Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Verfahrensrüge ist unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; jedoch hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte und der gesondert verfolgte Mittäter Viktor B. Anfang 1998 zweimal nach Polen. B. unterhielt Kontakte sowohl zur Paderborner Bordellszene als auch nach Polen; er trug sich mit dem Gedanken, junge polnische Frauen in der Bundesrepublik als Prostituierte für sich arbeiten zu lassen. Bei ihrer zweiten Fahrt Anfang April 1998 fuhren der Angeklagte und B. gegen 20.30 Uhr in einem Breslauer Außenbezirk langsam durch die Straßen. Dabei wurden sie auf die am 11. September 1980 geborene polnische Staatsangehörige Katarzyna P., die jetzige Nebenklägerin, aufmerksam, die vor einem Café stand und sich eine Zigarette anzündete. Sie entschlossen sich, die Frau mit Gewalt in ihr Fahrzeug zu drängen, um sie in Deutschland der Prostitution zuzuführen. Sie stießen Katarzyna P. in ihr Auto und fuhren mit ihr nach Zgorzelec (dem polnischen Teil von Görlitz), wo sie sie in einem Hotelzimmer mit Gewalt zum Beischlaf (Angeklagter) bzw. Oralverkehr (B.) zwangen. Am nächsten Morgen statteten sie ihr Opfer mit einem gefälschten Paß auf den Namen „D.” aus – wobei Kosten in Höhe von 500 bis 600 DM anfielen – und ließen sie gegen ein Entgelt von einem unbekannt gebliebenen Polen im Bus über die Grenze in den deutschen Teil von Görlitz bringen, wo sie die Nebenklägerin wieder in Empfang nahmen. Im Anschluß an einen Aufenthalt in der verschlossenen Wohnung des Angeklagten in Paderborn mußte sie in verschiedenen Bordellen der Prostitution nachgehen; die Hälfte der Einnahmen aus dieser Tätigkeit erhielten die Bordellbesitzer, das restliche Geld ging an den Angeklagten und Viktor B.. Lediglich geringfügige Beträge verblieben bei der Nebenklägerin. Am 19. Mai 1998 wurde die Nebenklägerin wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts festgenommen. Bei den nachfolgenden polizeilichen Vernehmungen gab sie ihren Namen zunächst falsch mit „D.” an; erst später teilte sie ihren richtigen Namen mit.
Der Angeklagte hat sich insoweit abweichend von den Feststellungen eingelassen, als er behauptet hat, B. und er hätten die Geschädigte nicht gewaltsam in ihr Fahrzeug verbracht, sondern durch Vermittlung polnischer Zigeuner kennengelernt; die Frau habe immer freiwillig gehandelt; die sexuellen Handlungen im Hotel hätten auf ihrer Initiative beruht. Diese Einlassung hat Viktor B., der in diesem Verfahren als Zeuge vernommen wurde, bestätigt.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Das Landgericht stützt die Verurteilung des Beschwerdeführers im wesentlichen auf die Bekundungen der Geschädigten. Diese hält die Strafkammer auch deshalb für glaubhaft, weil „sich keine Widersprüche oder nicht erklärbare Ungereimtheiten ergeben” hätten (UA 15). Dies läßt besorgen, daß Ungereimtheiten aufgetreten sind, die das Landgericht allerdings für erklärbar hält. Dem Senat ist eine Überprüfung, inwieweit dies zutrifft, nicht möglich, da es an einer – deswegen hier erforderlichen – substantiierten Darstellung der Bekundungen der Nebenklägerin, die vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung mehrfach polizeilich vernommen worden ist (UA 13), fehlt.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das Urteil auf dem aufgezeigten Beweiswürdigungsmangel beruht, zumal ihm durch das im Revisionsverfahren entsprechend § 237 StPO zur gemeinsamen Verhandlung verbundene Verfahren gegen Viktor B. bekannt geworden ist, daß eine andere Strafkammer des Landgerichts Paderborn hinsichtlich desselben Tatvorwurfs zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen ist.
3. Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO an das Landgericht Dortmund zurück; dort wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 4 StPO i.V.m. § 3 2. Alt. StPO mit dem Verfahren gegen Viktor B. auch im Falle der Zuständigkeit verschiedener Spruchkörper nach dem Geschäftsverteilungsplan – zu verbinden sein.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf die Rechtsprechung zur Wiedereinbeziehung ausgeschiedener Gesetzesverletzungen (BGHSt 32, 84) sowie im Blick auf die Beschränkung der Strafverfolgung auf § 397 Abs. 2 StPO hin.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Tolksdorf, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen