Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot bei Auflösung einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-Sozietät
Leitsatz (amtlich)
Ein über zwei Jahre hinausgehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen aus einer Freiberuflersozietät ausgeschiedenen Gesellschafter verstößt in zeitlicher Hinsicht gegen § 138 BGB, weil sich nach einem Zeitraum von zwei Jahren die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft geknüpften Mandantenverbindungen typischerweise so gelöst haben, dass der ausgeschiedene Partner wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden kann (BGH, Urt. v. 8.5.2000 - II ZR 308/98, MDR 2000, 977 = WM 2000, 1496 [1498]).
Normenkette
BGB §§ 138, 705, 738; GG § 12
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 18.01.2002; Aktenzeichen 8 U 640/01) |
LG Koblenz (Urteil vom 21.03.2001; Aktenzeichen 15 O 215/00) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 18.1.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Koblenz v. 21.3.2001 hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen hat.
Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des LG Koblenz unter Abweisung des Hilfsantrags im Übrigen dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger über die ausgeurteilten 2.456,10 DM nebst Zinsen hinaus weitere 79.761,53 Euro (= 156.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 1.3.2000 zu zahlen; die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 40 % dem Kläger und zu 60 % der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Sie waren alleinige Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Dr. H. und Partner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater", aus der die Beklagte zum 28.2.1998 ausschied. Der Auseinandersetzungsvertrag der Parteien v. 3.4.1998 enthält u. a. die Verpflichtung der Beklagten, "für die Dauer von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft weder im Rahmen einer eigenen Praxis noch im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses unmittelbar oder mittelbar für solche Auftraggeber tätig zu werden, die in den letzten zwei Jahren vor ihrem Ausscheiden Auftraggeber der Gesellschaft waren". Die Beklagte erhielt im Hinblick auf das langjährige Wettbewerbsverbot eine Karenzentschädigung von 260.000 DM.
Mandantin der Gesellschaft war die Modebutike C., mit deren Inhaberin die Beklagte befreundet ist und die sie selbst seinerzeit als Mandantin der Gesellschaft gewonnen hatte. Nach ihrem Ausscheiden hat die Beklagte dieses Mandat selbst wahrgenommen. Hierin sieht der Kläger einen Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot. Er hat die Beklagte, gestützt auf eine für den Fall der Mandatsübernahme im Auseinandersetzungsvertrag getroffene Regelung, auf Zahlung von 2.456,10 DM in Anspruch genommen und außerdem beantragt, sie zu verurteilen, die steuerliche Beratung der Inhaberin der Modebutike, insbesondere die Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen für sie oder ein in ihrem Vermögen befindliches Einzelunternehmen zu unterlassen; hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte zur Rückzahlung der Entschädigung von 260.000,00 DM nebst Zinsen zu verurteilen, und sich dabei auf § 5 Nr. 7 der Auseinandersetzungsvereinbarung berufen, die bestimmt, dass bei gerichtlich festgestellter gänzlicher oder teilweiser Unwirksamkeit der Wettbewerbsklausel die Entschädigung zurückzuzahlen ist.
Das LG hat dem Antrag auf Zahlung der Vertragsstrafe stattgegeben. Das Unterlassungsbegehren hat es mit der Begründung abgewiesen, das Wettbewerbsverbot sei unwirksam, soweit es den - bei Urteilserlass bereits verstrichenen - Zeitraum von zwei Jahren übersteige. Über den Hilfsantrag hat das LG nicht entschieden. Es hat nämlich angenommen, der Kläger habe diesen Antrag unter die - nach seinem Urteil nicht eingetretene - Bedingung gestellt, dass das Wettbewerbsverbot insgesamt als unwirksam behandelt werde.
Das OLG hat die gegen die Abweisung von Unterlassungs- und Hilfsantrag eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich des Hilfsantrags teilweise begründet und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten i. H. v. 79.761,53 Euro (= 156.000 DM); im Übrigen war sie bis zur Erledigungserklärung unbegründet.
I. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass das von den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot nur für eine Dauer von zwei Jahren Wirksamkeit beanspruchen konnte.
Nach der Rechtsprechung des Senats zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten verstoßen derartige Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann nicht gegen § 138 BGB, wenn sie räumlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreiten (BGH, Urt. v. 8.5.2000 - II ZR 308/98, MDR 2000, 977 = WM 2000, 1496 [1498]; v. 14.7.1997 - II ZR 238/96, MDR 1997, 953 = WM 1997, 1707; v. 29.1.1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 [742]). Wettbewerbsverbote sind nur gerechtfertigt, soweit und solange sie erforderlich sind, um die Partner des aus einer Gesellschaft Ausgeschiedenen vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Da sich die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft geknüpften Verbindungen typischerweise nach einem Zeitraum von zwei Jahren so gelöst haben, dass der ausgeschiedene Partner wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden kann, überschreitet ein über zwei Jahre hinausgehendes Wettbewerbsverbot das in zeitlicher Hinsicht notwendige Maß (BGH, Urt. v. 8.5.2000 - II ZR 308/98, MDR 2000, 977 = WM 2000, 1496 [1498]).
Für den vorliegenden Fall gilt entgegen der Ansicht der Revision nichts Anderes. Er unterscheidet sich von den der zitierten Senatsrechtsprechung zu Grunde liegenden Fällen zwar dadurch, dass das Wettbewerbsverbot nicht bei Gründung oder während des Bestehens der Sozietät, sondern erst in dem Vertrag vereinbart wurde, mit dem die Parteien ihre Gesellschaft auseinander setzten. Diesen Unterschied hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht für unerheblich gehalten, weil er für die Frage der mit Rücksicht auf Art. 12 GG notwendigen zeitlichen Beschränkung eines - wie hier weiteren rechtlichen Bedenken nicht begegnenden - Wettbewerbsverbots ersichtlich keine Rolle spielen kann. Insoweit ist allein der Zeitraum maßgeblich, in dem sich Bindungen aus der Zeit der Gesellschaftszugehörigkeit nach deren Beendigung so zu lockern pflegen, dass ein über diesen Zeitraum hinausgehendes Wettbewerbsverbot mit den guten Sitten nicht mehr zu vereinbaren ist.
Auch die von dem verbleibenden Gesellschafter übernommene wettbewerbsbeschränkende Verpflichtung, fünf Jahre lang nicht für Auftraggeber tätig zu werden, die ihren Firmensitz am Wohn- und Tätigkeitsort der Beklagten in B. M. haben (§ 5 Nr. 3 aaO), rechtfertigt es nicht, ein über zwei Jahre hinausgehendes Wettbewerbsverbot für die Beklagte hier ausnahmsweise als wirksam zu erachten. Diese Verpflichtung der Gesellschaft ändert nichts daran, dass das Wettbewerbsverbot nicht über den zur Durchsetzung seines anzuerkennenden Zwecks erforderlichen Zeitrahmen hinaus ausgedehnt werden darf und dieser Zeitrahmen sich allein nach der Dauer der aus der Tätigkeit der Beklagten für die Gesellschaft nachwirkenden Verbindungen bestimmt. Für diese kommt es auf etwaige von der Gesellschaft im Gegenzug für das von der Beklagten übernommene Wettbewerbsverbot eingegangene Verpflichtungen, für die im Übrigen ebenfalls die Zwei-Jahres-Grenze gilt, nicht an.
Grundsätzliche Bedenken gegen eine auf höchstens zwei Jahre begrenzte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit macht die Revision mit Recht nicht geltend, ergibt sich doch gerade aus der in Rede stehenden Wettbewerbsvereinbarung der Parteien, dass auch sie von einer weit gehenden Lockerung der während der Gesellschaftszugehörigkeit geknüpften Verbindungen der Beklagten nach zwei Jahren ausgingen. Die Mandantenschutzklausel betrifft nur die Auftraggeber, die sich in den letzten zwei Jahren vor dem Ausscheiden der Beklagten durch die Gesellschaft in steuerlichen Dingen haben beraten lassen.
II. Das Berufungsgericht hat dem Hilfsantrag des Klägers den Erfolg versagt, weil es insofern an jeglichem Berufungsangriff fehle und die in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz nachgeschobene kurze Begründung hierfür nicht ausreiche. Das hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen, die im vorliegenden Fall an die Berufungsbegründung zu stellen sind, überspannt und sich damit den Weg zu der gebotenen Sachentscheidung verstellt.
