Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit von Ausschreibungsunterlagen für den Bau einer Pipeline.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 23.12.1981) |
LG Kiel |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Dezember 1981 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland Schadensersatzansprüche wegen der Weitergabe von Ausschreibungsunterlagen für den Bau einer Pipeline geltend. Sie leitet ihre Rechte von dem Ingenieurbüro … ab, als deren Rechtsnachfolgerin sie sich aufgrund gesellschaftsrechtlicher Umwandlungen sieht.
Die Beklagte unterhält im Rahmen ihrer Nato-Mitgliedschaft ein umfangreiches Pipelinesystem, das im wesentlichen der Treibstoffversorgung dient; dazu gehört das Nordeuropäische Pipelinesystem (NEPS), die sog. Jütland-Pipeline.
Als die Beklagte eine Verlängerung der Jütland-Pipeline plante, beauftragte sie die genannten K.-Unternehmen in den Jahren 1966 und 1969 mit den Ingenieurleistungen für das Bauvorhaben (Grundvertrag vom 25.10.1966 mit dem Ingenieurbüro … und Ingenieurvertrag vom 31.10.1969 mit der Firma K.). Die Aufträge bezogen sich auf den Bau einer Pipeline in dem Streckenabschnitt … einschließlich Tanklager, Fernmeldeanlagen u.a. Einrichtungen. Aufgrund des Ingenieurvertrages vom 31. Oktober 1969 erstellte das beauftragte Ingenieurbüro neben den Bau-, Rohr- und Schaltplänen mit technischen Beschreibungen und den Errichtungsanträgen auch die vollständigen Ausschreibungsunterlagen. Der Auftrag ist inzwischen weitgehend abgewickelt worden.
Später plante die Beklagte über die verlängerte Teilstrecke hinaus den Anschluß des Nato-Marineflugplatzes … an die Jütland-Pipeline. Die Ingenieurleistungen für den dazu notwendigen Bau der Pipeline vom Abzweigschacht … zum Tanklager … mit den erforderlichen Einrichtungen und sämtlichen Anschlüssen an bestehende Anlagen übertrug die Beklagte, die sich bei der Ausführung beider Bauvorhaben des Landesbauamts in … bediente, dem Ingenieurbüro W. (im folgenden IBW), das ein günstigeres Angebot als die Klägerin eingereicht hatte. Die neu geplante Leitung schloß am Streckenschieberschacht … als Abzweig an die von der … projektierte Leitung an.
Nach Abschluß des Vertrages mit dem IBW stellte die Beklagte dem IBW von der … gefertigten Unterlagen einschließlich der Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung. Das IBW übernahm aus den ihm überlassenen Ausschreibungsunterlagen Teile für die eigene Ausschreibung, die es für den ihm übertragenen Streckenabschnitt zu erstellen hatte. Die Parteien streiten über den Umfang, die Art und die Notwendigkeit einer Übernahme der Unterlagen.
Die Klägerin sieht in der Weitergabe der Ausschreibungsunterlagen und in deren teilweiser Verwertung eine Vertrags- und Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte. Sie stützt sich dabei auf § 14 des Ingenieurvertrages vom 31. Oktober 1969, der – inhaltlich weitgehend übereinstimmend mit § 12 des Grundvertrages vom 25. Oktober 1966 – wie folgt lautet:
„Urheberrecht
14.1. Der Auftraggeber darf die Unterlagen für die in § 1 genannte Baumaßnahme ohne Mitwirkung des Ingenieurs nutzen und ändern; dasselbe gilt auch für die Anlage. Der Auftraggeber wird den Ingenieur vor wesentlichen Änderungen eines nach dem Urheberrecht geschützten Werkes anhören.
14.2. Der Auftraggeber hat das Recht zur Veröffentlichung unter Namensangabe des Ingenieurs. Der Ingenieur bedarf zu Veröffentlichungen der Einwilligung des Auftraggebers.”
Mit der Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 15.000 DM.
