Leitsatz (amtlich)
Soweit bei der Überführung von Grundstücken in Volkseigentum in Vollzug des Globalvertrages vom 30. Oktober 1959 zwischen dem Verband Deutscher Konsumgenossenschaften und dem Ministerium der Finanzen der DDR formelle Fehler aufgetreten sind, sind diese gemäß Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB nicht zu beachten. Infolgedessen konnte das Eigentum an einem solchen Grundstück nach der Wiedervereinigung wirksam gemäß den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes vom 6. November 1969 (BGBl. I 2081) auf eine gemeindlich gegründete GmbH übertragen werden (im Anschluß an BGHZ 136, 228).
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 237 § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Aktenzeichen 3 U 558/95) |
LG Gera (Aktenzeichen 3 O 287/94) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 30. April 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In der Revisionsinstanz noch streitig ist der Anspruch der Beklagten auf Kostenerstattung für Aus- und Umbauten in Ladenräumen des Anwesens Z. Straße in G.. Diesen Anspruch machte die Beklagte im Rechtsstreit im Wege der Widerklage geltend. Sie hatte insoweit in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg, wobei das Oberlandesgericht entscheidend auf mangelndes Eigentum der Klägerin an dem Anwesen abstellte.
Im Jahre 1955 war als Grundstückseigentümerin die Konsumgenossenschaft G. und Umgebung eGmbH im Grundbuch eingetragen. In einem privatschriftlichen Vertrag vom 30. Oktober 1959 vereinbarten der Verband Deutscher Konsumgenossenschaften (VDK) und das Ministerium der Finanzen der DDR die Überführung von ca. 850 Wohngrundstücken der konsumgenossenschaftlichen Organisationen in Volkseigentum; betroffen vom Vollzug dieses Vertrages war auch das hier strittige Grundstück. Am 11. Februar 1961 wurde dieses im Grundbuch als Eigentum des Volkes unter Rechtsträgerschaft des Rates der Stadt G. eingetragen. Bis zur Wiedervereinigung wurde es von einer „VEB Gebäudewirtschaft” verwaltet, danach durch einen Eigenbetrieb der Stadt G.. Auf der Grundlage von § 58 des Umwandlungsgesetzes vom 6. November 1969 (BGBl. I 2081 – im folgenden: UmwG alt) wurde durch notarielle Erklärung des Bürgermeisters der Stadt G. vom 21. Dezember 1992 die Umwandlung des Eigenbetriebes in eine GmbH, die Klägerin, eingeleitet, abgeschlossen durch die Eintragung der Klägerin in das Handelsregister am 10. Dezember 1993. In der maßgebenden Übersicht der Vermögensgegenstände, die auf die Klägerin übergehen sollten, ist auch das hier strittige Grundstück aufgeführt.
Der Beklagten wurde durch Schreiben der Stadt G., Gebäudeverwaltung, vom 26. Mai 1992 der Abschluß eines langfristigen Mietvertrages bei noch auszuhandelnden Konditionen zugesichert. Sie führte die Investitionen, für die sie Ersatz verlangt, in der Zeit von September bis Anfang November 1992 durch. Ein ihr von der Stadtverwaltung G. unter dem Datum 10. Dezember 1992 unterbreitetes Angebot zum Abschluß eines schriftlichen Vertrages, der einen monatlichen „Pachtzins” von 2.246,24 DM vorsah, unterzeichnete sie nicht. Sie betrieb in der Folge in den Räumen einen Handel mit Forst- und Gartengeräten. Sie leistete nur unregelmäßige Zahlungen, und zwar in Höhe von 5.000 DM im Januar 1993 und in Höhe von je 2.000 DM im März und Mai dieses Jahres. Auf ein Kündigungsschreiben der Klägerin vom 25. November 1993, das auf Zahlungsrückstände gestützt war, räumte sie das Objekt am 15. Januar 1994.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von insgesamt 72.498,74 DM nebst Zinsen weiter. Sie macht insbesondere geltend, daß von einem wirksamen Mietvertrag auszugehen sei, so daß die Forderung u.a. aus § 547 BGB begründet sei. Jedenfalls stehe ihr ein Bereicherungsanspruch zu; insoweit habe das Oberlandesgericht die Klägerin zu Unrecht nicht als Eigentümerin und damit passiv legitimiert angesehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß die Beklagte ihre Ansprüche nicht auf § 547 Abs. 1 BGB stützen kann. Die Vorschrift setzt voraus, daß es sich um Verwendungen auf eine Sache während der Laufzeit eines Mietverhältnisses handelt (vgl. Palandt/Putzo BGB 57. Aufl. § 547 Rdn. 2). Die Klägerin selbst hat Rechtspersönlichkeit mit der Eintragung in das Handelsregister am 10. Dezember 1993 erlangt (vgl. §§ 58 Abs. 2 i.V.m. 55 Abs. 1 Satz 1 UmwG alt), also erst längere Zeit nach dem Abschluß der fraglichen Bauarbeiten Anfang November 1992. Ein wirksames Mietverhältnis zwischen der Beklagten und der Stadt G. hat ebenfalls nicht bestanden. Das Berufungsgericht hat das Ergebnis der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt, daß eine Einigung über die Höhe des Mietzinses während der gesamten Dauer der Nutzung der Räume durch die Beklagte nicht zustande gekommen ist. Grundsätzlich ist aber für das Zustandekommen eines Mietvertrages erforderlich, daß der Mietzins entweder bestimmt vereinbart wird oder wenigstens bestimmbar ist (vgl. BGHZ 55, 248, 251; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 7. Aufl. Rdn. 53). Beides war hier nicht der Fall. Entscheidend kommt hinzu, daß seinerzeit ein langfristiger Mietvertrag angestrebt wurde, der gemäß § 566 BGB der Schriftform bedurft hätte. Dementsprechend ist der Beklagten auch ein schriftliches Vertragsangebot unterbreitet worden, das sie aber nicht unterzeichnet hat, weil ihr offenbar der angesetzte Mietzins zu hoch erschien. Durch Anwaltsschreiben vom 4. Februar 1993 wurde sie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es zu einem Vertragsabschluß nicht gekommen sei, weil sie das übersandte Vertragsangebot nicht unterzeichnet habe. Bei dieser Sachlage folgt auch aus der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB, daß ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Der Beklagten sind die Räume vorläufig überlassen worden in der Erwartung, daß ein Mietvertrag zu noch auszuhandelnden Konditionen zustande kommen werde. In solchen Fällen kann zwar ein Recht zum Besitz des in Aussicht genommenen Mieters bis zum Scheitern der Verhandlungen angenommen werden (auch die §§ 994, 996 BGB sind aus diesem Grunde während der Schwebezeit nicht anwendbar), aber etwaige Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen für Investitionen lassen sich nicht auf § 547 Abs. 1 BGB, sondern i.d.R. nur auf Bereicherungsrecht stützen (vgl. Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 2. Aufl. II 344; Sternel, Mietrecht 3. Aufl. I 215).
2. Einen Bereicherungsanspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB (condictio ob rem) hat das Oberlandesgericht zwar erwogen, aber letztlich deswegen verneint, weil die Überführung des strittigen Grundstücks in Volkseigentum aufgrund des Globalvertrages vom 30. Oktober 1959 nicht wirksam gewesen sei mit der Folge, daß auch die Klägerin aufgrund des im Jahre 1993 durchgeführten Umwandlungsverfahrens kein Eigentum erworben und damit auch keine Verbesserung ihrer Vermögenslage erfahren habe. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht.
