Leitsatz (amtlich)
Die Witwe eines Angestellten im öffentlichen Dienst braucht sich das gemäß § 41 BAT erhaltene Sterbegeld nicht auf ihren Anspruch aus § 844 Abs. 1 BGB gegenüber dem Schädiger anrechnen zu lassen.
Normenkette
BGB §§ 249, 844 Abs. 1; BAT § 41
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 30.06.1976) |
LG Freiburg i. Br. |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 13. Zivilsenat in Freiburg – vom 30. Juni 1976 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin verstarb am 2. August 1972 an den Folgen eines unstreitig vom Fahrer eines bei dem Beklagten gegen Haftpflicht versicherten Personenkraftwagens verschuldeten Verkehrsunfalls. Im Zuge der Schadensabwicklung machte der Beklagte von dem von der Klägerin geltend gemachten, hinsichtlich der einzelnen Posten nicht in Zweifel gezogenen Gesamtschadensbetrag einen Abzug von 4.118,90 DM und begründete dies damit, daß die Klägerin in dieser Höhe gemäß § 41 des Bundesangestelltentarifs (BAT) von dem Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes Sterbegeld ausgezahlt erhalten habe.
Die Klägerin hält diesen Abzug für nicht gerechtfertigt und begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des genannten Betrages.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt dieser seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Rechtsauffassung des Beklagten für unzutreffend und führt hierzu im wesentlichen aus (NJW 1977, 303):
Bei der Entscheidung der Frage, ob eine nach § 41 Abs. 1 und 3 BAT geleistete Zahlung im Wege der Vorteilsausgleichung auf die Schadensersatzleistung des Schädigers anzurechnen sei, müsse in erster Linie darauf abgestellt werden, ob die Leistungen des Dienstherrn und des Schädigers, soweit sie dieser aus § 844 Abs. 1 BGB schulde, sich deckten oder unterschiedliche, wenn auch aus dem Schadensereignis herrührende Nachteile ausgleichen sollten. Die Entstehungsgeschichte von § 41 BAT, einer gewollten Anlehnung an die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung (§ 122 BBG) führe zu einer notwendigen Unterscheidung des Leistungszweckes dahin, daß der von dem Beklagten zu zahlende Ersatzbetrag die tatsächlich entstandenen finanziellen Aufwendungen der Klägerin aus Anlaß des Sterbefalles decken solle, während das nach § 41 Abs. 1 BAT an die Witwe zu zahlende „Sterbegeld” des öffentlichen Dienstherrn nicht einen entsprechenden Aufwand für Sterbegeldkosten voraussetze. Letzteres folge insbesondere auch aus dem Vergleich mit Absatz 2 des § 41 BAT. Wegen dieser unterschiedlichen Zielsetzung schon fehle es an einer wesentlichen Voraussetzung für eine Vorteilsausgleichung.
II.
Diese Begründung des angefochtenen Urteils begegnet zwar Bedenken; das Ergebnis hält jedoch aus anderen Gründen den Angriffen der Revision stand, so daß dieser kein Erfolg beschieden sein kann (§ 563 ZPO).
1. Dem Berufungsgericht kann, wie die Revision zu Recht rügt, insoweit nicht gefolgt werden, als es hinsichtlich der Zahlung des Sterbegeldes an die Klägerin eine den von dieser begehrten Beerdigungskosten gleiche Zweckrichtung verneint und somit zum Ergebnis kommt, es fehle schon an einer sachlichen Kongruenz. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18. Januar 1977 (VI ZR 250/74 = VersR 1977, 427) zu dieser Kongruenzfrage im Verhältnis von § 122 BBG – jetzt § 18 BeamtVG – zu § 844 Abs. 1 BGB Stellung genommen und dabei eine zum Berufungsurteil gegenteilige Auffassung vertreten. Darauf wird Bezug genommen. Insoweit handelt es sich im Grunde um die gleiche Rechtsfrage, wie auch der schon erwähnte Umstand zeigt, daß § 41 BAT in Anlehnung an die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung formuliert worden ist.
