Leitsatz (amtlich)

Der Käufer, der zur Erfüllung der Kaufpreisforderung einen Wechsel akzeptiert hat, kann, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Wechselforderung des Verkäufers und ersten Wechselnehmers die Mängeleinrede gem. § 478 BGB entgegenhalten. Dies gilt auch für einen Dritten, der den Wechsel zur Erfüllung der Kaufpreisverpflichtung des Käufers angenommen hat (Ergänzung von BGHZ 85, 346).

 

Normenkette

WG Art. 17; BGB §§ 417, 478

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 13.12.1984)

LG Stuttgart

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 1984 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines von ihm an eigene Order ausgestellten, am 9. Dezember 1983 fällig gewesenen Wechsels über 74.000 DM, den die Beklagte akzeptiert hat. Der Wechsel ging mangels Zahlung zu Protest. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagte im Wechselprozeß ein Anerkenntnisvorbehaltsurteil.

Im Nachverfahren hat die Beklagte beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hat unter anderem geltend gemacht, der Wechselforderung stehe die Wandlungseinrede entgegen. Dem liegt folgendes zugrunde:

Der Kläger verhandelte im Herbst 1983 mit Elke-A. Zicker, inzwischen verheiratete Schall, der jetzigen Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, über die Lieferung vergoldeter Eßbestecke. Am 12. Oktober 1983 übergab er ihr 300 Bestecke zum Gesamtpreis von 184.208 DM. Frau Schall verpflichtete sich, davon Ware nach ihrer Wahl im Wert von 74.000 DM fest abzunehmen. Bestecke im Wert von 110.208 DM nahm sie in Kommission. Sie sollte sie zurückgeben dürfen, wenn die Bestecke nicht, wie beabsichtigt, auf einer Messe in Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate) verkauft werden konnten. Diese Bestecke sind inzwischen zurückgegeben worden. Über den Kaufpreis der endgültig übernommenen Ware akzeptierte die Beklagte den Klagewechsel.

Die Beklagte behauptet, die Bestecke seien gebrauchsuntauglich. Die Goldauflage sei zu gering. Deswegen zeigten sich Roststellen. Diese Mängel habe Frau Sch. sofort nach ihrer Entdeckung noch von der Messe in Sharjah aus fernmündlich dem Kläger mitteilen lassen. Außerdem habe sie die Wandlung des Kaufvertrages begehrt. Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne die Wandlungseinrede der Wechselforderung entgegenhalten, da sie den Wechsel erfüllungshalber zur Tilgung der Verbindlichkeit von Frau Sch. aus dem Kaufvertrag angenommen habe.

Der Kläger bestreitet die Mängel und deren rechtzeitige Rüge. Außerdem macht er geltend, die Wandlung des Kaufvertrages sei nicht vollzogen und der Anspruch auf Wandlung inzwischen verjährt. Im übrigen könne die Beklagte keine Einreden aus dem Kaufvertrag erheben, da sie daran nicht beteiligt gewesen sei.

Das Landgericht hat das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kaufvertrag über die Bestecke sei zwischen dem Kläger und Frau Sch. zustande gekommen. Dies habe der Kläger selbst so vorgetragen und behauptet. Seine spätere Behauptung, Frau Sch. sei beim Kauf im Auftrage der Firma E. Sha. tätig geworden, sei unbeachtlich, weil der Kläger die Voraussetzungen für den Widerruf seines Geständnisses nicht dargetan habe.

Aufgrund des im ersten Rechtszuge eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. Ra. vom Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie in Schwäbisch Gmünd vom 8. Juni 1984 stellt das Berufungsgericht fest, daß die vom Kläger gelieferten Bestecke mangelhaft waren. Ihre Goldauflage habe nicht die zum gewöhnlichen Gebrauch erforderliche Schichtstärke aufgewiesen. Erst bei einer Goldauflage von mehreren 1000stel Millimeter könne davon ausgegangen werden, daß eine porenfreie Auflage vorhanden sei, die Korrosion und die Ablösung der Goldschicht verhindere. Diesen Mangel habe Frau Sch. rechtzeitig gerügt, auch wenn man entgegen der Auffassung der Beklagten unterstelle, daß es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft gehandelt habe. Da Frau Sch. die Wandlung des Kaufvertrages begehrt habe, sei dieser und damit die Rechtsgrundlage für den Wechsel weggefallen. Aufgrund des Rückgewährschuldverhältnisses sei der Kläger verpflichtet, die Rechte aus dem Wechsel zurückzuübertragen. Darauf könne sich die Beklagte als Bürgin oder Schuldmitübernehmerin berufen. Diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

II. 1. Ohne Grund rügt die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe zugestanden, daß Frau Sch. – und nicht die Firma E. Partei des Kaufvertrages mit dem Kläger geworden sei. Der Kläger hat im ersten Rechtszuge im undatierten, am 3. Mai 1984 bei Gericht eingereichten Schriftsatz vorgetragen, Frau Sch. habe die Bestecke bestellt.

Im Schriftsatz vom 22.5.1984 ließ der Kläger vortragen, Frau Sch. sei „als Vertragspartnerin des Klägers” verpflichtet gewesen, die Mängel unverzüglich zu rügen. Wenn die Revision dazu vorbringt, der Kläger habe damit keine Tatsachenbehauptung, sondern lediglich eine rechtliche Würdigung vorgetragen, übersieht sie, daß auch eine rechtliche Wertung der Partei als tatsächliches Vorbringen, nämlich als eine lediglich „juristisch gefärbte Einkleidung einer Tatsachenbehauptung” angesehen werden kann, die einem Geständnis gemäß § 288 ZPO zugänglich ist (BGH, Urt. v. 25.6.1974 – VI ZR 18/73, LM BGB § 675 Nr. 50 m. w. N.). Rechtsfehlerfrei konnte das Berufungsgericht sonach davon ausgehen, daß Frau Sch. Käuferin der Bestecke war.

2. Die Angriffe der Revision gegen die Feststellung eines Mangels durch das Berufungsgericht sind zum Teil verfahrensrechtlich unzulässig, zum Teil beruhen sie auf einem unzutreffenden sachlich-rechtlichen Ausgangspunkt:

a) Soweit die Revision dem Berufungsgericht vorwirft, es verwechsle Korrosionsschäden mit der Frage einer nicht ausreichenden Stärke der Goldauflage, setzt sie nicht nur in unzulässiger Weise ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters, sondern verkennt auch die Ausführungen des Sachverständigen:

Dieser hat zwar einerseits die stellenweise auf den Bestecken auf getretenen „Korrosionsangriffe” auf eine unzulängliche Vorbehandlung der Bestecke vor dem Auftragen der Goldauflage zurückgeführt; hierauf hat das Berufungsgericht aber gar nicht abgestellt. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht unabhängig davon die Goldschicht wegen ihrer unzureichenden Schichtstärke für nicht geeignet gehalten, eine Korrosion zu verhindern. Er hat für eine dem Gebrauch standhaltende Vergoldung eine Mindeststärke der Auflage von deutlich über 1/1000 Millimeter für erforderlich gehalten, bei allen Messungen der Schichtdicke aber nur eine Auflage zwischen 3/100.000 bis maximal 21/100.000 Millimeter festgestellt.

Unzutreffend geht die Revision ferner davon aus, der Sachverständige habe fehlerhafte Teile nur bei 3 bis 5 % der untersuchten Bestecke festgestellt. Zum einen bezieht sich diese Prozentangabe nur auf die Bestecke aus einem bestimmten Behältnis, während sie bei anderen 10 bzw. 15 bis 20 % betrug. Zum anderen ergibt sich aus dem Gutachten, daß die prozentualen Angaben nur diejenigen „fehlerhaften Teile” betreffen, bei denen schon bestimmte Fehlerstellen äußerlich erkennbar waren, während sich die Feststellungen zur Schichtdicke auf alle – ohne Rücksicht auf konkrete Fehlerstellen – untersuchten Bestecke beziehen.

