Leitsatz (amtlich)
Die Jahresfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG wird jedenfalls durch rechtzeitige Zustellung eines Schriftsatzes gewahrt, der die Einrede der Anfechtung (§ 5 AnfG) enthält.
Normenkette
AnfG § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juli 1985 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Beklagte ließ aufgrund eines gegen Frau Mathilde B… (im folgenden Schuldnerin) erwirkten Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 4. Juli 1983 über 5.101 DM nebst Zinsen am 17. August 1983 in deren Wohnung verschiedene Einrichtungsgegenstände pfänden. Dagegen wendet sich der Kläger mit der im Januar 1984 erhobenen Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO).
Die Schuldnerin war Inhaberin eines Einzelhandelunternehmens mit der Firma „M… B…” in Münster mit Zweigniederlassungen in mehreren anderen Städten. Im Januar 1983 wurden die Firmen M…Handelsgesellschaft für Damenmoden mit beschränkter Haftung in Münster, Duisburg, Düsseldorf und Essen gegründet. Der Kläger war ihr Geschäftsführer. An ihn veräußerte die Schuldnerin Ende März 1983 ihre Geschäftsanteile. Sie gab am 23. Dezember 1983 vor dem Amtsgericht Münster die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO ab. Am 28. Dezember 1983 heiratete sie – nach jahrelanger eheähnlicher Gemeinschaft – den Kläger.
Dieser behauptet, die Schuldnerin habe ihm durch Vertrag vom 31. März 1983 die später gepfändeten Gegenstände als Sicherheit für ein Darlehen von 25.000 DM übereignet, das er zur Tilgung einer Verbindlichkeit der Schuldnerin gewährt habe. Die Beklagte beruft sich in der am 21. Februar 1984 zugestellten Klagebeantwortung vom 9. Februar 1984 unter anderem auf § 3 Abs. 1 Nr. 5, § 5 AnfG, weil die Schuldnerin die Absicht gehabt habe, Vermögen dem Zugriff Dritter zu entziehen.
Auf die erste mündliche Verhandlung am 2. November 1984 wies das Landgericht die Klage ab, weil die Sicherungsübereignung wirksam nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG angefochten sei. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Revision ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht unterstellt ohne Sachprüfung die Wirksamkeit des Sicherungsübereignungsvertrags vom 31. März 1983. Davon ist im Revisionsverfahren auszugehen. Da dem Kläger danach an den gepfändeten Einrichtungsgegenständen ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht, könnte er der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage widersprechen (§ 771 Abs. 1 ZPO).
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG sind jedoch anfechtbar die in dem letzten Jahr vor der Anfechtung geschlossenen entgeltlichen Verträge des Schuldners mit seinem Ehegatten, vor oder während der Ehe, sofern durch den Abschluß des Vertrages die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und der andere Teil nicht beweist, daß ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses eine Absicht des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war. Das Berufungsgericht hält diese Voraussetzungen für erfüllt.
Es führt zutreffend und von der Revision unbeanstandet aus, daß der Vertrag vom 31. März 1983 die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt und der Kläger auch nicht in Ansätzen versucht habe, die Vermutung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG zu widerlegen, daß ihm die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin bekannt gewesen sei.
Das Berufungsgericht ist weiter der Auffassung, daß die Klagebeantwortung vom 9. Februar 1984 die Einrede der Anfechtung nach § 5 AnfG enthalte. Diesem Schriftsatz sei zu entnehmen, daß die Beklagte die Sicherungsübereignung nicht gegen sich gelten lassen wolle, weil die Schuldnerin in Benachteiligungsabsicht gehandelt habe, und der Kläger, dem die Beklagte sogar Strafanzeige androhe, davon nicht nur gewußt, sondern dabei mitgewirkt habe. Das ist richtig. Die Anfechtungserklärung muß den Willen erkennen lassen, welches Rechtsgeschäft oder welche Rechtshandlung angefochten wird (Senatsurt. v. 17. Januar 1985 – IX ZR 29/84, WM 1985, 425, = NJW 1985, 1560, 1561). Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 9. Februar 1984.
