 in Mitterndorf, Österreich, einen schriftlichen Kaufvertrag über "App. Haus II, App. Nr. 235, 1 Zimmer" zum Preis von 47.500 DM. Zwischen ihnen gilt österreichisches Recht als vereinbart (Nr. 4). Der Beklagte sollte auf den Kaufpreis Wechselakzepte geben. Er gab der KG ein Akzept über 10.000 DM und drei Akzepte über je 2.783,05 DM. Danach schrieb die KG dem Beklagten, nach ihrer Feststellung entsprächen die ihr "übersandten Finanzierungsakzepte nicht den Formvorschriften des deutschen Wechselgesetzes"; sie hat deshalb den Beklagten, 16 neu vorbereitete Wechsel zu unterzeichnen und zurückzusenden. Am 19. November 1966 teilte die KG dem Beklagten u.a. folgendes mit:
"...
Die grundbuchlichen Voraussetzungen sind nunmehr soweit geschaffen, daß die Teilungserklärung und somit auch die grundbuchliche Eigentumsübertragung vollzogen werden kann.
Aus rein steuerlichen Gründen haben wir im Interesse unserer Kundschaft eine österreichische Tochtergesellschaft die "E. GmbH A." mit Sitz in S., gegründet, die das Grundstück, auf dem das Appartementhaus II errichtet wurde, erworben hat.
Durch diese Maßnahme ist nach der zur Zeit herrschenden Rechtsprechung aller Wahrscheinlichkeit nach die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gegeben. ....
Aus diesem Grunde ist auch die Unterzeichnung eines neuen Kaufvertrages zur notariellen und grundbuchlichen Einverleibung notwendig. ...."
Einen unterschriftsreifen Entwurf dieses Kaufvertrages, in dem die E. GmbH in S. dem Beklagten den Liegenschaftsanteil von 51/4.465 verkaufte, übersandte Rechtsanwalt Dr. St. dem Beklagten mit Schreiben vom 23. November 1966. Am 5. Dezember und 7. Dezember 1966 forderte die KG den Beklagten auf, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, insbesondere die neuen Wechsel zu akzeptieren und der Klägerin zu übersenden. Auf wiederholte Mahnungen der KG, den Kaufpreis zu zahlen, antwortete der Beklagte der Klägerin am 8. Dezember 1966. Unter anderm erklärte er, die KG sei nicht berechtigt, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Verkäuferin nachzuschieben. Gegenüber der Mitteilung Dr. St., daß "die Abwicklung der Geschäfte der E. allerdings zufolge internen Übereinkommens von der C. vorgenommen" werde, bestand der Beklagte zunächst darauf, daß als Wohnungsverkäuferin, wie im Vertrag vom 1. Oktober 1966 benannt, die "C." auftritt. Im übrigen stellte der Beklagte, sofern die "E. GmbH" oder "E. - A. GmbH" als Verkäuferin auftreten soll, für die Passung des Kaufvertrags und seine Abwicklung bestimmte Bedingungen. Ferner behielt er sich den Rücktritt vom Vertrag für den Fall vor, daß die Klägerin nicht binnen 10 Tagen auf die Bedingungen eingeht. Da die KG dem Beklagten daraufhin nicht antwortete, erklärte er mit Schreiben vom 9. Januar 1967 den Rücktritt von dem am 1. Oktober 1966 geschlossenen Vertrag. Zum vorgesehenen Austausch der alten gegen die neuen Akzepte war es nicht gekommen. Die "alten" Wechsel gingen zu Protest. Die Klägerin erhob wegen dieser Wechsel im Wechselprozeß Klage. Sie erlangte drei Urteile, in denen jeweils der Beklagte zur Zahlung der Wechselsummen und Kosten verurteilt wurde. In allen drei Urteilen wurde dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Der Beklagte hat in allen drei Sachen die Einleitung des Nachverfahrens beantragt. Das Landgericht hat diese drei Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Nachverfahren hat sich der Beklagte in erster Linie auf den von ihm erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag berufen und u.a. vorgetragen, bei Beachtung österreichischen Rechts sei der Rücktrittsgrund darin zu sehen, daß die Klägerin, die am 1. Oktober 1966 noch Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei, sich die Erfüllung des Vertrags dadurch schuldhaft unmöglich gemacht habe, daß sie nach dem 1. Oktober 1966 dasselbe Grundstück an die E. GmbH in S. verkauft habe. Rein vorsorglich werde der Rücktritt nochmals erklärt.
