Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuhälterei
Tenor
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 6. September 1999 im Fall II.1 der Urteilsgründe – mit Ausnahme der Einziehungsanordnung – und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Zuhälterei in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und ein Kraftfahrzeug eingezogen. Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision ersichtlich nur dagegen, daß der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe nicht (tateinheitlich) auch wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Vergewaltigung verurteilt worden ist.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Revision ist zulässig. Sie scheitert insbesondere nicht an den Erfordernissen der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO; denn die Nebenklägerin stützt, ungeachtet des weiter gehenden Revisionsantrags, ihr Rechtsmittel, wie sich bei sachgerechter Auslegung der Revisionsbegründung im Zusammenhang mit dem Schlußantrag ihrer Vertreterin in der Hauptverhandlung erster Instanz ergibt (vgl. BGH JZ 1988, 367 f.; BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 3; BGH, Beschluß vom 8. Dezember 1999 – 1 StR 571/99) darauf, daß der Angeklagte nicht auch wegen der Nebenklagedelikte der Vergewaltigung und des schweren Menschenhandels (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO), die – neben (einfachem) Menschenhandel – bereits der Anklage und dem Eröffnungsbeschluß zugrunde lagen, verurteilt worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 141; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 400 Rdn. 4).
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
a) Nach den Feststellungen zum Fall II.1 der Urteilsgründe verbrachten der Angeklagte und Dirk R. im April 1998 die Nebenklägerin, die am 11. September 1980 geborene polnische Staatsangehörige Katarzyna P. von Breslau nach Zgorzelec, dem polnischen Teil von Görlitz. Dort erhielt sie einen im Auftrag und auf Kosten des Angeklagten gefertigten gefälschten Paß auf den Namen „Elzbieta D.”, geboren am 12. Mai 1979, und fuhr in Begleitung eines unbekannt gebliebenen Mannes mit einem Linienbus über die Grenze nach Deutschland, wo sie – nach einem Aufenthalt in der Wohnung des Dirk R. in Paderborn – in verschiedenen Bordellen für den Angeklagten, der einen erheblichen Teil des Dirnenlohns einbehielt, der Prostitution nachgehen „mußte”.
Von dem weiter gehenden Anklagevorwurf, der Angeklagte habe sich tateinheitlich des Menschenhandels, des schweren Menschenhandels und der Vergewaltigung dadurch schuldig gemacht, daß er die Nebenklägerin zusammen mit Dirk R. in Breslau gewaltsam in seinen Pkw verbracht, in einem Hotel in Zgorzelec vergewaltigt und gegen ihren Willen in die Bundesrepublik verschleppt sowie hier zur Prostitution gezwungen habe, konnte sich das Landgericht nicht überzeugen. Der Angeklagte hat diese Vorwürfe, die allein auf den Angaben der Nebenklägerin beruhen, bestritten. Der Strafkammer reichten die Bekundungen Katarzyna P. s in der Hauptverhandlung für eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen dieser Taten nicht aus.
b) Die Beweiswürdigung der Strafkammer begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da sie lückenhaft ist:
Nach den Urteilsfeststellungen, die auf den insoweit übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin beruhen, wurde diese beim Grenzübertritt von einem unbekannt gebliebenen Mann – nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (vgl. UA 5, 12, 14/15, 17) handelte es sich um einen „Bewacher” für die Nebenklägerin – begleitet. Mit dieser Besonderheit setzt sich die Strafkammer nicht auseinander. Dies ist zu beanstanden, weil die besondere Gestaltung des Grenzübertritts geeignet sein kann, die Behauptung der Nebenklägerin, sie sei gegen ihren Willen nach Deutschland verbracht worden, zu bestätigen. Angesichts der von dem Angeklagten veranlaßten Herstellung und Benutzung des gefälschten Passes ist es zwar nachvollziehbar, daß der Angeklagte und R. nicht gemeinsam mit Katarzyna P. die Grenze passieren wollten. Es wäre aber naheliegend gewesen, die – nach der Einlassung des Angeklagten freiwillig einreisende – Nebenklägerin die kurze Busfahrt über die Grenze allein unternehmen zu lassen. Wenn gleichwohl ein „Bewacher” eingeschaltet wurde, bedarf dies der Würdigung durch das Tatgericht.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das Urteil auf dem aufgezeigten Beweiswürdigungsmangel beruht, zumal ihm durch das im Revisionsverfahren entsprechend § 237 StPO zur gemeinsamen Verhandlung verbundene Verfahren gegen Dirk R. bekannt geworden ist, daß eine andere Strafkammer des Landgerichts Paderborn hinsichtlich desselben Tatvorwurfs zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen ist.
3. Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO an das Landgericht Dortmund zurück; dort wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 4 StPO i.V.m. § 3 2. Alt. StPO mit dem Verfahren gegen Dirk R. – auch im Falle der Zuständigkeit verschiedener Spruchkörper nach dem Geschäftsverteilungsplan – zu verbinden sein.
4. Durch die Urteilsaufhebung im Fall II.1 der Urteilsgründe ist die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin Katarzyna P. gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 464 Rdn. 20).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Tolksdorf, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen