Leitsatz (amtlich)
Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den Gebühren- und Auslagenvorschuß nach Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids ohne Anforderung seitens des Mahngerichts zu bezahlen. Das gilt auch dann, wenn der Antragsteller im Sinne größtmöglicher Beschleunigung zu wirken hat, um eine Zustellung „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO zu erreichen.
Normenkette
ZPO § 693 Abs. 2; GKG 1976 § 65 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 25.11.1992) |
LG Hannover |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. November 1992 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hat für die Beklagte 500 Netzteilchassis gefertigt, im Jahre 1986 ausgeliefert, mit 40.817,70 DM in Rechnung gestellt und bezahlt erhalten. Mit Rechnung vom 5. Dezember 1990 über 36.366,– DM verlangt der Kläger Zahlung für Montage und Oberflächenbearbeitung dieser Netzteilchassis, die er aufgrund eines gesonderten Auftrags ebenfalls im Jahre 1986 ausgeführt habe. Mit Antrag vom 31. Dezember 1990 hat er vertreten durch seine Prozeßbevollmächtigte den Erlaß eines Mahnbescheids über diesen Betrag begehrt. Mit Verfügung vom 3. Januar 1991 forderte das Mahngericht die Gebühr für die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids sowie die Postgebühren für die Zustellung an. Die Verfügung ging der Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 1991 zu. Der Beklagte bezahlte den geforderten Betrag gemäß Zahlungsanzeige vom 29. Januar 1991. Mit weiterer Verfügung vom 31. Januar 1991 wies der Rechtspfleger die Prozeßbevollmächtigte des Klägers darauf hin, daß bei einer GmbH & Co. KG der Komplementär genau anzugeben sei, und bat um einen neuen Vordrucksatz. Die Zwischenverfügung ging der Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 20. Februar 1991 zu. Der Kläger reichte einen neuen Vordrucksatz ein, in dem nicht nur die Komplementär-GmbH des näheren enthalten war, sondern auch eine andere Anschrift der Beklagten und andere Geschäftsführer namentlich genannt wurden. Am 21. Februar 1991 erließ das Amtsgericht den beantragten Mahnbescheid. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 25. Februar 1991 in ihrem Geschäftslokal gemäß § 184 Abs. 1 ZPO zugestellt. Nach Widerspruch der Beklagten, weiterer Kostenanforderung vom 8. März 1991, Bezahlung des weiteren Vorschusses am 29. Mai 1991 und Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht bestritt die Beklagte die Berechtigung der weiteren Forderung des Klägers. Die Arbeiten seien in dem ursprünglichen Auftrag mitenthalten und bezahlt. Im übrigen berief sich die Beklagte auf Verjährung. Der Kläger habe mit der Zahlung des Vorschusses nicht ab Einreichung des Mahnbescheids drei Wochen zuwarten dürfen, bis er die Zahlungsaufforderung des Gerichts erhalten habe. Auch sei die Zeit zwischen dem Erhalt der Zahlungsaufforderung und der Zahlung mit mehr als einer Woche zu lang gewesen. Der Mahnbescheid sei daher nicht „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO zugestellt worden, so daß eine Rückwirkung der Zustellung auf den Tag der Anbringung des Antrags ausscheide. Auch sei eine Zustellung des Mahnbescheids erst durch die späte Berichtigung des Mahnbescheidantrags möglich geworden.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage wegen Verjährung der Forderung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält die Zustellung am 25. Februar 1991 für nicht mehr „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO erfolgt. Die Rücksicht auf die berechtigten Interessen der beklagten Partei und die Notwendigkeit, die Rechtslage möglichst bald zu klären, verböten eine Anwendung des § 693 Abs. 2 ZPO, die den Gegner unbillig belasten würde. Der Kläger habe gegen seine Pflicht verstoßen, alles Zumutbare zu tun, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung zu schaffen und auf eine größtmögliche Beschleunigung hinzuwirken. Dem Kläger sei anzulasten, daß er den gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG für die Zustellung des Mahnbescheids erforderlichen Gebühren- und Auslagenvorschuß erst am 29. Januar 1991 eingezahlt und durch eine unvollständige Bezeichnung der Beklagten im Mahnbescheidsantrag eine Zwischenverfügung des Rechtspflegers veranlaßt habe, deren Ausführung zu der verzögerten Zustellung erst am 25. Februar 1991 geführt habe. Die gegenteilige Rechtsprechung, wonach ein Kläger mit der Zahlung des Vorschusses bis zur gerichtlichen Anforderung warten dürfe, berücksichtige nicht, daß der Kläger im Sinne größtmöglicher Beschleunigung zu wirken habe. Diese Verpflichtung führe dazu, daß der Kläger innerhalb einer Woche ab Einreichung des Antrags den Vorschuß auch ohne gerichtliches Anfordern einzahlen müsse. Jedenfalls verböten die Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Gegners, der sonst unbillig belastet werde, und die Notwendigkeit einer möglichst baldigen Klärung der Rechtslage eine Anwendung des § 693 Abs. 2 ZPO dann, wenn die Einzahlung problemlos möglich sei.
