Leitsatz (amtlich)
a) Zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung kann der Betroffene den Störer grundsätzlich nicht nur auf Berichtigung, sondern auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.
b) Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insb. der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.
c) Als Störer i.S.v. § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 08.07.2014; Aktenzeichen 7 U 60/13) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 31.05.2013; Aktenzeichen 324 O 550/12) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen OLG vom 8.7.2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen aus dem Artikel vom 24.9.2010 gerichtete Hilfsantrag abgewiesen und der auf Schadensersatz gerichtete weitere Hilfsantrag als verspätet angesehen worden ist.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die klagende Aktiengesellschaft nimmt den Beklagten auf Löschung von im Internet abrufbaren Äußerungen in Anspruch.
Rz. 2
Der Beklagte ist Rechtsanwalt und war für die heute nicht mehr existierende Kanzlei Dr. S. & v. B. als freier Mitarbeiter tätig. Im Auftrag von Aktionären der Klägerin nahm er diese gerichtlich auf Erfüllung eines Vertrags über den Rückkauf von Aktien der Klägerin in Anspruch. Auf der Homepage der Kanzlei Dr. S. & v. B. wurde zeitnah über die Klageerhebung berichtet. Der Beitrag wurde später gelöscht. Vom 24.9.2010 an waren in dem Internetportal des B. e.V. und in dem Internetportal "recht§billig" mit dem Foto des Beklagten bebilderte Beiträge abrufbar, in dem unter voller Namensnennung wie folgt über die Klageerhebung berichtet wurde:
Rz. 3
"Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. hat für Aktionäre Zahlungsklage gegen die A. & L. AG in H. erhoben. Die Aktionäre fordern die Erfüllung von Kaufzusagen bezüglich ihrer Aktien durch die A. & L. AG.
Rz. 4
Mit einem Emissionsprospekt warb die A. & L. AG im Jahre 2000 im Rahmen einer Kapitalerhöhung um Aktionäre. Angeboten wurden 10 Mio. Stück Aktien ohne Nennwert zum Verkaufspreis von 5 EUR. Die Gesellschaft wollte sich mit dem Kapital an Unternehmen in "interessanten aufstrebenden Branchen" beteiligen. Den umworbenen Anlegern wurde der baldige Börsengang zugesagt, ein Ziel, das der Alleinvorstand der Aktiengesellschaft schon bald wieder aufgab.
Rz. 5
Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Mindestens seit 2003 fand weder eine Hauptversammlung statt, noch gab es Geschäftsberichte. Dividendenzahlungen blieben völlig aus. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert.
Rz. 6
Die B. e.V. Anlegerschutzkanzlei Dr. S. & v. B. verfolgt mit der Klage das Ziel, dass von der A. & L. AG der bereits mehrfach zugesagte Kaufpreis für die Aktien nunmehr tatsächlich auch bezahlt wird.
Rz. 7
Betroffene Investoren können sich der Interessengemeinschaft "A. & L. AG" im B. e.V. anschließen."
Rz. 8
Nach einer Abmahnung des Beklagten war die Berichterstattung dort nicht mehr abrufbar. Die Klägerin stellte allerdings in der Folgezeit fest, dass eine entsprechende Berichterstattung unter der Überschrift "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" in verschiedenen anderen Internetportalen abrufbar war. Die Berichterstattung war über Suchmaschinen abrufbar.
