Leitsatz (amtlich)
Der Leasingnehmer, der die Pflicht zur Instandsetzung des Leasingfahrzeuges gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer für jeden Schadensfall übernommen und im konkreten Schadensfall nicht erfüllt hat, kann nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Eigentümers gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 2 S. 1, § 903
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 13.11.2017; Aktenzeichen 7 S 12/17) |
AG Leipzig (Entscheidung vom 19.12.2016; Aktenzeichen 107 C 6843/16) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Leipzig vom 13.11.2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt als Leasingnehmerin nach einem Verkehrsunfall den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten für das von ihr geleaste Fahrzeug in Anspruch. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien außer Streit.
Rz. 2
Die dem Leasingvertrag der Klägerin zugrunde liegenden Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
"9. Schadensabwicklung durch den Leasing-Nehmer [...] [(2)] Im Schadenfall hat der Leasing-Nehmer den Leasing-Geber unverzüglich schriftlich zu informieren. Er hat die erforderlichen Reparaturarbeiten unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen zu lassen und dem Leasing-Geber eine Kopie der Reparaturkostenrechnung zu übersenden, [...]. [(3)] Der Leasing-Nehmer hat mit der Durchführung der Reparatur grundsätzlich einen vom Leasingfahrzeug-Hersteller anerkannten Betrieb zu beauftragen. [(4)] Entschädigungsleistungen für Wertminderung sind in jedem Fall an den Leasing-Geber weiterzuleiten. [(5)] Der Leasing-Nehmer ist berechtigt und verpflichtet, fahrzeugbezogene Schadensersatzansprüche in eigenem Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen."
Rz. 3
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin holte in der Folge einen Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt ein, der Reparaturkosten von (netto) 978,21 EUR auswies. Sie forderte diesen Betrag von der Beklagten. Diese lehnte die Regulierung auf Grundlage einer fiktiven Abrechnung durch die Leasingnehmerin ab und verlangte die Vorlage einer Freigabeerklärung durch die Leasinggeberin als Eigentümerin des Fahrzeugs. Die Höhe der Reparaturkosten steht nicht im Streit.
Rz. 4
Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund ihres Rechts zum Besitz bejaht und hilfsweise ausgeführt, dass sich ein Zahlungsanspruch in dieser Höhe auch auf die Geltendmachung fahrzeugbezogener Schadensersatzansprüche aufgrund der Ermächtigung im Leasingvertrag stützen lasse. Die Berufung der Beklagten hat das LG zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob ein Leasingnehmer, der zwar nicht Eigentümer, aber Besitzer des Leasingfahrzeugs sei, einen Verkehrsunfallschaden fiktiv abrechnen könne, höchstrichterlich noch nicht entschieden sei. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Klägerin als Leasingnehmerin im eigenen Namen Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Leasingsache geltend machen könne. Die streitige Frage, ob auch ein Leasingnehmer einen Verkehrsunfallschaden fiktiv abrechnen könne, obwohl er nicht Eigentümer, sondern nur Besitzer des Leasingfahrzeuges sei, sei zu bejahen. Das in den Leasingbedingungen regelmäßig enthaltene Erfordernis, dem Leasinggeber die Reparaturkostenrechnung vorzulegen, sei nicht dahingehend zu verstehen, dass der Leasingnehmer den Schadensersatz erst nach Reparatur des Fahrzeugs vom Unfallgegner geltend machen könne. Zwar könnten die auf Gutachterbasis abgerechneten Kosten von den tatsächlichen Reparaturkosten abweichen. Übersteige die fiktive Abrechnung die tatsächlichen Kosten, sei es Sache des Leasinggebers, seine Rechte gegenüber dem Leasingnehmer geltend zu machen.
II.
Rz. 6
Das angegriffene Urteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig.
Rz. 8
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstandes. Der Kläger muss die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 9 - TÜV I). Eine an sich schon in der Klage gebotene Klarstellung kann von der Partei noch im Laufe des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, nachgeholt werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rz. 37 - TÜV II). Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrages wie des Klagegrundes ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 36 zum Klageantrag).