Die Nachlässigkeit des Klägers sei ursächlich geworden. Daß die Gebührenanforderung vom 3. Januar 1991 erst am 21. Januar 1991 der Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugegangen sei, liege noch im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs und könne den Kläger nicht entlasten.
Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II. Die zugelassene Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die behauptete Werklohnforderung des Klägers ist nicht verjährt.
1. Das Berufungsgericht geht rechtlich zutreffend davon aus, daß der behauptete Werklohnanspruch der Klägerin aus Montage und Oberflächenarbeiten an 500 Netzteilchassis in vier Jahren ab dem Schluß des Kalenderjahres verjährt, in dem die Abnahme der Werkleistung erfolgt ist (§§ 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 201, 198, 641 BGB). Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Abnahme der Netzteilchassis unstreitig im Jahre 1986 erfolgte und deshalb gemäß §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist jedenfalls bis zum Schluß des Jahres 1990 lief. Das greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
2. Zu Unrecht meint das angefochtene Urteil, die Zustellung des Mahnbescheids vom 21. Februar 1991 am 25. Februar 1991 habe die Verjährung nicht unterbrechen können, weil eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Anbringung des Antrags (§§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 693 Abs. 2 ZPO) nicht in Betracht komme. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Einreichung des Antrags auf Erlaß des Mahnbescheids am 31. Dezember 1990 den Lauf der Verjährungsfrist wirksam unterbrochen, denn die Zustellung des Mahnbescheids am 25. Februar 1991 erfolgte „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO.
a) Das Berufungsgericht geht zunächst zu Recht davon aus, daß der Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids noch am 31. Dezember 1990 beim Amtsgericht W. eingegangen ist. Das Berufungsgericht bezeichnet dies ausdrücklich als unstreitig. Der Briefkasten des Amtsgerichts wurde nach dem Aktenvermerk des Direktors des Amtsgerichts vom 5. März 1991 am 31. Dezember 1990 nicht geleert und Schriftstücke, die nach dem 28. Dezember 1990 24.00 Uhr eingeworfen wurden, wurden unterschiedslos mit Datum vom 2. Januar 1991 abgestempelt. Es begegnet daher aus rechtlicher Sicht keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht einen rechtzeitigen Eingang des Antrags am 31. Dezember 1990 zugrunde legt.
b) Ohne Rechtsfehler legt das Berufungsgericht ferner dar, daß die inhaltlichen Abweichungen zwischen dem Mahnbescheidsantrag und dem zugestellten Mahnbescheid unschädlich waren und eine Anwendung des § 693 Abs. 2 ZPO nicht ausschließen. Das deckt sich mit den zur Identität des beantragten mit dem tatsächlich erlassenen Mahnbescheid entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.1978 – VIII ZR 24/77, NJW 1978, 1058, 1059 zu II 3 c) bb) cc)) und weist keine Rechtsfehler auf.
c) Dagegen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Zustellung des Mahnbescheids sei nicht mehr „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO erfolgt, nicht frei von Rechtsfehlern.
Ob eine Zustellung „demnächst” erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der in § 693 Abs. 2 ZPO getroffenen, den §§ 270 Abs. 3 und 696 Abs. 3 ZPO entsprechenden Regelung. Diese Regelung ist nicht rein zeitlich zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll die Partei bei der vom Amts wegen bewirkten Zustellung vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, da sie von der Partei nicht beeinflußt werden können. Hingegen sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei sachgerechter Prozeßführung hätten vermeiden können. Eine Zustellung „demnächst” nach Einreichung des Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheids oder einer Klage bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, durch nachlässiges – auch nur leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 1.7.1992 – XII ZB 82/91, NJW-RR 1992, 1346). Verzögerungen von weniger als 14 Tagen sind geringfügig und sind, selbst wenn sie auf einem nachlässigen Verhalten des Gläubigers beruhen, angesichts des deutlichen Verzichts der Vorschrift auf eine bestimmte Frist unschädlich (BGH, Urt. v. 1.10.1986 – IVa ZR 108/85, VersR 1987, 39, 41, insoweit in BGHZ 98, 295 ff. nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 8.6.1988 – IVb ZR 92/87, FamRZ 1988, 1154, 1155 = BGHR ZPO § 270 Abs. 3 „demnächst” 3 und 2: jedenfalls nicht bei mehr als 18 oder 19 Tagen). Ob andererseits Zustellungsverzögerungen ab einer bestimmten sehr langen Dauer auch dann schädlich sind, wenn sie nicht auf einem Verschulden des Gläubigers beruhen, hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1987 – IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1082 für einen Zeitraum von einem Jahr und neun Monaten). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.
Das Berufungsgericht hat die angeführten Grundsätze der Rechtsprechung nicht verkannt. Es überspannt jedoch die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Klägers.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse ein Kläger den Prozeßkostenvorschuß nicht von sich aus berechnen und schon mit dem Mahnantrag einzahlen, sondern dürfe die Zahlungsaufforderung des Gerichts abwarten, wobei noch nicht entschieden sei, wie lange er der Zahlungsaufforderung untätig entgegensehen dürfe. Nehme man aber die Forderung ernst, daß der Kläger alles Zumutbare tun müsse, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung der Klage zu schaffen, und dazu auch im Sinne einer größtmöglichen Beschleunigung zu wirken habe, so müsse jedenfalls in den Fällen anwaltlicher Vertretung und einfacher Berechnung des Vorschusses bei beziffertem Anspruch der Gebühren- und Auslagenvorschuß innerhalb einer Woche ab Einreichung des Mahnantrags unaufgefordert bezahlt werden, wenn nicht der Antrag auf unverzügliche Zustellung gemäß § 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 GKG gestellt werde. In § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG sei von einem „Erfordern” des Vorschusses nicht die Rede. Die Rücksichtnahme auf die Interessen des Gegners verböten eine Anwendung des § 693 Abs. 2 ZPO bei einer Zahlung, die diesen Anforderungen nicht genüge.
Die Revision rügt, der Kläger habe die Zahlungsaufforderung des Gerichts abwarten dürfen. Nicht zwingende kostenrechtliche Vorschriften wie § 65 Abs. 1 GKG lieferten keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung des Rechtschutzsuchenden, aus eigenem Antrieb Gebühren zu berechnen und sofort einzubezahlen. § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG stelle zudem keine Ausnahme von § 65 Abs. 1 GKG dar, sondern stelle klar, daß anders als beim maschinellen Mahnverfahren erst nach Zahlung des Gebührenvorschusses eine Zustellung erfolgen solle. Soweit man eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags wegen verspäteter Vorschußzahlung anders als beim maschinellen Mahnverfahren verneine, werde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Erfolg hat die Revision mit ihrem Hinweis darauf, daß die kostenrechtlichen Vorschriften der Auffassung des Berufungsgerichts entgegenstehen. Der Kläger darf zwar einerseits mit der Klageeinreichung beziehungsweise mit der Einreichung des Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheids bis zum letzten Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist zuwarten (BGH, Urt. v. 7.4.1983 – III ZR 140/81, VersR 1983, 661, 663). Er hat dann andererseits aber alles Zumutbare zu unternehmen, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung zu schaffen. Ob das dahin zu verstehen ist, daß der Kläger stets im Sinne größtmöglicher Beschleunigung zu wirken hat, wie das Berufungsgericht meint, ist nicht zu entscheiden. Der Kläger war jedenfalls nicht verpflichtet, den Gebührenvorschuß von sich aus zu bezahlen.