Der Berufungsrichter meint schließlich, die einjährige Ausschlußfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG sei durch den dem Kläger am 21. Februar 1984 zugestellten Schriftsatz vom 9. Februar 1984 eingehalten und mithin die Anfechtungseinrede wirksam erhoben. Er führt dazu aus: Zu unterscheiden sei zwischen der für die Anfechtung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärung, die den Anfechtungsanspruch erst entstehen lasse, und der gerichtlichen Geltendmachung des entstandenen Anspruchs. Nur für diese letztere sei das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung geboten. Dem Erfordernis, daß die Anfechtung nicht außerhalb eines Prozeßverfahrens geltend gemacht werden dürfe, sei auch genügt, wenn sie in einem vorbereitenden Schriftsatz erklärt und dieser Schriftsatz zugestellt werde (RGZ 52, 334, 343, 344). Allein diese Auffassung werde den Interessen des Anfechtenden gerecht, ohne daß der Anfechtungsgegner dadurch in seinen schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt werde. Durch die Zustellung des Schriftsatzes werde ihm klargemacht, daß der Anfechtende den Rechtserwerb nicht gegen sich gelten lassen wolle. Er könne sich auf eine entsprechende Verteidigung und ein mögliches Durchgreifen der Anfechtung einstellen. Anders wäre die Anfechtung mittels Einrede für die Anfechtenden auch weitgehend „unpraktikabel”. Eine so rechtzeitige Terminsbestimmung, daß die erste mündliche Verhandlung noch vor Ablauf der Jahresfrist erfolgen könne, werde wegen der Belastung der Gerichte oft nicht möglich sein, zumal der Anfechtende hierauf auch keinen entscheidenden Einfluß nehmen könne.
Die Revision beruft sich auf die Entscheidung RGZ 58, 44 f. und das Schrifttum. Danach könne die Einrede nur in der mündlichen Verhandlung erhoben und dadurch die Frist gewahrt werden.
Der Senat stimmt der Auffassung des Berufungsgerichts im Ergebnis zu.
Allerdings entsteht der Anfechtungsanspruch nicht erst als Folge einer vorangegangenen einseitigen rechtsgeschäftlichen Anfechtungserklärung, sondern schon, wenn sich einer der gesetzlichen Anfechtungstatbestände verwirklicht hat (so die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, z.B. RGZ 77, 69; 133, 46, 48; 162, 218, 220, 221). Anfechtungsrecht und Anfechtungsanspruch fallen zusammen (RGZ 58, 44, 47; Jaeger, Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses, 2. Aufl. § 1 Anm. 77 § 114 m. w. N.; vgl. auch Gerhardt, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Bd. 75, 1969, S. 305 bis 309, 134 Fn. 117 c). Die Frist des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG ist weder eine prozessuale noch eine Verjährungsfrist, sondern ihre Einhaltung ist eine Bedingung der Anfechtbarkeit, ein Bestandteil des Klagegrundes (RGZ 139, 110, 111 unter Bezugnahme auf RGZ 17, 71).
Das Reichsgericht und ihm folgend das Schrifttum haben auch von jeher die gerichtliche Geltendmachung der Anfechtungsansprüche zur Fristwahrung für erforderlich gehalten (RGZ 52, 334, 343; 58, 44, 45, 46; 162, 218, 220, 221 mit zustimmender Anmerkung von Bley DR 1940, 875; Jaeger a.a.O. S. 115; Gerhardt a.a.O. S. 307). Während die Entscheidung RGZ 52, 334, 344 noch genügen ließ, daß die Anfechtungseinrede nach § 5 AnfG in einem vorbereitenden Schriftsatz erklärt und dieser zugestellt wird, sah, davon abweichend, das Urteil RGZ 58, 44, 47, 48 in dem vorbereitenden Schriftsatz nur eine Ankündigung, daß die Anfechtung (im Sinne der Konkursordnung (§§ 29 f. KO) demnächst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden solle. Bei dem Standpunkt des letztgenannten Urteils blieb es auch für die Anfechtung außerhalb des Konkurses (Jaeger a.a.O. § 1 Anm. 78 § 116; § 5 Anm. 2 S. 240 m. w. N.). Das Schrifttum vertritt für die Anfechtung in und außerhalb des Konkurses noch heute diese Auffassung (Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 29 Rdnr. 47; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO 14. Aufl. § 29 Anm. 21; Böhle-Stamschräder, AnfG 6. Aufl. § 5 Anm. 3, Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 29 Rdnr. 36, 39; Warneyer/Bohnenberg, AnfG 4. Aufl. § 3 Anm. III Nr. 6 § 145; Gerhardt a.a.O. S. 308, 309 Fn. 151, 154 mit S. 134 Fn. 117 c).