a) Zu der Überführung in Volkseigentum aufgrund des Globalvertrages vom 30. Oktober 1959 hat der Bundesgerichtshof nach Erlaß des angefochtenen Urteils entschieden, daß zwar seinerzeit die erforderliche Auflassung der betroffenen Grundstücke nicht formgerecht erfolgt ist, daß aber die Wirksamkeit der Übertragungen während Bestehens der DDR nicht in Zweifel gezogen wurde und nach der Wiedervereinigung die Berufung auf den Formmangel gegen Treu und Glauben verstößt (BGHZ 136, 228 ff.). Nunmehr bestimmt Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB i.d.F. des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997 (WoModSiG – BGBl. I 1823), daß formelle Fehler bei der Überführung von Grundstücken in Volkseigentum unbeachtlich sind, wenn sie vermeidbar waren, wenn der Überführung rechtliche Hindernisse an sich nicht entgegenstanden und wenn gegen rechtsstaatliche Grundsätze nicht verstoßen wurde. Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG WM 1998, 1631). Ihre Voraussetzungen sind hier gegeben; denn die Überführung des strittigen Grundstücks in Volkseigentum war seinerzeit sachlich-inhaltlich möglich und ist lediglich nicht korrekt durchgeführt worden (vgl. BT-Drucks. 13/7275 S. 41; BGH, Urteil vom 28. November 1997 - V ZR 288/96 - für den gleichgelagerten Globalvertrag vom 30. November 1956). Der Senat hat die durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz geschaffene Rechtslage zugrundezulegen, auch wenn sie vom Berufungsgericht noch nicht berücksichtigt werden konnte (vgl. BGHZ 37, 233, 236). Danach hat das Oberlandesgericht seiner Entscheidung zu Unrecht zugrunde gelegt, daß die von ihm herausgestellten Formfehler bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum (dazu im einzelnen die im angefochtenen Urteil in Bezug genommene Entscheidung OLG-NL 1995, 44 ff.) bei der weiteren Entwicklung der Eigentumsverhältnisse zu beachten seien.
d) Der gesetzlich angeordnete Bestandsschutz für die damalige Überführung des Grundstücks in Volkseigentum hat hier zur Folge, daß die Stadt G. die Rechtsmacht hatte, das Ende 1992 eingeleitete Umwandlungsverfahren gemäß § 58 UmwG alt i.V. mit § 57 der Vorläufigen Kommunalordnung für das Land Thüringen (GVBl. 1992 S. 397) durchzuführen (vgl. Palandt/Bassenge aaO Art. 237 § 1 EGBGB Rdn. 5). Nach den vorgelegten Unterlagen sind dabei die notwendigen Förmlichkeiten beachtet worden. Insbesondere war der notariellen Umwandlungserklärung des Bürgermeisters vom 21. Dezember 1992 eine Übersicht der Vermögensgegenstände beigefügt, die auf die Klägerin übergehen sollten (§§ 58 Abs. 4 Nr. 3, 52 Abs. 4 UmwG alt). Da diese Übersicht auch das hier strittige Grundstück umfaßte, ging das Eigentum mit der Eintragung der Klägerin in das Handelsregister am 10. Dezember 1993 auf diese über (§§ 58 Abs. 2, 55 Abs. 1 Satz 2 UmwG alt). Es handelte sich um einen konstitutiven Eigentumsübergang, d.h. das Grundbuch bedarf insoweit lediglich der Berichtigung (vgl. zu einem ähnlichen Fall LG Stendal VIZ 1994, 143, m.Anm. Frenz).
3. Scheitert somit ein Bereicherungsanspruch der vom Berufungsgericht erwogenen Art nicht am mangelnden Eigentum der Klägerin, bestehen auch hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen keine Bedenken. Auszugehen ist von der rechtsfehlerfreien Feststellung, daß die Beklagte die fraglichen Baumaßnahmen im Hinblick auf den Abschluß eines langfristigen Mietvertrags durchgeführt hat, der dann, wie ausgeführt, nicht zustande gekommen ist. Die erforderliche tatsächliche Willensübereinstimmung der Beteiligten über die diesbezügliche Zweckverfolgung (vgl. BGHZ 44, 321, 323) kann unbedenklich dem unstreitigen Sachverhalt entnommen werden. Ein Bereicherungsanspruch entsteht in diesen Fällen, wenn der Nichteintritt des bezweckten Erfolges feststeht (vgl. BGHZ 108, 256, 266). Der danach maßgebende Zeitpunkt lag hier nicht vor der Erlangung der Eigentumsstellung durch die Klägerin am 10. Dezember 1993. Soweit bereits mit Schreiben vom 25. November 1993 in ihrem Namen eine Kündigung ausgesprochen worden ist, war dies ohne rechtliche Bedeutung, da seinerzeit die Befugnis, das Besitzrecht der Beklagten zu beenden, noch der Stadt G. zustand. Einheitlicher Gegenstand des Bereicherungsanspruchs sind sämtliche Aufwendungen für die in Frage stehenden Baumaßnahmen (vgl. BGHZ 108 aaO). Zu ersetzen ist allerdings nicht deren Wert, sondern für die Höhe des Anspruchs bestimmend ist eine Steigerung des Ertragswerts des präsumtiven Mietobjekts, die auf diese Baumaßnahmen zurückzuführen ist (vgl. BGHZ 111, 125, 131; Wolf/Eckert aaO Rdn. 1246; Palandt/Thomas aaO § 818 Rdn. 20).
4. Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte könne ihren Anspruch auf sonstige rechtliche Gesichtspunkte stützen, die möglicherweise weitergehen, kann ihr nicht gefolgt werden.
a) Sie verweist auf eine Erklärung der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1994, wonach der Beklagten im Oktober/November 1992 zugesagt worden sei, die Baumaßnahmen, die zur Vermietbarkeit des Geschäftes erforderlich seien, würden von der Klägerin übernommen. Im Oktober/November 1992 existierte die Klägerin noch nicht, so daß sie durch eine solche Zusage nicht gebunden worden wäre. Daß die Zusage seinerzeit nicht für die Klägerin, sondern für die Stadt G., dazu durch eine für diese vertretungsberechtigte Person, gemacht worden sei, ist nicht dargetan. Auch ist im Verfahren streitig gewesen, ob die Baumaßnahmen der Beklagten jedenfalls zur Gänze für die Vermietbarkeit der Räume erforderlich waren – die Klägerin hat insoweit auf eigene Baumaßnahmen der Stadt verwiesen –, ohne daß die Beklagte für ihr Vorbringen geeigneten Beweis angeboten hätte. Soweit eine Verbindlichkeit der Stadt G. in Betracht kommt, hätte sie im übrigen nur dann auf die Klägerin übergehen können, wenn sie anläßlich der Umwandlung in die bereits erwähnte Vermögensübersicht (§ 52 Abs. 4 Nr. 2 UmwG alt) aufgenommen worden wäre (vgl. §§ 58 Abs. 2, 55 Abs. 1 Satz 2 UmwG alt sowie Widmann/Mayer UmwG alt § 55 Rdn. 1052). Dafür ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.
b) Mögliche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag können sich nur gegen die Stadt G. richten, weil diese und nicht die Klägerin im Zeitpunkt der Vornahme der Baumaßnahmen Eigentümerin des Grundstücks und „Geschäftsherrin” i.S. der §§ 677 ff. BGB war (vgl. dazu Palandt/Thomas aaO § 686 Rdn. 2). Entsprechendes gilt für etwaige Ansprüche aus §§ 951, 812 BGB. Ein späterer Eigentümer kann insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 822 BGB in Anspruch genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1971 - VIII ZR 150/70 - LM BGB § 951 Nr. 28). Vorliegend sind ohnehin die bereits erwähnten Regeln des Umwandlungsrechts zur Haftung für Verbindlichkeiten des Rechtsvorgängers zu beachten. Daß in die Übersicht gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 2 UmwG alt Verbindlichkeiten aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus §§ 951, 812 BGB aufgenommen worden wären, ist nicht ersichtlich.
5. Das angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts kann nach allem insoweit keinen Bestand haben, als ein Bereicherungsanspruch der Beklagten wegen Zweckverfehlung (oben 3) verneint worden ist. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil Feststellungen zu einer durch die Baumaßnahmen bedingten Steigerung des Ertragswerts der fraglichen Räume fehlen. Die Sache muß daher zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Zysk, Gerber, Sprick
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.09.1998 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541120 |
NZG 1998, 958 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 99 |
WM 1999, 101 |
ZAP-Ost 1998, 683 |
MDR 1999, 27 |
NJ 1999, 144 |
Rpfleger 1999, 18 |
ZNotP 1998, 508 |
OVS 1999, 48 |