Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer während eines Prozesses den einzelnen Wohnungseigentümern von der Gemeinschaft erteilten Ermächtigung, wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum Minderung oder Schadensersatz geltend zu machen.
Normenkette
BGB § 634; WEG § 21
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Aktenzeichen 4 U 70/97) |
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 4 O 1232/96) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Juli 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Kläger verlangen Schadensersatz für Mängel an einem von den Beklagten erworbenen Wohnungseigentum sowie Verpflichtung zur Abgabe der zur Auflassung erforderlichen Erklärungen.
II.
Mit notariellem Vertrag vom 20. April 1993 erwarben die Kläger von den Beklagten ein von diesen zu errichtendes Reihenhaus in D. Sie bezogen das Haus im Jahre 1994. Insgesamt wurden auf dem Grundstück neun Reihenhäuser errichtet. Da eine Realteilung aufgrund baurechtlicher Bestimmungen nicht möglich war, sollte nach der Teilungserklärung jeder Sondereigentümer so gestellt werden, wie wenn das gemeinschaftliche Grundstück vermessen und jeder Sondereigentümer Alleineigentümer seines Reihenhauses wäre. Weiter war unter anderem als Gebrauchsregelung bestimmt, daß sämtliche Räume des Reihenhauses, die nicht Sondereigentum sind, und sämtliche Gebäudeteile, auch soweit sie im gemeinschaftlichen Eigentum sind, vom Sondereigentümer allein und unter Ausschluß der anderen Sondereigentümer zu nutzen und zu verwalten sind. Dies sollte auch für Veränderung am Sondereigentum und dem gemeinschaftlichen Eigentum des einzelnen Reihenhauses „z.B. An-, Aus-, Auf- und Umbau” gelten.
Die Kläger verlangen Schadensersatz, weil die Giebelwand wegen der nicht ordnungsgemäß angebrachten Mittelpfette des Daches Risse aufweise, das Gebäude unvollständig und nicht fachgerecht verklinkert sei und sich zwischen den Wandschalen Schallbrücken durch mangelhaft ausgebildete Trennfugen befänden. Zudem sei das Grundstück um 7 qm kleiner als im Kaufvertrag vorgesehen. Abweichend von der Planung sei das Haus um ca. 1 m bis 1,50 m zurückversetzt und die Straße näher herangeführt, was Beeinträchtigungen zur Folge habe.
III.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kläger zur selbständigen Geltendmachung des Schadensersatzes nicht befugt seien und die Klage im übrigen unbegründet sei. Nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils haben alle Wohnungseigentümer sich am 11. Juli 1997 wechselseitig ermächtigt, „in eigenem Namen und auf eigenes Risiko sämtliche denkbaren Gewährleistungsansprüche (Nachbesserung, Mängelbeseitigung, Schadensersatz und/oder Minderung inklusive der Ausübung des jeweiligen Wahlrechtes) gegen die Eheleute M. (= Beklagte) als Bauträger geltend zu machen und zwar jeweils
- sowohl hinsichtlich des jeweiligen Sondereigentums
- als auch hinsichtlich des für die einzelnen Häuser abgrenzbaren Gemeinschaftseigentums und
- der den jeweiligen Häusern zugewiesenen Allein-Nutzungsflächen.”
Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das Erstgericht habe zu Recht die Befugnis der Kläger zur Geltendmachung des „kleinen Schadensersatzanspruchs” abgelehnt. Eine andere Beurteilung lasse auch die Ermächtigung vom 11. Juli 1997 nicht zu. Davon werde „unstreitig” der Schaden im Bereich der Trennfuge und der dadurch bedingten Schallbrücken zum Nachbarhaus nicht erfaßt. Damit fehle nach wie vor die Klagebefugnis für einen wesentlichen Teil der dargelegten Gewährleistungsansprüche, zumal vom Sachverständigen die Kosten dafür zwischen 15.000 DM und 100.000 DM geschätzt würden, so daß sich die von den Wohnungseigentümern einheitlich zu treffende Frage nach der Wahl zwischen Minderung und Schadensersatz stelle.
Diese rechtliche Beurteilung gelte auch für die von den Klägern als Mängel angesehene Flächendifferenz, die Zurückversetzung des Hauses sowie die geänderte Straßenführung. Abgesehen davon sei der Beurteilung des Erstgerichts beizutreten, daß es sich insofern nicht um Fehler i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB handele. Ein Auflassungsanspruch sei nicht gegeben.
II.
Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht weist zu Unrecht die Klage als unzulässig ab.