Rz. 9
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels vom 24.9.2010 "Zahlungsklage gegen A. & L. AG erhoben" zu bewirken. In einem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr jeden Schaden zu erstatten, der ihr infolge der jederzeitigen Abrufbarkeit des beanstandeten Artikels im Internet entstanden ist oder noch entstehen wird. Das LG hat die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem OLG hat die Klägerin hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung folgender Passagen aus dem Artikel zu bewirken: "Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der A. & L. AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert." Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 10
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Löschungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Zwar sei der Beklagte jedenfalls Mittäter hinsichtlich der zunächst auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren Veröffentlichung. Da der Beitrag jedoch bereits vor Klageerhebung aus dem Internetauftritt herausgenommen worden sei, gehe das Löschungsbegehren insoweit ins Leere. Es könne offenbleiben, ob der Beklagte auch Täter hinsichtlich dieses oder eines inhaltsgleichen Beitrags auf den Seiten des B. e.V. sei, da auch diese Veröffentlichungen vor Klageerhebung gelöscht worden seien. Für die Folgeveröffentlichungen im Internet hafte der Beklagte nicht. Dass er Täter oder Teilnehmer hinsichtlich der Folgeveröffentlichungen sei, behaupte die Klägerin nicht. Der Beklagte sei aber auch nicht Störer. Als Störer sei verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der ursprüngliche Beitrag des Beklagten für die in Rede stehenden Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal gewesen sei. Es entspreche nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Beitrag des Beklagten ohne sein Zutun unter der möglichen Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen von Dritten veröffentlicht werde. Abgesehen davon habe der Beklagte nicht - wie für die Störerhaftung erforderlich - zumutbare Verhaltenspflichten verletzt. Es sei ihm nicht zuzumuten, fremde Internetauftritte zu überprüfen. Aber auch wenn er von rechtswidrigen Veröffentlichungen wisse, bestehe für ihn keine Löschungspflicht. Denn er sei nicht in der Lage, die Störung zu beseitigen, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetauftritte habe. Zwar möge es Fälle geben, in denen einer Unterlassungsverpflichtung nur dadurch Genüge getan werden könne, dass aktiv in den Kausalverlauf eingegriffen werde. Dies könne aber nicht auf Fälle erstreckt werden, in denen - wie im Streitfall - die als rechtswidrig reklamierten Veröffentlichungen ohne Zutun durch den in Anspruch Genommenen erfolgten. Den mit - vom LG nachgelassenen - Schriftsatz nachgeschobenen und auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag habe das LG zu Recht unberücksichtigt gelassen. Er sei verspätet.
II.
Rz. 11
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen kann, die Löschung des gesamten, im Internet abrufbaren Artikels zu bewirken. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der von der Klägerin mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden. Dem Berufungsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es den auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag als verspätet angesehen hat.
Rz. 12
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der auf Bewirkung der Löschung des gesamten, im Internet aufrufbaren Artikels gerichtete Hauptantrag unbegründet ist.
Rz. 13
a) Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, dass der Betroffene gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, die sein Ansehen in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabsetzen, in entsprechender Anwendung von §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, 824 BGB zivilrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen kann (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 14, 16; v. 13.1.2015 - VI ZR 386/13, VersR 2015, 336 Rz. 10, 15; v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 6 f., 11; v. 22.6.1982 - VI ZR 251/80, AfP 1982, 217, 218, jeweils m.w.N.). Er kann den Störer nicht nur gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog auf Unterlassung weiterer Störungen, sondern in entsprechender Anwendung von Satz 1 dieser Bestimmung auch auf Beseitigung eines durch die unwahren Tatsachenbehauptungen geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung in Anspruch nehmen, der sich für ihn als eine stetig sich erneuernde und fortwirkende Quelle der Ehrverletzung darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326 ff., 332 f.; BGH, Urt. v. 12.1.1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702; v. 28.9.1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285, 2286; BVerfG AfP 1997, 619, 620; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl., Vor §§ 823 ff. Rz. 79 ff., § 823 Rz. 241 ff.; Rixecker in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rz. 219 ff.; Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823C 271; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., Einf. v. § 823 Rz. 38; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., 22. Kapitel, Rz. 2; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rz. 28 sowie zum Beseitigungsanspruch in Gestalt der Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung bei unzulässiger Meinungsäußerung: BGH, Urt. v. 25.11.1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 136 ff.). Eine besondere Ausprägung des Anspruchs auf Beseitigung einer durch unwahre Tatsachenbehauptungen herbeigeführten fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist der von der Rechtsprechung entwickelte Berichtigungsanspruch (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.11.2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rz. 13 m.w.N.). Hierauf beschränkt sich der Beseitigungsanspruch aber nicht (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 327 ff.; BVerfG AfP 1997, 619, 620 zum Anspruch auf Ergänzung einer Berichterstattung im Rahmen eines "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs"; Rixecker in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 221; Staudinger/Hager, a.a.O., C 270). Vielmehr kann der Betroffene den Störer zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung grundsätzlich auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 62 ff. sowie Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11.6.2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.6.2015.pdf).