2. Indessen kommt es im Streitfall auf diese Frage nicht an. Die Klägerin ist nämlich selbst dann nicht verpflichtet, sich im Wege der Vorteilsausgleichung die Zahlung des Sterbegeldes durch den Arbeitgeber ihres Ehemannes anrechnen zu lassen, wenn man davon ausgeht, daß dieser Leistung zumindest teilweise die gleiche Zweckbestimmung wie der von dem Beklagten gemäß § 844 Abs. 1 BGB geschuldeten Ersatzleistung zukommt.
Erste Voraussetzung (Mindestvoraussetzung) jeder Vorteilsausgleichung ist die adäquate Verursachung der Vorteilsentstehung durch das schädigende Ereignis (BGHZ 8, 326, 329; 10, 107, 108; 49, 56, 61, 62; Thiele AcP 167, 193 ff). Insoweit bestehen auch im zur Entscheidung stehenden Fall keine Bedenken, davon auszugehen, daß das schädigende Ereignis, nämlich der von dem Versicherten des Beklagten zu verantwortende Tod des Ehemannes der Klägerin, den Eintritt des Vorteils – die Auszahlung des Sterbegeldes – adäquat zur Folge gehabt hat (BGHZ 8 a.a.O.). Dies führt aber nur dazu, daß eine Anrechnungsmöglichkeit nicht schon wegen Fehlens einer adäquat gleichen Verursachung verneint werden darf; noch nicht entschieden ist damit die Frage, ob im konkreten Fall eine Anrechnung notwendig erscheint.
Das Gesetz selbst sagt nichts über die Voraussetzungen und Grenzen einer Vorteilsausgleichung. Die Entscheidung der Frage, ob und inwiefern bei Schadensersatzansprüchen der Vorteil, welcher dem Beklagten durch den Schaden bringenden Umstand zugefallen ist, von der Schadensersatzsumme in Anrechnung zu bringen sei (compensatio lucri cum damno), sollte der Rechtswissenschaft und Praxis überlassen werden (so Motive 2, 18 ff). Dementsprechend hat der erkennende Senat auch bereits in BGHZ 8, 325, 328 betont, daß in jedem einzelnen Fall zu prüfen sei, ob eine Anrechnung „dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht” entspricht (so insbes. BGHZ 10, 107; 30, 29/33; vgl. auch 60, 353, 358). Eine so ausgerichtete Prüfung hat den erkennenden Senat beispielsweise dazu geführt, schadensmindernde Leistungen Dritter auch dann von der Ausgleichspflicht auszunehmen, wenn sie auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (BGHZ 21, 112, 114 ff). In dieser Entscheidung hat der Senat auf den Zweck der Drittleistung abgestellt und daraus unter Heranziehung von § 843 Abs. 4 BGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens das Verbot abgeleitet, Maßnahmen, die der sozialen Sicherung und Fürsorge gegenüber dem Dienstpflichtigen und seinen Angehörigen entspringen, dem Schädiger zugute kommen zu lassen (so schon BGH GS 13, 360, 364). Auch in späteren Urteilen des Senats finden sich diese Grundsätze verwirklicht, insbesondere in den Fällen, in denen es darum ging, ob ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall auch dann besteht, wenn der Dienstberechtigte trotz der Arbeitsunfähigkeit des Verpflichteten diesem eine „Pension” (BGHZ 10, 107) oder gar die ausbedungene Vergütung weiter zahlt (vgl. zuletzt Urt. des Senats vom 5. Juli 1977 – VI ZR 44/75 = VersR 1977, 863 mit Hinweisen auf weitere Entscheidungen).
3. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist auch im vorliegenden Fall geboten.
a) Dabei kann dahinstehen, ob die Zahlung des Sterbegeldes an die Klägerin entsprechend der Ansicht der Revision auf einer gesetzlichen Verpflichtung oder – wohl zutreffender – auf einem privatrechtliehen, inhaltlich von dem Bundesangestellten-Tarifvertrag wesentlich mitbestimmten Dienstvertrag beruht, der sich hinsichtlich der Leistungspflicht aus § 41 Abs. 1 und 3 BAT als Vertrag zugunsten der Klägerin darstellt. Das macht in Bezug auf die Ersatzpflicht des Beklagten keinen rechtlich relevanten Unterschied, wie dies der Senat schon in BGHZ 10, 107, 110; 21, 114 näher begründet hat. Wesentlich ist allein, daß die Zahlung des „Sterbegeldes” ohne Nachweis von durch den Tod des Ehemannes veranlaßte besondere Aufwendungen eindeutig sozialer Verantwortung des Dienstherrn gegenüber seinen Dienstpflichtigen und dessen Angehörigen entspringt; daß eine arbeitsvertragliche Rechtspflicht zur Leistung bestanden hat, ändert deren Charakter schon deshalb nicht, weil in der Übernahme der tarifvertraglich vorgezeichneten Versorgungsmaßnahme bereits die soziale Verantwortung ihren Ausdruck gefunden hat. Es mangelt an jedem Anhaltspunkt dafür, daß diese durch die sozialpolitische Entwicklung bedingte tarifvertragsmäßige stärkere Verpflichtung des Berechtigten zur Fürsorge für die Klägerin als die Witwe des verstorbenen Dienstverpflichteten auch dem Schädiger und damit dem Beklagten als dessen Haftpflichtversicherer zugute kommen soll (vgl. hierzu BGHZ 21 a.a.O., insbesondere 117, 118 und BGHZ 10, 107, 110; Thiele a.a.O. S. 228).
b) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß nach dem maßgeblichen Tarifvertrag, wie dies bei einer Sterbegeldzahlung gemäß § 122 BBG – jetzt § 18 BeamtVG 1976 – aufgrund des § 87 a BBG der Fall ist, in Höhe des dem Schadensersatzanspruch kongruenten Teils des Sterbegeldes kein Forderungsübergang auf den Dienstberechtigten eintritt. Denn der Bundesangestelltentarif enthält für die in § 41 BAT vorgesehenen „Sozialbezüge” (§§ 37 ff) keine etwa im voraus erklärte Abtretung des der Witwe zufallenden Anspruchs auf Ersatz der Beerdigungskosten oder doch eine Pflicht, diesen Anspruch gegen Zahlung des Sterbegeldes abzutreten, wie das wohl in § 38 Abs. 1 c vorgesehen ist (vgl. dazu auch BGHZ 13, 360, 369). Dies berührt aber die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Schädiger nicht, geht diesem demnach nichts an (so der erkennende Senat in BGHZ 7, 30, 49; auch BGHZ 10, 107 und Urteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 284/67 – VersR 1969, 897). Daß im vorliegenden Fall die Klägerin etwa aus dem Rechtsgedanken von § 255 BGB unter Umständen gehalten sein kann, erhaltene Schadensersatzbeträge an den Dienstherrn ihres verstorbenen Ehemannes abzuführen (so auch Crisolli/Tiedtke, Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, § 41 BAT Anm. 9), ergibt sich aus Erwägungen, die der Senat bereits in BGHZ 21, 112, 119 ff angestellt hat.
Selbst wenn aber der Dienstherr des Ehemannes der Klägerin von der Geltendmachung eines möglicherweise aus § 255 BGB abzuleitenden Rechts – aus welchen Gründen auch immer – keinen Gebrauch machen sollte, ändert dies an dem gewonnenen Ergebnis nichts; eine Frei-stellung des Beklagten widerspräche dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht; sie führte nämlich dazu, daß eine Leistung, die sozialen Erwägungen und der besonders im Arbeitsrecht geltenden Fürsorgepflicht für Arbeitnehmer und deren Hinterbliebene entspringt, dem Schädiger zugute käme und damit zu einem Erfolg führte, den die Vertragsparteien gewiß nicht gewollt hatte.
Unterschriften
Dr. Weber, Dunz, Dr. Steffen, Dr. Ankermann, Dr. Deinhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1502204 |
NJW 1978, 536 |
Nachschlagewerk BGH |
DVBl. 1978, 861 |