c) Daß der Sachverständige – wie die Revision meint – nur „Mutmaßungen” geäußert und keine „konkreten wissenschaftlich nachprüfbaren Werte” über die Dauer der „Abreibfähigkeit” ermittelt habe, hinderte das Berufungsgericht nicht daran, seine Ausführungen für überzeugend und den Beweis der Mangelhaftigkeit der Bestecke als geführt anzusehen.

d) Der Kläger hat zwar behauptet, er habe Frau Sch. auf die dünne Goldauflage hingewiesen und eine stärkere angeboten. Daraus ergab sich aber weder, daß die Vertragsparteien die – vom Berufungsgericht festgestellte – zum gewöhnlichen Gebrauch nicht ausreichende Schichtstärke vereinbart haben, noch kann dem eine Kenntnis der Käuferin von dem Mangel (§ 460 BGB) entnommen werden. Im Gegenteil stellt das Berufungsgericht fest, daß die Vertragsparteien unstreitig von einer Verwendung der Bestecke vor allem im Orient, „also in tropischem Gebiet” ausgegangen sind.

e) Die Behauptung des Klägers, die vom Sachverständigen geforderte stärkere Goldauflage sei zu dem vereinbarten Preis nicht herzustellen gewesen, ist nicht geeignet, die Annahme eines Mangels zu widerlegen. Die Vereinbarung eines angeblich niedrigen Preises rechtfertigt es nicht, die Anforderungen an die Qualität der Kaufsache soweit herabzusetzen, daß sie dem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht mehr standhält.

3. Mängelrüge

a) Nach Auffassung der Revision hat die Käuferin nicht denjenigen Mangel gerügt, den das Berufungsgericht als zur Gewährleistung berechtigenden Fehler zugrunde gelegt hat. Das ist unzutreffend. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts liegt der Mangel in der unzureichenden Stärke der Goldauflage. Die Rüge sieht das Berufungsgericht in dem telefonischen Anruf des Zeugen Dr. We.. Dabei wurden „Rosterscheinungen und Abblättern des Goldes” beanstandet. Da einerseits für die Käuferin die Ursache der an den Besteckteilen sichtbar festzustellenden Fehlerstellen nicht ohne weiteres erkennbar war und eine Messung der Schichtdicke überdies ein bestimmtes Verfahren erforderte und da andererseits eine zu dünne Auflage nach den Erklärungen des Sachverständigen durchaus Ursache für einen „Durchrieb” und beginnende Korrosion sein kann, war der Mangel mit „Rosterscheinungen und Abblättern der Goldschicht” vielleicht laienhaft, aber für eine Benennung der Art und des Umfangs des Mangels in allgemeiner Form (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1985 – VIII ZR 140/84, WM 1985, 975, 977) hinreichend substantiiert gerügt.

b) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Beweisantritt des Klägers mit dem Zeugnis seiner Ehefrau zur fehlenden Rechtzeitigkeit der Mängelrüge übergangen, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).

c) Die Revision hält die Mängelrüge der Käuferin nicht für rechtzeitig, weil dem anwaltlichen Rügeschreiben vom 23. Dezember 1983 eine telegrafische Rüge hätte vorausgehen müssen. Dabei übersieht sie, daß die Mängel bereits in dem Ferngespräch des Zeugen Dr. We. am 8. Dezember 1983 gerügt worden sind. Gleichwohl sind die zur Rechtzeitigkeit der Mängelrüge getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vollständig. Die Mängel der am 12. Oktober 1983 in Essen übergebenen Bestecke, die nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts trotz Untersuchung nicht sofort bemerkt werden konnten, haben sich, wie das Berufungsgericht feststellt, erst nach dem Transport zur Messe in Sharjah herausgestellt. Den genauen Zeitpunkt hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Dies ist jedoch unschädlich. Dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, daß die Mängel erst nach der angeblichen Vereinbarung und Bestätigung eines wegen Überteuerung gewährten Preisnachlasses am 2. Dezember 1983 entdeckt worden sind (Schriftsatz der Beklagten vom 5. April 1984 S. 2). Zugunsten der Revision und zu Lasten der darlegungspflichtigen Beklagten ist deshalb davon auszugehen, daß die Mängel im sonach frühestmöglichen Zeitpunkt, also am 3. Dezember 1983 festgestellt worden sind. Angesichts des Umfangs der Ware und des Ortes der Feststellung der Mängel und der Tatsache, daß der 4. und 5. Dezember 1983 auf ein Wochenende fielen, ist die Rüge am 8. Dezember 1983 noch als unverzüglich im Sinne von § 377 HGB anzusehen.

