Tenor
Unter Zurückweisung der Anschlußrevision der Klägerin wird auf die Revision der Beklagten das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist.
In diesem Umfang wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Kreisgerichts Nauen vom 13. Mai 1993 zurückgewiesen und die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war im Grundbuch bis zum 1. Dezember 1953 als Eigentümerin der auf dem Gebiet der damaligen Gemeinde E. (damalige Gemeinde) und der jetzigen Beklagten gelegenen sog. Stahlhaussiedlung eingetragen. Sie errichtete dort eine Siedlung für Angehörige der Luftwaffe mit Darlehensmitteln des Deutschen Reiches. In einem Rundschreiben vom 7. Januar 1949 forderte der Landesausschuß zum Schutze des Volkseigentums beim Brandenburgischen Minister des Innern die örtlichen Stellen auf, die Vermögenswerte von Wohn- und Siedlungsgesellschaften mitzuteilen, die in einer als Anlage beigefügten Liste der aufgrund der SMAD-Befehle Nr. 124 und Nr. 126 enteigneten Gesellschaften aufgenommen waren. In den von den Parteien vorgelegten Kopien dieser Anlage ist die Klägerin einmal aufgeführt, das andere Mal nicht. Von den Parteien vorgelegte Listen zu einem ergänzenden Rundschreiben vom 7. Juli 1949 haben in Bezug auf die Klägerin einen unterschiedlichen Inhalt. Am 4. April 1950 teilte das Amt zum Schutze des Volkseigentums der Treuhandstelle für Siedlungsgesellschaften beim Minister der Finanzen mit, zwischen der Klägerin und einer enteigneten Gesellschaft, der W. GmbH, B. -D., bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang. Die Klägerin sei deswegen aus den vorhandenen Listen enteigneter Gesellschaften zu entfernen und, weil sie reichseigenen Grundbesitz verwalte, unter Treuhandverwaltung des Ministers der Finanzen zu stellen. Am 4. September 1950 wurde ein Treuhandvermerk zugunsten der Treuhandstelle für Siedlungsgesellschaften in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 25. November 1953 legte der Rat des Bezirks P., Abteilung Staatliches Eigentum, dem Rat des Kreises einen Rechtsträgernachweis vom gleichen Tage mit der Aufforderung vor, binnen fünf Tagen das Volkseigentum in das Grundbuch einzutragen. Der Rechtsträgernachweis bezeichnete die Klägerin als bisherige Eigentümerin und gab als Grund der Veränderung den SMAD-Befehl Nr. 126 sowie das Rundschreiben vom 7. Juli 1949 an. Die Rechtsträgerschaft sollte rückwirkend ab 30. November 1948 gelten, die Übernahme der Verwaltung durch den Rechtsträger sollte alsbald angezeigt werden. Am 1. Dezember 1953 wurde das Volkseigentum in das Grundbuch eingetragen. Rechtsträgerin war später die damalige Gemeinde. Aufgrund von Zuordnungsbescheiden ist nunmehr die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Die Klägerin verlangt Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Die Klage ist vom Landgericht und Oberlandesgericht abgewiesen worden. Der Senat hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen (Urt. v. 10. November 1995, V ZR 179/94, WM 1996, 89). Das Oberlandesgericht hat nach anderweiter Verhandlung der Klage hinsichtlich eines Teils der Grundstücke stattgegeben, im übrigen die Berufung zurückgewiesen und die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage abgewiesen.
Mit der Revision strebt die Beklagte die volle Abweisung der Klage an. Die Anschlußrevision der Klägerin richtet sich gegen die Abweisung der im Berufungsrechtszug erweiterten Klage in einem Falle (Grundbuch von E., Blatt 319, Flur 4, Flurstück 89).
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg, der Anschlußrevision bleibt der Erfolg versagt.
Der Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) ist durch das Vermögensgesetz verdrängt, da die Klägerin im Sinne dieses Gesetzes enteignet worden ist (grundlegend Senat BGHZ 118, 34; für den Fall der Enteignung Senat BGHZ 129, 112). Die Frage nach dem Bestandsschutz des Art. 237 § 1 EGBGB stellt sich damit nach dessen Absatz 3 nicht.
1. Fehlerfrei verneint allerdings das Berufungsgericht eine Enteignung aufgrund der bis zum Jahre 1950 belegten Vorgänge. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet. Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts hin, daß die Klägerin nicht in die Liste A der Brandenburgischen Verordnung zur entschädigungslosen Übergabe von Betrieben und Unternehmungen in die Hand des Volkes vom 5. August 1946 (VOBl Brandenburg S. 235; RVI Dok. I 55) aufgenommen worden ist. Sie meint aber, die Liste A sei durch die weitere Liste ergänzt worden, die dem Rundschreiben vom 7. Juli 1949 (Beweismittelordner II) beigefügt war. Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus, gelangt aber zu der Feststellung, nicht das vorgelegte „berichtigte Verzeichnis”, das die Firmen der Klägerin unter lfd. Nr. 25 und der W. GmbH, B. -D., unter lfd.Nr. 26 aufzählt (IV 102, 103), sondern die ebenfalls vorgelegte „berichtigte Ausfertigung” vom 5. Juli 1949 (IV 95, 100) gebe den Inhalt der Liste zutreffend wieder. Auch das beanstandet die Revision nicht, greift aber die Auslegung an, die das Berufungsgericht der „berichtigten Ausfertigung” gegeben hat. Diese läßt indessen keinen Rechtsfehler (§§ 133, 157 BGB) erkennen. Das Berufungsgericht hat der „berichtigten Ausfertigung” kein Indiz dafür entnehmen können, daß das Grundvermögen der Klägerin auf dem Gemeindegebiet Gegenstand einer Enteignung gewesen sei. Denn als Enteignungsgrund sei auf eine Urkunde vom 30. November 1948 verwiesen, die das Vermögen der unter gleicher laufender Nummer aufgezählten W. GmbH, B. -D., nicht aber dasjenige der Klägerin zum Gegenstand gehabt habe. Die Revision hebt darauf ab, daß eine Enteignungsurkunde gleichen Datums auch zu Lasten der Klägerin vorhanden gewesen sein könne, vermag aber auf keinen solchen Vortrag in den Tatsacheninstanzen zu verweisen. Das gleiche gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß anderweiter Grundbesitz der Klägerin Gegenstand der „berichtigten Ausfertigung” gewesen sei. Der Umstand, daß der über vier Jahre später ausgestellte Rechtsträgernachweis auf das Rundschreiben vom 7. Juli 1949 Bezug nimmt, brauchte vom Berufungsgericht nicht als maßgebliches Auslegungskriterium herangezogen zu werden. Der Rechtsträgernachweis hebt als Grund der Veränderung in erster Linie auf den SMAD-Befehl Nr. 126 über die Konfiszierung des Vermögens der NSDAP ab, dessen Voraussetzungen im Falle der Klägerin offensichtlich nicht vorlagen. Auch aus sonst von den Parteien vorgelegten Rechtsträgernachweisen ergibt sich, daß der jeweils angegebenen Rechtsgrundlage keine weitere Bedeutung zukam. Bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen im allgemeinen bestehen zudem grundsätzliche Bedenken, aus späteren Umständen auf die objektive Bedeutung des früher Erklärten zu schließen (Senat, Urt. v. 24. Juni 1988, V ZR 49/87, WM 1988, 1599). Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht weiter vor, es habe die dem Rundschreiben vom 7. Januar 1949 beigefügte Liste bei der Auslegung der späteren „berichtigten Ausfertigung” nicht berücksichtigt. Das Berufungsgericht stellt fest, daß das Exemplar der Liste, das die Firma der Klägerin enthält, dem Rundschreiben vom 7. Januar 1949 nicht beigefügt war. Dies steht nicht, wie die Revision (wohl) meint, in gedanklichem Widerspruch dazu, daß die damalige Gemeinde eine Mitteilung über Vermögenswerte der Klägerin auf ihrem Gebiet erstellt hatte. Das Berufungsgericht geht rechtlich zutreffend