Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 2. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der im Jahre 1939 geborene Kläger war seit 1989 Vorstandsvorsitzender der S. V. bank eG, die durch Vertrag vom 18. Juni 1999 auf die Beklagte, die V. bank eG in N., verschmolzen worden ist. Der Kläger und die S. V. bank eG schlossen am 13./15. September 1988 einen Anstellungsvertrag. Darüber hinaus vereinbarten sie eine betriebliche Altersversorgung für den Kläger, derer er im Falle einer fristlosen Kündigung seines Anstellungsvertrages verlustig gehen sollte.
Der Kläger war u.a. für allgemeine geschäftspolitische Maßnahmen zuständig. In das Aufgabengebiet des weiteren Vorstandsmitglieds Sch. fiel das Kreditgeschäft.
Mitte der 90er Jahre geriet die S. V. bank eG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie wurde zunehmend mit Kreditausfallrisiken belastet, vor allem durch Großkredite ohne ausreichende Sicherheiten. Am 19. Dezember 1995 beschloß der Aufsichtsrat der Bank die ordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 31. Dezember 1996. Diese Kündigung wurde dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 27. Dezember 1995 erklärt. Am 11. März 1996 wurde er für die Dauer der (dann gescheiterten) Verhandlungen über eine vorzeitige Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses freigestellt.
Im Mai 1996 erhielt der Vorstand der Bank Kenntnis von einem zwischen ihr, vertreten durch Sch. sowie den Personalleiter H., und dem Sohn des Klägers, Sv. B., geschlossenen Anstellungsvertrag vom 21./29. Oktober 1993. Sv. B. sollte im Rahmen seiner Diplomarbeit für die Bank ein EDV-Programm erarbeiten (Projekt „KISS”). Dafür sollte er eine Aufwandsentschädigung von 4.000,– DM monatlich sowie nach erfolgreichem Abschluß eine Prämie erhalten. Im Dezember 1994 wurde an Sv. B. ein Betrag von 20.000,– DM ausbezahlt. Die Auszahlung soll der Kläger veranlaßt haben. Am 5. Juni 1996 beschloß die außerordentliche Vertreterversammlung der S. V. bank eG die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers in dessen Anwesenheit. Am 7. Juni 1996 teilten der Vorstand und der Aufsichtsvorsitzende der S. V. bank eG mit getrennten Schreiben dem Kläger mit, daß die Vertreterversammlung die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses beschlossen habe und das Anstellungsverhältnis damit mit dem 5. Juni 1996 beendet worden und das Vorstandsamt erloschen sei.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß sein Anstellungsverhältnis weder durch die von der Vertreterversammlung vom 5. Juni 1996 beschlossene fristlose Kündigung noch durch das Schreiben des Vorstands vom 7. Juni 1996, noch durch das Schreiben des Aufsichtsrats vom 7. Juni 1996 beendet worden sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Versäumnisurteil vom 4. März 1999 hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Auf den Einspruch der Beklagten hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil hinsichtlich des Schreibens des Vorstands vom 7. Juni 1996 aufrechterhalten. Im übrigen hat es dieses Urteil aufgehoben und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt erweist sich die fristlose Kündigung als unbegründet.
I. Das Berufungsgericht sieht einen Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB in der von dem Kläger im November 1994 erteilten Anweisung, seinem Sohn Sv. eine Erfolgsprämie von 20.000,– DM für die Erstellung des Programmes „KISS” zu zahlen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Kläger dem Personalleiter H. eine solche Anweisung erteilt habe. Der Kläger habe in grobem Maße gegen § 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand der S. V. bank eG verstoßen, wonach ein Vorstandsmitglied an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen darf, wenn über Angelegenheiten der Genossenschaft beraten wird, die Interessen der Kinder des Vorstandsmitglieds berühren. Dabei könne dahinstehen, ob dieses Verhalten strafrechtlich relevant gewesen sei und ob die Prämie letztlich in der gezahlten Höhe geschuldet worden sei. Der Kläger habe durch die Anweisung, seinem Sohn den Betrag von 20.000,– DM auszuzahlen, eine Vorschrift verletzt, der für den Schutz der Bank vor benachteiligendem Verhalten eigener Bediensteter grundlegende Bedeutung zugekommen sei. Dem Verstoß des Klägers komme aufgrund seiner herausgehobenen Stellung im Betrieb ein besonderes Gewicht zu, da er als derjenige, dem eine Kontrolle der Einhaltung solcher Vorschriften im Interesse der Bank in erster Linie oblegen habe, eine Vorbildfunktion gehabt habe. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.
