Leitsatz (amtlich)
Die Bebauung eines Grundstücks durch eine Genossenschaft auf vertraglicher Grundlage kann nur dann zu einem Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz führen, wenn die Absicherung der Investition über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus nach den Rechtsvorschriften der DDR im Augenblick der Bebauung vorgeschrieben und möglich war.
Normenkette
SachenRBerG § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) |
OLG Naumburg |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Januar 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 17. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung der Klägerin nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.
Durch Vertrag vom 14. Januar 1964 verpachtete die Rechtsvorgängerin der Beklagten, H. T., der Produktionsgenossenschaft des Dachdecker- und Ofensetzerhandwerks Q. (im folgenden: PGH) eine Teilfläche von 2.600 qm zweier aneinander grenzender Grundstücke in Q.. Durch Verträge vom 20. Februar 1968 und 24. September 1971 wurde die Pachtfläche auf schließlich 10.039 qm erweitert. Die Dauer des Pachtverhältnisses war bis zum 31. Dezember 2001 vereinbart. Die Verträge gestatteten der Pächterin die Errichtung massiver Gebäude auf den Grundstücken. Zwischen 1964 und 1971 errichtete sie auf ihnen gemäß genehmigter Planung aus eigenen Mitteln fünf oder sechs Gebäude und legte auf einem der Grundstücke einen Kfz-Waschplatz an.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der PGH. Sie hat die Feststellung ihrer Berechtigung zum Ankauf der Pachtfläche beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, die vertragliche Grundlage der Bebauung der Grundstücke stehe der beantragten Feststellung nicht entgegen. Bei ihrer Bebauung durch die PGH handele es sich um eine genehmigte und geplante Investition, zu deren Absicherung die betroffenen Grundstücke als Bauland hätten bereitgestellt werden müssen. Die hierzu notwendige Enteignung von H. T. sei zwar zunächst nicht möglich gewesen. Mit Inkrafttreten des Baulandgesetzes vom 15. Juni 1984 (GBl. I, 201) sei dieses Hindernis jedoch entfallen. Die Enteignung von H. T. sei nachzuholen und der PGH an den in Volkseigentum zu überführenden Grundstücken ein Nutzungsrecht zu bestellen gewesen. Daß dies unterbleiben sei, führe dazu, die Situation als hängenden Fall im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b SachenRBerG zu qualifizieren, in welchem die vertragliche Grundlage der Bebauung der Grundstücke einer Berechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht entgegen stehe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Ein Anspruch der Klägerin nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz besteht nicht. Die vertragliche Grundlage der Bebauung der Grundsstücke durch die PGH schließt die beantragte Feststellung aus (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz SachenRBerG).
Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die verpachtete Fläche der Grundstücke im Zeitpunkt ihrer Bebauung in Volkseigentum oder genossenschaftliches Eigentum zu überführen gewesen wäre und die Bebauung hierdurch eine über die vertragliche Sicherung hinausgehende Sicherung hätte erhalten müssen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG, der auch für den von dem Berufungsgericht herangezogenen Bereinigungstatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b SachenRBerG gilt. Denn das Gesetz hat zum Ziel, die nach dem Recht der DDR begründete oder zu begründende rechtliche Position des Nutzers in eine solche des bürgerlichen Rechts zu überführen und so die Erwartung des Nutzers in die Dauerhaftigkeit seiner Investition zu schützen. War im Augenblick der Investition der Genossenschaft eine Absicherung über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus nach dem Recht der DDR nicht möglich, scheidet daher ein Anspruch nach dem Sachenrechtsberingungsgesetz wegen der vertraglichen Grundlage der Bebauung aus (Eickmann/Rothe, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 2 Rdn. 33 f; Czub aaO § 2 Rdn. 73). Ist eine Absicherung der Investition auch später nicht erfolgt, verbleibt es hierbei. Ob die spätere Rechtsentwicklung der DDR eine Absicherung durch die Enteignung der Grundstücke erlaubt oder geboten hätte, ist ohne Bedeutung (vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 3 Rdn. 43, 75).