Der Beklagte hat (zusammengefaßt) beantragt,
die Vorbehaltsurteile vom 8. September 1967, vom 12. September 1967 und vom 11. Oktober 1967 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Anträge des Beklagten auf Aufhebung der drei genannten Vorbehaltsurteile und Klagabweisung zurückzuweisen, die Vorbehaltsurteile aufrechtzuerhalten und sie für vorbehaltslos zu erklären.
Sie hat u.a. angeführt: Sie habe niemals behauptet, Eigentümerin des Grundstückes zu sein. Ihr stehe jedoch die unbeschränkte und unwiderrufliche Verfügungsmacht über die Grundstücke der E. GmbH zu. Ihr sei die Vertragserfüllung möglich. Dem Beklagten habe kein Rücktrittsrecht zugestanden. Sie sei im übrigen bereit, jetzt zu erklären, daß sie für die Erfüllung der Verkäuferpflichten durch die E. GmbH einstehe. Sie sei auch weiterhin bereit, nach ihrer Zwischeneintragung das Grundstück von sich auf den Beklagten zu übertragen.
Durch Urteil vom 29. Dezember 1967 hat das Landgericht die Vorbehaltsurteile des Landgerichts Stuttgart vom 8. September 1967, vom 12. September 1967 und vom 11. Oktober 1967 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie hat ihren Antrag weiterverfolgt, die drei Vorbehaltsurteile des Landgerichts aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte hat das angefochtene Urteil verteidigt.
Beide Parteien haben ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzt.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie erstrebt die Aufrechterhaltung der drei Vorbehaltsurteile des Landgerichts. Der Beklagte bittet, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe den Vertrag vom 1. Oktober 1966 nicht auf die bedungene Weise erfüllt und dadurch eine Verzögerung herbeigeführt (vgl. § 918 Abs. 1, 3. Alternative ABGB). Der Beklagte habe den Rücktritt spätestens in seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 1967 (erneut) erklärt; zu diesem Zeitpunkt habe eine endgültige Weigerung der Klägerin vorgelegen, den Vertrag gemäß der ihr obliegenden Verpflichtung zu erfüllen. Die Weigerung gehe daraus hervor, daß die Klägerin den Beklagten aus den Wechseln in Anspruch genommen hatte, ohne ihrerseits eine vertragsgerechte Erfüllung anzubieten.
II.
A)
Die Revision rügt zunächst, das Berufungsgericht habe §§ 293, 549 ZPO verletzt. Es habe unterlassen, Inhalt und Bedeutung der österreichischen Rechtsnormen zu ermitteln, die hier anzuwenden waren. Es habe die in Betracht kommenden Bestimmungen des österreichischen Rechts (ABGB) allein auf Grund der Anschauung ausgelegt, "die es unter Verwendung von Rechtsvorstellungen, die es bei der Anwendung deutschen Rechts allein aus dem Wortlaut gewonnen hat". Das Berufungsgericht habe "die" Rechtsprechung österreichischer Gerichte nicht berücksichtigt. Es hätte sonst zu der Feststellung gelangen müssen, daß beim Verkauf von Sachen, die dem Verkäufer nicht gehören, dieser lediglich die Garantie dafür übernimmt, daß die Sachen für den Käufer "beschafft" werden. § 1404 ABGB gestatte ausdrücklich, daß der Schuldner die Erfüllung einem Dritten überlasse. Das Berufungsgericht habe bei Auslegung von Nr. 1 der Ergänzungsbestimmungen zum Vertrag vom 1. Oktober 1966 nicht die Absicht der Parteien erforscht und den Vertrag nicht so verstanden, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (§ 914 ABGB).
Die Rügen greifen nicht durch.
