Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 24.04.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24. April 2003 im Ausspruch über den Verfall mit den Feststellungen insoweit aufgehoben, als die Anordnung des Wertersatzverfalls eines 25.000 Euro übersteigenden Betrages unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und den Verfall (richtig: Ersatzverfall) von 25.000 Euro angeordnet. Das Urteil ist zum Schuld- und zum Strafausspruch rechtskräftig, nachdem der Senat die Revision des Angeklagten durch Beschluß vom 9. März 2004 als unbegründet verworfen hat. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision allein gegen die Höhe des Verfallsbetrages. Das wirksam beschränkte – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte die bestimmende Person in einer aus insgesamt vier Tätern bestehenden Betäubungsmittelhändlerbande, die im Zeitraum von Anfang Januar 2001 bis Mitte April 2002 bei insgesamt acht Beschaffungsfahrten 271 kg Haschisch aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland einführte und den Stoff hier bis auf die bei der letzten Beschaffungsfahrt sichergestellten 11 kg gewinnbringend weiterverkaufte. Der Verkaufspreis betrug mindestens 3.000 DM pro Kilogramm, woraus sich ein Gesamtverkaufspreis von mindestens 780.000 DM errechnet. Gleichwohl hat das Landgericht die Anordnung des Wertersatzverfalls in Anwendung der Ermessensvorschrift des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB auf 25.000 Euro beschränkt. Diesen Betrag hat es errechnet aus dem hälftigen Eigenkapitalanteil von 75.000 DM an dem vom Angeklagten gemeinsam mit seiner Ehefrau im Dezember 2001 für 320.000 DM erworbenen Einfamilienhaus und Baugrundstück sowie dem Erlös von ca. 5.900 Euro aus der Veräußerung des Pkw des Angeklagten; „wie der Angeklagte die über 25.000 Euro hinausgehenden Beträge verwandt” habe, habe nicht festgestellt werden können (UA 14).
2. Die Beschränkung des Wertersatzverfalls auf den Betrag von 25.000 Euro hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die Grundlagen für die Ermessensentscheidung nicht genügend dargetan sind.
So fehlt es bereits an der Feststellung, in welchem Umfang der Angeklagte bzw. die Tätergruppe tatsächlich Verkaufserlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften „erlangt” hat. Solche Feststellungen – gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 73 b StGB) – zu treffen, war schon deshalb veranlaßt, weil nach §§ 73 Abs. 1, 73 a StGB die Anordnung des Verfalls (des Wertersatzes) des gesamten Verkaufserlöses aus den Betäubungsmittelgeschäften obligatorisch ist, soweit nicht die Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 StGB entgegensteht. Insoweit kommt hier ein Absehen von der vollständigen Abschöpfung des Verkaufserlöses – wie vom Landgericht auch angenommen – allein unter dem Gesichtspunkt der Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB in Betracht. Für die Anwendbarkeit dieser Ermessensvorschrift kommt es darauf an, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Die entsprechende Beurteilung setzt die Feststellung der Vermögensverhältnisse voraus (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 – 5 StR 434/02, StraFo 2003, 283). Denn eine Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB scheidet grundsätzlich aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem aus den Straftaten Erlangten zurückbleibt (BGHR StGB § 73 c Wert 2).
Als Beurteilungsgrundlage genügte vorliegend die Feststellung nicht, daß der Angeklagte zusammen mit seiner Ehefrau das von ihnen bewohnte Einfamilienhaus sowie ein weiteres Baugrundstück mit einer Gesamtfläche von etwa 2800 qm im Dezember 2001 je zur Hälfte zu einem Kaufpreis von 320.000 DM erworben hat, der Kaufpreis in Höhe von 245.000 DM über ein Darlehen finanziert und die restlichen 75.000 DM bar bezahlt wurden. Anstatt auf den Kaufpreis abzustellen, hätte vielmehr der Verkehrswert des Einfamilienhauses und des Baugrundstücks festgestellt und – abzüglich vorhandener Belastungen – als vorhandenes Vermögen berücksichtigt werden müssen (BGHSt 48, 40, 43; BGHR aaO). Schon mit Blick darauf, daß es sich nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen um ein sehr gepflegtes Anwesen mit Sauna, Garage, Werkstatt, Carport, See und Grillpavillon handelte, lag es zumindest nicht fern, daß der Verkehrswert im Zeitpunkt der Urteilsfällung deutlich über dem beim Erwerb vereinbarten Kaufpreis lag. Auch durfte das Landgericht bei der Bewertung des Eigenkapitalanteils in Höhe der Barzahlung von 75.000 DM als (vorhandenes) Vermögen des Angeklagten nicht ohne weiteres nur die Hälfte berücksichtigen und dabei auf den auf ihn entfallenden hälftigen Eigentumsanteil am Grundstück abstellen. Dies wird den tatsächlichen Gegebenheiten jedenfalls dann nicht gerecht, wenn diese Barzahlung – was angesichts der Betäubungsmittelumsätze des Angeklagten naheliegt – aus seinem Vermögen geflossen ist. Ob überhaupt und bejahendenfalls in welchem Umfang nach Billigkeitsgesichtspunkten von der Anordnung des an sich für verfallen zu erklärenden Betrages abzusehen gerechtfertigt oder geboten sein kann, hängt aber nicht allein von der rechtlichen Zuordnung von Vermögenswerten, sondern in erster Linie von den wirtschaftlichen Folgen für den Angeklagten ab (BGHSt aaO).
3. Danach hebt der Senat das angefochtene Urteil insoweit auf, als das Landgericht davon abgesehen hat, einen höheren als den für sich genommen rechtsfehlerfrei festgesetzten Betrag von 25.000 Euro als Wertersatz für verfallen zu erklären.
Der neue Tatrichter wird zunächst den Wert des aus den abgeurteilten Straftaten Erlangten festzustellen haben. Alsdann sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten aufzuklären. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wird über die Anordnung des Wertersatzverfalls nach billigem Ermessen zu entscheiden sein. In diesem Zusammenhang kann – unbeschadet gesamtschuldnerischer Haftung aller Tatbeteiligten (vgl. BGH, Beschluß vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02 – und Urteil vom 12. August 2003 – 1 StR
127/03) – für die Ermessensentscheidung von Bedeutung sein, welcher Anteil an dem Verkaufserlös dem Angeklagten selbst zugeflossen ist.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2558228 |
NStZ 2005, 454 |