II. ein Grund zur fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses läßt sich dem im Revisionsverfahren zu beurteilenden Sachverhalt nicht entnehmen.
1. Der Begriff des wichtigen Grundes ist nur dann richtig angewandt, wenn nicht nur geprüft wird, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden; vielmehr müssen bei der zusätzlich erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles daraufhin abgewogen werden, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen (Sen.Urt. v. 18. Juni 1984 – II ZR 221/83, WM 1984, 1120, 1121; v. 19. Oktober 1987 – II ZR 97/87, BGHR BBG § 626 Abs. 1 – wichtiger Grund 1).
2. Nach diesen Kriterien konnte das Berufungsgericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts nicht von der Berechtigung zur fristlosen Kündigung durch die S. V. bank eG ausgehen.
Das Oberlandesgericht hat offengelassen, ob der Sohn des Klägers einen schuldrechtlichen Anspruch auf die ausgezahlte Prämie hatte. Hatte der Sohn des Klägers einen solchen Anspruch, was im Revisionsverfahren zu unterstellen ist, so hat er auf die Veranlassung des Klägers nur das erhalten, was ihm ohnehin zustand. Damit entfiel das Recht auf fristlose Kündigung. Der Kläger hätte sich in diesem Fall lediglich eines Verstoßes gegen § 4 Nr. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung schuldig gemacht. Der gegen den Kläger zu erhebende Vorwurf beschränkte sich dann auf einen Verfahrensverstoß. Dadurch ist die S. V. bank eG aber nicht geschädigt worden, weil sie die von ihr bewirkte Leistung auch ohne diesen Verfahrensverstoß des Klägers hätte erbringen müssen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Kläger nicht etwa heimlich und hinter dem Rücken anderer Entscheidungsträger der S. V. bank eG gehandelt hat, sondern offen und in Abstimmung mit anderen Mitarbeitern der Bank, mag es sich bei diesen auch nicht um die Personen gehandelt haben, die insoweit Entscheidungskompetenz besaßen (vgl. auch Sen.Urt. v. 9. November 1992 – II ZR 234/91, ZIP 1993, 33, 34).
3. Darüber hinaus findet auch die Tatsache, daß die Beklagte den Dienstvertrag bereits fristgemäß zum 31. Dezember 1996 unter Freistellung des Klägers gekündigt hatte und es somit nur noch um die Weiterzahlung des Gehalts für insgesamt sieben Monate ging, bei der von dem Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtabwägung keine hinreichende Berücksichtigung.
III. Zutreffend rügt die Revision ferner, daß die Mitverantwortung des Klägers für die der S. V. bank eG aus Kreditgeschäften entstandenen Verluste nicht in die Gesamtabwägung hätte einfließen dürfen.
1. Wegen Zeitablaufs verwirkte wichtige Gründe können grundsätzlich eine fristlose Kündigung nicht mehr rechtfertigen. Sie können allenfalls im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung unterstützend herangezogen werden, sofern wenigstens ein nicht verfristeter Kündigungsgrund von einigem Gewicht verbleibt (Sen.Urt. v. 9. März 1992 – II ZR 102/91, BB 1992, 801), der sich aufgrund seines inneren Zusammenhangs mit den früheren Ereignissen als weiteres und letztes Glied in einer Kette von Pflichtverletzungen darstellt, die sich zu einem Gesamtverhalten zusammenfassen lassen (BAGE 29, 57, 72).
2. Ein solcher innerer Zusammenhang besteht zwischen der Prämienzahlung an den Sohn des Klägers und den von dem Berufungsgericht dem Kläger zur Last gelegten Versäumnissen bei der Kreditvergabe nicht. Im ersten Fall hat der Kläger gegen interne Kompetenzregelungen verstoßen, im zweiten gegen die Überwachungspflicht gegenüber seinem für das Kreditgeschäft zuständigen Vorstandskollegen.
Die S. V. bank eG hat selber in den Versäumnissen des Klägers bei der Kreditvergabe keinen wichtigen Kündigungsgrund gesehen, sondern den Anstellungsvertrag ordentlich gekündigt. Sie hat es daher seinerzeit als zumutbar angesehen, das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen, einjährigen Kündigungsfrist fortzusetzen.
IV. Die damit erforderliche Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, fehlende Tatsachenfeststellungen und die gebotene fehlerfreie Gesamtwürdigung nachzuholen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Kurzwelly, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.01.2001 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 564866 |
DStR 2001, 861 |
BGHR 2001, 386 |
NJOZ 2001, 402 |