und von der Revision auch nicht beanstandet davon aus, daß die Rundschreiben selbst keine enteignende Wirkung hatten, sondern die Behandlung anderweit enteigneten Vermögens regelten. Aus dieser Sicht kam das Berufungsgericht zu der Überzeugung, daß die vom Landesausschuß zum Schutze des Volkseigentums zusammengestellte, keine Vorbehalte enthaltende Auflistung (II 110) die tatsächlich erfolgten Enteignungen zum Gegenstand hatte, während dies bei dem weiter vorgelegten, die Firma der Klägerin enthaltenden Schriftstück (IV 89) nicht der Fall war. Letzteres wies keinen Aussteller auf, enthielt keinen Hinweis auf das Rundschreiben und bezeichnete die aufgezählten Firmen als noch zu erfassende Gesellschaften. Eine durch dieses Schriftstück veranlaßte Meldung der damaligen Gemeinde gab, wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgehen konnte, keinen schlüssigen Hinweis auf eine Enteignung der Klägerin. Zudem konnte sich das Berufungsurteil auf den Umstand stützen, daß die Frage, ob der streitige Grundbesitz der Klägerin enteignet sei, sich im Jahre 1949 nur aufgrund des damals noch ungeklärten, später verneinten wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der W. GmbH, B. -D., gestellt hatte.
2. Das Berufungsurteil trägt indessen der Frage der Überführung der streitigen Grundstücke als Einzelvermögenswerte in das Volkseigentum nicht hinreichend Rechnung. Allerdings ist der Senat in seiner Entscheidung vom 10. November 1995, die das Berufungsgericht zur Grundlage seines Urteils gemacht hat, davon ausgegangen, daß ein Rechtsträgernachweis oder der Antrag auf Eintragung des Volkseigentums in das Grundbuch als solche keine Instrumente der Enteignung darstellten (ebenso Senat BGHZ 132, 245). An diesem Ausgangspunkt hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung zwar festgehalten, zugleich aber hervorgehoben, daß Rechtsträgernachweis und Grundbucheintrag auch Anzeichen eines konstitutiven Enteignungswillens sein konnten, der sich im Einzelfalle auch von der im Eintragungsersuchen angegebenen Rechtsgrundlage löste und Ausdruck freier konfiskatorischer Machtausübung war (Beschl. v. 30. Oktober 1997, V ZB 8/96, WM 1998, 83; Urt. v. 24. April 1998, V ZR 22/97, VIZ 1998, 475; v. 16. Oktober 1998, V ZR 65/97, WM 1999, 192; ebenso nicht veröffentlichte Urteile v. 26. Februar 1999, V ZR 212/96 und V ZR 222/97). Dies hat der Senat für den Fall des Zusammentreffens von dauernder Inbesitznahme des Objekts durch den Staat, der Wahrnehmung der Eigentümerbefugnisse durch diesen und der Dokumentation des in Anspruch genommenen Volkseigentums im Grundbuch angenommen. So liegen die Dinge hier. Nachdem das Amt zum Schutze des Volkseigentums im Jahre 1950 zu der Auffassung gelangt war, daß die Klägerin nicht enteignet sei, griff der Rat des Bezirks Ende 1953 ohne weitere Rechtsgrundlage auf das bis dahin verwaltete Eigentum der Klägerin zu, nahm dieses dauernd in Besitz und dokumentierte das in Anspruch genommene Volkseigentum durch Eintragung in das Grundbuch unter gleichzeitiger Löschung des Treuhandvermerks. Das freie Schalten der handelnden Stelle findet in der ultimativen Aufforderung, die Eintragung binnen fünf Tagen zu vollziehen und in der Beliebigkeit des angegebenen Eingriffsgrundes besonderen Ausdruck.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Tropf, Schneider, Krüger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.04.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541313 |
VIZ 1999, 542 |