Rz. 9
b) Bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremdem Recht handelt es sich auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2007 - XI ZR 278/06, NJW 2007, 2560 Rz. 16 f.; v. 23.7.2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Rz. 19; Beschl. v. 27.11.2013 - III ZR 371/12, juris Rz. 2 m.w.N.). Hier kommen danach zwei Streitgegenstände in Betracht, nämlich das für die Klägerin fremde Recht der Leasinggeberin aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft einerseits sowie ein eigener Anspruch der Klägerin wegen Verletzung ihres Besitzrechts als Leasingnehmerin andererseits (vgl. zu mehreren Ansprüchen, die wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind, BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - IX ZB 33/14, NJW 2016, 1818 Rz. 27 f.; zur Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 11 - TÜV I).
Rz. 10
c) Die Klägerin, die zunächst in der Klageschrift ihr Klagebegehren auf ein undifferenziertes Gemenge beider prozessualer Ansprüche ohne Angabe einer Prüfungsreihenfolge gestützt hatte, hat nach einem Hinweis des AG auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Besitzrechts erklärt, dass sie eigene absolute Rechte, nämlich ihr Recht zum Besitz im Rahmen des § 823 BGB geltend mache. Sie hat aber auch ausgeführt, dass es hier um fahrzeugbezogene Ansprüche gehe, die von ihr im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend gemacht würden und sich damit auf eine zwischen den Parteien streitige Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Leasinggebers bezogen. Nach diesem Vorbringen ist von einer alternativen Klagehäufung auszugehen.
Rz. 11
Eine alternative Klagehäufung verstößt zwar gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen (BGH, Urt. v. 12.1.2017 - I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rz. 26 ff. - World of Warcraft II; Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 8 - TÜV I). Die klagende Partei kann jedoch noch in der Revisionsinstanz von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung wechseln und die Reihenfolge bestimmen, in der sie die prozessualen Ansprüche geltend machen will (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 13 - TÜV I; BGH, Urt. v. 17.8.2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rz. 37 - TÜV II; v. 27.11.2014 - I ZR 1/11, GRUR 2015, 689 Rz. 14 - Parfumflakon III, m.w.N.). Die Klägerin hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass sie in erster Linie einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Besitzes aus eigenem Recht und hilfsweise einen Schadenersatzanspruch aus dem fremden Recht der Leasinggeberin geltend macht. Da sie ihr Klagebegehren damit vorrangig aus dem Streitgegenstand herleitet, den das Berufungsgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat, begegnet die Wahl dieser Reihenfolge nach dem auch im Verfahrensrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben keinen Bedenken (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.1.2017 - I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rz. 28 - World of Warcraft II; Beschl. v. 24.3.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rz. 13 - TÜV I).
Rz. 12
2. Mit der Begründung des Berufungsgerichtes kann aber der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zuerkannt werden.
Rz. 13
a) Nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird der berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache durch § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützt (st.Rspr., vgl. nur Senat, Urt. v. 26.3.1974 - VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243, 248; v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943; v. 4.11.1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 98; BGH, Urt. v. 21.2.1979 - VIII ZR 124/78, BGHZ 73, 355, 362; v. 21.1.1981 - VIII ZR 41/80, BGHZ 79, 232, 236 ff.; Wagner in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 823 Rz. 288; BeckOK/BGB/Förster, 48. Ed., § 823 Rz. 143, 155 ff.; BeckOGK/Spindler, BGB, 1.7.2018, § 823 Rz. 170 ff.; Hager in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, B Die geschützten Rechtsgüter und Rechte, 10. Der Besitz Rz. 167; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 823 Rz. 33; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., § 823 Rz. 98; Wilhelmi in Erman, BGB, 15. Aufl., § 823 Rz. 43; jeweils m.w.N.). Dieses Recht kann auch durch eine Beschädigung der Sache verletzt werden (vgl. Senat, Urt. v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943; v. 18.11.1980 - VI ZR 215/78, NJW 1981, 750, 751).
Rz. 14
b) Eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren Besitzes kann sich weiter aus § 7 StVG ergeben. Er bezieht neben dem Eigentum und anderen dinglichen Rechten auch den (berechtigten) unmittelbaren Besitz an einer Sache in seinen Schutzbereich ein (Senat, Urt. v. 18.11.1980 - VI ZR 215/78, NJW 1981, 750, 751; vgl. Schnauder, Jus 1992, 820, 821).
