Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 25.11.1959)

LG Mosbach (Urteil vom 28.04.1959)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Karlsruhe vom 25. November 1959 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der I. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 28. April 1959 dahin geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind Schwestern. Sie haben am 10. Dezember 1954 nach Ableben ihrer Mutter in einem Erbauseinandersetzungsvertrag mit den übrigen Geschwistern das elterliche Hausgrundstück zu je hälftigem Miteigentum übernommen und dabei das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, auf immer ausgeschlossen. Das in dem Anwesen befindliche Lebensmittelgeschäft, das die Parteien zusammen mit ihrer verstorbenen Mutter in Form einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft betrieben hatten, führten sie nach dem Ausscheiden der übrigen Erben als die einzigen Gesellschafter in der Weise weiter, daß die Klägerin zunächst allein in dem Geschäft tätig war, während die Beklagte auswärts als Buchhalterin arbeitete. Auf Wunsch der Klägerin übernahm die Beklagte unter Auflösung der Gesellschaft das Geschäft im Mai 1955. Sie stellte aus diesem Anlaß bei der Aufstellung der Inventur erhebliche Geschäftsschulden fest. Auf Antrag der Beklagten wurde die Klägerin durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14. Mai 1958 zur Zahlung von 1.999,26 DM verurteilt. Das ist ihr Anteil an den Geschäftsschulden.

Die Beklagte hat bisher für die Benutzung der Geschäftsräume keine Entschädigung an die Gemeinschaft bezahlt. Ein im Haus wohnender Bruder zahlt eine monatliche Miete von 20 DM an die Gemeinschaft. Das Bestreben der Klägerin, dem Bruder im Jahre 1955 die Wohnung zu kündigen, und ihr Bemühen, den Mietpreis auf monatlich 27 DM zu steigern, scheiterte daran, daß die Beklagte nicht mitwirkte.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie beleidigt. Sie habe sie auch an der Benutzung der gemeinschaftlichen Räume gehindert. Darin und in der Tatsache, daß die Beklagte ihre Mitwirkung zu einer besseren wirtschaftlichen Ausnutzung des Hauses versagt habe, sieht sie einen wichtigen Grund zur Aufhebung der Gemeinschaft.

Dementsprechend hat sie mit ihrer am 2. Januar 1958 eingegangenen Klage – ein Armenrechtsgesuch war am 21. Juni 1957 vorausgegangen – beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Aufhebung der Gemeinschaft hinsichtlich des in D…, H…str.…, gelegenen und im Grundbuch von D…, Bd.… Heft … unter … Lgb. Nr. 15 eingetragenen Hausgrundstücks zuzustimmen.

Die Beklagte hält einen wichtigen Grund nicht für gegeben. Einmal lägen die Streitigkeiten, die die Klägerin zum Anlaß des Aufhebungsverlangens nehme, zu weit zurück. Sie bestreitet ferner, die Klägerin an der Benutzung der ihr zukommenden Räume gehindert zu haben. Dem Verlangen auf Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Bruder und dem späteren Verlangen auf Mietpreiserhöhung habe sie sich widersetzt, da man bei der Erbauseinandersetzung vereinbart habe, dieser Bruder solle zu den gleichen Bedingungen wie bisher auf unbeschränkte Dauer in dem Haus weiter wohnen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien herrsche eine erhebliche Entfremdung und Verfeindung, ohne daß sich heute noch klären lasse, ob den einen oder anderen Teil ein alleiniges oder auch nur überwiegendes Verschulden treffe. Diese Trübung der persönlichen Beziehungen der Parteien habe sich u. a. darin gezeigt, daß die Beklagte schon im Jahre 1954 die Klägerin beschimpft habe, daß die Parteien über die Auflösung der Gesellschaft hinsichtlich des Lebensmittelgeschäfts nur über ihre Anwälte verhandelt hätten und daß endlich die Beklagte die Klägerin wegen ihrer Haftung für die Geschäftsschulden gerichtlich in Anspruch genommen habe. Zu dieser persönlichen Spannung komme hinzu, daß die Klägerin in der Benutzung der gemeinschaftlichen Sache tatsächlich auf einen Raum beschränkt sei, wobei allerdings möglich sei, daß sie nur deshalb weitere Räume nicht benutze, weil sie dort mit der Beklagten nicht zusammenkommen wolle. Einen weiteren Umstand, der eine Aufhebung der Gemeinschaft aus wichtigem Grund rechtfertige, sieht das Berufungsgericht in der Tatsache, daß die Beklagte sich geweigert habe, an der Erhöhung des Mietpreises für die dem Bruder vermietete Wohnung mitzuwirken, und außerdem bisher noch keine Entschädigung für die Benutzung der Geschäftsräume entrichtet habe.