Sie hat die Ansicht vertreten, die von ihr gefertigten Ausschreibungsunterlagen seien als Schriftwerk urheberrechtsschutzfähig. Zumindest bei den von ihr – durch einen grünen Randstrich – besonders gekennzeichneten Teilen handele es sich um eine, teilweise sogar völlig neue, eigenschöpferische geistige Leistung, die sie nur aufgrund ihres durch langjährige Erfahrungen erworbenen geistig hockqualifizierten Know-how in der Planung und Bauüberwachung von Fernleitungen, über das nur sie verfüge, habe erbringen können. Die gefundene technische Lösung sei weder Fachbüchern noch sonstigen Gebrauchsanweisungen zu entnehmen. Insbesondere die in Teil 2 der Ausschreibungsunterlagen enthaltenen „Besonderen Ausführungsbedingungen (BAB)” seien von ihr als Ergebnis langjähriger Erfahrung entwickelt worden und stellten spezifisch für Pipelinebauvorhaben wichtige Vorschriften dar. Das gleiche gelte für die in Teil 3 als schutzfähig gekennzeichneten Passagen, bei denen es sich ebenfalls um ein spezifisches Know-how handele, das die übrigen Fachkreise nicht besäßen. Die im Abschnitt „Leistungsbeschreibung” des Teils 4 enthaltenen Darlegungen über Niederspannungsverteilung, Fernwirkanlage, Mengenzähleinrichtung, Steuerpult sowie Schalt und Steuerschrank seien spezielle von ihr entwickelte Betriebs- und Sicherheitsmerkmale der Pipeline, zu deren Kernstücken sie zählten, und seien in besonderem Maße schutzwürdig. Ebenso seien die technischen Lieferbedingungen und die Richtlinien zu beurteilen (Teil 5), die von ihr aufgrund langjähriger theoretischer Planungstätigkeit und umfangreicher Erfahrung besonders entwickelt worden seien und im Kern das Know-how bei der Pipeline-Planung darstellten. Im übrigen sei auch die Form der Darstellung eine eigentümliche schöpferische geistige Leistung.
Das IBW habe insbesondere den elektrotechnischen und maschinenbautechnischen Teil ihrer Ausschreibungsunterlagen im wesentlichen unverändert übernommen; teils seien sie wörtlich abgeschrieben, teils auch schlicht kopiert worden. Das IBW habe dadurch einen erheblichen Teil der erforderlichen Gedanken- und Planungsarbeit erspart.
Für die in der Obernahme der Ausschreibungsunterlagen liegende Urheberrechtsverletzung habe die Beklagte einzustehen. Sie sei nicht berechtigt gewesen, die kompletten Unterlagen dem IBW zu überlassen; zumindest hätte sie aber sicherstellen müssen, daß eine Übernahme durch das IBW nicht erfolgt. Sie – die Klägerin – habe der Beklagten die Nutzungsbefugnis an den Ausschreibungsunterlagen nur für den Vertragszweck eingeräumt; d.h., für die im Vertrag genannte Teilstrecke einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Bauwerke und Anlagen, nicht jedoch für das gesamte Pipeline-System. Die vom IBW projektierte Anschlußleitung, die bei der ursprünglichen Planung noch nicht vorgesehen gewesen sei, stehe zwar mit dem übrigen Teil des Pipeline-Systems in Zusammenhang, stelle aber eine neue Baumaßnahme dar, für die eine Überlassung ihrer Ausschreibungsunterlagen sachlich nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte treffe im übrigen auch deshalb ein Schuldvorwurf, weil sie die vom IBW hergestellten Ausschreibungsunterlagen verwertet habe, obwohl der zuständige Sachbearbeiter beim Landesbauamt Schleswig bei Durchsicht der Unterlagen sofort festgestellt habe, daß ganze Teile wortwörtlich übernommen worden seien.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat gemeint, die Ausschreibungsunterlagen der Klägerin seien urheberrechtlich nicht geschützt. Es fehle an einer eigenpersönlichen Geistesschöpfung. So enthielten die „Besonderen Ausführungsbedingungen (BAB)” im wesentlichen eine Zusammenfassung von Vorschriften über die reibungslose Gestaltung des Baustellenablaufs; die diesen Vorschriften zugrundeliegende langjährige Erfahrung stehe auch anderen mit dem Pipelinebau beschäftigten Ingenieuren – wie dem IBW – zur Verfügung. Bei der Gliederung der Ausschreibungsunterlagen handele es sich um naturgemäß vorgegebene Daten, die keinerlei besonderes Know-how erforderten. Die Betriebs- und Sicherheitsmerkmale der Pipeline seien vom Auftraggeber bzw. der Genehmigungsbehörde vorgegeben gewesen.