Rz. 15
c) Nach der Rechtsprechung des Senats kann bei der Beschädigung des geleasten Fahrzeuges der Schaden des Leasingnehmers neben einem möglichen Haftungsschaden (vgl. Senat, Urt. v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943; v. 18.11.1980 - VI ZR 215/78, NJW 1981, 750, 751; vgl. zum Haftungsschaden des Besitzers: Oetker in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 249 Rz. 451; BeckOGK/Spindler, BGB, 1.7.2018, § 823 Rz. 170; BeckOK/Förster, BGB, 1.8.2018, § 823 Rz. 158; Klimke, NJW 1988, 1830) im Entzug der Sachnutzung bestehen (vgl. Senat, Urt. v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943; v. 5.11.1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22, 26 f.).
Rz. 16
d) Es ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden und in der Literatur umstritten, ob der Leasingnehmer als berechtigter unmittelbarer Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der Leasingsache wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz der Reparaturkosten, d.h. des Substanzschadens, verlangen kann.
Rz. 17
Die Mehrzahl der Entscheidungen des RG und des BGH, deren Gegenstand der deliktsrechtliche Schutz des Besitzes und Schadensersatzansprüche sind, betrifft nicht den Substanzschaden, sondern meist den sog. Nutzungsschaden (vgl. die Darstellung bei Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, 2003 S. 261 ff.; RGZ 91, 60; RGZ 102, 344, 347; RG, WarnR 1922 Nr. 41; RG, JW 1931, 2904; vgl. Senat, Urt. v. 14.4.1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613; v. 26.3.1974 - VI ZR 103/72, BGHZ 62, 243; v. 9.3.1976 - VI ZR 137/74, WM 1976, 583; vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1979 - VIII ZR 124/78, BGHZ 73, 355; v. 21.1.1981 - VIII ZR 41/80, BGHZ 79, 232). Soll der berechtigte Besitz dazu dienen, eine bestimme Nutzung der Sache zu ermöglichen, so stellt es eine Rechtsgutsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB dar, wenn der Besitzer an eben dieser Nutzung durch einen rechtswidrigen Eingriff in relevanter Weise gehindert wird (Senat, Urt. v. 9.12.2014 - VI ZR 155/14, VersR 2015, 250, 252; v. 4.11.1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89). Im Urteil vom 30.9.1969 hat der Senat die Frage, ob der Anspruch des Besitzers grundsätzlich nur auf Ersatz des Besitzschadens oder auch des Substanzschadens geht, ausdrücklich offengelassen (VI ZR 254/67, NJW 1970, 38, 40). Spätere Senatsentscheidungen betreffen den Haftungs- und den Nutzungsschaden des Leasingnehmers (vgl. Senat, Urt. v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943; v. 23.10.1990 - VI ZR 310/89, NZV 1991, 107; v. 5.11.1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22). Einen Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Wiederherstellungskosten hat der BGH einem Werkunternehmer für eine beschädigte Spundwand vor der Abnahme zuerkannt, weil der Besitz des Klägers an der Spundwand mit der Verantwortung für die Sachsubstanz verbunden sei. Dies ähnele dem Haftungsschaden, nur sei hier der Schaden des Besitzers durch den Umfang seiner Erfüllungspflicht gegenüber dem Eigentümer bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 9.4.1984 - II ZR 234/83, VersR 1984, 584). Im Rahmen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen unzulässiger Vertiefung des Nachbargrundstücks wurde dem Mieter des betroffenen Betriebsgrundstücks Ausgleich für die durch die Störung des Besitzes verursachten vermögenswerten Nachteile des Gewerbebetriebs, nicht dagegen für die am Gebäude entstandenen Schäden zuerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2001 - V ZR 389/99, BGHZ 147, 45).