Rz. 14
Dem steht nicht entgegen, dass es der Senat in seinem Urteil vom 3.5.1977 (VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332 ff.) abgelehnt hat, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Ehrenschutzes über die Rechtsbehelfe der Unterlassung und der Berichtigung hinaus durch Zulassung einer Klage auf Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung zu erweitern. Denn tragend für diese Entscheidung war, dass Gegenstand der begehrten Feststellung nicht - wie in § 256 ZPO vorausgesetzt - das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern eine bloße Vorfrage für die Rechtsbeziehungen der Parteien war, auf die eine Feststellungsklage nicht gestützt werden kann (ebenda S. 332).
Rz. 15
Für die Anerkennung eines Beseitigungsanspruchs in Gestalt der Löschung bzw. des Hinwirkens auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen spricht demgegenüber seine Nähe zum Unterlassungsanspruch. Die Löschung bzw. das Hinwirken auf diese ist in ihren Wirkungen für den Störer und in ihrem Zweck für den Betroffenen der Unterlassung unwahrer Tatsachenbehauptungen angenähert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nämlich nicht in bloßem Nichtstun. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rz. 16 zur titulierten Unterlassungsverpflichtung; BGH, Urt. v. 22.10.1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 64; Beschl. v. 25.1.2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rz. 17, jeweils m.w.N.).
Rz. 16
Als Mittel zur Beendigung einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung ist das im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs geltend gemachte Löschungsbegehren allerdings nicht von geringeren sachlich-rechtlichen und beweismäßigen Voraussetzungen abhängig als die bisher anerkannten Rechtsbehelfe (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 335 f.; v. 25.11.1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138). Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann dementsprechend nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insb. der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 337; v. 25.11.1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138; v. 18.11.2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rz. 40; BGH, Urt. v. 12.1.1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702 f.; v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 62 ff.; MünchKomm/BGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rz. 223; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rz. 25; Kamps in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rz. 33 f., 49; jeweils m.w.N.).
Rz. 17
b) Nach diesen Grundsätzen scheitert der Hauptantrag bereits daran, dass er weit über das Ziel hinausschießt. Eine Löschung des gesamten Artikels ist zum Schutze des geschäftlichen Ansehens der Klägerin vor der Fortwirkung einer etwaigen rechtswidrigen Beeinträchtigung nicht erforderlich. Denn der Artikel enthält eine Vielzahl von Aussagen, die entweder ersichtlich zutreffend oder von der Klägerin nicht als unzutreffend beanstandet worden sind und damit die Rechte der Klägerin nicht verletzen (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1992 - I ZR 58/90, GRUR 1992, 527, 529).
Rz. 18
2. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann aber der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Löschung einzelner Passagen des Artikels zu bewirken, nicht vollumfänglich verneint werden.
Rz. 19
a) Die Klägerin hat ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren wirksam in den Rechtsstreit eingeführt. Es ist allerdings nicht bereits als Minus im Hauptantrag mitenthalten. Die von der Klägerin gestellten Anträge sind so auszulegen, dass sie mit dem Hauptantrag ausschließlich das Bewirken der Löschung des gesamten Artikels begehrt hat. Denn sie hat nach dem Hinweis des Vorsitzenden in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sie könne nicht den gesamten Artikel "verbieten" lassen, an ihrem Hauptantrag uneingeschränkt festgehalten und ihr eingeschränktes Beseitigungsbegehren ausdrücklich zum Gegenstand eines selbständigen Hilfsantrags gemacht.
Rz. 20
Das eingeschränkte Beseitigungsbegehren ist von der Klägerin aber wirksam zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt sind. Denn eine mit der Berufung vorgenommene Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO stellt unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Misserfolg des auf uneingeschränkte Leistung gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2004 - V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 ff.; v. 8.12.2005 - VII ZR 138/04, VersR 2006, 1361 Rz. 25; v. 27.2.2007 - XI ZR 56/06, ZIP 2007, 718 Rz. 30).