Die Beklagte hat im übrigen bestritten, daß das IBW irgendwelche dem Know-how der Klägerin entstammenden Ausschreibungsunterlagen wieder verwendet habe. Die sich im wesentlichen auf technische Beschreibungen beschränkenden feststellbaren Übereinstimmungen der beiderseitigen Ausschreibungsunterlagen seien rechtlich unerheblich, weil sie überwiegend technisch notwendige bloße Herstellerbeschreibungen zu verwendender Bauteile wiedergäben. Die eigentliche geistige Leistung, die Trassierung und Planung des Abzweigs nach … und seine Anbindung an das vorhandene System seien vom IBW erbracht worden. Erhebliche Unterschiede zwischen den Planungsleistungen seien auch dadurch vorgegeben gewesen, daß die vom IBW projektierte Anschlußleitung nach … 4-zöllig, die der Klägerin 6-zöllig geplant worden sei.
Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, daß es ihr gestattet gewesen sei, die Ausschreibungsunterlagen weiter zu verwenden. Das ihr eingeräumte Nutzungsrecht erstrecke sich bei sachgerechter Vertragsauslegung notwendig auf das gesamte Pipeline-System. Die von der Klägerin und dem IBW geplanten Streckenabschnitte seien lediglich Teilbaumaßnahmen des gesamten Bauwerks gewesen. Es sei zudem auch erforderlich gewesen, dem IBW die Unterlagen zu überlassen, da für die Errichtung der Anschlußleitung dieselben Bedingungen und Auflagen zu berücksichtigen gewesen seien, wie bei der von der Klägerin projektierten Leitung. Die Unterlagen seien dem IBW lediglich zur Information ausgehändigt worden, damit es die von ihm zu planenden baulichen Anlagen an das vorhandene System anpasse. Sie – die Beklagte – habe nicht damit rechnen können, daß das IBW angeblich urheberrechtlich geschützte Teile ganz oder teilweise abschreiben werde. Auch bei Verwendung der vom IBW erstellten Ausschreibungsunterlagen sei dies nicht erkennbar gewesen. Schließlich habe sie aber auch für eine Übernahme etwaiger geschützter Teile nicht einzustehen, weil das IBW nicht als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Ausschreibungsunterlagen an das IBW weiterzugeben; für ein etwaiges Verschulden des IBW habe sie nicht einzustehen.
Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihren Klaganspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma K. berechtigt ist, Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Verwertung der von der Firma K. erstellten Ausschreibungsunterlagen gegen die Beklagte geltend zu machen.
Davon ist auch für die Revisionsinstanz auszugehen.
II.