Rz. 18
Zur Frage der Ersatzfähigkeit des Schadens bei einer Substanzverletzung der im berechtigten unmittelbaren Besitz befindlichen Sache besteht in der Literatur große Meinungsvielfalt (vgl. nur Wagner in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 823 Rz. 288; Hager in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017 B. Die geschützten Rechtsgüter und Rechte, 10. Der Besitz, B Rz. 167, 174; Oppermann, Schadensersatz aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung des Besitzes, 1958, S. 102 ff.; Isay, Der Schadensersatzanspruch des Besitzers und des Eigentümers bei Beschädigung der Sache, 1908, S. 41 ff.; Wilhelmi in Erman, BGB, 15. Aufl., § 823 BGB Rz. 43; Baur/Stürner, Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Aufl., § 9 V I; Wieser, JuS 1970, 557, 559; Medicus, AcP 165, 115 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl., Rz. 609; Köhler, JuS 1977, 652, 654; Konnertz, Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger, 2006, S. 198 ff.). Mehrere Stimmen der Literatur halten den Substanzschaden nur beim Eigentümer für ersatzfähig (vgl. BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 823 Rz. 33; Schauseil, MDR 2012, 446; BeckOGK/Walter, StVG, 1.1.2018, § 7 Rz. 27, für § 7 StVG). In Teilen der Literatur zum Leasing wird dem Leasingnehmer als Besitzer auch ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten zugeordnet (vgl. MünchKomm/BGH/Koch, 7. Aufl., "Finanzierungsleasing" Rz. 99; Oetker in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 249 BGB Rz. 452; Buschbell/Kuhn, MAH Straßenverkehrsrecht, 4. Aufl., § 24 Rz. 211). Teilweise wird dem Leasingnehmer neben dem Nutzungsschaden nur der Haftungsschaden aufgrund der Reparaturverpflichtung gegenüber dem Eigentümer zugewiesen (vgl. Schneider in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 38. EL, Dez. 2017, Kap. 5, 6, Rz. 142, 158; Staudinger/Stoffels, BGB [2018], "Leasing" Rz. 212b; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 3. Kap. Rz. 123; Hohloch, NZV 1992, 1, 7; Klimke, NJW 1988, 1830; Konnertz, a.a.O., S. 199). Zum Teil wird der Ersatz des Sachwertes allein dem Eigentümer zugewiesen (vgl. Harriehausen, NJW 2016, 1421, 1423; dies., NJW 2017, 1443, 1447; BHHJ/Jahnke, 25. Aufl., § 249 BGB Rz. 143a).
Rz. 19
Geht man davon aus, dass sowohl der berechtigte unmittelbare Besitzer als auch der Eigentümer einen Anspruch auf Ersatz des Substanzschadens in Gestalt der Reparatur bzw. der Reparaturkosten haben, stellt sich das Problem der Anspruchskonkurrenz, für das ebenfalls unterschiedliche Lösungen vertreten werden (vgl. nur Oppermann, a.a.O., S. 111, 114 f.; Müller-Laube, JuS 1993, 529, 533; Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 235; Staudinger/Looschelders [2017], BGB, § 432 Rz. 46; Böttcher in Erman, BGB, 15. Aufl., § 432 Rz. 16; BeckOK/Gehrlein, BGB, 1.11.2018, § 432 Rz. 2; Schulze, BGB, 10. Aufl., § 432 Rz. 2; Baur/Stürner, Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Aufl., § 9 V 1 S. 80; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Aufl., Rz. 609; so schon Medicus, Bürgerliches Recht, 15. Aufl., Rz. 609; Medicus, AcP 165, 115, 145; vgl. auch für das Verhältnis von Eigentümer und Nießbraucher MünchKomm/BGB/Pohlmann, 7. Aufl., § 1065 Rz. 7; BeckOGK/Servatius, BGB, 1.9.2018, § 1065 Rz. 23).
Rz. 20
e) Es kann im Streitfall aber dahinstehen, ob der Leasingnehmer als berechtigter unmittelbarer Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der Leasingsache wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz der Reparaturkosten, d.h. des Substanzschadens, verlangen kann und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz zu lösen ist, denn jedenfalls kann der Leasingnehmer, der wie hier die Pflicht zur Instandsetzung gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer für jeden Schadensfall übernommen und im konkreten Schadensfall nicht erfüllt hat, nicht ohne Zustimmung (§ 182 BGB) des Eigentümers gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangen (vgl. Wieser, FS Laufke, 1971, 135, 145; Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 236; a.A. Oppermann, a.a.O., S. 115).
Rz. 21
aa) Das Recht des Geschädigten, die Herstellungskosten statt der Herstellung zu verlangen, ist mit der herrschenden Meinung als Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (facultas alternativa) zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1952 - V ZR 122/50, BGHZ 5, 105, 109; v. 27.6.2018 - XII ZR 79/17, NZM 2018, 717; v. 27.4.1967 - II ZR 74/65, VersR 1967, 897; v. 28.2.2018 - VIII ZR 157/17, NJW 2018, 1746 Rz. 26; Staudinger/Schiemann [2017], BGB § 249 Rz. 215; BeckOGK/Looschelders, BGB, 1.12.2018, § 364 Rz. 21; BeckOK/Flume, BGB, 1.11.2018, § 249 Rz. 383; Krüger in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 262 Rz. 10), weil nicht von vornherein mehrere Leistungen geschuldet werden, sondern der Gläubiger nur berechtigt ist, anstelle der einen geschuldeten Leistung eine andere mit der Folge zu setzen, dass fortan nur diese letztere Erfüllung ist (BGH, Urt. v. 8.2.1952, a.a.O., S. 109). Als Willenserklärung des Gläubigers kann die Ersetzungsbefugnis auch konkludent durch ein Zahlungsbegehren gegenüber dem Schädiger erklärt werden (vgl. Oetker in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 249 Rz. 358).