Der Bundesgerichtshof hat die genannten Grundsätze nie dahin verstanden, daß der Kläger mehr tun müsse, als das Gesetz verlangt. Anderes ist auch nicht den Entscheidungen zu entnehmen, nach denen der Kläger nicht nur Verzögerungen zu vermeiden, sondern seinerseits im Sinne einer größtmöglichen Beschleunigung zu wirken hat (BGH, Urt. v. 23.1.1967 – III ZR 3/66, NJW 1967, 779, 780; BGHZ 69, 361, 363; 98, 295, 301). Vorliegend hat der Kläger zur Beschleunigung bereits im Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids die Kosten des Verfahrens angegeben. Zu mehr war der Kläger gesetzlich nicht verpflichtet und es war dem Kläger nicht zuzumuten, den Gebühren- und Auslagenvorschuß ohne gerichtliche Aufforderung zu bezahlen.
Was einer Partei zuzumuten ist, ergibt sich aus der Wertung des Gesetzgebers. Das Gerichtskostengesetz verlangt gerade nicht eine Zahlung ohne Aufforderung seitens des Gerichts. Fehl geht insoweit die Auslegung durch das Berufungsgericht, der Bestimmung des § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG sei nicht zu entnehmen, daß auch diese Gebühr erst angefordert werden müsse. Das verkennt Sinn und Zweck der Bestimmung und läßt § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG außer Betracht. § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG wurde nicht zur Klarstellung und Abgrenzung vom maschinellen Mahnverfahren geschaffen; vielmehr hat der Gesetzgeber § 65 Abs. 3 Satz 2 GKG eingefügt, um die Abhängigkeit des Mahnbescheids von der vorausgegangenen Kostenzahlung für das maschinelle Verfahren aufzuheben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergibt sich aber, daß das Gericht die Kosten anzufordern hat und der Kläger zwar die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung hat, schon vor Anforderung durch das Gericht die Kosten zu bezahlen. Nach § 65 Abs. 3 Satz 1 GKG „soll” der Mahnbescheid erst nach Zahlung der vorgesehenen Gebühr erlassen werden. Das bedeutet, daß dem Gericht ein Spielraum verbleibt. Dieser Spielraum verpflichtet das Gericht andererseits, sich gegenüber der rechtsuchenden Partei zu äußern. Das geschieht entweder durch den Erlaß des Mahnbescheids ohne Zahlung der Gebühr oder durch Anfordern der Gebühr und der darin zu sehenden Erklärung, daß ohne Zahlung der Mahnbescheid nicht erlassen werde. Für die Klage bestimmt dies § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG ausdrücklich. Daß die Gebühr auch im Mahnverfahren anzufordern ist, zeigt § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird eine Zahlung vor Anforderung häufig unerwünscht sein und zumindest keine Beschleunigung erreichen, weil sie buchungstechnische Schwierigkeiten verursacht; das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger nicht durch Aufkleben von Gebührenmarken, sondern mit Überweisung bezahlt, wozu er berechtigt ist. In aller Regel wird zu diesem Zeitpunkt dem Antragsteller noch kein Aktenzeichen bekannt sein, zu dem er die Zahlungen leisten könnte.
War nach allem der Kläger vorliegend gesetzlich nicht verpflichtet, schon vor „Anfordern” der Gebühren durch das Mahngericht zu bezahlen, ist ihm nicht anzulasten, daß er die Gebühr nicht ohne gerichtliche Aufforderung und nicht schon innerhalb einer Woche ab Anbringung des Antrags bezahlt hat. Der Umstand, daß der Kläger anwaltlich vertreten war, mochte ihm zwar die vorausschauende Berechnung der Gerichtsgebühren erleichtern, war aber nicht geeignet, zu seinen Lasten weitergehende Verpflichtungen zu begründen als sie auch für eine nicht anwaltlich vertretene Partei gegeben sind.