Dem Berufungsgericht waren, wie die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils ergeben, die einschlägigen Vorschriften des österreichischen Rechts bekannt. Über diese Bestimmungen wurde in den Vorinstanzen verhandelt (vgl. BGH Urteil vom 1. Dezember 1967 - Ib ZR 171/65, WM 1968, 309, 310). Es ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß das Berufungsgericht die ihm obliegende Pflicht verletzt hat, von allen ihm zugänglichen Erkenntnisquellen Gebrauch zu machen. Wie sich das Oberlandesgericht die Kenntnis des österreichischen Rechts, die zur Beurteilung des Sachverhalts erforderlich war, verschaffte, stand bei ihm (vgl. BGH Urteil vom 29. Oktober 1962 - II ZR 28/62, WM 1962, 1392, 1393). Es brauchte, wie die Revisionsbeantwortung zutreffend bemerkt, keinen Sachverständigenbeweis zu erheben. Die Ausführungen des Berufungsrichters ergeben ferner nicht, daß er Auslegungsregeln des österreichischen Rechts nicht angewendet hat (vgl. BGH Urteil vom 16. Juni 1969 - VII ZR 119/67, WM 1969, 1140) oder "die" Rechtsprechung österreichischer Gerichte (vgl. BGH Urteil vom 4. Februar 1960 - II ZR 133/59, WM 1960, 374, 375) nicht beachtet hat. In Wahrheit bezweckt die Revision mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe gegen die Pflicht verstoßen, das ausländische Recht zu ermitteln, die Nachprüfung des nach § 549 ZPO irrevisiblen österreichischen Rechts. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, die Ausführungen des Oberlandesgerichts über das ausländische Recht seien nicht erschöpfend, rügt sie Verletzung ausländischen Rechts. Damit kann sie nach § 549 ZPO ebensowenig durchdringen wie mit der Behauptung, eine Vorschrift des österreichischen Rechts sei zu Unrecht angewandt worden oder ihre Anwendung sei zu Unrecht unterblieben (vgl. BGH Urteil vom 29. Oktober 1962 a.a.O.). Diese Beurteilung muß gegenüber dem Vortrag der Revision zur Rechtsstellung des Verkäufers, dem die verkaufte Sache nicht gehört, wie zur Nichtanwendung des § 1404 und des § 914 ABGB Platz greifen. Im übrigen lassen die Angriffe der Revision die für den Tatrichter entscheidende und aus Rechtsgründen nicht angreifbare Feststellung außer acht, daß die Klägerin, ungeachtet ihrer aus dem Vertrag vom 1. Oktober 1966 folgenden Verkäuferpflichten, vom Beklagten die Unterzeichnung eines neuen Kaufvertrags über die Eigentumswohnung mit einer anderen Verkäuferin verlangte und erst nach diesem Vertragsschluß die Übertragung des Eigentums an der Wohnung erfolgen sollte.
B)
Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Streitstoff übersehen, es hätte bei der Würdigung von Nr. 1 Satz 2 der Ergänzungsbestimmungen zum Vertrag vom 1. Oktober 1966 auch dessen Satz 2 (gemeint ist offenbar Satz 3) heranziehen müssen, ist folgendes zu bemerken:
Handelt es sich um Fragen, die nach nichtrevisiblem Recht zu entscheiden sind, können grundsätzlich keine Revisionsrügen aus § 286 ZPO erhoben werden. Dieser Grundsatz greift nur dann nicht Platz, wenn vom Standpunkt der Auslegung aus, die das Berufungsgericht selbst dem ausländischen Recht gibt, die Vorschrift des § 286 ZPO insofern verletzt ist, als das Berufungsgericht ein Vorbringen, einen Beweisantrag oder das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme übersehen hat, obwohl es vom Rechtsstandpunkt aus, den es für das nichtrevisible Recht eingenommen hat, beachtlich war (vgl. BGHZ 3, 342, 346 f und Urteil vom 19. Juni 1970 - V ZR 151/67, WM 1970, 933). Daß der Berufungsrichter Nr. 1 Satz 3 der Ergänzungsbestimmungen, wie die Revision meint, übersehen hat, kann nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht angenommen werden; dort ist auf die gesamten Ergänzungsbestimmungen hingewiesen. Der Berufungsrichter hat aber auch den weiteren in diesem Zusammenhang von der Revision hervorgehobenen Vortrag der Klägerin ausweislich des Tatbestands ersichtlich nicht unberücksichtigt gelassen. Schon deshalb kann die Rüge, § 286 ZPO sei verletzt, nicht durchgreifen.
III.
Da das angefochtene Urteil auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen läßt, ist das Rechtsmittel mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018665 |
IPRspr. 1971, 2 |