Rz. 22
bb) Die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB soll den Geschädigten davon befreien, die Schadensbeseitigung dem Schädiger anvertrauen zu müssen und ihm die Möglichkeit zur Durchführung der Beseitigung in eigener Regie eröffnen (vgl. Senat, Urt. v. 18.5.2014 - VI ZR 10/13, WM 2014, 1685 Rz. 29; v. 27.9.2016 - VI ZR 673/15, NJW 2017, 953 Rz. 12; BGH, Urt. v. 28.2.2018 - VIII ZR 157/17, NJW 2018, 1746 Rz. 26; v. 27.6.2018 - XII ZR 79/17, NZM 2018, 717). Die Zielgerichtetheit der Ersetzungsbefugnis auf eine möglichst vollständige Naturalrestitution in eigener Regie des Geschädigten wird weitergeführt und modifiziert durch den Grundsatz der Dispositionsfreiheit des Geschädigten bezüglich des Einsatzes der vom Schädiger geschuldeten Finanzmittel (Steffen, NZV 1991, 1, 2). Der Geschädigte ist aufgrund seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich beanspruchen kann. Er ist daher weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug reparieren zu lassen noch tatsächlich eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen (st.Rspr., vgl. Senat, Urt. v. 23.5.2017 - VI ZR 9/17, NJW 2017, 2401 Rz. 7; v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, NJW 1985, 2469; v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 398; v. 15.2.2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 165 f.; v. 9.6.2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rz. 13). Der Geschädigte kann gute Gründe haben, auf eine Reparatur zu verzichten und sich stattdessen eine neue Sache anzuschaffen oder die Behebung eines Schadens zurückzustellen, der die Gebrauchsfähigkeit der Sache nicht entscheidend beeinträchtigt (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 5 IV 6 S. 228).
Rz. 23
Die Ersetzungsbefugnis kann bei der Beschädigung einer Sache regelmäßig nur einheitlich ausgeübt werden. Auch die auf ihr aufbauende Dispositionsfreiheit bei der Entscheidung über die Verwendung der zu beanspruchenden Mittel kann nur in eine einheitliche Entscheidung münden. Im Verhältnis von Eigentümer und berechtigtem unmittelbarem Besitzer ist diese Entscheidungsmacht, soweit es um den Ersatz des Substanzschadens geht, dem Eigentümer als Inhaber des umfassenderen Herrschaftsrechtes über die Sache gem. § 903 BGB zugewiesen.
Rz. 24
Gemessen daran kann die Klägerin hier von der Beklagten nicht Zahlung der fiktiven Reparaturkosten verlangen, weil sie das von der Beklagten ausdrücklich geforderte Einvernehmen der Eigentümerin mit einer Ersetzung nicht dargelegt hat. Diese positive Befugnis aus ihrem Eigentum hat die Eigentümerin hier auch nicht auf die Besitzerin übertragen oder zur Ausübung dieser überlassen. Im Leasingvertrag ist vielmehr geregelt, dass der Leasingnehmer im Schadensfall unverzüglich die erforderlichen Reparaturarbeiten durchführen lassen muss. Damit ist eine alleinige Entscheidung des Leasingnehmers für eine fiktive Abrechnung der Reparaturkosten bereits ausgeschlossen.
Rz. 25
f) Auch die Geltendmachung des Haftungsschadens führt ohne Reparatur nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf Zahlung der (fiktiven) Reparaturkosten.