So liegt der Fall hier. Zwischen 1964 und 1971 war H. T. nach dem Vortrag der Klägerin nicht bereit, ihre Grundstücke zu teilen und die Pachtfläche an die PGH zu veräußern. Ihre Enteignung war nach dem Aufbaugesetz vom 6. September 1950 (GBl. I, 965) nicht möglich. Die 2. Durchführungsverordnung zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 (GBl. II, 641) war im Zeitpunkt der Investitionen der PGH noch nicht erlassen. Die Grundstücke waren nicht zum Aufbaugebiet erklärt. H. T. konnte zum Abschluß der von ihr mit der PGH geschlossenen Pachtverträge und zur Gestattung der Bebauung ihrer Grundstücke nicht gezwungen werden. Soweit die PGH sie trotzdem bebauen wollte, konnte sie auch den geplanten Investitionsaufwand nur auf Zeit durch den Abschluß eines langfristigen Pachtvertrages sichern. Die Gebäude gingen nicht als wesentliche Bestandteile der Grundstücke in das Eigentum von H. T. über, sondern blieben als bewegliches Eigentum zur Verfügung der PGH (vgl. Senatsurt. v. 15. Mai 1998, V ZR 83/97, VIZ 1998, 582, 583). Mit dieser Maßgabe hat sich die PGH zur Errichtung der Gebäude und der Waschanlage entschlossen.
Dabei verbleibt es. Die Gewährung eines weitergehenden Schutzes wird vom Ziel des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht gedeckt. Das Gesetz dient nicht dazu, eine nicht umgesetzte spätere Änderung der rechtlichen Regelungen der DDR, aufgrund deren „ungesicherter” Investitionsaufwand nachträglich zu sichern war, durch die Gewährung eines Ankaufsrechts oder eines Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts unter der Geltung des Rechts der Bundesrepublik zu verewigen. Es ist daher ohne Bedeutung, ob nach dem Baulandgesetz die Enteignung der Pachtfläche und die Verleihung eines Nutzungsrechts an den in Volkseigentum zu überführenden Grundstücken an die PGH möglich wurden, also nachträglich eine „ewige” Absicherung des Investitionsaufwandes der PGH herbeigeführt werden konnte oder auch mußte. Im Zeitpunkt der Investitionen der PGH bestand diese Möglichkeit nicht. Die PGH war bei ihrer Investitionsentscheidung vielmehr auf die vertragliche Sicherung ihres Aufwands beschränkt. Trotzdem hat sie sich zur Bebauung der Grundstücke entschlossen. Damit ist sie das Risiko eingegangen, die von ihr errichteten Gebäude nach Beendigung der vereinbarten Pachtzeit nicht mehr nutzen zu können. Dieses Risiko will das Sachenrechtsbereinigungsgesetz ihr nachträglich nicht abnehmen. Die Gewährung eines Anspruchs auf Erwerb der Pachtfläche oder die Bestellung eines Erbbaurechts an den Grundstücken würde die Klägerin besser stellen, als sie im Zeitpunkt ihrer Aufwendungen stand und erwarten konnte.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist ebenso ohne Bedeutung, ob der Beschluß des Ministerrats über die Grundsätze zur Vorbereitung und Durchführung von Investitionen vom 26. Oktober 1967 (GBl. II, 813) der Bebauung gepachteter Grundstücke durch Genossenschaften entgegen stand, wie das Berufungsgericht meint. Dieser Beschluß enthielt keine Bestimmungen, aufgrund deren dem Investor eine gesicherte Rechtsposition hätte verschaftt werden können. Wurde er – wie hier – nicht befolgt, so erwächst dem Investor hieraus kein Bereinigungsanspruch gegen den Erwerber. Auch das von der Rechtspraxis der DDR betonte Erfordernis der Baufreiheit verlangte entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht, daß die Absicherung einer Investition in ein fremdes Grundstück durch eine dingliche oder einem dinglichen Recht gleich kommende staatlich gewährte Berechtigung zu erfolgen hatte (vgl. Arlt/Rohde, Bodenrecht, Grundriß, Besonderer Teil, Kapitel III § 3 Nr. 3, S. 401). Im Gegensatz zur Bebauung volkseigener Grundstücke durch Genossenschaften (Czub aaO § 7 Rdn. 139) stand das Recht der DDR einer Bebauung privater Grundstücke durch Genossenschaften auch nicht grundsätzlich entgegen, sondern regelte in § 459 ZGB deren zivilrechtliche Rechtsfolgen. Danach führte die Bebauung privater Grundstücke auf vertraglicher Grundlage durch eine Genossenschaft nicht zum Entstehen von Gebäudeeigentum der Genossenschaft und damit eben nicht zu einer vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz als bereinigungsbedürftig anerkannten Rechtsposition des Nutzers.
Unterschriften
Wenzel, RiBGH Dr. Vogt ist in den Ruhestand getreten und kann nicht mehr unterschreiben. Karlsruhe, den 4.10.2000 Wenzel, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.09.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556309 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 41 |
WM 2000, 2512 |
ZAP-Ost 2000, 716 |
NJ 2001, 144 |