Rz. 21
b) Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten eingeschränkten Beseitigungsbegehrens zulässig. Sie ist insb. hinreichend bestimmt. Zwar hat die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihren zwei Hilfsanträgen verschiedene Streitgegenstände alternativ geltend gemacht, ohne die Reihenfolge zu benennen, in der sie die Anträge zur Überprüfung durch das Gericht stellt. Sie hat die gebotene Klarstellung aber in zulässiger Weise in der Revisionsinstanz nachgeholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie erklärt, den auf Bewirkung der Löschung einzelner Passagen des Artikels gerichteten Antrag als ersten Hilfsantrag und den auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gerichteten Antrag als zweiten Hilfsantrag verfolgen zu wollen. Damit hat sie die verschiedenen Streitgegenstände in der gebotenen Weise in ein Eventualverhältnis gestellt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 9 ff.; v. 27.11.2013 - III ZR 371/12, juris Rz. 2).
Rz. 22
c) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eingeschränkten Beseitigungsanspruchs in entsprechender Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB gegeben sind. Die von der Klägerin beanstandeten Behauptungen haben auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts zu einer rechtswidrigen und fortdauernden Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs der Klägerin geführt, für die der Beklagte verantwortlich ist.
Rz. 23
aa) Die mit dem ersten Hilfsantrag angegriffenen Äußerungen, wonach den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis seit 2003 versprochen und vertraglich zugesichert worden sei, der Vorstand der Klägerin die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hinhalte, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhielten und die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens verschleiert werde, sind als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
Rz. 24
(1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 8 m.w.N.). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insb. dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11.3.2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rz. 12, 18; v. 22.9.2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rz. 11; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rz. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Demgegenüber kann sich eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1991 - VI ZR 169/91, AfP 1992, 75, 78; v. 28.6.1994 - VI ZR 252/93, AfP 1994, 218 f.; v. 27.4.1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251, 1252 f.; vom 16.11.2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist deshalb der Zusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 9 m.w.N.).
Rz. 25
(2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angegriffenen Äußerungen um in Werturteile eingekleidete Tatsachenbehauptungen. Mit ihnen werden Vorwürfe tatsächlichen Inhalts erhoben, die einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Sie sind nicht derart mit den Wertungen verknüpft, dass ihr Tatsachengehalt von dahinterstehenden Meinungsäußerungen überlagert und geprägt würde.
Rz. 26
Die Behauptungen, den Aktionären werde seit 2003 der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und vertraglich zugesichert, der Vorstand der Klägerin halte die Aktionäre schon sieben Jahre mit immer neuen Versprechen hin, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, enthalten - im Gesamtzusammenhang mit dem den Artikel einleitenden Absatz betrachtet - für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin habe sich gegenüber den Aktionären zum Rückkauf eigener Aktien verpflichtet und komme dieser Verpflichtung seit sieben Jahren nicht nach. Die Äußerung, die Aktionäre erhielten außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen, bringt im Kontext mit dem unmittelbar nachfolgenden Satz, wonach es mindestens seit 2003 weder eine Hauptversammlung noch Geschäftsberichte gegeben habe, zum Ausdruck, dass die Klägerin ihren Informationspflichten gegenüber den Aktionären nicht nachgekommen sei; auch diese Behauptung ist der Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. Dieser Vorwurf wird durch die weitere Tatsachenmitteilung verstärkt, die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens werde verschleiert. Auch wenn insoweit nähere Einzelheiten zu konkreten Sachverhalten nicht mitgeteilt werden, bleibt die Aussage dennoch nicht gänzlich substanzarm, sondern enthält für den unbefangenen Leser die dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation, die Klägerin entziehe ihre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung einer genauen Feststellung und verberge ihr tatsächliches Geschäftsfeld.
Rz. 27
bb) Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; v. 8.2.1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; v. 11.3.2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rz. 9; v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 12). Denn die Behauptungen sind geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Klägerin wird als unzuverlässig und unredlich dargestellt. Da die angegriffenen Äußerungen jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Internet abrufbar waren, wirkt die Rufbeeinträchtigung fort.
Rz. 28
cc) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung des Rufs der Klägerin rechtswidrig ist.
Rz. 29
(1) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rz. 8; v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 22; v. 30.9.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536).
Rz. 30
(2) Im Streitfall ist deshalb das unter bb) genannte Schutzinteresse der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
Rz. 31
In der Rechtsprechung des BVerfG sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 21 m.w.N.). Danach fällt bei Tatsachenbehauptungen bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG NJW 2012, 1643 Rz. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rz. 12 m.w.N.; v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 21; BVerfG NJW 2012, 1643 Rz. 33).