4. Die Revision meint, die Beklagte könne sich auf die Wandlungseinrede nicht berufen, weil die Käuferin die Ware dem Kläger noch nicht zur Verfügung gestellt habe und diesem der Verbleib unbekannt sei. Diese Rüge ist unbegründet, weil die Käuferin die Bestecke erst in Vollzug der Wandlung zurückzugeben hat (§§ 467, 348 BGB). Daß ihr dies unmöglich oder von ihr verweigert worden sei, ist nicht vorgetragen.

5. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, daß die Vertragsparteien die Gewährleistungsrechte der Käuferin durch Vereinbarung eines Austauschrechtes des Verkäufers ausgeschlossen hätten. Zwar können durch vertragliche Vereinbarung die Gewährleistungsansprüche nach § 462 BGB durch ein Nachbesserungs- oder Umtauschrecht ersetzt werden. Der Kläger könnte sich darauf jedoch nicht berufen, weil er zu keiner Zeit der Käuferin den Austausch gegen Bestecke, die mit ausreichend starker Goldauflage versehen sind, angeboten hat. Er beruft sich im Gegenteil darauf, daß die vom Sachverständigen als notwendig angeführte Stärke der Goldauflage nur zu einem Vielfachen des vereinbarten Kaufpreises geliefert werden könne. Ist der Kläger aber zu einem Umtausch gegen der vertragsgemäßen Beschaffenheit entsprechende Ware nicht bereit, so kann die Käuferin auf ihre gesetzlichen Gewährleistungsrechte wieder zurückgreifen, ohne daß die Voraussetzungen des § 326 BGB vorliegen müssen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10.6.1970 – VIII ZR 225/68, LM BGB § 326 [Ed] Nr. 8).

6. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Erhebung der Wandlungseinrede durch die Käuferin den Kaufvertrag unberührt gelassen. Die Wandlung ist dadurch nicht vollzogen worden. Zum Vollzug der Wandlung ist nach § 465 BGB notwendig, daß sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit der Wandlung einverstanden erklärt hat (BGHZ 29, 148, 151; BGH, Urt. v. 26.10.1983 – VIII ZR 119/82, WM 1391, 1392). Hieran fehlt es im vorliegenden Falle.

Für die Revisionsinstanz ist davon auszugehen, daß die Käuferin den Anspruch auf Wandlung nicht mehr klageweise geltend machen kann, weil er verjährt ist und sich der Kläger auf Verjährung beruft. Gemäß § 477 BGB verjährt der Anspruch auf Wandlung bei beweglichen Sachen in 6 Monaten von der Ablieferung. Da die Bestecke der Käuferin am 12. Oktober 1983 geliefert worden sind und diese ihren Anspruch auf Wandlung bislang nicht klageweise geltend gemacht hat, ist er verjährt. Die Käuferin hat daher gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Zahlung des Kaufpreises nur noch ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 478 BGB.

III. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es nicht ausgeschlossen, daß die Käuferin diese Einrede der Wechselforderung entgegenhalten könnte, wenn sie den Wechsel selbst akzeptiert hätte. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1976 (II ZR 162/74, LM WG Art. 17 Nr. 12) im Anschluß an das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 24. November 1971 (BGHZ 57, 292) ausgeführt, eine Vertragspartei dürfe auch als Wechselgläubiger nicht mehr Rechte für sich aus dem Wechsel in Anspruch nehmen, als ihr aus dem Grundgeschäft zustünden. Im Urteil vom 8. November 1982 (BGHZ 85, 346) hat der Senat dargelegt, dies beruhe darauf, daß der Wechsel seinem Zwecke nach zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft hingegeben werde. Aus dieser vertraglichen Zweckbestimmung ergebe sich ohne weiteres, daß der Verkäufer oder Auftragnehmer nicht berechtigt sei, aus dem Scheck oder Wechsel vorzugehen, soweit die Geltendmachung durch den vereinbarten Zweck nicht gerechtfertigt sei, also ein Erfüllungsanspruch nicht oder noch nicht bestehe. Der Wechselschuldner der dem Gläubiger im Grundgeschäft ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegenhalten könne, könne daher seine Einreden auch gegenüber der Wechselklage seines Vertragspartners zur Geltung bringen, es sei denn, daß sich aus den Umständen der Wechselbegebung etwas anderes ergäbe, zum Beispiel, daß er auf die Einreden verzichtet habe. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der im Schrifttum erhobenen Kritik fest (vgl. Bulla, NJW 1976, 1452 und JuS 1983, 755; Hagemeister, ZIP 1983, 1427 und eingehend Zöllner, ZHR 148 (1984), 313).

In der Entscheidung des VIII. Zivilsenats wird noch auf den Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung zurückgegriffen. Der erkennende Senat leitet die Möglichkeit, Einwendungen aus dem Grundgeschäft geltend zu machen, nicht mehr aus der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung oder der unzulässigen Rechtsausübung ab, sondern unmittelbar daraus, daß die Geltendmachung der „abstrakten” Forderung durch den bei der Hingabe des Wechsels oder Schecks vereinbarten Zweck nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, 15. Aufl. WG Einleitung Rdz. 10, 38 und Art. 17 Rdz. 67 c; Eugen Ulmer, Festschr. f. Raiser S. 240; Bundschuh, WM 1983, 1186). Daß dieser Ansatz im Grundsatz rechtlich zutreffend ist, weist Zöllner (aaO S. 330) überzeugend nach. Nicht gefolgt werden kann seiner Ansicht, daß ein so weitgehender Inhalt der Erfüllungsabrede, wie sie der Senat durch das Hinübergreifen von Leistungsverweigerungsrechten in das Wechselrechtsverhältnis verstehe, dem gesetzlichen Abstraktionsprinzip widerspreche. Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 8. November 1982 darauf hingewiesen, daß sich aus Art. 22 ScheckG – für Art. 17 WG gilt dasselbe – ergebe, daß die sogenannte Abstraktheit der Scheckverbindlichkeit nicht so weit gehe, daß der Scheckverpflichtete keine Einwendungen aus seinen unmittelbaren Beziehungen zum Scheckinhaber geltend machen könne. Diesen Gesetzesbestimmungen läßt sich entnehmen, daß in Fällen, in denen der Wechsel- und Scheckgläubiger kausal mit dem aus dem Papier Verpflichteten verbunden ist, das Abstraktionsprinzip zwar nicht gänzlich verdrängt wird, aber doch von Gesetzes wegen in den Hintergrund tritt. Zutreffend weist Zöllner ferner darauf hin, der Satz, der erste Wechselnehmer könne aus dem Wechsel nicht mehr Rechte in Anspruch nehmen, als ihm nach dem Grundgeschäft zustünden, gelte nicht für die Verjährung. Nach Art. 70 Abs. 1 WG verjähren die wechselmäßigen Ansprüche gegen den Annehmer in drei Jahren seit Verfall. Die Verjährung des Anspruchs aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis berührt den Wechselanspruch nicht (Baumbach/Hefermehl aaO WG Art. 70 Rdz. 1). Darauf hat jedoch schon Reinicke aufmerksam gemacht (DB 1970, 1368, 1369 Fußn. 6). Der Grund, daß für die Verjährung etwas anderes gilt, liegt in der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Art. 70 WG, während Art. 17 WG und Art. 22 ScheckG den Rückgriff auf die Erfüllungsabrede nicht ausschließen. Auch das Hauptargument Zöllners, die Rechtsprechung des Senats widerspräche der (Bar)Zahlungsfunktion der Wechsel- und Scheckzahlung, überzeugt nicht. Die Eingehung von Wechsel- und Scheckverpflichtungen läßt sich rechtlich und wirtschaftlich der Barzahlung nicht gleichsetzen. Durch diese erlischt die zu tilgende Forderung. Durch jene werden nur neue Verbindlichkeiten begründet, die ihrerseits wieder durch Bezahlung erfüllt werden müssen und damit aber auch dem Risiko ausgesetzt sind, nicht erfüllt zu werden. Deswegen bleiben auch die der Wechsel- und Scheckbegebung zugrundeliegenden Forderungen bis zur Einlösung der Papiere bestehen, Entgegen der Ansicht von Zöllner (aaO S. 333) leuchtet es im praktischen Ergebnis auch nicht ein, daß der erste Wechselnehmer sich selbst dann aus der Wechselforderung soll befriedigen können, wenn die Kaufpreisforderung – wie hier gemäß § 478 BGB – endgültig nicht mehr erfüllt zu werden braucht. Auch eine kaufrechtliche Überlegung spricht dafür, dem K ufer nach Verjährung seines Wandlungsanspruchs ein Einrederecht gegenüber der Wechselforderung zu erhalten. Daß bei Verjährung des Wandlungsanspruchs nach § 478 BGB die Zahlung des noch nicht geleisteten Kaufpreises verweigert, nach nahezu einhelliger Meinung ein Rückforderungsanspruch wegen eines schon bezahlten Kaufpreisteils aber nicht mehr geltend gemacht werden kann, rechtfertigt sich daraus, daß die Leistung des Kaufpreises bzw. eines Kaufpreisteils und die sodann eingetretene Verjährung des Wandlungsanspruchs die Rechtslage „stabilisiert” haben und diese „Beruhigung” im Interesse der Verkehrssicherheit nicht wieder beseitigt werden soll (vgl. Erman/Westermann, BGB 7. Aufl. § 813 Rdz. 3). Von einer derartigen „Stabilisierung” kann keine Rede sein, wenn der Kaufpreis(teil) nicht bar bezahlt, sondern lediglich ein Wechsel erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) hingegeben worden ist; denn dann steht die Kaufpreiszahlung gerade noch aus, die § 478 BGB dem Käufer trotz verjährten Wandlungsanspruchs nicht zumutet.