Die von der Einreichung des Antrags am 31. Dezember 1990 bis zum Eingang der Zahlungsaufforderung bei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 1991 verstrichene Zeit hat daher außer Betracht zu bleiben. Der Kläger hat den geforderten Gebühren- und Auslagenvorschuß im übrigen umgehend bezahlt; dem Amtsgericht lag am 29. Januar 1991 die Zahlungsanzeige der vollständigen Zahlung vor. Der Zeitraum zwischen dem 21. und dem 29. Januar 1991 bleibt als geringfügig außer Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 305/84, WM 1986, 366, 367; BGH, Urt. v. 11.10.1984 – VII ZR 355/83, WM 1985, 36, 37).
d) Eine Rückwirkung der Zustellung gemäß § 693 Abs. 2 ZPO scheitert auch nicht daran, daß der Kläger in dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids die Anschrift der Beklagten wie auch deren gesetzliche Vertreter anders als im erlassenen Mahnbescheid angegeben hat.
aa) Das Berufungsgericht führt aus, der Rechtspfleger sei nicht gehalten gewesen, die Angabe der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten schon mit der Anforderung des Vorschusses zu verlangen; zumindest wäre auch in diesem Fall eine Zustellung erst Ende der ersten Februarwoche 1991 und damit nicht mehr „demnächst” möglich gewesen. Der Kläger habe auch deshalb für die Verzögerung der Zustellung einzustehen, die durch die verzögerte Bearbeitung der Zwischenverfügung des Rechtspflegers bei Gericht entstanden sei.
Die Revision ist demgegenüber der Ansicht, die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 31. Januar 1991 sei nicht geboten gewesen. Die Angabe der für den gesetzlichen Vertreter handelnden vertretungsberechtigten Personen genüge jedenfalls dann, wenn der gesetzliche Vertreter selbst eine juristische Person sei. Nur die gesetzlichen Vertreter der Komplementär-GmbH kämen nämlich als Zustellungsempfänger in Betracht. Die GmbH müsse noch nicht einmal in der Zustellungsurkunde bezeichnet werden. Eine fehlerhafte Angabe der gesetzlichen Vertreter werde nicht geprüft und sei unschädlich. Die verzögerliche Behandlung durch das Gericht sei dem Kläger nicht zuzurechnen, denn sie sei nicht so verzögerlich gewesen, daß sie den Kläger zu weiteren Schritten habe veranlassen müssen. Diesen Einwendungen ist der Erfolg nicht zu versagen.
Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 31. Januar 1991 nicht geboten war. § 690 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verlangt die Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter. Die Bestimmung stellt insoweit nach ihrem Wortlaut („muß”) strengere Anforderungen als § 130 Nr. 1 ZPO („soll”). Die Revision führt jedoch zu Recht aus, daß diese Anforderung kein Selbstzweck ist, sondern die Durchführung der Zustellung sichern soll. Die Bezeichnung muß in einer Weise erfolgen, die eine Zustellung ohne Schwierigkeiten ermöglicht. Zur Zustellung bedarf es lediglich einer Bezeichnung der Person des Zustellungsadressaten. Rechtsprechung und Schrifttum stellen bei Zustellungen mit Wirkung gegen juristische Personen an die nach § 191 Nr. 3 ZPO vorgeschriebene Bezeichnung des Zustellungsadressaten geringe Anforderungen. So ist nicht unbedingt die namentliche Bezeichnung der gesetzlichen Vertreter gefordert. Es genügt vielmehr die Kennzeichnung des Zustellungsadressaten durch die bloße Angabe der Organstellung wie z.B. „vertreten durch den Geschäftsführer”. Sogar eine Zustellung mit Wirkung gegen eine Aktiengesellschaft, bei der lediglich die Gesellschaft als Zustellungsempfänger in der Zustellungsurkunde aufgenommen war, ist als wirksam angesehen worden (RGZ 107, 164 f.). Dem ist der Bundesgerichtshof gefolgt (BGH, Urt. v. 22.5.1989 – II ZR 206/88, NJW 1989, 2689).