Rz. 32
Auf der Grundlage des Mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags der Klägerin hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit nach diesen Grundsätzen hinter dem Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen zurückzutreten. Denn danach sind die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen unwahr. Zu Gunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen, dass der Beklagte seine Äußerungen nach dem zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin in erster Linie im eigenen Interesse zur Gewinnung neuer Mandanten gemacht und kein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2014 - VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rz. 23 m.w.N.).
Rz. 33
dd) Nach dem mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte auch für die rechtswidrige Störung verantwortlich.
Rz. 34
(1) Als Störer i.S.v. § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rz. 24; v. 30.6.2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rz. 13; v. 18.11.2014 - VI ZR 76/14, AfP 2015, 36 Rz. 37; BGH, Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 44/10, AfP 2011, 156 Rz. 10 ff., jeweils m.w.N.). Abweichend von dem im Urheber- und Markenrecht entwickelten Begriffsverständnis des I. Zivilsenats (vgl. Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rz. 34 - Internet-Versteigerung II sowie zuletzt Urt. v. 5.2.2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rz. 49 - Kinderhochstühle im Internet III) wird im Rahmen des § 1004 BGB auch derjenige als - unmittelbarer - Störer bezeichnet, der nach der Art seines Tatbeitrags sonst als Täter oder Teilnehmer anzusehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rz. 13; v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rz. 24; BGH, Urt. v. 24.6.2003 - KZR 32/02, BGHZ 155, 189, 194 f. - Buchpreisbindung; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl., Vor §§ 823 ff. Rz. 83; Hollenders, Mittelbare Verantwortlichkeit von Intermediären im Netz, S. 84 f.; Ingendaay, AfP 2011, 126, 127 f.; von Pentz, AfP 2014, 8, 15 ff.).
Rz. 35
(2) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei hinsichtlich der angegriffenen Veröffentlichungen weder "Täter" noch "Teilnehmer" (unmittelbarer Störer), sondern hafte als Dritter, der die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen habe, allenfalls nach den Grundsätzen der Haftung des mittelbaren Störers.
Rz. 36
(a) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte den auf der Internetseite der Kanzlei von Dr. S. & v. B. abrufbaren ursprünglichen Beitrag selbst verfasst und in das Internet gestellt. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Tatsachenbehauptungen bereits Gegenstand dieses Beitrags waren. Dann hat der Beklagte aber durch sein Verhalten den von der Klägerin beklagten Störungszustand herbeigeführt. Er hat die maßgebliche Ursache für die von der Klägerin beanstandeten Veröffentlichungen gesetzt; erst durch sein Verhalten wurden die beanstandeten Tatsachenbehauptungen einem größeren Personenkreis bekannt und konnten von diesen weiterverbreitet werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.2.1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800).
Rz. 37
(b) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der ursprüngliche Beitrag des Beklagten sei für die Folgeveröffentlichungen nicht adäquat kausal geworden, weil es nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspreche, dass ein Beitrag ohne Zutun des Verfassers von Dritten veröffentlicht werde. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist in solchen Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Denn durch die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 55 f.; v. 11.11.2014 - VI ZR 18/14, AfP 2015, 33 Rz. 21).
Rz. 38
d) Auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts erfüllt sind, kann die Klägerin vom Beklagten allerdings nicht verlangen, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken. Ihr steht lediglich ein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren bei den Betreibern der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinwirkt.
Rz. 39
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Löschung der angegriffenen Behauptungen "zu bewirken". Unter "Bewirken" der Löschung ist die Herbeiführung eines entsprechenden Erfolgs - der Löschung - zu verstehen. Hierzu ist der Beklagte aber nicht in der Lage, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetseiten hat. Allein die Inhaber dieser Internetseiten entscheiden darüber, ob die auf ihren Internetseiten bereitgehaltenen Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich bleiben oder nicht. Der Schuldner ist aber nur zu solchen Beseitigungsmaßnahmen verpflichtet, die in seiner Macht stehen (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 62 ff.; Ott, WRP 2007, 605, 608; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rz. 1.87; Teplitzky, a.a.O., 57. Kapitel Rz. 26).