Soweit ersichtlich hat der Bundesgerichtshof zu der Frage, ob die Anfechtungsfrist nur durch Erhebung der Anfechtungseinrede in der mündlichen Verhandlung eingehalten werden kann, bisher nicht Stellung genommen. Der Senat verneint sie.
Die Anfechtungseinrede bildet ein Verteidigungsmittel gegen den Klageanspruch. Sie ist immer nur Abwehr, nicht – wie die Widerklage – ein auf ein rechtskräftiges Urteil abzielender Angriff. Ihr Hauptanwendungsgebiet liegt, wie im Streitfalle, in der Abwehr einer auf die anfechtbare Vermögensentäußerung gestützten Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). Die Anfechtungseinrede (§ 5 AnfG) erspart eine unnütze Vervielfältigung der Prozesse (zum vorstehenden s. Jaeger a.a.O. § 5 Anm. 1 S. 239 und Anm. 9 S. 242).
In der vom Reichsgericht geforderten Art der Geltendmachung wird sie den Interessen der Anfechtungsberechtigten, die bereits den gem. § 7 AnfG zurückzugewährenden Gegenstand gepfändet haben, heute nicht mehr gerecht. Denn sie können nicht damit rechnen, daß über die Widerspruchsklage alsbald und noch innerhalb der Anfechtungsfrist mündlich verhandelt werde. Die allgemein bekannte Belastung der Gerichte macht die Terminsbestimmung, auf die der Beklagte ohnedies keinen Einfluß hat, unberechenbar. Dies gilt insbesondere, weil es allein vom Ermessen des Gerichts abhängt, ob ein früher erster Termin stattfindet oder ob nach § 276 ZPO verfahren wird. Im schriftlichem Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO wird die Einrede ohnehin durch Schriftsatz erhoben, so daß es in diesem Falle überhaupt nicht auf eine mündliche Verhandlung ankommen kann. Auch kann der Widerspruchskläger durch Prozeßanträge die Terminsbestimmung verzögern. Um der Gefahr des Anspruchsverlustes durch Fristversäumnis zu begegnen, wäre der Anfechtungsberechtigte genötigt, Widerklage zu erheben und damit gerade das zu tun, was dem Zweck des § 5 AnfG zuwiderläuft. Statt abzuwehren, müßte er – mit Kostenrisiko – angreifen, obwohl ein Bedürfnis für eine rechtskräftige Entscheidung über den Anfechtungsanspruch nicht besteht.
Schutzwürdige Belange des Widerspruchsklägers und Anfechtungsgegners stehen, wie das Berufungsgericht richtig sieht, nicht entgegen. Es macht keinerlei Unterschied, ob in dem ihm zugestellten Schriftsatz der Anfechtungsanspruch mittels Einrede oder mittels Widerklage erhoben wird. Er kann sich in beiden Fällen auf die neue Prozeßlage einstellen; in seinen Rechten wird er nicht verkürzt.
Demnach kann die Frist des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG, deren Einhaltung zu den materiell-rechtlichen Anfechtungsvoraussetzungen zählt, auch durch einen dem Drittwiderspruchskläger zugestellten Schriftsatz gewahrt werden, in dem der Beklagte seinen Anfechtungsanspruch mittels Einrede erhebt. offen bleibt, ob ein nur mitgeteilter oder demnächst nach Fristablauf zugestellter (§ 270 Abs. 3 ZPO) Schriftsatz die Frist wahren kann.
Die Bestimmung des § 261 Abs. 2 ZPO, wonach die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs mit dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz zugestellt wird, steht nicht entgegen. Die Vorschrift regelt nur den Eintritt der Rechtshängigkeit eines Anspruchs. Nach § 5 AnfG geht es aber um eine Einrede, die eine Rechtshängigkeit des ihr zugrunde liegenden Anspruchs nicht voraussetzt. Für dessen fristgerechte Geltendmachung durch Einrede ergibt sich aus § 261 ZPO nichts.
Damit bleibt es bei der Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen.
Fundstellen
Haufe-Index 609762 |
BGHZ, 6 |
NJW 1986, 2252 |
ZIP 1986, 928 |