Diese Grundsätze sind auch auf die Bezeichnung einer GmbH & Co. KG gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anwendbar. Die hiernach an sich erforderliche Angabe „vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin” fehlte in dem ursprünglichen Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids. Das schadet jedoch nicht. In Anwendung derselben Grundsätze war die Angabe „vertreten durch die Geschäftsführer” ausreichend, auch wenn eine Kommanditgesellschaft nach der gesetzlichen Regelung nicht durch Geschäftsführer, sondern durch die persönlich haftende Gesellschafterin gesetzlich vertreten wird (§§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1, 170 HGB). Vorliegend hatten Zustellungen – worauf die Revision mit Recht hinweist – nicht an die GmbH als an die persönlich haftende Gesellschafterin der beklagten Kommanditgesellschaft, sondern an die Geschäftsführer dieser GmbH zu erfolgen. Nur sie waren die Adressaten der Zustellung, nach denen sich insbesondere die Möglichkeit einer Ersatzzustellung richtete (§ 184 Abs. 1 ZPO). Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war eine Bezeichnung der Kommanditgesellschaft als der Person, für die die Geschäftsführer der (ungenannten) GmbH die Zustellung entgegennehmen sollten, sowie die Angabe „vertreten durch die Geschäftsführer” ausreichend.
Diesen Voraussetzungen genügte bereits der Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids in seiner ursprünglichen Fassung. In diesem Antrag war als Antragsgegnerin die Beklagte mit voller Bezeichnung der Gesellschaftsform als GmbH & Co. KG, vertreten durch namentlich bezeichnete Geschäftsführer, angegeben. Hiernach konnten weder für den Empfänger der Zustellung noch für den Zustellungsbeamten Zweifel bestehen, an wen sich die Sendung richtete (vgl. dagegen den anders gelagerten Fall BGH, Urt. v. 7.4.1983 aaO). Mithin hat der Rechtspfleger durch eine nicht gebotene Zwischenverfügung die Zustellung verzögert. Das ist entscheidend dafür, daß die bis zur Zustellung vergangene Zeit dem Kläger nicht zuzurechnen ist (BGH, Urt. v. 29.9.1983 – VII ZR 31/83, NJW 1984, 242; BGH, Urt. v. 20.11.1980 – III ZR 182/79, NJW 1981, 875, 876). Der Kläger hat die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 31. Januar 1991 im übrigen am 20. Februar 1991 erhalten und sofort beantwortet, so daß der Mahnbescheid am 21. Februar 1991 erlassen und am 25. Februar 1991 zugestellt wurde.
bb) Daß der Kläger die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 31. Januar 1991 zum Anlaß genommen hat, zugleich die Angaben betreffend die Anschrift der Beklagten und die Namen der Geschäftsführer der Beklagten zu ändern, vermag die Anwendung des § 693 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall nicht zu verhindern.
Das Berufungsgericht und die Revision äußern sich hierzu nicht im einzelnen. Der Rechtspfleger hatte dazu nichts beanstandet.
Weil die Partei vorliegend ausreichend identifizierbar bezeichnet war, war unerheblich, daß die Geschäftsführer zunächst fehlerhaft benannt wären (vgl. § 253 II Nr. 1 ZPO).
Auch die Angabe einer falschen Zustellungsanschrift schadet hier nicht. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, daß eine Zustellung unter der ursprünglich angegebenen Anschrift nicht möglich gewesen wäre. Das hat jedoch außer Betracht zu bleiben. Das Berufungsgericht hat geglaubt, keine Verzögerungen hierdurch feststellen zu können. Bei der Frage einer Rückwirkung der Zustellung gemäß § 693 Abs. 2 ZPC kommt es zudem darauf an, ob die Zustellung tatsächlich „demnächst”, also ohne vom Kläger zu vertretende Verzögerung erfolgt ist; dagegen ist nicht darauf abzustellen, ob die Zustellung anderenfalls – wenn sie nicht wie geschehen, sondern anders ausgeführt worden wäre – überhaupt nicht hätte durchgeführt werden können.
Nach allem hat die Zustellung des Mahnbescheids am 25. Februar 1991 den Lauf der Verjährungsfrist rechtzeitig unterbrochen. Die Einrede der Verjährung steht einer sachlichen Prüfung des Klagevorbringens nicht im Wege.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es Gelegenheit zu der nunmehr erforderlichen sachlichen Prüfung des Klagebegehrens erhält.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision ist gleichfalls dem Berufungsgericht zu überlassen, nachdem ausscheidbare Kosten nicht angefallen sind.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Broß, Melullis, Greiner
Fundstellen
Haufe-Index 1130998 |
BB 1993, 1836 |
NJW 1993, 2811 |
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