1. Die pauschale Bezugnahme auf den Sachvortrag oder die Rechtsausführungen erster Instanz stellt zwar grundsätzlich keine ausreichende Berufungsbegründung dar (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rz. 40 m. w. N.). Sie ist jedoch ausnahmsweise hinsichtlich solchen Vorbringens zulässig, das in erster Instanz aus Rechtsgründen nicht behandelt wurde, als rechtlich unerheblich oder unsubstanziiert behandelt oder gänzlich übergangen wurde (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rz. 40 m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier vor, sodass es ausnahmsweise unschädlich ist, dass der Kläger den Punkt nicht ausdrücklich, sondern nur durch Verweisung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag angesprochen hat. Nach dem von dem LG in seiner Entscheidung selbst dargestellten Vorbringen des Klägers konnte für das Berufungsgericht nicht zweifelhaft sein, dass er - wenn er mit seinem näher ausgeführten Berufungsangriff betreffend die angebliche Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots nicht durchdringen sollte - zumindest die für ein fünfjähriges Wettbewerbsverbot gezahlte Karenzentschädigung ganz oder teilweise zurückfordern wollte. Über den Antrag und die Bezugnahme auf den Vortrag aus erster Instanz hinaus musste der Kläger hier nichts vortragen.
2. Der Hilfsantrag ist teilweise, nämlich i. H. v. 156.000 DM = 79.761,53 Euro nebst beantragter 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit begründet.
Das Rückzahlungsverlangen des Klägers steht nicht unter der Bedingung, dass das von den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot insgesamt unwirksam ist. Die gegenteilige Annahme des LG beruht auf einer schon vom Wortlaut des Vertrages nicht nahe gelegten, im Übrigen die Regelung des § 5 Nr. 7 der Auseinandersetzungsvereinbarung übergehenden und die Interessen des Klägers gänzlich außer acht lassenden Auslegung seines Vorbringens. Nach ihr könnte der Kläger mit dem ausdrücklich im Vertrag bedungenen Recht zur Rückforderung der Karenzentschädigung gerade dann nicht, auch nicht teilweise, durchdringen, wenn das Wettbewerbsverbot - nur - teilunwirksam sein sollte, die Beklagte also nur für kürzere Zeit als vorgesehen wettbewerbsrechtlich gebunden war.
Der Kläger kann Rückzahlung von drei Fünfteln der an die Beklagte für das vereinbarte Wettbewerbsverbot gezahlten Entschädigung verlangen. Die vorstehend erwähnte Bestimmung der Auseinandersetzungsvereinbarung rechtfertigt die Rückforderung der gesamten Entschädigung trotz nur teilweiser Unwirksamkeit des Verbots nicht. Die der Beklagten gezahlte Entschädigung war zur Abgeltung des für die Dauer von fünf Jahren vereinbarten Wettbewerbsverbots bestimmt. Da das Verbot für eine Dauer von zwei Jahren Wirksamkeit beanspruchen konnte, kann der Beklagten für diesen Zeitraum eine Entschädigung nicht abgesprochen werden. Der Kläger hat daher nur Anspruch auf Rückzahlung desjenigen Teils der Entschädigung, der auf die drei Jahre entfällt, in denen das Verbot nach zutreffender Auffassung der Vorinstanzen nicht mehr wirksam war, also auf drei Fünftel des Gesamtbetrages der Entschädigung, mithin 156.000,00 DM.
Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe das Wettbewerbsverbot während der gesamten Zeitspanne von fünf Jahren beachtet. Dies ist nicht nur in der Revisionsinstanz unzulässiger neuer Vortrag, sondern steht auch in Widerspruch dazu, dass die Beklagte, wie u. a. aus ihrem Klagabweisungsantrag ersichtlich ist, die Gültigkeit des Wettbewerbsverbots in erster Linie in Abrede genommen, allenfalls dessen Gültigkeit für zwei Jahre als denkbar hingestellt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1077150 |
BFH/NV Beilage 2004, 166 |
BB 2003, 2643 |
DB 2003, 2699 |
DStR 2004, 100 |
DStZ 2004, 58 |
WPg 2004, 29 |
NJW 2004, 66 |
Inf 2004, 11 |
NWB 2004, 288 |
BGHR 2004, 239 |
EBE/BGH 2003, 397 |
NZG 2004, 35 |
StuB 2004, 432 |
WM 2003, 2334 |
ZAP 2003, 1293 |
ZIP 2003, 2251 |
AnwBl 2004, 186 |
ArztR 2004, 288 |
KÖSDI 2004, 14007 |
MDR 2004, 240 |
PERSONAL 2004, 61 |
KP 2004, 125 |
RdW 2004, 50 |
BFH/NV-Beilage 2004, 166 |
BRAK-Mitt. 2004, 43 |
KammerForum 2004, 69 |
Mitt. 2004, 92 |
SJ 2004, 37 |
WPK Magazin 2004, 58 |
www.judicialis.de 2003 |