1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte nach § 97 Abs. 1 UrhG verneint. Es ist zwar der Begründung des Landgerichts nicht gefolgt, sondern hat angenommen, daß der Beklagten durch § 14 des Ingenieurvertrages vom 31. Oktober 1969 nicht das Recht eingeräumt worden sei, die von der … erstellten Ausschreibungsunterlagen auch für die vom IBW projektierte Anschlußleitung zu übernehmen. Das Berufungsgericht hat aber die Ansicht vertreten, daß die Ausschreibungsunterlagen der Klägerin kein nach § 2 UrhG schutzfähiges Werk darstellen. Dazu hat es ausgeführt: Die Ausschreibungsunterlagen enthielten – wie das Berufungsgericht näher festgestellt hat – im wesentlichen technische Herstellerbeschreibungen und Regeln für technisches Handeln. Diese seien nicht urheberrechtsschutzfähig, soweit es um die darin zum Ausdruck kommende technische Idee, den technischen Inhalt, die technische Lehre gehe; insoweit seien vielmehr die technischen Schutzrechte und nicht das Urheberrecht angesprochen. Technische Lehren und Regeln für technisches Handeln könnten jedoch in ihrer konkreten Formgestaltung Urheberrechtsschutz genießen. Dieser Schutz beruhe dann aber nicht auf der technischen Lehre als solcher, sondern auf dem geistigen Gehalt der konkreten Niederlegung. Erforderlich sei daher, daß die ihrem Wesen nach technischen Gestaltungen einen von der Technik und der sich daraus ergebenden Form unabhängigen geistig-ästhetischen Gehalt aufweisen. Dieser müsse einen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad erreichen. Daran fehle es im Streitfall. Der geistige Gehalt der Ausschreibungsunterlagen werde nicht durch die Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts oder eine besonders geistvolle Form und Art der Sammlung, Einteilung oder Anordnung bestimmt, sondern durch den zugrundeliegenden technischen Inhalt,
2. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Ausschreibungsunterlagen der Klägerin ohne Rechtsverstoß verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall ein Schriftwerkschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG in Betracht kommt, der jedoch daran scheitert, daß die Ausschreibungsunterlagen nicht die nach § 2 Abs. 2 UrhG notwendige persönliche geistige Schöpfung erkennen lassen.
a) Die persönliche geistige Schöpfung muß bei wissenschaftlichen Schriftwerken – ebenso wie bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG – in der individuellen Darstellung selbst, also in der Formgestaltung zum Ausdruck kommen. Dagegen kommt es nicht, worauf es die Klägerin wesentlich abstellt, auf den schöpferischen Gehalt des wissenschaftlichen oder technischen Inhalts der Darstellung an (zuletzt BGH, Urt. v. 21.11.1980 – I ZR 106/78 = GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; vgl. auch BGHZ 73, 288, 292 – Flughafenpläne). Dies folgt aus dem Wesen des Urheberrechtsschutzes und seiner Abgrenzung gegenüber den technischen Schutzrechten; bei einem urheberrechtlichen Schutz der technischen Lehre würde in das bestehende Ordnungssystem der technischen Schutzrechte mit ihren anders gearteten formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen und ihrer wesentlich kürzeren Schutzdauer eingegriffen werden. Das technische Gedankengut eines Werkes – die technische Lehre als solche – kann danach nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und kann daher auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken, die die technische Lehre enthalten, herangezogen werden (vgl. BGHZ 73, 288, 292). Die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke kann ihre Grundlage allein in der – notwendig schöpferischen – Form der Darstellung finden. Sie sind deshalb schutzfähig bei einer eigenschöpferischen Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (vgl. BGH, Urt, v. 7.12.1979 – I ZR 157/77 = GRUR 1980, 227, 230 – Monumenta Germaniae Historica; BGH GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; BGH, Urt, v. 27.2.1981 – I ZR 29/79 = GRUR 1981, 520, 521 – Fragensammlung).
Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht beachtet. Der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe nicht gesehen, daß nur eine objektiv ausschließliche oder zwingende technische Bedingtheit den Urheberrechtsschutz ausschließe, ist nicht begründet. Die Rechtsprechung, auf die sich die Revision insoweit stützt, bezieht sich lediglich auf technisch bedingte äußere Formgestaltungen nach dem Gebrauchsmustergesetz (vgl. BGH, Urt., v. 21.5.1965 Ib ZR 121/63 = GRUR 1966, 97, 99 – Zündaufsatz; BGH, Urt., v, 20.5.1974 – I ZR 136/72 = GRUR 1975, 81, 83 – Dreifachkombinationsschalter). Sie besagt überdies nur, daß zwar ausschließlich technisch bedingte Formgestaltungen den Geschmacksmusterschutz ausschließen; der Geschmacksmusterschutz kann aber auch entfallen, wenn in einer – objektiv nicht notwendige technisch bedingten – Formgestaltung bereits keine hinreichende eigenschöpferische Gestaltungshöhe zum Ausdruck kommt. Auch die weiteren Ausführungen der Revision, mit denen sie den Werkbegriff näher erläutert, zeigen keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
b) Das Berufungsgericht hat die oben angeführten rechtlichen Maßstäbe auch zutreffend auf den Streitfall angewendet.