IV. Könnte sonach die Käuferin die Wandlungseinrede der Wechselforderung entgegenhalten, so steht dieses Recht auch der Beklagten zu. Zwar ist diese nicht Vertragspartnerin des Kaufvertrages. Sie hat aber den Wechsel als Drittzahlerin erfüllungshalber zum Zwecke der Tilgung der Kaufpreisforderung des Klägers akzeptiert. Die Übernahme dieser Wechselverpflichtung hat, wie der Senat im Urteil vom 8. November 1982 bereits für den Scheck entschieden hat, solange sich der Wechselnehmer aus dem Wechsel noch nicht befriedigt und ihn in der Hand hat, die Wirkung ähnlich einem Schuldbeitritt; besteht die Forderung aus dem Kaufvertrag nicht oder noch nicht oder braucht sie nicht mehr erfüllt zu werden, kann die Beklagte daher entsprechend § 417 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Kläger die Einwendungen entgegensetzen, die sich aus dem Rechtsverhältnis der Käuferin zum Kläger ergeben, mithin die Zahlung aus dem Wechsel verweigern.

Da der Wechsel als „Anzahlung” und vor Auslieferung der Ware akzeptiert und begeben wurde, kommt ein Verzicht auf die Wandlungseinrede nicht in Betracht, weil die Mängel damals noch nicht bekannt waren.

 

Unterschriften

Dr. Kellermann, Dr. Bauer, Bundschuh, Dr. Hesselberger, Dr. Rinne kann krankheitshalber nicht unterschreiben. Dr. Kellermann

 

Fundstellen

Haufe-Index 875191

NJW 1986, 1872

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1986, 650

JZ 1986, 601

JZ 1986, 684

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