2. Entsprechend einem für alle Gemeinschaftsverhältnisse geltenden Grundgedanken kann die Aufhebung einer Gemeinschaft aus wichtigem Grund auch dann verlangt werden, wenn das Recht, die Aufhebung zu verlangen, für immer ausgeschlossen ist (§ 749 Abs. 2 BGB). Bei der Prüfung, ob ein solcher wichtiger Grund gegeben ist, ob also das Verbleiben in der Gemeinschaft einem Teilhaber nicht zuzumuten ist, ist zu beachten, daß die Bedeutung einer Gemeinschaft im Sinn der §§ 741 ff BGB sich allein in der gemeinschaftlichen Berechtigung an einem bestimmten Gegenstand erschöpft und daß sie darüber hinaus keinem weiteren gemeinschaftlichen Zweck der Teilhaber dient. Dagegen ist z. B. die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts dadurch gekennzeichnet, daß sich mehrere Personen zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks verbunden haben und zur Erreichung dieses Zwecks zusammenwirken. Es muß bei der Gemeinschaft lediglich sichergestellt sein, daß nicht durch Rechtshandlungen des einen Teilhabers der andere Teilhaber in Mitleidenschaft gezogen wird und durch eine sinnvolle Verwaltung der gemeinschaftliche Gegenstand in seinem wirtschaftlichen Wert erhalten bleibt (RGRK-BGB 11. Aufl. § 741 Anm. 1, 5). Deshalb lassen sich die für die Kündigung einer Gesellschaft aus wichtigem Grund maßgeblichen Gesichtspunkte nicht ohne weiteres auf die Aufhebung einer Gemeinschaft übertragen (RGRK-BGB § 749 Anm. 6; Erman BGB § 749 Anm. 2; Palandt BGB § 749 Anm. 2).

Die engeren persönlichen Beziehungen bei einer Gesellschaft bringen es mit sich, daß eine Zerstörung der Vertrauensgrundlage, wie sie durch Verfeindungen entsteht, zur Auflösung einer Gesellschaft aus wichtigem Grund führt, weil dadurch die Förderung des gemeinschaftlichen Gesellschaftszwecks beeinträchtigt wird. Bei einer Gemeinschaft braucht dies nicht der Fall zu sein. Vielmehr wird bei Zerstörung des gegenseitigen Vertrauens, wie es sich insbesondere in der Verfeindung der Teilhaber zeigt, die Fortsetzung der Gemeinschaft nur dann unzumutbar, wenn dadurch die Gemeinschaft unmittelbar berührt wird. Ob dies zutrifft, richtet sich u. a. nach der Art der Gemeinschaft. So braucht eine Gemeinschaft an einem großen Gebäudekomplex, dessen Verwaltung etwa durch Vermietung von Geschäftsräumen und Wohnungen an Dritte festgelegt ist und durch einen angestellten Verwalter ausgeführt wird, durch die persönliche Verfeindung der Teilhaber nicht betroffen zu werden. Anders dagegen wird es bei kleineren Verhältnissen sein, in denen die Teilhaber den gemeinschaftlichen Gegenstand selbst verwalten und zum Teil auch gemeinsam nebeneinander benutzen, wie bei der Gemeinschaft an einem kleineren Wohnhaus, das von den Teilhabern selbst bewohnt wird. Hier können persönliche Verfeindungen dazu führen, daß die Rechte des einzelnen Teilhabers an dem ihm zustehenden Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache durch Schikanen der anderen Teilhaber beeinträchtigt werden.

3. Deshalb hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall an sich mit Recht bei seiner Würdigung, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, u. a. die Tatsache herangezogen, daß die Parteien miteinander verfeindet seien, wie sich in der Beschimpfung der Klägerin durch die Beklagte und in der gerichtlichen Beitreibung der Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin gezeigt hat. Die Feststellung, daß ein wichtiger Grund vorliegt, setzt indes eine umfassende Würdigung aller Umstände voraus, wobei insbesondere auch zu beachten ist, welchem Teilhaber wegen der Entstehung dieser persönlichen Verfeindung ein Vorwurf zu machen ist. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, es lasse sich nicht mehr eindeutig klären, welchen Teilhaber ein alleiniges oder auch nur ein überwiegendes Verschulden an dieser Entwicklung treffe. Das Berufungsgericht hat sich hierbei mit der Behauptung der Beklagten auseinandergesetzt, die Klägerin habe das Geschäft, das sie für Rechnung der zwischen den Parteien bestehenden Gesellschaft allein geführt habe, völlig überschulden lassen und im Frühjahr 1955 das Geschäft einfach geschlossen, den Ladenschlüssel beim Bürgermeister abgegeben und sei nach München verzogen. Die telegrafisch herbeigerufene Beklagte sei dann wegen der Geschäftsschulden in Höhe von 4.000 DM in Anspruch genommen worden. Das Berufungsgericht meint, diese Behauptung sei unerheblich, da zu diesem Zeitpunkt das Verhältnis der Parteien schon sehr gespannt gewesen sei. Diese Würdigung übersieht, daß das von der Beklagten behauptete Verhalten der Klägerin erfahrungsgemäß zu einer Vertiefung der Spannungen führen mußte. Dies dürfte im vorliegenden Fall um so eher zutreffen, als ein weiteres Anzeichen, das das Berufungsgericht für die Verfeindung der Parteien anführt, nämlich eine Beleidigung der Klägerin durch die Beklagte, in das Jahr 1954 zurückreicht, als die Parteien den Erbauseinandersetzungsvertrag, durch den sie das Haus gemeinschaftlich übernahmen, noch nicht geschlossen hatten. Das Berufungsgericht hat auch die Tatsache überbewertet, daß die jetzige Beklagte die Klägerin auf Bezahlung ihres Anteils an den Geschäftsschulden aus dem früher gemeinsam betriebenen Geschäft verklagt hat. Bei der Verfeindung der Parteien blieb der Beklagten, wollte sie nicht auf ihre Ansprüche verzichten, offensichtlich keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Gerichte. Die Klägerin hat nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten auch bisher noch keine Anstalten gemacht, die Geschäftsschulden, zu deren anteiliger Tragung sie rechtskräftig verurteilt ist, wenigstens teilweise zu tilgen. Die Bedeutung dieser Umstände, die das Berufungsgericht für die Annahme eines wichtigen Grundes u. a. als erheblich betrachtet hat, ist somit wesentlich geringer zu bewerten.

4. Ein wichtiger Grund, dessentwegen die Aufhebung der Gemeinschaft gefordert werden kann, kann darin liegen, daß einem Teilhaber der ihm zustehende Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes unmöglich gemacht wird. Der Klägerin und der Beklagten stehen je ein Zimmer im oberen Geschoß des Hauses zu, während der Bruder die restlichen Räume in diesem Geschoß gemietet hat. Im Erdgeschoß befinden sich die Ladenräume, außerdem ein Wohnzimmer, eine Küche und eine Speisekammer. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Klägerin die unteren Wohnräume, die offensichtlich für beide Parteien bereit stehen sollen, nicht benutzt. Dabei unterstellt das Gericht, daß die Klägerin sich von der Benutzung nur deshalb abhalten läßt, weil sie mit der mit ihr verfeindeten Beklagten nicht zusammenkommen möchte. Somit ist davon auszugehen, daß die Klägerin ohne irgendwelche Maßnahmen der Beklagten freiwillig auf diese Räume verzichtet hat. Dann kann hier jedoch unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung in der Benutzung der gemeinschaftlichen Sache allein ein wichtiger Grund zur Aufhebung der Gemeinschaft nicht als gegeben angesehen werden.

5. Die Weigerung der Beklagten, den Mietpreis für die an den Bruder Alfred K… vermietete Wohnung zu erhöhen, reicht auch im Zusammenhang mit den übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts nicht aus, eine Aufhebung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Zwar hat jeder Teilhaber gegen den anderen einen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung. Diese liegt nicht vor, wenn die dem einzelnen Teilhaber zukommende Nutzungsquote beeinträchtigt wird (KG NJW 1953, 1592). Deshalb wäre die Beklagte verpflichtet gewesen mitzuwirken, eine zulässige Mieterhöhung durchzusetzen. Es hat sich jedoch nur um einen geringfügigen Betrag gehandelt. Die Klägerin hätte bei der geplanten Mieterhöhung einen um 3,50 DM erhöhten monatlichen Nutzungsanteil gehabt. Zugunsten der Beklagten muß außerdem ihr guter Glaube daran unterstellt werden, daß beim Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages alle Beteiligten die Möglichkeit einer Erhöhung der von dem Bruder zu entrichtenden Miete ausgeschlossen hatten. Bei dieser Sachlage kann die Weigerung, bei der Mieterhöhung mitzuwirken, keinen wichtigen Grund darstellen.

Das Berufungsurteil ist auch insoweit zu beanstanden, als es der Beklagten zur Last legt, sie habe für die Ladenräume keine Benutzungsentschädigung bezahlt. Das Berufungsgericht hat, worauf die Revision mit Recht hinweist, dabei nicht berücksichtigt, daß das Oberlandesgericht München in seinem Urteil vom 14. Mai 1958 (7 U 950/57 – S. 13/14) ausgesprochen hat, die Beklagte sei zur Zahlung einer Entschädigung nicht verpflichtet. Diese Tatsache nimmt dem Vorwurf der Klägerin, die in der Nichtzahlung einer solchen Entschädigung einen wichtigen Grund sieht, sein entscheidendes Gewicht, zumal die Beklagte sich im Rechtsstreit nach Kenntnis der Rechtslage bereit erklärt hat, eine angemessene Miete zu bezahlen.

6. Auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht der Tatsache nicht genügend Rechnung getragen, daß die Parteien nicht ständig zusammenleben. Die Beklagte hat ohne Widerspruch der Klägerin vorgetragen, daß diese nur noch besuchsweise in ihre Heimat kommt. Damit entfällt die Gefahr täglicher Reibereien zwischen den Parteien, die einen zwingenden Anlaß zur Aufhebung der Gemeinschaft bilden könnte. Das Berufungsgericht hat außerdem die Folgen nicht berücksichtigt, die sich für die Beklagte aus einer Aufhebung der Gemeinschaft ergeben könnten. Sie hat in diesem Haus, das von den Eltern ererbt ist, ihren Arbeits- und Lebenskreis gefunden. Bei einer Aufhebung der Gemeinschaft, die mangels Einigung der Parteien durch Versteigerung erfolgen müßte, besteht die Gefahr, daß sie ihr Geschäft verliert. Während daher die Klägerin nur ein Interesse daran haben kann, bei einer Auseinandersetzung den Vermögenswert ihres Anteils zu erhalten, geht das Interesse der Beklagten darüber hinaus offensichtlich dahin, weiterhin ihr Geschäft zu betreiben und damit eine Existenzgrundlage zu behalten. Demgegenüber besteht daher bei der zur Zeit festgestellten Sachlage kein vernünftiges Interesse der Klägerin, die Beklagte um diese Möglichkeit zu bringen. Diese Abwägung der beiderseitigen Interessenlage steht der Annahme eines wichtigen Grundes entscheidend entgegen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die zum wichtigen Grund getroffenen Feststellungen nicht ausreichen um die Aufhebung der Gemeinschaft zu rechtfertigen, zumal ihnen entgegensteht, daß sich die Aufhebung der Gemeinschaft für die Beklagte äußerst nachteilig auswirken könnte. Aus diesem Grunde war das Urteil des Oberlandesgerichts aufzuheben. Weitere wesentliche Umstände für die Annahme eines wichtigen Grundes sind nicht geltend gemacht. Es bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung in der Tatsacheninstanz. Da ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Gemeinschaft nicht gegeben ist, war der Berufung der Beklagten stattzugeben und die Klage unter Änderung der landgerichtlichen Entscheidung mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Nastelski, Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Haager, Dr. Reinicke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1377494

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