Rz. 26
Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich bei Beschädigung einer gemieteten Sache die Ersatzpflicht des Schädigers auch auf einen Haftungsschaden erstrecken (vgl. Senat, Urt. v. 13.7.1976 - VI ZR 78/75, VersR 1976, 943, 944; v. 18.11.1980 - VI ZR 215/78, VersR 1981, 161; v. 5.11.1991 - VI ZR 145/91, BGHZ 116, 22; vgl. auch KG NJW-RR 2007, 239, 241; OLG Naumburg NJW-RR 2015, 217; OLG Saarbrücken, Schaden-Praxis 2011, 446; OLG Düsseldorf MDR 2016, 1263; LG Berlin MDR 2001, 630; Reinking, ZIP 1984, 1319; BeckOGK/Spindler, BGB, 1.3.2018, § 823 Rz. 170; Oetker in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 249 Rz. 451; BeckOK/Förster, BGB, 1.11.2018, § 823 Rz. 143; Dörner, VersR 1980, 1000; Schnauder, JuS 1992, 820, 822; Medicus, AcP 165, 115, 145; Konnertz, Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger, 2006, S. 60 ff., 230), also auf den Schaden, der dem Besitzer durch seine Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer entstanden ist. Nachdem die Klägerin bisher keine Aufwendungen für die Reparatur des Kraftfahrzeugs erbracht hat, besteht ihr Schaden in der vertraglichen Verpflichtung, das Kraftfahrzeug auf ihre Kosten in einer vom Hersteller anerkannten Werkstatt reparieren zu lassen, mithin in der Belastung mit einer Verbindlichkeit (vgl. Schnauder, JuS 1992, 821, 822; Dörner, VersR 1980, 1000; Medicus, AcP 165, 115, 145). Soweit der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten besteht, geht der Anspruch auf Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB auf Schuldbefreiung (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.3.2015 - I ZR 190/13, VersR 2016, 211; v. 17.2.2011 - III ZR 144/10, NJW-RR 2011, 910; v. 6.4.2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; Senat, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558; jeweils m.w.N.), nicht aber auf die Zahlung der zur Tilgung der Verbindlichkeit erforderlichen Geldbetrages.
Rz. 27
Es steht dem Schuldner grundsätzlich frei, wie er den Befreiungsanspruch erfüllt. Entscheidend ist nur, dass das Ergebnis - Befreiung von der Verbindlichkeit - eintritt; ob z.B. durch Erfüllung, befreiende Schuldübernahme nach §§ 414, 415 BGB oder auf andere Weise, ist dem Schuldner zu überlassen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2011 - III ZR 144/10, NJW-RR 2011, 910; BeckOK/Lorenz, BGB, 1.8.2018, § 257 Rz. 4; BeckOGK/Röver, BGB, 15.10.2018, § 257 Rz. 26; Artz in Erman, BGB, 15. Aufl., § 257 Rz. 3). Einen Befreiungsanspruch hat die Klägerin aber nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen des § 250 BGB zur Überleitung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch sind nicht festgestellt. Ob § 115 Abs. 1 Satz 3 VVG, wonach der Versicherer den Schadensersatz in Geld zu leisten hat, im Falle eines Befreiungsanspruchs gegen den Versicherer dessen Möglichkeiten bei der Erfüllung beschränkt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da jedenfalls lediglich eine Zahlung an die Leasinggeberin und Eigentümerin, nicht jedoch - wie gefordert - an die Klägerin als Leasingnehmerin in Betracht kommt (vgl. dazu im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 21.9.2011 - VIII ZR 184/10, NJW 2011, 3709).
III.
Rz. 28
Danach kann die Entscheidung des LG keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen. Das LG hat bisher nur über den Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht, nicht hingegen über den nunmehr hilfsweise zur Entscheidung gestellten Anspruch aus fremdem Recht entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 12975471 |
BB 2019, 578 |
NJW 2019, 1669 |
NJW 2019, 9 |
EWiR 2019, 367 |
WM 2020, 785 |
ZAP 2019, 428 |
ZIP 2019, 663 |
ZMR 2019, 11 |
ZMR 2019, 466 |
DAR 2019, 305 |
DAR 2019, 321 |
JZ 2019, 344 |
JuS 2019, 1208 |
MDR 2019, 414 |
NZV 2019, 424 |
VRS 2018, 178 |
VersR 2019, 499 |
VuR 2019, 276 |
ZfS 2019, 384 |
KfZ-SV 2019, 37 |
NJW-Spezial 2019, 233 |
RÜ 2019, 287 |
SVR 2019, 4 |
VRA 2019, 59 |
r+s 2019, 228 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2019, 24 |
Jura 2019, 894 |
RAW 2019, 110 |
UE 2019, 1 |