Rz. 40
bb) In dem Antrag, die Löschung der angegriffenen Behauptungen zu bewirken, ist als Minus das Begehren enthalten, bei den Betreibern der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, auf eine Löschung hinzuwirken. Dieser Antrag ist auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts begründet. Denn die Verpflichtung, den durch das Einstellen rechtswidriger Tatsachenbehauptungen in das Internet geschaffenen Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung zu beseitigen, schließt die Pflicht mit ein, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die Betreiber der Internetplattformen, auf denen die angegriffenen Äußerungen noch abrufbar sind, einzuwirken, um diese zu einem Entfernen der rechtswidrigen Inhalte zu veranlassen (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 70; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, a.a.O.; Art. 17 des Entwurfs der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Stand 11.6.2015, abrufbar unter http://www.cr-online.de/Verabschiedete_Fassung_der_Datenschutz-GVO_durch_den_Europaeischen_Rat_v._11.6.2015.pdf; Wybitul/Fladung, BB 2012, 509, 511 f.). Es ist anerkannten Rechts, dass der Unterlassungs- oder Beseitigungsschuldner zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken hat, wenn und soweit er auf diese - rechtlich oder tatsächlich - Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rz. 70; OLG Köln, GRUR-RR 2008, 365; MMR 2010, 782, 783; Ott, WRP 2007, 605, 608; Teplitzky, a.a.O.; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rz. 6.7). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Auswahl unter mehreren tatsächlich möglichen Abhilfemaßnahmen dem Störer überlassen bleiben muss. Dies hat seinen Grund darin, dass die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seiner Rechte es erfordert. Abgesehen davon trägt der Störer ggf. das Risiko der Zwangsvollstreckung, wenn die gewählte Maßnahme die Störung nicht beseitigt (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1976 - V ZR 36/75, BGHZ 67, 252, 253; v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, VersR 2004, 797, 798; BVerfG NJW 2010, 220 Rz. 26; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rz. 1.81 ff.; Fritzsche in BeckOK/BGB § 1004 Rz. 66 (Stand: 1.2.2015)).
Rz. 41
3. Die Revision wendet sich schließlich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der in dem vom LG nachgelassenen Schriftsatz gestellte und auf Schadensersatz gerichtete Hilfsantrag sei auch im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er verspätet sei. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die Klägerin diesen Antrag in der Berufungsinstanz ausdrücklich gestellt und ihn damit durch nachträgliche (Eventual-)Klagehäufung in den Prozess eingeführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.8.2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rz. 71). Das Berufungsgericht hätte über diesen Antrag entscheiden müssen. Die objektive Klagehäufung ist wie eine Klageänderung i.S.d. §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (vgl. BGH, Urt. v. 4.2.2015 - VIII ZR 175/14, NJW 2015, 1296 Rz. 14; vom 19.3.2004 - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152, 2154; v. 27.9.2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rz. 8). Die mit dem Hilfsantrag verbundene Klageänderung ist gem. § 533 ZPO zulässig. Der Beklagte hat stillschweigend in die Klageänderung eingewilligt. Seine Einwilligung ist entsprechend § 267 ZPO unwiderleglich zu vermuten, da er sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.5.1956 - I ZR 43/55, BGHZ 21, 8, 13; Musielak/Ball, ZPO, 12. Aufl., § 533 Rz. 4). Die Klägerin stützt ihren Hilfsantrag darüber hinaus ausschließlich auf Tatsachen, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 - I ZR 127/13, NJW 2015, 1608).
Rz. 42
4. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 8383328 |
BGHZ 2016, 289 |
BB 2015, 2113 |
NJW 2016, 56 |
EBE/BGH 2015 |
CR 2015, 100 |
CR 2015, 671 |
EWiR 2015, 639 |
GRUR 2015, 7 |
GRUR 2016, 104 |
JurBüro 2015, 667 |
NZG 2015, 1111 |
WM 2015, 1664 |
WuB 2016, 33 |
ZIP 2015, 1785 |
AfP 2015, 425 |
JZ 2015, 567 |
MDR 2015, 1065 |
NJ 2015, 5 |
VersR 2015, 1295 |
ZUM-RD 2016, 362 |
GRUR-Prax 2015, 437 |
K&R 2015, 652 |
MMR 2016, 210 |
Jura 2016, 447 |