Es hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß die Ausschreibungsunterlagen, soweit die Klägerin sie für schutzfähig hält, technische Lehren und Regeln für technisches Handeln enthalten. Da die technische Lehre als solche aber nicht urheberrechtsschutzfähig ist, kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob die von der Klägerin aufgrund jahrelanger Erfahrung gefundene technische Lösung für den Pipelinebau, ihr technisches Know-how, eine individuelle Geistesschöpfung auf technischem Gebiet, also eine besondere technische Leistung darstellt.
Weiter hat das Berufungsgericht frei von Rechtsfehlern festgestellt, daß die Formgestaltung der Ausschreibungsunterlagen, auf die es hier maßgebend ankommt, nicht die erforderliche schöpferische Eigenart erkennen läßt. Es hat dazu ausgeführt, die Ausschreibungsunterlagen seien geprägt durch die Zusammenstellung technischer Tatsachenangaben, technischer Beschreibungen und Anweisungen. Die Anordnung und Einteilung, die konkrete Formgestaltung, die Darstellung des technischen Inhalts seien nicht Ausdruck einer eigenschöpferischen, eigentümlichen Gedankengestaltung und -führung, nicht von individueller Prägung, ergäben sich vielmehr aus der Natur der Sache; sie seien als technische Anweisungen auch in ihrer Darstellung durch Gesetze der Zweckmäßigkeit vorgegeben. Diese tatrichterlichen Feststellungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Aus dem Zusammenhang der Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß es die Ausschreibungsunterlagen insgesamt überprüft hat, wenn es auch nicht detailliert auf bestimmte Abschnitte oder Passagen der Ausschreibungsunterlagen eingegangen ist. Eine ins einzelne gehende Auseinandersetzung war unter den besonderen Umständen des Streitfalls entbehrlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der im fraglichen wissenschaftlichen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise urheberrechtsschutzfähige eigenschöpferische Prägung fehlen wird; dasselbe gilt für einen Aufbau und eine Darstellungsart, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Fragen des behandelten Gebiets weitgehend üblich sind und deren Anwendung deshalb nicht als eigentümliche geistige Leistung angesehen werden kann (vgl. BGH GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit). Im Streitfall handelt es sich um Ausschreibungsunterlagen rein technischen Inhalts. Die umfangreichen Unterlagen gliedern sich in 6 Teile, von denen die Klägerin die Teile 2 – 4 teilweise und die Teile 5 und 6 in vollem Umfang für schutzfähig hält. Teil 2 enthält das Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung von Ingenieur- und Rohrleitungsbauarbeiten. Dort werden unter „Besondere Ausführungsbedingungen (Zusätzliche technische Vorschriften)” u.a. beschrieben: Übernahme und Lagerung der Rohre, Zubehörteile, Schutz der Leitungsisolierung, Geräte zur Durchführung der Schweißarbeiten, Herkunft des Materials und der Baustoffe, vom Unternehmer zu erstellende Unterlagen bezüglich des Arbeitsablaufs, Vorbereitung der Arbeitsstreifen (Behandlung von Holz-Auswuchs, Mutterboden u.ä.), Zufahrtswege zur Baustelle, Bauabsteckung, Grabenaushub, Verwendung von Sprengstoffen, Wasserhaltung und Dränagen, Aufteilung und Behandlung von Rohren und Formstücken (u.a. Entladen, Stapeln und Transport des Materials), Verfüllung des Rohrgrabens, Überprüfung der Isolierung bei verlegter Leitung, Wiederherstellung der Örtlichkeit, Abnahmebescheinigungen, Flurschäden, Ausführung der Arbeiten und Wasserdruckprüfungen. Weiter ist in Teil 2 die Leistungsbeschreibung enthalten, von der die Klägerin die Punkte „Abrechnung der Gräben und Bäche” und „Sicherungsmaßnahmen für die Leitung” als schutzfähig ansieht. Aus dem Leistungsverzeichnis des Teils 2 hält die Klägerin