Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit des Vermächtnisses eines nicht zur Erbschaft gehörenden Gegenstandes durch Testament
Normenkette
BGB § 2169 Abs. 1, 3-4
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Oktober 1981 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der am 1. Januar 1978 verstorbene Bauunternehmer Heinz R. (Erblasser) hinterließ die Beklagte, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war, sowie zwei Söhne, nämlich Karl-Heinz aus erster und Dietrich aus zweiter Ehe. Die Beklagte hat aus ihrer ersten Ehe zwei Kinder, nämlich den Kläger und die Tochter Brigitte O.
Durch privatschriftliches Testament vom 11. März 1971 bestimmte der Erblasser seinen Sohn Dietrich zum Hoferben seines Hofes in Reb. Im übrigen setzte er die Beklagte zu seiner befreiten Vorerbin und zu Nacherben deren Kinder Brigitte O. und den Kläger sowie seine Söhne Karl-Heinz und Dietrich zu gleichen Teilen ein. Außerdem setzte er unter II 1 des Testaments zugunsten der genannten Kinder bzw. Stiefkinder je ein auf ihren Erbteil anzurechnendes Vermächtnis über bestimmte hoffreie bebaute Grundstücke aus; der Beklagten sollte an diesen Grundstücken "bzw. den Surrogaten" ein Nießbrauch zustehen. In dem Testament heißt es unter II 2 weiter:
"Sollte eines der in Ziff. II Abs. 1 zugewendeten Grundstücke im Zeitpunkt des Nacherbfalles nicht mehr in meinem Eigentum sein, so soll derjenige Erbe, dem dieses Grundstück zugeteilt war, von den übrigen Erben in Höhe des Verkehrswertes des Grundstückes zu gleichen Teilen ausgeglichen werden ..."
Die Beklagte ist nicht bereit, dem Kläger das ihm zugedachte Grundstück zu übereignen. Sie hält das entsprechende Vermächtnis zugunsten des Klägers für unwirksam, weil das Grundstück von Anfang an in ihrem Eigentum gestanden habe. Im Jahre 1980 hat sie es ihrem Sohn Dietrich übereignet. Der Kläger verlangt Auflassung und Umschreibungsbewilligung, Er ist der Meinung, es handele sich um ein wirksames Verschaffungsvermächtnis. Der Erblasser habe das auf den Namen der Beklagten eingetragene Grundstück wirtschaftlich als sein Eigentum betrachtet.
Er habe Grundstück und Haus aus seinen eigenen Mitteln bezahlt; die Beklagte habe das Eigentum nur als Treuhänderin für ihn gehabt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für unbegründet gehalten. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Das Berufungsgericht hält das Vermächtnis zugunsten des Klägers für unwirksam, weil das ihm zugeteilte Grundstück nicht zur Erbschaft gehört habe. Das Vermächtnis sei auch nicht gemäß § 2169 Abs. 3 BGB wirksam, weil der Kläger nichts dafür vorgetragen habe, daß dem Erblasser ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks an ihn zugestanden hätte.
Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstandes, wenn er zur Zeit des Erbfalles nicht zur Erbschaft gehört, gemäß § 2169 Abs. 1 BGB im Grundsatz unwirksam ist. Unbedenklich ist es ferner, wenn das Berufungsgericht angenommen hat, das Grundstück, das der Kläger für sich beansprucht, habe zur Zeit des Erbfalles nicht zur Erbschaft gehört. Maßgebend ist insoweit - vorbehaltlich des § 2169 Abs. 4 - die rechtliche Zugehörigkeit, so daß es bei der Zuwendung einer Sache darauf ankommt, ob der Erblasser beim Erbfall Eigentümer war oder nicht. War der Erblasser zwar Eigentümer, aber zur Veräußerung verpflichtet, dann gehört die Sache gemäß § 2169 Abs. 4 BGB in diesem Sinne nicht zur Erbschaft. Dagegen wird umgekehrt die Sache, die dem Erblasser nicht gehört, auf die er aber einen Anspruch hat, nicht als zur Erbschaft gehörig angesehen, sondern gemäß § 2169 Abs. 3 Fall 1 BGB besonders behandelt: Im Zweifel ist das Vermächtnis dann zwar nicht gemäß Abs. 1 unwirksam, es gilt aber nicht die Sache, sondern der Anspruch auf sie als vermacht.
Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. Es fehlt aber an einer ausreichenden Erörterung der Frage, ob dem Erblasser ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zustand. Der Kläger hatte hierzu (vgl. Bl. 4, 16, 44, 71 d.A.) im einzelnen vorgetragen, der Erblasser habe das Grundstück und das Haus ausschließlich aus seinen Mitteln bezahlt. Die Beklagte sei nur nach außen als Eigentümerin, im Innenverhältnis aber als Treuhänderin aufgetreten. Dabei sei es darum gegangen, das Betriebsvermögen und den Betriebsgewinn des Erblassers niedrig zu halten. Diese Gesichtspunkte bedürfen eingehender Prüfung durch den Tatrichter; daran hat es das Berufungsgericht fehlen lassen.
2.