1. Es legt die Ermächtigung vom 11. Juli 1997 fehlerhaft aus.
a) Die Kläger sind wirksam ermächtigt worden, Minderung und Schadensersatz geltend zu machen. Die im Laufe des Prozesses erteilte Ermächtigung vom 11. Juli 1997 räumt den Klägern ein die übrigen Wohnungseigentümer bindendes Wahlrecht ein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 - VII ZR 269/88, BGHZ 110, 258, 261).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383) kann Minderung sowie der nach den Mängelbeseitigungskosten berechnete Schadensersatz wegen eines behebbaren Mangels grundsätzlich nur mit dem Antrag auf Zahlung an die Gemeinschaft durchgesetzt werden. Ein Wohnungseigentümer kann jedoch den Schadensersatz an sich verlangen, wenn er von der Gemeinschaft dazu ermächtigt wird (Urteil vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89 aaO). So liegt es hier.
b) Die Kläger sind umfassend ermächtigt, im eigenen Namen sämtliche denkbare Gewährleistungsansprüche geltend zu machen hinsichtlich des Sondereigentums, des für die einzelnen Häuser abgrenzbaren Gemeinschaftseigentums und der den jeweiligen Häusern zugewiesenen Allein- und Nutzungsflächen. Dazu gehört der Anspruch, der daraus hergeleitet wird, daß das Haus versetzt, die Straße näher herangeführt und das Grundstück um 7 qm kleiner als vertraglich vereinbart sein soll. In gleicher Weise davon erfaßt ist der Schadensersatz wegen Rissen am Giebel, nicht fachgerechter Verklinkerung und fehlerhaft ausgeführter Trennfugen. Bei der gegenteiligen Auslegung der Vereinbarung vom 11. Juli 1997 hat das Berufungsgericht anerkannte Auslegungsregeln nicht beachtet. Es läßt die besondere vertragliche Gestaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft sowie Zeit und Umstände des Zustandekommens dieser Vereinbarung bei seiner Auslegung außer Betracht: Nach Nr. 2 der Teilungserklärung sollte jeder Sondereigentümer so gestellt werden, wie wenn das gemeinschaftliche Grundstück vermessen worden und jeder Sondereigentümer Alleineigentümer seines Reihenhauses und der ihm zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Flächen geworden wäre. Zudem sollte jeder Sondereigentümer nach Nr. IV der Teilungserklärung die Räume des Reihenhauses, die nicht Sondereigentum sind, unter Ausschluß der anderen Sondereigentümer beliebig nutzen und verwalten können, was auch für An-, Aus-, Auf- und Umbau gelten sollte. Nachdem das Landgericht dies allein nicht für ausreichend gehalten hatte, die Prozeßführungsbefugnis der Kläger zu bejahen, haben die Wohnungseigentümer die Vereinbarung vom 11. Juli 1997 geschlossen. Damit haben die Wohnungseigentümer unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Kläger berechtigt sind, die geltend gemachten Ansprüche zu verfolgen. Das gilt auch für den Schaden im Bereich der Trennfugen und die dadurch bedingten Schallbrücken. Die dagegen vorgebrachten Bedenken des Berufungsgerichts greifen nicht. Die Kläger haben auf der Grundlage der Ermächtigung auch das den Erwerbern zustehende Recht, zwischen Minderung und Schadensersatz zu wählen, für alle Erwerber bindend ausgeübt.
2. Da nach dem Vorgesagten die Beurteilung offensteht, ob den Klägern Gewährleistungsansprüche zustehen und dem Restkaufpreis entgegengehalten werden können, kann die Abweisung des Auflassungsanspruchs keinen Bestand haben. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Auflassung könne deswegen nicht bewirkt werden, weil eine katastermäßige Erfassung noch nicht erfolgt sei, liegen neben der Sache.
Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, es lägen keine Fehler i.S.d. § 633 BGB vor, ist revisionsrechtlich nicht überprüfbar, weil es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt (§§ 561, 563 ZPO).
Unterschriften
U, T, H, K, K
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.10.1999 durch Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539102 |
BauR 2000, 285 |
EBE/BGH 1999, 411 |
NJW-RR 2000, 304 |
IBR 2000, 75 |
NZM 2000, 95 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 587 |
ZMR 2000, 183 |
ZfIR 2000, 44 |
MDR 2000, 204 |
WuM 2000, 87 |
ZWE 2000, 119 |
ZfBR 2000, 117 |
RdW 2000, 251 |