die auf Seite 104 wiedergegebene graphische Darstellung mit der Werteskala für eigenschöpferisch. Teil 3 betrifft das Leistungsverzeichnis für die Ausführung von maschinentechnischen Arbeiten; aus dem Abschnitt „Besondere Ausführungsbedingungen (Zusätzliche technische Vorschriften)” führt die Klägerin an: Ausrüstung der Anlage und Beschreibung der Anlegeteile. Teil 4 enthält das Leistungsverzeichnis für die Ausführung von elektrotechnischen Arbeiten. Dort werden unter „Besondere Ausführungsbedingungen. (Zusätzliche technische Vorschriften)” von der Klägerin die Punkte hervorgehoben: Technische Erläuterungen (Verlegung von Kabeln u.a.) und anlagetechnische Beschreibung (Streckenschieber, Abzweigschacht u.a.). In der Leistungsbeschreibung des Teils 4 werden behandelt: Niederspannungsverteilung, Fernwirkanlage, Mengenzähleinrichtung, Steuerpult, Schalt- und Steuerschrank, Kontrolltafel. Teil 5 beinhaltet technische Lieferbedingungen, Richtlinien und Spezifikationen. Der mit „Planunterlagen” überschriebene Teil 6 besteht aus einem 14-seitigen Planverzeichnis zu Teil 2, 3 und 4.
Wenn die Klägerin für eine solche allgemeine technische Beschreibung Urheberrechtsschutz in Anspruch nehmen will, so muß sie näher darlegen, in welchen konkreten Formgestaltungen sie eine das durchschnittliche Ingenieurschaffen beim Pipelinebau deutlich Überragende individuelle Eigenart sieht; dies besonders dann, wenn die Ausschreibungsunterlagen einen ganz erheblichere Umfang haben und ohnehin – wie oben dargelegt – davon auszugehen ist, daß der im fraglichen technischen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise regelmäßig eine eigenschöpferische Prägung fehlt. Hinzu kommt, daß das Berufungsgericht der Klägerin durch Beschluß vom 14. August 1981 besonders aufgegeben hatte, die Urheberrechtsschutzfähigkeit darzutun. Diese Auflage hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. September 1981 nicht hinreichend erfüllt. Sie trägt dort im wesentlichen vor, daß die von ihr als schutzfähig gekennzeichneten Stellen der Ausschreibungsunterlagen das Ergebnis ihres in langjähriger Erfahrung erworbenen technischen Know-how seien. Im übrigen befaßt sie sich abstrakt mit den rechtlichen Voraussetzungen der Urheberrechtsschutzfähigkeit und führt lediglich allgemein an, die von ihr geprägten Formulierungen seien keineswegs der einschlägigen Literatur zu entnehmen oder auf entsprechenden Ausbildungsstätten zu erlernen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß es sich um eine eigentümliche Gedankengestaltung individueller Prägung handelt. Ebensowenig ist erkennbar, an welchen Stellen der Ausschreibungsunterlagen die Ausdrucksweise von der im Fachbereich üblichen abweicht. Auch die Revision weist nur allgemein darauf hin, daß die Ausschreibungsunterlagen der Klägerin ohne Muster oder übliche Schemata herausgearbeitet worden seien; Bauweisen und -konstruktionen seien in ihnen ohne Vorbilder begrifflich erfaßt; Regeln und Richtlinien seien aus den zugrundeliegenden technischen Ideen und Inhalten ohne Rückgriff auf bestehende Formulierungen im echten Sinne produziert. Allein aus diesen nicht näher belegten, abstrakt formulierten Kriterien läßt sich aber noch nicht mit der Revision die Folgerung ziehen, daß die Ausschreibungsunterlagen in Begriffsbildung, Gedankenformung, Diktion und Zusammenstellung ein echtes Sprachwerk sind. Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht konkret zu entnehmen, inwiefern sich ihre – in den hervorgehobenen Passagen enthaltene – Ingenieurleistung durch die genannten Gestaltungselemente von dem vorbekannten Schaffen, d.h. von den im Rahmen des Pipelinebaus üblicherweise erbrachten Ingenieurleistungen abhebt. Mangels einer solchen Darlegung ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben hat.
III.
Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht der Klägerin auch Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung und aufgrund gesetzlicher Vorschriften versagt.
1. Das Berufungsgericht hat zunächst einen Anspruch aus Verletzung des § 14 des Ingenieurvertrages verneint. Es hat diese Vertragsbestimmung dahin ausgelegt, sie enthalte keine von der ohnehin gegebenen urheberrechtlichen Lage abweichende oder über sie hinausgehende Regelung. Das ergebe sich einmal aus der für diese Vertragsbestimmung gewählten Überschrift „Urheberrecht”; zum anderen aber auch aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 des Ingenieurvertrages, wonach der Auftraggeber den Ingenieur vor wesentlichen Änderungen eines nach dem Urheberrecht geschützten Werkes anzuhören habe.
Die tatrichterliche Auslegung, wonach in § 14 des Ingenieurvertrages nur ein etwaiges Urheberrecht angesprochen werden sollte, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie ist für das Revisionsgericht bindend. Die Revision versucht, ihre eigene abweichende Vertragsauslegung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen. Das ist revisionsrechtlich unzulässig.
2. Ein Schadensersatzanspruch aus § 19 UWG i.V.m. § 18 UWG, auf den die Revision sich weiter stützt, scheitert ebenfalls. § 18 UWG erfordert ein Vertrauensverhältnis mit einer Geheimhaltungspflicht. Dafür lassen sich dem Vorbringen der Klägerin und auch denn sonstigen Akteninhalt keine Anhaltspunkte entnehmen. Das in § 14 des Ingenieurvertrages vorgesehene recht zur Veröffentlichung spricht gegen die Annahme einer Geheimhaltungspflicht.
3. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Revision weiter, daß das Berufungsgericht einer Verstoß gegen § 1 UWG verneint habe. Die Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte stehe in keinem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin, begegnet zwar rechtlichen Bedenken, da auch die Förderung fremden Wettbewerbs (hier der des IBW) einen Wettbewerbsverstoß begründen kann. Die Anlehnung an eine Gestaltungsform ohne Eingriff in ein bestehendes Sonderrecht ist jedoch regelmäßig nur dann als Ausnutzung fremder Leistung wettbewerbswidrig, wenn über die Nachahmung hinaus unlautere Begleitumstände hinzutreten (st. Rspr., vgl. BGHZ 51, 41, 46 ff – Reprint; zuletzt BGH, Urt., v. 27.1.1983 – I ZR 177/80 = GRUR 1983, 377, 378 f – Brombeermuster). Für das Vorliegen derartiger Begleitumstände lassen sich den Akten keine Anhaltspunkte entnehmen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß das IBW aufgrund der Verwertung der Ausschreibungsunterlagen ein günstigeres Angebot als die Klägerin machen und sich so einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen konnte. Im Streitfall besteht die Besonderheit, daß die Ausschreibungsunterlagen im Rahmen des Ingenieurvertrages für die Beklagte zu erstellen waren. Ein Wettbewerbsvorsprung scheidet deshalb aus, weil die Unterlagen dem IBW von der Beklagten erst nach Auftragserteilung ausgehändigt worden sind. Das IBW konnte daher bei seiner Kalkulation nicht annehmen, daß es sich durch die teilweise Übernahme der Unterlagen der Klägerin Kosten und Mühe ersparen werde. Allein die Tatsache der Kostenersparung reicht aber zur Annahme einer unlauteren Nachahmung nicht aus.
IV.
Da das Berufungsurteil auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen läßt, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 749229 |
NJW 1985, 1631 |
GRUR 1984, 659 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1984, 252 |