Das Berufungsgericht prüft weiter, ob ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne von §§ 2170, 2169 Abs. 1 BGB vorliegt. Dabei geht es zutreffend davon aus, ein wirksames Verschaffungsvermächtnis sei nur dann anzunehmen, wenn der Erblasser den Gegenstand dem Bedachten auch für den Fall habe zuwenden wollen, daß er nicht zur Erbschaft gehört. Für einen derartigen Willen des Erblassers sei der Bedachte beweispflichtig. Diesen Beweis hält das Berufungsgericht im vorliegenden Falle nicht für geführt.
Das Berufungsgericht findet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Erblasser bei der Abfassung des Testaments gewußt habe, daß das dem Kläger vermachte Grundstück nicht in seinem Eigentum stand. Der Erblasser habe sich über die Eigentumsverhältnisse insoweit geirrt. Das habe der Kläger damit erklärt, daß der Erblasser sich wegen seiner finanziellen Aufwendungen auf das Grundstück wirtschaftlich als dessen Eigentümer betrachtet habe. Der Irrtum erscheine auch verständlich, weil sich die Vermögensverhältnisse in den Jahren vor der Errichtung des Testaments stark verändert hätten. Auch dem Testament selbst lasse sich nichts dafür entnehmen, daß der Erblasser gewußt habe, er sei nicht Eigentümer des Grundstücks. Entsprechendes gelte auch für die Vorgänge bei der Errichtung des Testaments, die die Beklagte bei ihrer Vernehmung glaubwürdig geschildert habe.
Bei dieser Prüfung hat das Berufungsgericht anscheinend angenommen, der für § 2169 Abs. 1, Halbsatz 2 BGB erforderliche qualifizierte Zuwendungswille setze das Bewußtsein des Erblassers voraus, daß der vermachte Gegenstand nicht zur Erbschaft gehört. Eine derartige Annahme wäre aber rechtsirrig.
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 3. November 1982 - IVa ZR 47/82 - NJW 1983, 672 - entschieden hat, setzt ein Verschaffungsvermächtnis ein solches Bewußtsein nicht voraus. Eine entsprechende Kenntnis des Erblassers ist vielmehr nur ein - allerdings gewichtiges -Indiz für den in § 2169 Abs. 1 BGB für diesen Fall vorausgesetzten qualifizierten Zuwendungswillen. Entscheidend ist, wie der Senat weiter ausgeführt hat, die Intensität des Zuwendungswillens des Erblassers; auch bei einem Irrtum über die Zugehörigkeit des zugewendeten Gegenstandes zum Vermögen des Erblassers kann daher ein Verschaffungsvermächtnis vorliegen.
Die Beweislast dafür, ob der Erblasser bei der Errichtung des Testaments (BGHZ 31, 13, 16 f.) einen entsprechenden Willen hatte, trägt nach allgemeiner Meinung der Bedachte (vgl. Motive V S. 148 f.; RGZ 164, 196, 202; RG SeuffArch 80 Nr. 14; Strohal, Erbrecht I S. 230 FN 1 b; MK-Skibbe § 2169 BGB Rdn. 10; vgl. auch BGHZ 31, 13, 22). Als Grundlage für einen entsprechenden Nachweis kommt dabei in erster Linie der Inhalt des Testaments selbst in Betracht.
Bei der erneuten Prüfung wird zu beachten sein, daß der qualifizierte Zuwendungswille i.S.v. § 2169 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auch dann nicht fern liegt, wenn der Erblasser den vermachten Gegenstand wirtschaftlich seinem Vermögen zurechnet, was das Berufungsgericht offenbar für möglich hält (BU 7 Abs. 1). Außerdem spricht der Inhalt des Testaments dafür, daß der Erblasser besonderen Wert darauf gelegt hat, die vier zu Nacherben eingesetzten Kinder bzw. Stiefkinder in Bezug auf das Nicht-Hofvermögen einander weitestgehend gleichzustellen. Außer Abschnitt B II 2 des Testaments weist auch die Anordnung, die für die Nacherben ausgesetzten Vermächtnisse auf deren - gleiche -Erbteile anzurechnen, in diese Richtung; auch sie ist anscheinend dazu bestimmt, etwaige Wertunterschiede der vermachten Grundstücke bei Eintritt des Nacherbfalles im Verhältnis der Nacherben soweit wie möglich auszugleichen. Eine solche Gleichbehandlung der Nacherben wäre ohne das Vermächtnis zugunsten des Klägers möglicherweise erschwert oder sogar mißlungen. Andererseits spricht Abschnitt B II 2 des Testaments dafür, daß der Erblasser beim Verschaffungsvermächtnis gewollt hat, falls eines der zugewendeten Grundstücke beim Nacherbfall (?) nicht "mehr" in seinem Eigentum stand.
Ob sich dem Testament der für § 2169 Abs. 1 BGB erforderliche qualifizierte Zuwendungswille - notfalls im Wege der ergänzenden Auslegung (vgl. RGZ 164, 196, 202) - entnehmen läßt, hat der Tatrichter in eigener Verantwortung zu entscheiden.
Demnach ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne daß es auf die weiteren von der Revision erhobenen Rügen ankommt.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen