Leitsatz (amtlich)
›Rechnet der Beklagte im Urkundenprozeß mit einer unstreitigen Forderung auf, mit der er bereits in einem anderen noch anhängigen Rechtsstreit gegenüber demselben Kläger hilfsweise aufgerechnet hat, so ist die Klage als im Urkundenprozeß unstatthaft abzuweisen, wenn der Kläger nicht mit in dieser Prozeßart zulässigen Beweismitteln beweisen kann, daß sein im anderen Rechtsstreit verfolgter Anspruch bestand, durch die Aufrechnung erloschen und damit auch die geltend gemachte Gegenforderung verbraucht ist.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin hat die Beklagten - die Beklagte zu 1 als Komplementär-GmbH der Beklagten zu 2 - im Urkundenprozeß auf Zahlung von 104.968 ,-- DM für von der Beklagten zu 2 bis zum 30. Dezember 1981 gekaufte Waren und die Beklagte zu 2 außerdem auf Zahlung von 62.150,-- DM für die Lieferung eines Homogenisators in Anspruch genommen. Die Beklagte zu 2 hat gegen die Forderung auf Zahlung von 104.968,-- DM aufgerechnet mit einem Mietzinsanspruch in Höhe von 3.898,50 DM für die Vermietung von Maschinen im September 1982 und einer Mietzinsforderung in Höhe von 13.560,-- DM aus der Vermietung eines Grundstücks gemäß ihrer Rechnung vom 8. Februar 1983. Es ist unstreitig, daß die Beklagte zu 2 diese Ansprüche gegen die Klägerin erworben und mit ihnen bereits in dem vor dem Landgericht Münster zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreit 24 O 68/83 hilfsweise aufgerechnet hat.
Das Landgericht hat die Beklagten durch Urkundenvorbehaltsurteil unter Abweisung eines Teiles des von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruchs entsprechend dem Klageantrag verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung in Hohe von 104.968,-- DM nebst Zinsen aufrechterhalten und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat den Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Der Senat hat die Annahme der Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, abgelehnt, auch soweit das Rechtsmittel hilfsweise als Anschlußrevision eingelegt worden war. Die Beklagten erstreben mit ihrer vom Senat angenommenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, die Abweisung der Klage, soweit die Beklagte zu 2 gegen den vom Berufungsgericht zuerkannten Klageanspruch aufgerechnet hat.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht meint, die Beklagten konnten mit dem Aufrechnungseinwand im Urkundenprozeß nicht durchdringen. Die Entscheidung der Frage, ob durch die Aufrechnung die Klageforderung teilweise getilgt worden sei, müsse vielmehr dem Nachverfahren vorbehalten bleiben. Unzulässig sei die Aufrechnung allerdings nicht. Denn die im Verfahren vor dem Landgericht Münster erklärte Aufrechnung habe die Rechtshängigkeit der aufgerechneten Forderungen nicht bewirkt. Auch könne die Klägerin, der die Beweislast für die Richtigkeit ihrer Behauptung obliege, die Gegenforderungen der Beklagten zu 2 seien aufgrund der in dem beim Landgericht Münster anhängigen Rechtsstreit erklärten Hilfsaufrechnung erloschen, ihr Vorbringen nicht durch Urkunden belegen. Dies rechtfertige es aber nicht, die Klage insoweit als im Urkundenprozeß unstatthaft abzuweisen. Die Unsicherheit darüber, ob die Forderungen der Beklagten zu 2 noch bestehen, dürfe nicht der Klägerin angelastet werden, weil sie von der Beklagten zu 2 durch deren Hilfsaufrechnung verursacht worden sei. Es wäre nicht interessegerecht, die Klägerin zu zwingen, vom Urkundenprozeß Abstand zu nehmen. Dadurch würde ihr die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, schnell zu einem vorläufigen Titel zu gelangen, genommen werden, obwohl feststehe, daß der Klageanspruch begründet sei.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht die Entscheidung über die Berechtigung des Aufrechnungseinwandes dem Nachverfahren vorbehalten hat.
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die in dem beim Landgericht Münster anhängigen Rechtsstreit hilfsweise erklärte Aufrechnung habe die Rechtshängigkeit der aufgerechneten Forderungen nicht bewirkt, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Die Revisionserwiderung erhebt hiergegen keine Einwendungen. Sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 57, 242, 243; 60, 85, 87 zu 3 a; Senatsurteil vom 15. Juni 1977 - VIII ZR 20/76 = LM ZPO § 599 Nr. 4 = NJW 1977, 1687 = WM 1977, 868 zu II 2 a) und des Bundesarbeitsgerichts (DB 1974, 1340). An dieser Auffassung wird festgehalten.
b) Auch die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung zur Beweislast ist richtig. Rechnet der Beklagte mit einer unstreitigen Forderung auf, mit der er bereits in einem anderen noch anhängigen Rechtsstreit gegenüber demselben Kläger hilfsweise aufgerechnet hat, so muß der Kläger beweisen, daß sein dort verfolgter Anspruch bestand, durch die Aufrechnung ganz oder teilweise erloschen und damit auch die geltend gemachte Gegenforderung verbraucht ist (§ 389 BGB); denn er macht mit seinem Vorbringen eine rechtsvernichtende Einwendung gegen den Aufrechnungseinwand geltend, die er nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen hat.
c) Den Beweis für die Richtigkeit ihres Vorbringens, die aufgerechneten Forderungen seien aufgrund der im Rechtsstreit vor dem Landgericht Münster erklärten Hilfsaufrechnung erloschen, hat die Klägerin nicht mit im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln abgetreten. Als zulässige Beweismittel waren nach § 595 Abs. 2 ZPO nur Urkunden oder der Antrag auf Parteivernehmung in Betracht gekommen. Ist aber ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln angetreten, muß die Klage nach § 597 Abs. 2 ZPO als im Urkundenprozeß unstatthaft abgewiesen werden (BGHZ 50, 112, 115).
d) Die Meinung des Berufungsgerichts, die Abweisung der Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft sei im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, weil die Unsicherheit über den Bestand der aufgerechneten Forderungen von der Beklagten zu 2 durch ihre Hilfsaufrechnung verursacht worden sei, findet im Gesetz keine Stütze. Kann der Kläger das Bestehen des von ihm geltend gemachten Anspruchs in dem von ihm gewählten Urkundenprozeß nicht mit den dort statthaften Beweismitteln führen, ist diese Prozeßart unstatthaft. Er wird dadurch nicht rechtlos gestellt, sondern nur auf das ordentliche Streitverfahren verwiesen. Es trifft nicht zu, daß hier die Prozeßabweisung dem Sinn des Urkundenprozesses widersprechen würde, dem Kläger in möglichst kurzer Zeit zu einem vorläufigen Rechtstitel zu verhelfen. Das Vorbehaltsurteil soll nur dem Kläger ermöglicht werden, der das Bestehen seines Anspruchs kurzfristig, nämlich durch Urkunden oder Parteivernehmung beweisen kann. Ist ihm dies nicht möglich, steht ihm nur das ordentliche Streitverfahren offen, um zu einem vollstreckbaren Titel zu gelangen.
3. Die Verurteilung der Beklagten konnte daher nur in Höhe von 87.509,50 DM (104.968,-- DM abzüglich der aufgerechneten Forderungen von 3.898,50 DM und 13.560,-- DM) nebst 5 % Zinsen aus 101.069,50 DM (104.968,-- DM abzüglich 3.898,50 DM) vom 27. September 1982 bis 31. Dezember 1982 und aus 87.509,50 DM seit 1. Januar 1983 Bestand haben. Die Zinsforderung ist in diesem Umfang nach den §§ 284 Abs. 2, 288 BGB, 352 Abs. 1 HGB gerechtfertigt. Den Beklagten war die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten (§ 599 ZPO). In Höhe des Betrages, der auf die Aufrechnung entfällt, nämlich in Höhe von 17.458,50 DM (3.898,50 DM zuzüglich 13.560,-- DM) war die Klage als im Urkundenprozeß unstatthaft abzuweisen. Zur Klarstellung war auszusprechen, daß die Klage im übrigen als unbegründet abgewiesen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2992833 |
NJW 1986, 2767 |
DRsp IV(416)286d |
WM 1986, 537 |
JuS 1987, 149 |
MDR 1986, 580 |