Verfahrensgang

OLG Dresden (Entscheidung vom 07.01.2022; Aktenzeichen 9a U 2291/20)

LG Chemnitz (Entscheidung vom 23.10.2020; Aktenzeichen 4 O 635/20)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 7. Januar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Die Klägerin kaufte im Jahr 2012 von einem Händler einen VW Caddy Maxi Trendline 2.0 TDI als Neufahrzeug für 26.500 €. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte. Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das im August 2016 bei dem Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde. Im September 2020 verkaufte die Klägerin das Fahrzeug für 8.281 €.

Rz. 3

Mit der im Mai 2020 anhängig gemachten und im Juli 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 26.500 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs und abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu verurteilen (Klageantrag zu 1) und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen (Klageantrag zu 2). Daneben hat sie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt (Klageantrag zu 3). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat in zweiter Instanz ihr Zahlungsbegehren teilweise einseitig für erledigt erklärt und im Übrigen mit ihrer Berufung zuletzt in reduziertem Umfang ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 3.751,38 € nebst Prozesszinsen und Prozesszinsen aus einem höheren Betrag bis zur Veräußerung des Fahrzeugs verurteilt und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 8.281 € erledigt habe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach vollständiger Zurückweisung der Berufung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt, soweit die Beklagte beschwert ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 6

Die Beklagte sei der Klägerin dem Grunde nach gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Anspruch sei jedoch verjährt, da die Klägerin jedenfalls im Jahr 2016 Kenntnis sowohl vom sogenannten "Dieselskandal" im Allgemeinen als auch von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs gehabt habe. Die Beklagte habe allerdings gemäß § 852 BGB den auf Kosten der Klägerin erlangten Kaufpreis herauszugeben, soweit er ihr nach Abzug der Händlermarge von "höchstens 20 %" verblieben sei. Der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB, der den Anspruch auf Restschadensersatz begrenze, habe sich aufgrund geschätzter Nutzungsvorteile bis zum Verkauf des Fahrzeugs auf 12.032,38 € belaufen. Der der Beklagten zugeflossene Kaufpreis abzüglich der Händlermarge liege jedenfalls nicht unter der Summe, die die Klägerin nach Abzug der Nutzungsvorteile nach §§ 826, 31 BGB habe beanspruchen können. Nach dem Verkauf des Fahrzeugs für 8.261 € verbleibe ein Anspruch in Höhe von 3.751,38 €, der in der Hauptsache nebst Prozesszinsen auszuurteilen sei. Zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Tag des Verkaufs des Fahrzeugs seien Prozesszinsen aus 12.032,38 € zu gewähren. In Höhe des Verkaufspreises sei wie von der Klägerin beantragt die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen.

II.

Rz. 7

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB auf Restschadensersatz hat.

Rz. 8

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihr für das Fahrzeug geleisteten Kaufpreises unter Anrechnung erlangter Vorteile habe, der bei Klageerhebung verjährt gewesen sei (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 24 ff. mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 680/21, NJW-RR 2022, 1251 Rn. 25 ff.). Entgegen den Einwänden der Revision ist das Berufungsgericht zudem zutreffend davon ausgegangen, § 852 Abs. 1 BGB gelange in den Fällen des sogenannten "Dieselskandals" zur Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, aaO, Rn. 51 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 12).

Rz. 9

2. Durchgreifenden Bedenken begegnen indessen die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs der Klägerin.

Rz. 10

a) Der Anspruch des geschädigten Fahrzeugkäufers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB unterliegt wie der ursprünglich bestehende Schadensersatzanspruch der Vorteilsausgleichung (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 83 f.; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16). Dabei erschöpft sich die Bedeutung des ursprünglich geschuldeten Schadensersatzes nicht in einer bloßen Vergleichsbetrachtung und einer einfachen Limitierung durch den ursprünglichen Zahlbetrag. Vielmehr hat die Rechtsnatur des in §§ 826, 852 Satz 1 BGB geregelten Restschadensersatzanspruchs eine dreifache Limitierung zur Folge: Zunächst ist der vom Geschädigten entrichtete Brutto-Kaufpreis um die Händlermarge zu reduzieren. Anschließend ist von dem so ermittelten Händlereinkaufspreis der Wert der vom Geschädigten gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Und schließlich schuldet der Fahrzeughersteller als Schädiger Restschadensersatz nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, aaO; Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 406/21, juris Rn. 14) oder - sofern das Fahrzeug wie hier vor Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter weiterverkauft worden ist - unter Verrechnung des aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs erzielten Erlöses (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2022 - VIa ZR 998/22, juris Rn. 10).

Rz. 11

b) Abweichend davon hat das Berufungsgericht vom Endkaufpreis (26.500 €) den Nutzungsvorteil (14.467,62 €) und den Verkaufserlös für das Fahrzeug (8.281 €) abgezogen und den so ermittelten, verjährten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB in Höhe von 3.751,38 € als Restschadensersatz angesetzt. Einen Händlereinkaufspreis von "zumindest" 21.200 € hat es dabei lediglich als Vergleichsgröße herangezogen. Die Händlermarge hat es dabei nicht konkret festgestellt, sondern ausgeführt, sie betrage "höchstens 20 %". Indessen sind zur Ermittlung des Restschadensersatzanspruchs sowohl erlangte Vorteile als auch die Händlermarge vom Endkaufpreis abzuziehen und folglich konkret festzustellen.

III.

Rz. 12

Danach ist das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

Rz. 13

Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden und die Berufung der Klägerin auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den Zahlungsantrag in der Hauptsache betreffend ganz sowie den Zinsausspruch und die Feststellung der Erledigung betreffend zumindest teilweise zurückweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwar verbliebe bei einem zugunsten der Beklagten revisionsrechtlich zu unterstellenden Händlereinkaufspreis von 21.200 € nach Abzug der Nutzungsvorteile und des Weiterverkaufserlöses in der Hauptsache kein Zahlungsanspruch der Klägerin, ohne dass dem Grundsätze des nationalen Rechts oder des Unionsrechts entgegenstünden (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 31. Oktober 2022 - VIa ZR 295/22, juris Rn. 10), was auch auf die Begründetheit der Berufungsanträge im Übrigen Auswirkungen hätte. Der Klägerin muss aber, weil der Senat die maßgeblichen Parameter für die Berechnung eines Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB erst nach Erlass des Berufungsurteils geklärt und das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises getroffen hat, Gelegenheit gegeben werden, dazu ergänzend vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 31/22, juris Rn. 20; Urteil vom 31. Oktober 2022 - VIa ZR 137/22, juris Rn. 9). Daran ändert nichts, dass sich die Klägerin ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Schätzung des Berufungsgerichts, die Händlermarge liege "nicht über 20 %", angeschlossen hat. Anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 31. Oktober 2022 (VIa ZR 295/22, aaO) zugrunde lag, hat das Berufungsgericht, dem es auf die Bemessung des Händlereinkaufspreises schon aufgrund der erlangten Nutzungsvorteile entscheidungstragend nicht ankam, weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft und der Klägerin keinen Anlass gegeben, vor dem Hintergrund der korrekten Berechnung des nach § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB Erlangten genauer vorzutragen. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Menges     

Krüger     

Götz

Rensen     

Wille     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15669181

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